»Die Experten« ist ein dokumentarischer Roman. Die zentral agierenden Figuren und ihre Handlungen wurden hineinfiktionalisiert in eine Abfolge realer historischer Ereignisse, in denen reale Personen der Zeitgeschichte vorkommen. Ich beschreite mit dieser Methode einen schmalen Grat zwischen dokumentarischem Essay und literarischem Roman, zwischen historischer Untersuchung und politischem Thriller. Eine wackelige Angelegenheit! Im Grunde sah ich mich während der mehr als fünf Jahre dauernden Arbeit an diesem Buch – und teile dies hoffentlich mit den Lesenden – immer wieder vor die Frage gestellt: Aus welchen verschiedenen Erzählungen setzt sich eigentlich das, was wir als historische Wahrheit akzeptieren, zusammen? Wer verfolgt dabei welche Interessen? Wessen Worte, Gedanken, Absichten bleiben erhalten und wessen verschwinden im Nebel der Zeiten?
Wir leben heute in einer Ära, in der unzählige solcher historischer Wahrheiten gleichzeitig produziert und schon im Moment ihrer Entstehung wieder diffamiert werden – der US-amerikanische Präsident Donald Trump praktiziert dies Tag für Tag, indem er Twitter-Nachrichten im Minutentakt raushaut und alle anderslautenden Meldungen als »fake news« abtut. Und Trump ist lange nicht der einzige Machthaber, der so agiert. Es scheint sich als politische Praxis zu etablieren. Wir alle finden uns dauernd in der Situation von Rita Hellberg wieder, vor deren Augen eine Wahrheit nach der anderen sich aufbaut und wieder verflüchtigt.
Die einzige Antwort, die ich auf dieses Dilemma habe, ist Recherche – die Suche nach möglichst vielen, diversen Aspekten einer Angelegenheit. Die Recherche beginnt mit dem ersten Aufhorchen und endet mit der letzten Manuskriptfassung. Sie umfasst aufwühlende Begegnungen, zart aufschimmernde Spuren an Originalschauplätzen, mühsame Wege, die ins Nichts oder in die Irre führen. Archive! Publizistische, wissenschaftliche, juristische, private und politische Archive, und ich meine damit nicht nur die physische oder digitale Sammlung von Dokumenten, Berichten, Briefen, Bildern oder Filmen, sondern auch die Orte, von denen jeder sein eigenes Geheimnis hat: Verlorenes, Verborgenes, unter Verschluss stehendes.
Die mir wichtigsten Personen, Institutionen und Werke zur Arbeit an diesem Buch möchte ich hier nennen – und bitte schon jetzt um Verzeihung, falls jemand sich vergessen fühlt. Einige wollen aus persönlichen oder politischen Gründen nicht im Nachwort auftauchen, dennoch gilt ihnen mein Dank ebenso wie denen, deren Namen genannt werden.
Diesen Roman würde es nicht geben ohne die Idee, Inspiration und Begleitung meiner wunderbaren Freundin und Kollegin Stefanie Schulte Strathaus. Als Enkelin eines Flugzeugingenieurs hat sie mir den Nachlass ihrer Großeltern geöffnet, der aus Ordnern voller Reiseberichte, Kurzgeschichten, Tagebüchern, Briefen, Notizen, Quittungen und Andenken sowie einer umfangreichen Diasammlung besteht. Durch sie traf ich Frauen und Männer, die ihre Kindheit oder Jugend als »Expertenkinder« in Ägypten verbracht haben. Durch ihre Augen und mit ihr zusammen durfte ich Kairo – ihre zweite Heimat –, Tel Aviv und Ramallah erleben. Mit ihr habe ich jeden Aspekt dieses Buches mindestens einmal diskutiert, ihre klugen Fragen und Anmerkungen stecken überall darin, und vor allem hat mich ihr unumstößlicher Glaube an dieses Projekt durch alle Höhen und Tiefen gebracht.
