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Wer hätte das gedacht. Ich jedenfalls nicht. Ich habe es immer für ein Spiel gehalten, für ein Stück Nachmittagsunterhaltung abergläubischer Hausfrauen. Aber dann hat es mich doch selbst erwischt oder besser, dann wurde ich davon erwischt. Doch selbst in dem Moment, in dem ich mich dazu habe hinreißen lassen, es mitzuspielen, dieses sinnleere, vollkommen weltfremde und ohne jede wissenschaftliche Bedeutung oder Grundlage bestehende Spiel, ahnte ich noch nicht, dass es am Ende doch Recht behalten sollte. Wenn auch auf eine Art, die ich bis dahin niemals auch nur zu träumen gewagt hätte. Aber vielleicht sollte ich dann doch ganz von vorn anfangen zu erzählen.
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Es war kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag. Genauer gesagt, schon am darauf folgenden Wochenende. Meine Familie bestand auf so etwas wie eine Familienfeier zu meiner Volljährigkeit. Auch wenn ich mich anfangs dagegen gesträubt hatte, diese Feier ertragen zu müssen, knickte ich letztendlich vor meiner Mutter, die am energischsten dafür argumentierte, ein. Ich sah wenig Sinn darin, mit Tanten, Onkeln und ihren Anhängen zusammen zu sitzen und mich beglückwünschen oder tätscheln zu lassen, nu8r weil ich ein Jahr älter war. Während des gesamten Jahres sah ich diesen Teil meiner Familie kaum und nun musste ich also die heile Welt mitspielen, nur um den Frieden zu bewahren? Nun gut, ich ließ mich darauf ein und als der Samstag kam, wachte ich schon mit einem seltsamen Gefühl im Bauch auf. Ich ahnte, dass es mir nicht gerade leicht fallen würde, den gesamten Tag über gute Mine zu diesem Spiel machen zu müssen und musste mir immer wieder ins Bewusstsein hämmern, dass es ja nur für wenige Stunden sein sollte. Am Abend war ich mit einigen Freunden verabredet für eine ganz andere geplante Feier. Wir hatten vor, gemeinsam mit reichlich Alkohol und Musik zu feiern und einfach nur eine geile Nacht zu verbringen. Da erschien mir diese Familienfeier am Nachmittag eher wie eine lästige Hürde, die es zu nehmen galt, bevor dann die richtige Party warten würde.
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Meine Mutter verbrachte den gesamten Vormittag damit, die Vorbereitungen für den Nachmittag zu treffen. Torten wurden gestaltet, Kuchen gebacken und die Tafel im Esszimmer eingedeckt. Vater hatte sich in die Stadt verabschiedet, um einige Besorgungen zu machen. Er war vermutlich froh darüber, aus diesem Chaos, das meine Mutter veranstaltete, zu entkommen und sah das drohende Zusammentreffen mit dem Rest der Familie sicher ebenso kritisch, wie ich es tat. Ohnehin war das Verhältnis zu dieser Art der angekündigten Verwandtschaft alles andere als gut und was hätte ich nicht dafür gegeben, nicht der Mittelpunkt dieser so unwirklichen Feier zu sein.
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Mein Vater kam kurz vor dem Mittagessen heim und wir aßen gemeinsam zu Mittag. Mutter war vollkommen in Gedanken und konnte es gar nicht abwarten, das die Teller leer waren und sie abräumen konnte. Gleich darauf fing sie schon damit an, den Kaffeetisch zu decken und blickte immer wieder zur Uhr, als würde die Zeit dadurch schneller vergehen. Ich machte mich auf in mein Zimmer, um mich noch etwas vor dem Computer zurück zu ziehen. Auch ich sah immer wieder zur Uhr, aber allein deshalb, weil ich wusste, dass mit jeder Minute, die verging, die Zeit, die ich später mit meiner Familie zusammen hocken musste, kürzer sein würde. Meine Mutter wussten von der für den Abend geplanten Feier mit meinen Kumpels und dass ich dafür gegen acht Uhr abgeholt werden würde. Wenn es dann später also so weit sein würde, müsste ich mir keine Szene anhören, warum ich das Familienfest verließe.
