16.11.2059, 07:00 Uhr, MED-Lab:
Sie war noch müde und trotzdem drängte es sie, aufzustehen. Oh ja, es war sehr gemütlich in diesem Bett und noch eine Weile die Augen geschlossen zu halten, war eine schöne Möglichkeit, die Behaglichkeit zu verlängern. Was hatte dieser Miko oder Moki gestern erzählt? Sie lagen in …
Schlagartig schlug Dr. Lara Horn die Augen auf. Der Raum, wo alle Crewmitglieder lagen, war nur sehr diffus erleuchtet. Lara schlug die Bettdecke zurück und natürlich, sie war nackt ins Bett gegangen. Sie zog den Matratzenbezug ab und wickelte sich darin ein. Die Temperatur im Raum betrug keine 20 Grad. Das war nach der Hitzeperiode der letzten Wochen für die geschundenen Körper die reinste Wohltat. Dann ging sie im Raum herum. Sie hörte gleichmäßige Atemzüge. Die Mannschaft schlief noch. Sie schlich von einem Bett zum anderen und bei Max blieb sie einen Moment länger stehen. Er sah so entspannt und friedlich aus, wenn er schlief. Sie ging lächelnd weiter, und aus dem Bett von Felipe Gonzo schauten sie zwei dunkle Augen sehr wach an: „ Moin Doc. Der Umhang steht dir! “
Hastig korrigierte Lara den Bezug nach oben. Da schaute oben schon eine Menge heraus.
Felipe zeigte ein kurzes Lächeln und Lara ging weiter. Am Bett von Emma McDoubt blieb sie stehen und sah in das ruhige und schöne Gesicht der schmächtigen Britin. Die platinblonden Haare waren in den letzten Wochen etwas länger geworden, aber auch das stand der 160cm großen Frau.
Emma schlug die Augen auf und nach einer sehr kurzen Zeit der Orientierung sagte sie: „Guten Morgen, Lara. Sind wir die Einzigen, die schon wach sind?“
„Felipe ebenfalls“, gab sie Auskunft.
Emma schlug ihre Decke zurück und Lara warf einen Blick auf den knabenhaften Körper.
„Ich mach’ das so wie du“, sagte Emma ohne Scham und nahm ebenfalls den Bettbezug als Kleidung. Dann dauerte es nicht mehr lange und alle waren wach. Steven Huxley stand grinsend und völlig nackt mitten im Raum, Max Anderbrügge hielt das Kopfkissen vor seine Männlichkeit, Lars hatte den Bezug um die Hüften geschlungen wie Felipe. Elana nahm die Bettdecke zu Hilfe und Ina war barfuß bis zum Hals. Ihre Devise: Was im Schwimmbad geht, geht auch auf der medizinischen Station.
Wie ging es weiter?
Emma traute sich: „KI! Kannst du mich hören?“
„Ich höre und verstehe.“
„Wir sind wach und würden gern mit Moki sprechen und eventuell Nahrung zu uns nehmen.“
„Begebt euch in die Kantine, Moki kommt dort hin.“
Emma sah auf ihre Crew. Sie machten alle einen erholten und frischen Eindruck. Lara hob einen Arm.
„Lara?“
„Ich möchte die KI etwas fragen“, sagte sie.
Emma hob eine Hand für ihre Zustimmung.
„KI! Ich möchte wissen, ob alle Crewmitglieder gesund sind.“
„Die Untersuchungsergebnisse sind noch nicht durchgerechnet. Eine oberflächige Bewertung ist positiv. Es gibt keine akuten Erkrankungen.“
„KI! Ich möchte mehr erfahren über eure Behandlungsmethoden. Ist das möglich?“
„Wir stellen unser Wissen den Nachfahren der Erbauer zur Verfügung.“
Lara sah zu Emma. Das genügte ihr zunächst. Emma ging vor und sie folgten der Commanderin.
In der Kantine gab es eine Überraschung. Moki erwartete sie bereits und hatte für jeden ein Paket. Er überreichte es jedem einzeln und Emma fand schnell heraus, dass es sich um Kleidung handelte.
„Die Körpermaße waren aufgrund des Scans bekannt, sodass ich Kleidung anfertigen lassen konnte. Wenn ihr wollt, probiert es.“
Emma packte ihre Sachen aus. Es handelte sich um einen Jumpsuit und ein Paar weiche Bordstiefelchen. Sie warf die Decke weg und schlüpfte hinein. Vorn gab es einen Reißverschluss. Es war angenehm zu tragen und passte perfekt. Ihre Garderobe war in Rot, wie auch die Schuhe. Jeder hatte eine unterschiedliche Farbe. Claire in Blassblau, Ina in Dunkelblau, Lara in Grün und, als wenn Moki es geahnt hätte: Felipe in Schwarz.
„Oh, isch ’ätte gern einen Rock oder ein Kleid“, sagte Claire. „Isch ’abe schon selbst geschneidert.“
„Deck 6“, sagte Moki. „Die KI wird die Maschinen nach einem Muster einstellen können. Ein paar Versuche und es wird sicher gehen.“
Emma griff den positiven Impuls auf: „Claire wird uns mit Kleidung versehen. Claire, dein Job.“
Die Französin machte sogar einen Knicks: „Gern!“
„Wie bekommen wir die Sachen gewaschen?“, wollte Emma von Moki wissen.
Der Roboter mit dem Chromkörper antwortete: „Legt die Kleidung auf den Flur vor euren Unterkünften. Am nächsten Tag findet ihr die Sachen dort gereinigt vor.“
„Das ist ja mal praktisch“, gab Ina von sich.
„Zeiteinteilung“, begann Moki. „Wie sollen wir uns darüber verständigen?“
„Eine Sekunde ist dir ein Begriff?“, fragte Emma.
„Diese Zeiteinheit kenne ich zwar, aber wonach muss ich mich da richten?“
Emma überlegte. Sie mussten den kleinsten gemeinsamen Nenner festlegen. Elana sprang für sie ein: „In einer Sekunde legt das Licht 299.792,458 Kilometer zurück.“
„Was ist ein Kilometer. Ich habe mehrere unterschiedliche und ähnliche Begriffe?“
Emma seufzte: „Wir haben ein Dezimalsystem.“
„Bekannt“, sagte Moki.
Lara sprang ein: „Meine medizinischen Daten besagten, dass Max am frühen Morgen 1,792 Meter groß ist. Max, zieh mal bitte die Schuhe aus.“
Max tat, wie verlangt und Moki sah ihn an. Scheinbar nahm er Maß.
„Tausend Meter ist ein Kilometer“, fuhr Lara fort.
„Und das Licht legt 299.792.458 Meter in der Sekunde zurück“, stellte Moki klar.
Emmas Gedanken wirbelten: „So ist es.“
„Dann habe ich die Maßeinheit für eine Sekunde“, gab der Robot bekannt.
Emma hob einen Finger: „60 Sekunden ist eine Minute, 60 Minuten ist eine Stunde und 24 Stunden ist ein Tag. Wir haben heute den 16.11.2059. Dieser Monat, eine Ansammlung von Tagen, hat 30 Tage. Dann beginnt der Dezember mit 31 Tagen. Das Jahr hat 365 Tage und es gibt Ausnahmen. Wir haben jetzt 08:17 Uhr. In der Regel schlafen wir ca. von 22:00 bis 07:00 Uhr. Wann können wir mit Erzeugnissen aus den Gärten und aus der Proteinzucht rechnen?“
„Wir haben Notrationen an Bord“, versicherte Moki. „In etwa drei Tagen sollte die erste Ernte stattfinden können.“
„Gut, wir haben noch selbst etwas. Dann lass uns jetzt mal Nahrung zu uns nehmen, dann diskutieren wir die Lage und was weiter geschieht.“
Die Crew setzte sich an einen der größeren Tische und Emma bat Moki, sich zu ihnen zu setzen.