Mein Dank gilt weiterhin der gesamten Familie, die dieses Projekt ermöglicht hat: Stefanies Mutter Ute-Karen Voigt, die für mich Skype-Konferenzen mit ihren Schwestern organisiert und tagelang die Sütterlin-Handschrift ihrer Mutter entziffert hat. Angelika Siegel und Gerhard Rothmann, deren immer authentische, humorvolle und kritische Stimmen ich beim Schreiben im Ohr hatte und deren Gastfreundschaft legendär war. René Siegel, der uns kurz vor seinem Tod noch eindrücklich von seinen Reisen nach Kairo berichtet hat.
Auf der Suche nach weiteren Zeitzeugen war Kersten Schüßler, Autor des Films »Der Mossad, die Nazis und die Raketen«, enorm behilflich.
Ilka Keiner, geb. Quaschny, hat ihre Erinnerungen an Maadi und die Fabrik 135 und ihre Fotoalben an einem herrlich verregneten Tag in München mit mir geteilt. Klaus Fehrer hat uns durch den DLR-Standort Lampoldshausen geführt, seine Begeisterung für Raketentechnik und für Kairo waren gleichermaßen ansteckend. Mit seiner Frau Heidelinde habe ich über die Arbeit im Sekretariat der Fabrik 333 telefoniert. Alle drei waren immer wieder ansprechbar für Nachfragen und haben Wunder vollbracht – alte Adressen gefunden, Koordinaten ermittelt.
Dr. Philipp Hannah hat den Kontakt zu seiner Familie in Bremen hergestellt: Vater und Onkel waren als Ingenieure von Helwan in die BRD zu Airbus gewechselt. Habashy Hannah und Heidemarie Hannah haben uns diesen Aspekt deutsch-ägyptischer Migrationsgeschichte nähergebracht.
Im Hof seines Hauses in Dokki hat uns Muhammad Diya’i Nafi‘, Autor des einzig mir bekannten ägyptischen Buches zur Raketen- und Flugzeugproduktion unter Nasser, mehrfach empfangen. Seine Erfahrungen aus erster Hand waren unersetzlich. Mohammed Gawad hat das Buch extra für uns ins Englische übersetzt.
Rechercheurin, Übersetzerin, Begleiterin: Malak Shenouda war in Ägypten fast immer an meiner Seite. Kilometer um Kilometer hat sie mit mir die Schauplätze abgeklappert, die Entdeckung des alten Löwenbräu-Kellers bleibt unvergesslich. Und nicht nur Malak, ihre ganze Familie hat für dieses Buch alles Mögliche möglich gemacht. Ein Nachmittag mit allen vier Großeltern im Gezirah Sports Club war wie eine Zeitreise ins Kairo von 1960, und auch hier durfte ich nachfragen und nochmal nachfragen und nochmal …
Schwester Anecita vom Orden der Borromäerinnen in Maadi konnte sich noch an den deutschen Arzt Dr. Eisele erinnern, ebenso der Chronist und Autor Samir Raafat, der sein ganzes Leben in Maadi verbracht hat. Seine liebevoll zusammengestellte Textsammlung »Maadi. 1904-1962« und sein Blog www.egy.com erzählen von diesem einzigartigen, kosmopolitischen Stadtteil.
Dr. Zohar Rubinstein aus Tel Aviv war als Kind ein Nachbar des »Champagnerspions« Wolfgang Lotz, heute ist er ein weltweit anerkannter Psychiater und Experte für Krieg und Trauma, der mir unschätzbaren Einblick in die psychologische Seite der israelischen Reaktion auf die ägyptische Raketenproduktion vermittelt hat.
Immer wieder haben mir und uns Menschen ihre Gastfreundschaft und vieles mehr gewährt: 2017 haben wir in Kairo bei einem Schauspieler gewohnt, dessen Cousin eine Wohnung im »Experten-Hochhaus« in der Abou El-Feda besitzt. Gleich um die Ecke in Zamalek besuchten wir die berühmte Laura Laurella, in deren Ballettschule die Töchter der Experten sich in klassischem Tanz geübt haben.