„Moki, was machst du? Wo liegt der Sinn dessen, was du tust? Gib uns einen Bericht, bitte.“
„Ich kann sagen, woher ich komme, aber der Sinn? Ich komme aus einem System, das 5.333 Lichtjahre von hier entfernt ist. Man nennt es das Walan-System. Meine direkten Konstrukteure nennen sich Walaner. Diese Walaner waren Siedler und so kam die Frage nach der Herkunft auf. Es war bekannt, aus welcher Richtung ein Schiff die ersten Walaner dorthin gebracht hatte. Alles andere war im Laufe der Jahrtausende untergegangen. So wurde ich ausgeschickt, Nachforschungen zu betreiben. Ich bekam den Befehl, wenn ich die Ahnen gefunden hatte, mich, also das Schiff, zur Verfügung zu stellen. Im Namen meiner walanischen Erbauer soll ich euch um einen Besuch bitten.“
Moki schwieg und Emma stellte eine weitere, wichtige Frage: „Wie lange bist du unterwegs, Moki.“
„Ich habe gestern noch einen Teil der Daten ausgewertet, die wir beim ersten und zweiten Vorbeiflug am dritten Planeten dieses Systems aufgefangen haben. Daraus ergeben sich entsprechende Definitionen von Zeit und Entfernung. So brauchen wir nicht mühsam eine gemeinsame Basis zu finden. Unser Gespräch von vorhin diente der Eingruppierung, weil es verschiedene Systeme auf eurem Planeten gibt. Ich wollte sicher gehen. Dieses Schiff ist seit 4.833 Jahren unterwegs.“
Steven klappte der Unterkiefer weg: „Dann brauchen wir für die Rückreise auch wieder knapp 5.000 Jahre?“
Elana hob einen Arm: „Moment mal. Das Walan-System liegt 5.333 Lichtjahre entfernt. Die Reisezeit 4.833 Jahre. Dieses Schiff müsste schneller fliegen können als das Licht.“ Die Spanierin sah den Robot fragend an.
„Erst in der letzten Etappe bin ich schneller als das Licht geflogen“, gab Moki zurück. Emma fiel auf, dass der Robot von sich sprach, wenn er das Schiff meinte. Offenbar verstand er sich als Einheit.
„Warum nur die letzte Etappe?“, wollte Ina wissen.
„Meine Einheit ist kognitiv. Ich entwickle mich weiter und so kam ich schließlich darauf, wie man schneller als das Licht fliegen kann. In meinem Innern wurden in den Fertigungsstraßen neuartige Antriebe gebaut, dann eingebaut und benutzt.“
„Das ist unge’euerlich“, kam es mit französischem Dialekt. „Eine selbstlernende KI, die nischts vergisst.“
Emma konnte Claire nur zustimmen.
„Wir könnten also jetzt zur Erde zurückfliegen?“, fragte Steven.
Moki bestätigte.
„Ich denke, das ist nicht so einfach“, gab Emma zurück und sah Felipe dabei an. Dieser rückte mit seinem Stuhl etwas vor.
„Wenn einer der führenden Machtblöcke auf der Erde dieses Schiff in die Hände bekommt, dürfte das für ihn den ultimativen Vorteil darstellen. Wenn wir jetzt also auf die Erde zufliegen, wird es ganz zwangsläufig zu einem Weltkrieg kommen. Die augenblickliche Machtstruktur ist so heikel, dass ein Funke reicht, um die Welt in Brand zu setzen. Allein unser Kampf gegen das chinesische Raumschiff könnte schon ausgereicht haben. Ganz sicher wird es passieren, wenn wir zurückkommen.“ Felipe lehnte sich zurück. Er war mit seiner Einschätzung der Lage fertig.
Emma griff wieder ein: „Wir wissen zudem nicht, was in der Zwischenzeit passierte. Sie werden dort unten nicht wissen, welches Schiff den Kampf überlebt hat. Wahrscheinlich belauern sie sich jetzt schon. Ich will nicht schuld sein am millionenfachen Tod auf der Erde.“
„Dann können wir nischt zurück?“, fragte Claire.
Es entstand betretenes Schweigen. Jeder wollte zurück, aber nicht mit einer solchen Schuld.
„Ich bin nur eine einfach Commanderin, und das getraue ich mich nicht, zu entscheiden“, gab Emma von sich. „Können wir die Flieger nutzen und damit zur Erde fliegen, Moki?“
„Das ist kein Problem. Ihr müsstet die Steuerung dieser Flieger lernen. Es handelt sich um zwei Jäger und ein Transportschiff.“
Steven bekam leuchtende Augen und Emma bemerkte das. Sie nickte ihm zu, aber Felipe brachte einen anderen Gedanken hinein: „Jäger? Wofür brauchen die Walaner Jäger?“
Alle starrten den chromglänzenden Droiden an.
„Wir sind nicht allein im Weltall und nicht alle Spezies sind friedlich – nehmen wir an.“
Das war ein Schock, der verdaut werden musste. Bei Felipe gab es da nichts zu verarbeiten und deswegen fragte er weiter: „Dieses Schiff, bist du ... bewaffnet?“
„Ich verfüge über eine ausreichende Bewaffnung.“
„Hast du daran auch weitergearbeitet?“
„Seit Beginn meiner Reise.“
Felipe zog die Lippen auseinander: „Dann dürften hier Waffen vorhanden sein, die alles in den Schatten stellen, was auf der Erde produziert wird.“
„Habt ihr Kontakt zu feindlichen Alienrassen?“, fragte Moki.
„Jetzt wird es peinlich“, bemerkte Max Anderbrügge.
„Nein, wir bekämpfen einander“, kam es als Seufzer von Lara.
„Das verstehe ich nicht“, gab Moki zu. „Ihr seid nicht in der Lage, euer System zu verlassen und bekämpft euch auf dem einzigen für euch bewohnbaren Planeten?“
„Ich sag’ ja, jetzt wird es peinlich“, wiederholte sich Max.
„Eure Waffen müssten einen Stand erreicht haben, der diese Welt verwüsten und unbewohnbar machen können.“
Emma senkte den Kopf: „Du hast unsere Debatte von eben verfolgt, Moki. Daher stellen wir infrage, ob wir jemals wieder zurück zur Erde können.“
„Dann ist meine Mission gescheitert“, gab Moki unbewegt zu.
„Nicht unbedingt“, warf Emma ein. „Wir müssen nur genau überlegen, was wir tun. Ich hätte am liebsten Admiral Tony Winter hier. Er wüsste, was zu tun ist.“
„Warum ’olen wir ihn nischt?“, fragte Claire. Graublaue Kulleraugen sahen Emma dabei an.
Emma sah den Robot an: „Können wir Personen von der Erde holen?“
„Das wird, nach einer entsprechenden Schulung, kein Problem sein“, gab dieser zurück. „Zumindest technisch nicht. Die Jäger sind in der Lage, insgesamt sechs Personen zu transportieren und mit der verträglichen Umwelt zu versorgen. Das Transportschiff auch mehr.“
Emma fasste eine schnelle Entscheidung: „Lars, Steven und Elana. Ihr drei lernt mit einem solchen Schiff zu fliegen. Felipe lässt sich die Waffen an Bord dieses Schiffes erklären. Ina beschäftigt sich im Allgemeinen mit der Technik. Lara wird sich mit den medizinischen Dingen und was hier möglich ist, auseinandersetzen. Den Rest bitte ich, sich weiterhin das Schiff anzusehen oder Fragen an Moki aufzuschreiben. Wir haben jetzt ein Ziel: Mission Tony Winter. Auf geht es!“
Emma sah in zustimmende Gesichter und Max nickte ihr verstohlen zu. Sie nahm das Zeichen positiv. Die Mannschaft würde ihr folgen, auch wenn sie beschloss, dass ein Rückweg zur Erde unter diesen Umständen ausgeschlossen war.
Wenig später ergab sich die Möglichkeit eines kleinen Gespräches zwischen Emma und Max.
„Du hast eine gute Truppe, Emma.“
„Ich? Wir sind eine gute Truppe, Max.“
Max Anderbrügge grinste: „Genau wegen dieser deiner Einstellung ist es so. Wir sind heterogen. Vom Charakter, Temperament und Alter – soweit es geht. Wir ergänzen uns. Wie man sieht, hat selbst ein cholerisch veranlagter Mann wie unser Pilot seine Berechtigung im Team. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, Emma. Ich bin gern dabei.“
„Wegen Lara?“, grinste Emma.
„Auch, auch“, gab Max etwas verlegen zu. „Aber ich bin der Meinung, wir stehen am Beginn des größten Abenteuers der Menschheit. Und ich bin dabei – großartig.“
„So siehst du das?“, fragte Emma und wurde nachdenklich.
„Stell dir vor, wir sind jetzt schon Leute, die so ziemlich am weitesten geflogen sind. Überlegt mal, wenn wir mit diesem Schiff zum Walan-System fliegen – ein paar tausend Lichtjahre entfernt. Wir werden Dinge sehen, die noch keiner sah.“
„Das habe ich so noch nicht begriffen“, gab Emma zu.
„Ja, weil du durch und durch die verantwortungsbewusste Kommandantin dieser Mission bist, Emma. Du bist Teil dieser Aufgabe, nicht die Aufgabe selbst, Emma. Lass dich mal aus diesem Käfig heraus. Du wirst gewinnen und wir alle auch.“
Emma nickte: „Danke für deinen Rat, Max.“
„Gern.“
11:00 Uhr, Flugdeck:
Der heute Morgen noch als Mann mit cholerischer Veranlagung bezeichnete Steven Huxley bewies gerade die Aussagekraft von Max Anderbrügge.
„So eine Scheiße!“ Steven hangelte sich aus dem Bauch des Schiffes heraus. Eine Art Strickleiter aus Metall machte das möglich. Wütend stapfte der Amerikaner auf Moki zu, der hinter den Fliegern stand und mit den KIs ganz offensichtlich in Verbindung stand.
Was war passiert?
Die Jäger sowie das Transportschiff waren mit Simulatoren ausgerüstet. Während die Flieger unverändert auf dem Deck standen, spielte sich für die Piloten eine ganze Menge ab. Die Fenster wurden zu Monitoren und eine KI erklärte die Steuerung. Anschließend gab es ein Übungsszenario. Um alles vollends realistisch zu machen, hatten die drei untereinander die Möglichkeit, per Funk zu kommunizieren.
Elana, die das große Transportschiff ‚lenkte‘, hatte gerade voller Freude berichtet, dass sie Level 3 erfolgreich absolviert hatte.
Nun, Steven war noch bei Level 2 und gerade zum vierten Mal abgeschmiert.
„Dagegen ist die STARHUNTER noch einfach zu bedienen“, polterte er los, als er Moki erreicht hatte.
„Das bezweifle ich“, gab der Robot zurück.
Steven stotterte was und warf die Arme erregt in die Luft.
„Fliegen können und ein solches Schiff zu steuern sind zwei verschiedene Dinge“, erklärte Moki.
„Was?“ Hier kam Steven nicht mehr mit.
„Die Navigationshilfen sind alle abgeschaltet. Ich lege Wert darauf, dass die Piloten auch ohne Rechnerunterstützung die Maschinen fliegen können. Das ist der Unterschied“, erklärte Moki. Und setzte hinzu: „Offenbar ist Elana Gomez besser in der Lage, ein solches Instrument zu beherrschen.“
Steven schnaufte und suchte etwas, was er gegen irgendwelche Wände werfen konnte. Er fand nichts und sein persönlicher Druck stieg. Und Moki schaffte es, noch einen draufzusetzen: „Ich bemerkte dazu, dass die Steuerung des größeren Fliegers ohne die Hilfen noch schwerer ist als bei dem kleineren Jäger. Ich empfehle, das Trainingsprogramm fortzusetzen oder eine andere Person zu benennen.“
Steven sah aus, als wollte er den Droiden umhauen. Dieser blieb aber ruhig und abwartend von Huxley stehen. Auch kein Akt der Beruhigung.
„ Niemals “, brüllte Steven dann auch, drehte sich um 180 Grad und stapfte wieder auf den Flieger zu.
Lars Witte stöhnte ebenfalls unter den Anforderungen. Anders als Steven hatte er bei den einleitenden Worten genau hingehört und er wusste, dass die Flughilfen abgeschaltet waren. Auch hatte die KI ihm verraten, dass die mögliche Flugerlaubnis für ihn dann auch das Transportschiff beinhaltete, genau wie Elana dann einen Jäger fliegen konnte. Die Steuerungen waren identisch.
Lars hatte Level 2 beendet.
Im Grunde gab es eine einfache Aufgabe: Bei Level 1 musste der Flieger vom Landedeck herunterbewegt werden.
Level 2 beinhaltete die Rückkehr auf das Landedeck und das korrekte Abstellen des Jägers.
Beim letzten Level hatte Lars beim ersten Versuch eine Menge Kleinholz gemacht. Er war mit viel zu hoher Geschwindigkeit zurückgekommen und schaffte es nicht mehr, den Flieger abzubremsen. Er hatte sich vor Schreck bald in die Hosen gemacht, als er sehendes Auge auf die Deckwand zugeflogen war. Dann hatte es mörderisch gerumst und tatsächlich war die Simulation so gut, dass Fesselfelder ihn im Sitz festhalten musste, sonst wäre er nach vorn aus dem Stuhl gekippt. Er hatte volle fünf Minuten gebraucht, bis sich sein Herzschlag soweit beruhigt hatte, dass er erneut Level 2 angehen konnte. Und da war das Lernprogramm unerbittlich. Er begann jedes Mal wieder mit Level 1 und brachte den Flieger in den Weltraum. Er konnte sich vorstellen, dass man bei den anderen Aufgaben zum Abschluss den Jäger wieder landen musste. Auf diese Weise entstand Routine.
Ganz in der Nähe war auch Claire Dumont unterwegs. Sie hatte sich in die Produktionsstätten gewagt und sagte dort zögerlich: „KI?“
Sie zuckte regelrecht zusammen, als diese antwortete: „Was kann ich tun?“
Claire schluckte. Wie konnte sie denn das erklären?
„Isch brauche Kleidung.“
„Körpermaße sind bekannt. Welchen Zweck soll die Kleidung haben?“
Claire riss die Augen auf. Kleidung und Zweck?
„Sie soll schön sein“, sagte sie bestimmt.