2018 hat Sahar Qawasmi uns in Ramallah ins Riwaq Centre for Architectural Conservation und ins Haus ihrer Familie eingeladen. In Tel Aviv haben Avi Mograbi und Avital Barak uns ein Dach über dem Kopf und lange Gespräche am Küchentisch geschenkt. Ohne sie alle hätte ich niemals in so kurzer Zeit einen Einblick in den vielleicht kompliziertesten Konflikt der Welt erhalten können. Dieser Einblick erschien mir unerlässlich, um »Die Experten« schreiben zu können. Zurück in Kairo, habe ich bei der Soziologin Gerda Heck gewohnt, ausgedehnte Stadtspaziergänge, Gespräche über Politik und Literatur, Züge durch die Kairoer Bierkneipen inklusive.
2019 im Hamburger Nieselwetter haben Svenja Harten und Momme Trojan mich in Ottensen mit Gästezimmer und Regenzeug versorgt und ihren Lieblingsplatz mit Elbblick für das Buch zur Verfügung gestellt.
Weiterhin danke ich für die Gelegenheit, mich umzuschauen: dem Mena House Hotel in Gizeh, dem Ritz Carlton Hotel (vormals Hilton) in Kairo, Jaqueline Mikhail, dem Windsor Hotel in Alexandria, dem Löwenbräu Restaurant, dem Kloster der Borromäerinnen in Maadi, insbesondere Schwester Regina und Schwester Miriam, der Deutschen Schule der Borromäerinnen in Babellouk, der Kirchengemeinde St. Joseph, Café Groppi (Adly Street), Hotel Louis C. Jacob in Hamburg und vielen anderen.
Auch Archive werden von Menschen erschaffen, gepflegt und zugänglich gemacht. Zuallererst möchte ich hier Bodo Hechelhammer, dem Chefhistoriker des BND danken, der sich nach einem ausführlichen Gespräch über die dem Buch zugrunde liegenden Ereignisse bereit erklärt hat, das Projekt zu unterstützen: Mehrere Tage lang durfte ich Ordner wälzen, unzählige Berichte durchsehen, Quellen studieren. Und nicht nur das – ich konnte sie im Buch verwenden und damit Einblick in Sprache, Form und Inhalt einer Textgattung geben, die den meisten von uns weitgehend unbekannt ist. Auch Frau Rosenthal und Herrn Flatau vom BND möchte ich danken.
Ola Seif von der Bibliothek der American University in Kairo hat uns in Fotosammlungen und Zeitungsarchiven stöbern lassen. In der Abteilung Zeitschriften und Zeitungen der Staatsbibliothek zu Berlin habe ich immer ein offenes Ohr und ein Mikrofichegerät gefunden. Im Stadtarchiv Basel hat Hermann Wichers es möglich gemacht, das Gerichtsprotokoll der Verhandlung gegen Ben-Gal und Joklik zu sichten, dem Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich, Stefanie Salvisberg und Rosina Berger, verdanke ich die Akten der Verteidigung und den Urteilstext aus dem Nachlass Brunschvig. Im Evangelischen Zentralarchiv Berlin habe ich mit Hilfe von Maxi Schulenburg im Nachlass Gollwitzer Unterlagen zu den Deutsch-Israelischen Studiengruppen gefunden; in der Bibliothek des ZMO und der Humboldt-Universität die ägyptische Zeitung Al Ahram aus den 1960er Jahren; im Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung das umstrittene ODESSA-Protokoll aus dem Nachlass Schwend. Im Stadtteilarchiv Ottensen schließlich habe ich kistenweise Fotos aus den 1960er und 1970er Jahren durchgesehen.