„Schön ist eine subjektive Auffassung. Das verkompliziert die Aufgabenstellung. In den letzten Tagen wurde eine Menge digitaler Informationen von der Welt abgespeichert, von der du stammst. Geh geradeaus etwa 20 Meter, dann siehst du links an der Wand einen Monitor. Es sind Abbildungen von Kleidung vorhanden. Du suchst aus und ich stelle her.“
„O, oui“, sagte die Französin und marschierte in die entsprechende Richtung. An der angegebenen Stelle fand sie einen aktiven Monitor. Die Steuerung funktionierte verbal wie auch durch Drücken auf dem Schirm selbst und war sehr intuitiv. Die intelligente Claire fand innerhalb von Sekunden heraus, wie das System funktionierte. Kurz darauf hatte sie sich für ein Kleid, oben eng und unten weit und bis zu den Knien entschieden. Als Farbe wählte sie ein Königsblau.
„Isch brauche auch Schu’e“, stellte sie fest und wählte sich durch ein paar Dutzend hindurch.
Dann war sie fertig.
„Warte isch oder wie lange dauert das?“
„Die Kleidung wird morgen früh vor deiner Kabine liegen.“
Der Monitor erlosch und Claire verließ wohlgelaunt die Produktion. Sie nahm sich fest vor, dass dies nicht ihr letzter Besuch zu diesem Zweck sein sollte. Vorausgesetzt, es sah morgen gut aus.
Ingenieurin Ina Rott schlug sich durchs unterste Deck und hielt Zwiesprache mit der KI. So erfuhr sie, wie man das Bio-Reservat und die übrigen Dinge dieses Schiffes seit mehreren tausend Jahren am Laufen halten konnte. Ina war begeistert. Hier gab es Technik vom Feinsten und tatsächlich waren einige Innovationen erst ein paar Monate alt.
„Warum hatte es einen Vorbeiflug im Jahre 2017 gegeben?“, fragte sie die KI.
„Wir gingen davon aus, dass man uns erkennt und aufsucht. Das hat dann erst im zweiten Anlauf funktioniert.“
„Was wäre passiert, wenn wir nicht gekommen wären?“
„Wir hätten den Versuch noch zehnmal gemacht.“
„Und dann?“
„Rückflug nach Walan.“
Die Zeit verging und das Trio lernte die Beherrschung der Jäger und des Transportschiffes. Auch Steven war schließlich mit seinen Leistungen zufrieden. Und die Kleidung wurde bunter und vielfältiger. Claire half jedem, für seinen Geschmack etwas zu finden. Bei Ina waren es eher Hosen und hautenge Tops, bei ihr selbst und Lara war es die weibliche Note und zumeist Kleider, Max lief gern in bequemen und schicken Hausanzügen herum, Emma wechselte zwischen Hosen und Röcken bzw. Kleidern, Elana bevorzugte passende und bequeme, eher unaufdringliche Sachen. Lars besorgte sich Jeans und Flanellhemden, Steven fand sich schick in Tarnfleck. Felipe blieb bei schwarz und bevorzugte Einteiler mit reichlich Taschen.
26.11.2059, 08:00 Uhr, Kantine:
Es war bisher noch nicht vorgekommen, dass Moki sie beim Frühstück aufgesucht hatte. Daher war schlagartig Ruhe, als er den Sozialraum betrat. Alle sahen den Droiden an und er begann auch den Grund seines Erscheinens mitzuteilen: „Wir erreichen gegen 09:15 Uhr den sonnennächsten Punkt. Ich muss das Gestein loswerden, was sich im Laufe der Jahrtausende angesammelt hat.“
„Gestein?“, fragte Ina nur.
„Meine Hülle besteht aus einer ultraharten Metalllegierung. Ihr habt bei eurer Landung sicherlich festgestellt, dass der Boden aus Stein besteht. Das sammelt sich im intergalaktischen Raum auf der Hülle an. Das zehrt Energie, außerdem sind wir jetzt so nicht in der Lage, die Triebwerke zu starten oder auch nur einen Jäger vom Landedeck zu bekommen. Wenn ihr es mitverfolgen wollt: Ich werde um 09:15 Uhr das Gestein abstoßen. Als Treffpunkt schlage ich die Brücke vor.“
Das hörte sich interessant an und Emma sagte zu.
09:15 Uhr, Brücke:
„Es wird etwas vibrieren“, sagte Moki und vielleicht geht auch das eine oder andere kaputt. Aber wir sind in der Lage, das schnellstmöglich zu beheben. Ich habe durch den Lastenaufzug eine Beobachtungsdrohne ausgeschleust. Sie fliegt im Abstand von 100 Meter neben uns her. Damit sollte eine Beobachtung des Vorganges für euch möglich sein.“
Einer der seitlichen Monitore flammte auf und zeigte Oumuamua, wie es sich um alle drei Achsen langsam drehte.
„Ich starte den Vorgang“, sagte Moki lediglich und schon bald spürten die Crewmitglieder ein Kribbeln über den Sitz.“
„Pomassage – geil“, rief Ina entzückt.
Lars stellte relativ schnell fest, dass über die Vibrationen im Sitz noch andere Körperteile angesprochen wurden. Aber das war nur kurz, denn Moki erhöhte die Energie und dann wurde es unangenehm. Lara hatte mit leichter Übelkeit zu kämpfen.
„Es beginnt zu wirken“, sagte Moki und Emma konnte beobachten, dass sich einzelne Gesteinsbrocken lösten und langsam abdrifteten. Was langsam begann, ging immer schneller. Dann schließlich schimmerte die Hülle des Raumschiffes in einem Silberton mit violettem Einschlag durch.
Die Kameradrohne hatte wohl ein starkes Leuchtmittel an Bord, denn man konnte Oumuamua gut sehen.
„Ablösung hat stattgefunden“, sagte Moki. „Ich schalte die Kraftfelder jetzt ein und stoße das Gestein ab.“
„Ob man das auf der Erde beobachten kann?“, fragte Max Anderbrügge.
„So nahe an der Sonne ist das mit den Mitteln der jetzigen Technik nicht möglich“, gab Moki zurück.
Im gleichen Augenblick sah man auf dem Monitor, dass das Gestein in alle Richtungen abgestoßen wurde, und darunter kam das eigentliche Raumschiff zum Vorschein. Schon kleiner, aber wie sprach es Claire aus: „Trés beau“ (wunderschön).
Gleich darauf wurde es heller auf der Brücke und dann gleißend hell. Dann regulierte sich das Licht wieder herunter. Emma schaute fassungslos nach vorn zum Hauptbildschirm. Aber dort schien jetzt eine Scheibe zu existieren. Sie sahen direkt nach draußen und dort zum Teil in die sehr nahe Sonne. Man konnte die Protuberanzen erkennen, die tausende von Kilometern ins All reichten. Die KI hatte offensichtlich die Lichtdurchlässigkeit dieser ‚Scheibe‘ herabgeregelt, sonst wären alle erblindet.
„Nach euren Maßstäben ist VBH-203-X 600 Meter lang, 210 Meter breit und an der dicksten Stelle 100 Meter hoch“, erklärte Moki. Die leicht im Bogen nach unten durchhängenden kurzen, aber weit über das Schiff reichenden Flügel an den Seiten verschafften dem Flieger ein schnittiges Aussehen. Man konnte auch gut die Brücke erkennen, die ziemlich weit vorn auf dem Schiff aufgesetzt war.
„Das Schiff heißt VBH-203-X?“ Lara schaute etwas befremdet.
„Das stimmt“, bestätigte Moki.
„Etwas dagegen, wenn wir das Schiff anders nennen?“, fragte Emma.
„Ich werde eine andere Bezeichnung abspeichern“, sagte Moki zu.
Und schon ging die Diskussion los. Man überbot sich mit den tollsten Einfällen, dann hörte Emma etwas.
„Was hast du gesagt, Claire?“
Alle waren ruhig, um zu hören, was die Französin gesagt hatte. Sie wiederholte: „CYGNE.“
„Die französische Bezeichnung für Schwan“, stellte die Commanderin fest. „Ein schöner Name für ein schönes Schiff und nicht so aggressiv wie Thunder.“ Dabei sah sie Steven an und der zuckte mit den Achseln.
„Meinetwegen“, sagte der Pilot.
Emma sah sich um, aber es gab keinen Widerspruch: „Moki, wie Claire es sagt, heißt das Schiff ab sofort CYGNE.“
„Ich besorgt mal einen Eimer Farbe und schreibe es draußen auf die Hülle“, scherzte Lars.
„Ich halte jetzt die Drehbewegungen an“, informierte Moki. „Der Bug wird danach in Flugrichtung zeigen. Wir beginnen unmittelbar mit dem Swingby-Manöver um die Sonne.“
„Macht Sinn“, spottete Steven lachend.
„Wir treffen uns heute Abend in der Kantine zu einer kleinen Feierstunde“, erklärte Emma. „Ich bitte Moki daran teilzunehmen. Wir wollen dann auch festlegen, wie und wann es weitergeht.“
19:00 Uhr, Kantine:
Sie hatten gegessen, nein, sie hatten gespeist. Dr. Lara Horn hatte festgestellt, dass die Proteinzucht und alles Gemüse und Obst von den Gärten gut verträglich und nahrhaft waren. Eine Robotküche hatte daraufhin Portionen für jedes Crewmitglied zusammengestellt. Und jeder hatte mit Begeisterung gegessen und war nun satt. Emma hatte mit ein paar Worten die Schiffstaufe durchgeführt und wünschte diesem und ihrer Crew allzeit eine Hand breit Wasser unter dem Kiel.
Den Spruch musste sie allerdings kurz darauf Moki erklären, der so gar nichts damit anfangen konnte.
„Wann versuchen wir Admiral Tony Winter an Bord zu holen?“ Emma sah sich um und dann Richtung Moki. „Wie läuft unsere Pilotenausbildung?“
„Wir sind bei Level 11“, teilte der Robot mit.
„Ab welchem Level wird die Befähigung erteilt?“
„Ab Level 7!“
Schweigen in der Kantine.
„Äh, sag mal“, fing Steven verwirrt an. „Haben wir die Befähigung schon längst?“
„Das ist korrekt.“
Emma befürchtete, dass der Pilot mit der kurzen Zündschnur ausrasten würde, also hob sie beide Arme etwas an und wedelte damit. Steven sah das und presste zunächst die Lippen aufeinander.
„Warum haben wir dann weitergemacht?“, wollte Lars wissen.
„Diese Technik kann Ungeübte dazu verleiten, die Gefahren des Weltraumes zu unterschätzen“, antwortete Moki. „Es ist immer gut, etwas mehr zu können, als es unter normalen Umständen erforderlich wäre. Es diente eurer Sicherheit.“
Steven lehnte sich etwas zurück, entspannte sich und atmete aus. Mit dieser Antwort konnte er leben.
„Dann bleiben zwei Dinge zu klären“, fasste Emma zusammen. „Zunächst wer fliegt und wann geflogen wird.“
„Wie lange brauchen wir zur Erde, Moki?“
„Wir sind etwa 180 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Der Jäger benötigt zum Beschleunigen und Bremsen wesentlich mehr Zeit, als für den Flug. Ich kalkuliere etwa sechs Stunden ein, wenn das Ziel auf der Erde feststeht.“
Emma wunderte sich über nichts mehr. 170 Millionen Kilometer in sechs Stunden.
Moki redete weiter: „Aus Sicherheitsgründen schlage ich ab dem 09.12. vor. Dann sind wir weit genug von der Sonne entfernt und ein Start ist dann gefahrloser möglich.“
Alle sahen jetzt Emma an, denn es ging um den letzten Teil der Frage: Wer?
„Pilot wird Steven sein“, gab Emma bekannt und Huxley strahlte über das ganze Gesicht. „Dann wird Steven und mich Felipe begleiten. Ich werde mich wohler fühlen, wenn wir Felipe dabeihaben. Ich weiß nicht, was bisher auf der Erde geschah – darum. Max bekommt hier das Kommando während meiner Abwesenheit.“
Max war überrascht, Felipe hingegen zeigte keine Gefühlsäußerung. Er überlegte stattdessen schon, welche Waffen er mitnehmen wollte.
Es waren noch ein paar Tage bis zum Start und Emma beabsichtigte, sich gut auf die Mission ‚Admiral an Bord‘ vorzubereiten.
Ja, was geschah mittlerweile auf der Erde. Im bekannten Teil der UAW? Gehen wir dazu ein paar Tage oder Wochen zurück:
25.10.2059, 18:45 Uhr, Salt Lake City, Sitz der UAW,
unterste und abhörsichere Etage:
(seit dem 17.10. war Admiral Tony Winter mit Hanna Luca unterwegs.)
Ab und zu speiste die Präsidentin mit einem ihrer vielen Berater in einem kleinen, recht angenehm eingerichteten Esszimmer auf der untersten Ebene des UAW-Zentralgebäudes. Gregg Hemsworth und Tony Winter waren beileibe nicht die einzigen Berater, über die diese Frau verfügte. Der General und der Admiral waren etwas für das Offizielle. Der Chef des Geheimdienstes war da schon eine andere Nummer – was das Gewissen und die Rücksichtslosigkeit anbetraf. Chief Salvatore Townsen war ein kleines schmächtiges Männchen und kam daher von Natur aus schon mal nicht als gefährlich daher. Aber man täuschte sich. Der Mann war gewissenlos, schlau und rücksichtlos. Bei anderen Ressortchefs hatte er den Spitznamen: Ratte. Und Salvatore schien auch stolz darauf zu sein. Er war der UAW absolut loyal und würde alles ausführen, was man ihm befahl. Dabei verfolgte er natürlich auch seine eigenen Vorstellungen.
Gemeinsame Abendessen mit der Präsidentin waren genau das Forum, was er brauchte, um seine Ziele zu erreichen. Im Prinzip hielt er die Präsidentin für viel zu weich – zu emotional, obwohl General Hemsworth genau das Gegenteil beklagte. Ratte, also Townsen, verfügte über Hundertschaften von Geheimdienstagenten und Sturmtrupps.
Salvatore Townsen und Rebecca Miller saßen bei angenehmem Licht an einem runden Tisch und ein Mitarbeiter der Kantine schob auf einem Rolltisch das Essen herein. Schweigend sahen die beiden zu, wie der Mann die Teller auf den Tisch stellte und sich dann wortlos zurückzog. Rebecca sah den Chief an und es lief ihr kalt den Rücken runter. Der Typ war sowas von eklig, dass sie eine Gänsehaut bekam, gerade dann, wenn er lächelte. Diese Emotion passte einfach nicht zu einem solchen Mann, und sie verfluchte die Tatsache, dass sie sich mit ihm abgeben musste. Aber er war der Beste, das war ihr leidlich bekannt. Und ein solches Essen Tradition und schon fast Pflicht.
Sie aßen die ersten Minuten schweigend, dann begann Townsen zu reden: „Wie ich erfuhr, ist der Admiral der Space Navy ein wenig von seinen Pflichten entbunden worden?“
Rebecca Miller atmete geräuschlos ein. Natürlich wusste das die Ratte. Eine Nachfrage diesbezüglich war warme Luft über den Tisch verteilt. Allein die Betonungen der Worte und sie wollte das Essen schon wieder ausspucken. Sie sah ihn an und antwortete nichts.