Was ich nicht selbst hören oder sehen konnte, habe ich nachgelesen: Frederick Forsyths »Die Akte Odessa« natürlich, Biografisches und Autobiografisches von Lotz, Brandner, Gehlen, Skorzeny, Eisele. »Die Viper« von Aharon Moshel aka Horst Ansel war für die Entwicklung der Figur von Johnny wichtig. Hervorzuheben sind weiterhin der Essay »Agenten, Wissenschaftler und Todesstrahlen« von Thomas Riegler, Jürgen Scheffers Aufsatz »Die heimliche Raketenmacht« – danke für das freundliche Telefonat! – sowie das aktuelle Standardwerk zum Mossad »Der Schattenkrieg« von Ronen Bergman, den ich leider in Tel Aviv verpasst habe. Hier und dort ein Hinweis zur Sache in Abhandlungen über die deutsch-israelischen Beziehungen der Nachkriegszeit, den Mossad, die Operation Damokles, BKA und BND sowie in Schriftensammlungen zur politischen Zeitgeschichte des Auswärtigen Amtes. Pflichtlektüre zur Hamburger Kneipenszene sind »Palette revisited« und Hubert Fichte. Um mir ein Bild von technologiekritischen Strömungen der Zeit zu machen, waren die Texte und Radiosendungen des Quantenphysikers Walter Heiter hilfreich; aus politischer Sicht die Texte und Aufnahmen Fritz Bauers sowie Ulrike Meinhofs. Die Geschichte der jüdischen Emigration aus Kairo wird lebendig in »The Man in the White Sharkskin Suit« von Lucette Lagnado. Ansonsten: Romane, Gedichte, Flugblätter gelesen, viel Musik gehört.
Unverzichtbar bei der Recherche mitgewirkt und aus dem Arabischen übersetzt haben Amel Alzakout und Majd Jammoul, die Nasser-Rede hat Anna Friedrich ins Deutsche übersetzt.
Korrektur gelesen und kostbares Feedback gegeben hat wieder einmal Tina Ellerkamp, für die Familie des Ingenieurs: Stefanie Schulte Strathaus und Angelika Siegel sowie Ute-Karen Voigt und Rainer Schulte Strathaus.
Für Unterstützung und Gespräche möchte ich weiterhin Bettina und Cornelia Schulte Strathaus, Tobias Voigt, Katharina und Hannelore von Ballestrem, Ala Younis, Susanne Schultz, Gerd Habighorst, Renate Sami, Mariam Mekiwi, Jörg Heitmann, Rubaica Jaliwala, Rainer Schleßelmann, Navina Sundaram, Frieder Schlaich, Tamer El Said, Maha Maamoun, Max Annas, meiner Familie und den Kolleginnen bei pong Film danken.
Ein Buch wie »Die Experten« kann nicht ohne institutionelle Hilfe und die Zusammenarbeit vieler Experten und Expertinnen entstehen.
Den wichtigen Anfang machte in dieser Hinsicht das Goethe-Institut Kairo, hier gilt mein besonderer Dank Johanna Keller, in Zusammenarbeit mit der Cimateque Kairo, Yasmin Desouki, dem CIC, Andrea Thal, und dem Kunstraum Medrar.
Von der Agentur Graf & Graf möchte ich Julia Eichhorn, Meike Herrmann und Hanna Dürholt für ihre Unterstützung danken.
Der Suhrkamp Verlag kam in Person meines Herausgebers und Lektors Thomas Wörtche an Bord, der dieses gewaltige Projekt in allen Phasen der Umsetzung mit mir gestemmt hat und mir jederzeit mit Rat, Tat und Optimismus zur Seite stand. Seine enormen Kenntnisse in Sachen Militär und Geheimdienste waren unersetzlich, sein literarischer Sachverstand ebenso. Im Verlag möchte ich Winfried Hörning für Mut und Ermutigung danken, Verena Sich für ihren juristischen Beistand und konstruktive Vorschläge, sowie Sabine Oswald und Matthias Reiner.
Jede Fassung gelesen, das Material studiert, Playlists zusammengestellt, stundenlang diskutiert, Mut gemacht, den Rücken freigehalten und schier endlose Geduld bewiesen hat wie immer Philip Scheffner. Danke!
Merle Kröger, September 2020