Er winkte ab: „Sicher, ich weiß das. Sorry, wegen der Frage. Und ich habe auch erfahren, dass das Schiff, welches von diesem ominösen Besucher aus dem All zurückkommt, abgeschossen werden soll. Egal, ob es unser Schiff ist oder das des chinesischen Großreiches. Alles, um den nächsten Weltkrieg zu verhindern.“
„Ist diese Maßnahme falsch?“, fragte Rebecca Miller lauernd.
„Nein, nein, gar nicht“, antwortete Townsen und nahm einen Schluck Wein. „Ausgezeichnet der Wein.“ Er nahm noch einen Schluck. „Ich bin einverstanden mit dieser Maßnahme, aber der Admiral nicht. Er bangt um seine Leute.“
„Ich kann es ein wenig nachvollziehen“, gab Rebecca zurück. Ihr war Admiral Tony Winter dreimal lieber als diese schleimige Ratte.
„Ich überhaupt nicht“, trumpfte der Mann auf. „Was sind schon zwei Handvoll Leben gegen einen Weltkrieg. Haken wir die Leute ab.“
Townsen aß weiter und Rebecca Miller fragte sich, was der Geheimdienstmann mit der Erwähnung der STARHUNTER-Crew im Sinn hatte.
Die Antwort auf diese Frage gab es fünf Bissen weiter: „Es ist nur die Frage, wie unsere Nation darauf reagiert, wenn das rauskommt.“
Rebecca antwortete: „Winter wird schweigen.“
„Wird er das? Mir wäre das Risiko zu groß. Da steht doch eine Wiederwahl Mitte nächsten Jahres an. Wer wird für die nächsten Jahre der UAW vorstehen? Oder irre ich da?“ Die Betonung der einzelnen Worte war nach wie vor scheiße, verfehlte aber das Ziel nicht, wie Ratte grinsend zur Kenntnis nahm.
Präsidentin Miller war weiß im Gesicht geworden. Ihre Wiederwahl war keinesfalls sicher. Wenn nur das Gerücht aufkam, dass die Helden von eigenem Feuer getötet worden waren, konnte sie einpacken, und zwar ihre Sachen und aus dem Tower hier verschwinden. Das war das Letzte, was Rebecca riskieren wollte.
„Optionen?“
„Wie mir bekannt ist, ist der Admiral auf einer Bootstour in Mittelamerika unterwegs. Es gibt eine Menge Piraten, Haie, sonstige Gefahren. Selbst ein Sturm könnte aufziehen und der Mann und seine Begleiterin sind verschwunden – sehr zu unserem Bedauern natürlich.“
Rebecca stand fast unter Schock. Die Wiederwahl infragezustellen, war schon sehr clever von Townsen.
„Und es soll nicht zufällig Liam Boldwin seine Nachfolge antreten?“, ätzte die Präsidentin. Natürlich wusste die Ratte, wo Admiral Winter war. Er beobachtete den Mann schließlich auf ihren Wunsch hin. Und dieser Boldwin war ein getreuer Gefolgsmann von Townsen – das wusste jeder.
„Frau Präsidentin mag sicher sein, dass sie den richtigen Mann an der Spitze dieser Organisation hat. Der Mann führt und führt aus. Aber das ist Zukunftsmusik. Zuerst der Admiral. Wie lautet die Entscheidung unserer Präsidentin?“
Rebecca nahm ebenfalls einen Schluck Wein und überlegte krampfhaft. Dieser Geheimdienstmann hatte recht, auch wenn sie das ungern zugab.
„Ausführen“, sagte sie dann auch nur und sah Ratte über den Rand ihres Glases an.
„Frau Präsidentin könnte schon mal das Gerücht streuen lassen, dass der Admiral überfällig ist und danach langsam eine Interimslösung über Boldwin einleiten. Damit es kein Führungsvakuum innerhalb der Space Navy gibt. Ich danke für das Essen und die angenehme Unterhaltung. Ich habe zu tun.“
Salvatore Townsen stand auf, nickte der Präsidentin zu und verließ den Raum.
Rebecca Miller atmete heftig durch. Das war nicht in ihrem Sinne, aber die Wiederwahl zu riskieren, eben auch nicht. Sie hatte die Crew der STARHUNTER geopfert und wenn es jetzt zwei Leute mehr waren, dann sollte es eben so sein.
26.10.2059, 11:30 Uhr, auf der Yacht:
Langsam lief die aufsehenerregende 60-Meter-Yacht in den Hafen von Puerto Plata in der Dominikanischen Republik ein. Tony Winter hatte in der letzten Nacht etwas unruhig geschlafen, obwohl sich Hanna alle Mühe gegeben hatte, damit er Schlaf fand. Die letzten Tage auf See waren entspannend gewesen. Irgendwo auf Kuba hatten sie noch einen Laden für Bademoden auftun können. Und so hatte Tony das Vergnügen, die Schönheit mit den blauen Augen in einem roten Bikini, gelb, schwarz, blau und so weiter zu sehen. Alle hatten eines gemeinsam: kaum Stoff. Und auf besonderen Wunsch von Tony hatte sie auch gelegentlich die gesamten Textilien weggelassen. Tony genoss seine Freundin in vollen Zügen.
Aber die letzte Nacht war nicht so angenehm gewesen. Während Hanna in seinen Armen schlief, hatte Tony nachgedacht. Und Tony war nicht Admiral der Navy geworden, weil seine Mutter ihn besonders häufig vom Wickeltisch hatte fallen lassen. Bei logischem Nachdenken befand er sich, zusammen mit Hanna, in einer zumindest möglichen Gefahr. Er war seiner Begleiterin schuldig, dass er diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht zog. Er traute das Rebecca Miller nicht unbedingt zu, aber auch sie würde sich Notwendigkeiten beugen. Gestern hatte Hanna noch gesagt, dass sie sich im nächsten Jahr bei der Wahl zur UAW-Präsidentschaft jemand anderen als Gewinner vorstellen möchte. Das Wörtchen ‚Wiederwahl‘ hatte bei Tony einen Gedankenprozess ausgelöst. Und mal ehrlich, so ganz wollte er das Abschießen seiner Crew wirklich nicht vergessen. Er hatte beim Frühstück mit Hanna darüber gesprochen. Seine Freundin war blass geworden und ihn gefragt, wie er damit umgehen wolle.
Tony hatte ihre Hand ergriffen: „Vertrau mir. Ich kenne ein paar Tricks. Zuerst müssen wir diese Yacht loswerden. Hiermit fallen wir auf. Wir brauchen ein kleineres Schiff.“
„Wie kommen wir daran?“
„Ich bin nicht ganz unvermögend“, lächelte Tony.
Im Hafen von Puerto Plata suchten sie einen Anlegeplatz. Dann luden sie ihre Koffer aus. Tony schickte das Schiff mit dem Autopiloten zurück zu seinem Besitzer. Allerdings auf Umwegen. So gut drei Wochen sollte es noch über die Meere kreuzen, dann erst zurück nach Kuba. Tony rief ein Taxi und man fragte den Fahrer nach einem Hotel der mittleren Preisklasse am Rande der Hafenstadt. Taxifahrer kannten die ganze Stadt und so war es nicht verwunderlich, dass man schließlich vor einer etwas heruntergekommenen Herberge stand. Wahrscheinlich war der Betreiber ein Verwandter des Taxifahrers. Aber das war Tony egal. Er gab ihm ein ordentliches Trinkgeld und bedankte sich. Die Empfangsdame im Hotel, sagen wir Herberge, glich auch eher einer gealterten Puffmutter als einer seriösen Frau. Ihre Miene wurde aber freundlicher, als Toy das Zimmer für sechs Wochen buchte und gleich im Voraus bezahlen wollte.
„Mir geht es darum, bei meinen Reisen im Umland immer einen Stützpunkt zu haben. Ich hasse es, mir jedes Mal bei meiner Rückkehr eine neue Bleibe zu suchen. Wir werden auch nicht jeden Tag hier sein.“
„Das ist selbstverständlich so, wie ihr es möchtet“, flötete die Dame vom Empfang und bekam Glanz in den Augen, als Tony bar bezahlte. Das Zimmer war – zum Abgewöhnen, aber für Tonys Zweck offenbar in Ordnung. Sie packten die Koffer aus und wenig später verließen sie, nur mit dem Nötigsten versehen, das Hotel. Der nächste Taxifahrer brachte sie zurück zu einem Nebenhafen. Tony suchte zwei Stunden, dann hatte er so etwas wie einen Schiffsverkauf gefunden.
Hanna zuckte zurück. Diese Bretterbude war der Verkaufsraum, und wie es dort drinnen aussah, konnte sie sich lebhaft vorstellen. Und Tony hatte gar nicht vor, seine Liebste mit dort hineinzunehmen. Er führte sie etwas weiter zu einem besseren Hotel. Dort platzierte er sie in der Bar.
„Ich bin in einer guten Stunde zurück“, sagte er ihr, dann verließ er das Hotel. Kurz darauf war er wieder bei diesem Schiffsverkauf. Ein leicht angetrunkener Einwohner dieses Hafenstädtchens fiel vor Schreck beinahe vom Stuhl, als Tony schwungvoll die Tür öffnete. Schnell versteckte der Verkäufer die Flasche Rum unter dem Schreibtisch.
„Was kann ich tun?“
„Draußen liegt eine etwa 15 Meter lange Yacht vor Anker. SWEET MARIE steht darauf.“
Der Mann packte den Verkäufer aus. Mit einem Blick schätzte er ab, ob dieser wohl solvent genug war, dieses Schiff zu kaufen. Offenbar fiel seine Prüfung positiv aus, denn er strich sich unter dem Kinn her: „Teuer, sehr teuer.“
„Kann ich mir vorstellen“, gab Tony mit unbewegtem Gesicht zurück. „Wie teuer?“
„Das Schiff hat eine Brennstoffzelle größeren Ausmaßes und speichert Sonnenenergie bei Tag.“
„Wie teuer?“
„Es hat eine luxuriöse Kabine, ein Navigationsgerät und eine voll funktionsfähige Hygienezelle sowie Satellitenfunk.“
Tony sah den Mann nur an.
„Weiterhin eine Süßwassergewinnungsanlage und eine komplette Angelausrüstung an Bord sowie einen großen Kühlschrank mit Gefrierkombination.“ Der Verkäufer rülpste und entschuldigte sich.
Tony hätte es gewundert, wenn ein solches Schiff nicht damit ausgerüstet gewesen wäre. Was ihn schon eher verwunderte, dass ein solcher Schmierlappen in einem verdreckten und öligen Unterhemd ein solches Schiff verkaufte.
„Wie teuer?“
„Mit wem habe ich das Vergnügen?“, wollte der Schiffsverkäufer wissen.
„Das geht dich einen Scheiß an.“
„Noch teurer. Ich kann Schwierigkeiten bekommen, wenn ich nicht nachhalte …“
„Pass auf“, verlangte Tony Winter. „Du sagst mir jetzt einen Preis, sonst verschwinde ich hier.“
Der Mann schluckte schwer, stieß noch einmal auf und dann kam eine Summe, die ungefähr dem doppelten Wert des Schiffes entsprach.
„Einverstanden“, sagte Tony schlicht. „Du übergibst mir morgen um 10:00 Uhr das Schiff – vollgeladen, sauber, Wasser an Bord. Hier ist meine Anzahlung. Du bekommst eine Cash-Karte mit dem restlichen Wert.“
Tony klatschte ein Bündel Geldscheine auf den Tisch: „Und alle Ortungsgeräte hast du ausgebaut und übergibst sie mir in einer Schachtel. Es ist besser für dich, wenn nichts mehr darauf hinweist, dass ich das Schiff ausgerechnet bei dir gekauft habe.“
„In …, in …, in Ordnung“, stammelte der Mann und bekam große Augen, als er das Geld sah.
„Schweig über das Geschäft, sonst wird es keins“, mit diesen Worten verließ Tony den Laden. Er suchte Hanna auf, die etwas nervös auf ihn wartete. Sie bestellten etwas zu essen, anschließend mietete Tony ein Zimmer für die Nacht.
27.10.2059, 09:45 Uhr, Puerto Plata:
Tony und Hanna hatten einige Lebensmitteleinkäufe und Dinge des täglichen Bedarfs eingekauft. Aber es war klar, dass das nur für die erste Zeit reichen würde. Punkt um 10:00 Uhr betrat Tony den Laden des Boots-Dealers.
„Es ist alles fertig“, meldete der Händler fast militärisch. Zur Feier des Tages hatte er auch ein frisches Unterhemd angezogen. Er übergab dabei eine Schachtel. Tony sah hinein. Es war ein Ortungssender. Er würde nachsehen müssen, ob das der einzige Sender an Bord war.
„Ich will sehen“, sagte Tony lediglich.
„Der Herr wird zufrieden sein“, sagte der Unterhemdträger und ging vor.
Über einen wackeligen Steg ging es zur SWEET MARIE und Tony Winter war nicht so unerfahren, wie man glaubten könnte. Er checkte das Schiff nach allen Regeln der Kunst. Dann übergab er dem Händler die Cash-Karte. Der zog ein Überprüfungsgerät aus der Hosentasche, hielt die Karte mit dem Chip daran und begann breit zu grinsen.
Der Deal war offenbar perfekt.
Kurz darauf verließ das Boot mit mäßiger Fahrt den Hafen in Richtung Norden.
„Wo geht es jetzt hin?“, fragte Hanna ihren Freund, der auf dem obersten Deck hinter dem Ruder stand.
„Zunächst zurück nach Kuba. Ich will ein paar Waffen organisieren. Dann werden wir nach Süden und vor der Nordküste Südamerikas bis nach Venezuela. Dort gibt es noch reichlich Inseln, die weit genug aus dem Meer ragen. Jetzt hältst du das Schiff auf Kurs und ich suche weitere Sender an Bord.“
Hanna übernahm und Tony fand mit einem speziellen Suchgerät einen weiteren Sender. Er tat ihn zu den anderen, dann warf er die Schachtel über Bord.
„Jetzt nach Westen abdrehen“, rief er Hana zu.
28.10.2059, 18:45 Uhr, Salt Lake City, Innenstadt:
General Gregg Hemsworth hatte den ersten und auch den zweiten Kordon von Militärsoldaten zu Fuß passiert. Er hasste diese Angelegenheiten. Überall auf den Dächern standen Scharfschützen und observierten die Gegend. Und alles nur, weil er zum Dinner bei der Präsidentin in einem öffentlichen Lokal eingeladen war. Rebecca hatte hin und wieder diese völlig unsinnigen Attitüden. Das Lokal war an diesem Abend natürlich geschlossen und statt des dort üblichen Personals waren die Kantinenleute der UAW am Ort und kochten halt dort. Fand die Präsidentin das etwa romantisch oder so? Gregg durfte an die Kosten für diesen Schwachsinn nicht denken. Jeden anderen hätte er wegen Grenzdebilität untersuchen lassen. Bei der Präsidentin ging das nicht so einfach.
„Wir sind die Begleitung, General“, stellten sich ihm zwei Kleiderschränke mit Maschinenpistolen in den Weg. Gregg nickte ergeben und sie nahmen ihn in die Mitte. Er stellte schnell fest, dass Gleichschritt nicht möglich war, denn die Kerls waren einen halben Kopf größer als er. Gregg ging normal. Er war verdammt noch mal der General und wenn, dann hatten die beiden ihre Geschwindigkeit anzupassen. Er hatte keine Lust, völlig außer Atem bei der Dame anzukommen.
Gemäßigter ging es weiter und er bekam keinen Hinweis darauf, ob es den Begleitern langsamer recht war.
Die Präsidentin war bereits anwesend, wenn auch noch nicht so lange. Das Wörtchen ‚Wiederwahl‘ hatte bei ihr tatsächlich einiges ausgelöst. Insofern war die Ratte sehr erfolgreich gewesen. Rebecca Miller musste anerkennen, dass ihre Bemühungen, die UAW zu lenken, erfolgreich zu lenken, nicht überall beim Volk angekommen war. So war ihre Wiederwahl keineswegs sicher. Was tut man da? Man holt sich Hilfe, beliebte Hilfe, ins Haus. Und in diesem Fall auf die Regierungsbank. General Gregg Hemsworth war ein integrer Mann, dessen Geradlinigkeit beim Volk beliebt war. Der Mann sprach Klartext und handelte auch so.
Rebecca würde versuchen, ihm schmackhaft zu machen, ins Verteidigungsministerium zu wechseln und dort als Minister. Dieser Coup sollte ihr doch den einen oder anderen Prozentpunkt bei den Wahlen einbringen. Denn das wollte sie unbedingt: Weiterhin ganz oben und ganz vorn an der Spitze stehen. Und der General sollte ihr dazu verhelfen. Im Gegenzug war sie bereit, sich selbst einzubringen.
Die Schränke lieferten den General am Eingang ab. Er betrat das sicherlich nicht preiswerte Lokal und eine Lichtinsel wies ihm den Weg. An einem runden Tisch saß Rebecca Miller, und als sie ihn sah, stand sie auf und ging ihm entgegen.
Öfters mal was Neues, dachte der General. Diese Art von Respekt war nicht die Art der Präsidentin.
„Oh, Gregg. Schön, dass du da bist. Komm setz dich.“ Sie hauchte ihm tatsächlich einen Kuss auf die Wange.
„Danke“, brummte er und analysierte das, was die Frau da gerade an Garderobe spazieren führte. Ein langes und schwarzes Kleid, hoch geschlitzt und ein Dekolleté mit etwas Einblick. Sie verströmte einen betörenden Duft, war frisch frisiert, und sicherlich hatte sie sich nicht selbst geschminkt. Gregg überlegte, wie der Anblick seiner bisherigen Traumfrau auf ihn wirkte. Er kam zu der Erkenntnis: gar nicht! Vor ein oder zwei Jahren wäre er emotional ausgerastet, jetzt tat er das aus anderen Gründen. Auf dem Tisch standen Kerzen – wie romantisch. Gregg besaß Anstand, also schob er ihr den Stuhl zurecht, als sie sich setzte.
„Vielen Dank, mein Lieber“, sagte sie mit betont weicher Stimme.
Der Ober erschien und goss Wein ein.
Sie prostete ihm zu: „Wie lange kennen wir uns schon, Gregg?“
Er schluckte an seinem Wein und dachte nach, dann musste er mit den Schultern zucken und sagte etwas von sechs oder sieben Jahren, schon bevor sie Präsidentin gewesen war.
„Heute auf den Tag genau zehn Jahre, lieber Gregg. Wir kennen uns seit zehn Jahren und davon arbeiten wir die meiste Zeit schon zusammen.“
Hmm, dachte er, so lange war ihm das gar nicht vorgekommen. Sagen tat er aber vorsichtshalber nichts. Das Gesicht der Präsidentin verdüsterte sich etwas. Es schien nicht so zu laufen, wie erhofft. Normalerweise hätte Gregg jetzt schon ein halbes Dutzend Komplimente ausgepackt. Er sagte nichts. Nicht zu ihrer Frisur, nicht zum Kleid, einfach gar nichts. Rebecca Miller wurde unsicher. Sie hatte sich doch sonst auf den Verehrer Gregg Hemsworth verlassen können. Hatte sie ihn zu lange zappeln lassen?
Die Vorspeise wurde gereicht und bestand aus Scampi und kleinen Fischhäppchen.
Sie aßen etwas.
„Gregg, was ist los mit dir? Ich kenne meinen General nicht so zurückhaltend“, ging sie in die Offensive und versuchte so verheißungsvoll wie möglich zu lächeln.
„Rebecca, ich unterstütze dich vorbehaltlos. Du warst und kannst dir meiner Loyalität immer sicher sein“, begann er.
„Das weiß ich doch, Gregg.“
„Allerdings gefällt mir nicht alles. Die Sache mit der STARHUNTER-Crew liegt mir nicht nur im Magen, sondern auch auf der Seele.“
Rebecca machte jetzt ein ausgesprochen verdrießliches Gesicht: „Chief Salvatore Townsen ist ganz meiner Meinung.“
Mit Greggs Gesicht ging eine Veränderung vor: „Du hast mit der Ratte auch über Tony gesprochen?“
„Meine Güte, Gregg. Ich kenne dich nicht wieder. Seit Jahren baggerst du an mir rum und jetzt, wo ich nicht abgeneigt bin …“, sie ließ den Rest offen, aber es war klar, was sie in ihrer Wut sagen oder zum Ausdruck bringen wollte. Rebecca Miller machte einen fatalen Fehler: Sich so anzubieten ist würdelos und kommt bei Männern schlecht an. Aber das brauchte Gregg schon gar nicht mehr.
„Du hast mit Townsen über Tony gesprochen“, stellte er mit grimmiger Stimme fest.
„Ja, das ist mein gutes Recht. Ich brauche Berater.“
„Aber nicht die Ratte. Hast du Tony auch zum Abschuss freigegeben? Los sag es schon!“
Rebecca starrte ihren Verehrer, ihren ehemaligen Verehrer, aus großen Augen an.
Hemsworth nahm die Serviette ab: „Weißt du Rebecca, ich habe dich mal sehr verehrt. Aber eines ist mir klar geworden. Du bist machtgeil, gehst buchstäblich über Leichen und dir fehlt eins: Du bist nicht liebens-wert.“
General Gregg Hemsworth stand auf und warf die Serviette achtlos auf den Tisch: „Und jetzt kannst du mich auch zum Abschuss freigeben. Allerdings habe ich etwas vorgesorgt. Im Falle meines Todes kannst du deine Wiederwahl vergessen.“
Mit offenem Mund verfolgte Rebecca Miller völlig entsetzt, wie sich Gregg umdrehte und das Lokal verließ.
Draußen waren die Soldaten auf ein so baldiges Ende dieses romantischen Abends nicht vorbereitet. Schnell warfen sie ihre Zigaretten weg und standen stramm.
„Die Party ist zu Ende, Jungs. Die Dame möchte nach Hause gebracht werden.“
„Jawohl, General. Können wir dem General einen Transport anbieten.“
„Nein, danke. Ich brauche dringend frische Luft – ganz frische Luft!“ Mit diesen Worten verschwand der General im Dunkeln der Seitenstraßen.
Die Militärsoldaten fanden eine sehr stark frustrierte Frau im Innern des Lokals. Sie hatte sich wieder gefasst, sagte aber kein Wort.