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Gegen halb zwei klingelte es an der Tür und ich hörte, wie meine Mutter mit ihrer gespielten und aufgesetzten, übertriebenen Freundlichkeit den ersten Besuch empfing. Noch ohne überhaupt ztu wissen,w er da genau angekommen war, merkte ich schon, dass ich genervt war. Ich machte den Computer aus, holte noch einmal tief Luft und ging dann, mit einem breiten, künstlichen Grinsen die Treppe herab. Im Esszimmer begrüßte mein Vater gerade den eingetroffenen Besuch. Es war Tante Leonore und Onkel Hans. Als sie mich erblickten kamen sie direkt auf mich zu, setzten ihr breitestes Grinsen auf und Leonore sagte: „Ah, da ist ja das Geburtstagskind!“. Noch bevor ich reagieren konnte, hatten mich schon ihre Arme gepackt und gegen ihren, nach Kölnisch Wasser duftenden Körper gequetscht. Vollkommen hilflos und starr ließ ich die Umarmung über mich ergehen und rang mir ein Lächeln ab, auch wenn es mir mehr als schwer fiel. Als sie mich aus ihrer festen Umklammerung wieder entließ musste ich erst einmal Luft holen, dann packte auch schon Onkel Hans meine Hand und drückte sie fest: „Alles gute, mein Junge. Nun bist du erwachsen und stehst auf eigenen Füßen. Hier, das wird dir dabei helfen.“ Er ließ meine Hand los, griff in die Innentasche seines Jacketts und holte einen Umschlag hervor, den er mir in die Hand drückte. Dann sagte er, mit tiefer und brummiger Stimme: „Das ist von mir und deiner Tante, gib nicht alles auf einmal aus, ok?“ Ich nickte brav und bedankte mich. Meine Tante war schon wieder meiner Mutter zugewandt und gerade, als ich mir im Gedanken einen Grund zurecht legte, warum ich noch einmal kurz in mein Zimmer müsste, ergriff Onkel Hans erneut meine Hand, zog mich zu sich und flüsterte mir ins Ohr: „Aber sag deiner Tante nicht, was in dem Umschlag war. Ich habe noch etwas mehr hinein gelegt.“
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„Ok“, sagte ich, als er sich wieder weg gebeugt hatte und mir zu zwinkerte, als hätte er mir eben ein ganz besonderes Geheimnis anvertraut. Ich hasste diese für meine Familie so typischen Heimlichkeiten. Keiner wusste, was der Andere wirklich tat oder dachte und Jeder hatte vor Jedem irgendein Geheimnis, das es zu bewahren galt und über das bei jeder Gelegenheit hinweg gespielt wurde. So wie eigentlich auch bei uns zu Hause und selbst bei mir. Ja, ich war selbst ein Teil dieses künstlichen, nur auf Fassade hin orientierten Lebens und spielte, wenn ich ehrlich zu mir war, Tag für Tag nur eine Rolle, um irgendwelche Erwartungen, die Andere in mich setzten, auf die eine oder andere Art zu erfüllen.
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Schon nach dieser Begrüßung fühlte ich mich absolut fehl am Platze und fremd in meiner eigenen Haut. Es war, als würde ich neben mir stehen und mich selbst in diesem Raum sehen, in dem meine Mutter gerade meiner Tante auf ihre Frage hin, wie lange und schwierig wohl die Vorbereitung für diese ach so perfekte Kaffeetafel nur abwinkend antwortete: „Ach, das wart doch ein Klacks.“ Kein Wort davon, wie gestresst sie den gesamten Morgen über in der Küche hantierte, keine Andeutung darüber, dass eine der Torten beim Abstellen herunter fiel und ersetzt werden musste durch eine Torte aus der Konditorei zwei Straßen weiter. Oh was war das doch für eine verlogene Truppe, die nun, mit dem nächsten Klingeln weiter anzuwachsen drohte. Zwei weitere Brüder meiner Mutter kamen mit ihren Frauen. Gemeinsam kamen sie in das Esszimmer, in dem ich noch immer vollkommen eingeschüchtert von dieser Szenerie stand und wieder musste ich Umarmungen über mich ergehen lassen, Händeschütteln und irgendwelche Wünsche zu einer Volljährigkeit, die sich, wie es schien, nur an dem Stück Papier auszumachen schien, das vor etwas mehr als achtzehn Jahren anlässlich meiner Geburt erstellt wurde. Als wäre ich vor einer Woche nicht genau so reif gewesen wie an diesem Tag und als würde sich nun mein ganzes Leben ändern.
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Nachdem sich alle begrüßt und mit Nettigkeiten zugeschüttet hatten, setzten wir uns schließlich an die reichlich gedeckte Kaffeetafel. Ich hatte den Platz neben meinem Vater und während meine Mutter nach draußen ging, um den Kaffee zu holen, beugte er sich kurz zu mir rüber und flüsterte: „Hoffentlich ist diese Scheiße bald vorbei.“ Als wären wir zwei konspirierende Spione zuckte ich kurz zusammen, als er mir das sagte und sah mich verlegen um. Dann verkniff ich mir ein Lächeln und meinte nur, zu ihm gewandt und ebenso leise flüsternd: „Oh ja, lass den Scheiß hier bald zu Ende sein.“ Die anderen Versammelten um den Tisch bekamen davon nichts mit. Sie staunten immer noch mit deutlich aufgesetzter Bewunderung über die Torten und den Kuchen, der weitläufig aufgetafelt war. Ich fragte mich, ob es wohl tatsächlich auch nur ein Einziger von ihnen ernst meinen würde mit dem was er sagte.
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Meine Mutter kam wieder ins Zimmer und hielt die große Kanne Kaffee in ihrer Hand. Nach und nach schenkte sie jedem ein und machte sich dann daran, die Stücke der Torten und Kuchen auf die Teller zu verteilen, die ihr entgegen gestreckt wurden. Tante Leonore hatte ihr Stück als erstes bekommen und fing gleich an, mit ihrer Kuchengabel darin herum zu stochern. Sie pickte sich ein großes Stück auf und steckte es in den Mund. Noch während sie kaute, sagte sie: „Mh, das ist ja köstlich, meine Liebe. Wie hast du den nur gemacht.“ Es war ausgerechnet ein Stück jener Torte, die meine Mutter erst kurz zuvor aus der Konditorei abgeholt hatte, aber das war für sie wohl kein Problem. Sie bedankte sich für das, sicherlich falsche, Lob und erklärte dann, wie sie die Torte gemacht hätte. Lüge gegen Lüge, sie waren also auf eine ganz spezielle Art quitt, wobei ich nicht wusste, ob sie auch nur entfernt ahnten, wie gekünstelt und gespielt sie herüber kamen. Aber wer merkte das schon in dieser Familie.
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Als gäbe es in der gesamten Umgebung seit Wochen schon keine Lebensmittel mehr, schaufelten die Gäste Stück für Stück Torten und Kuchen in sich hinein. Mein Vater hatte, als wir an diesem morgen beim Frühstück zusammen saßen, schon im Scherz gesagt, dass die erwarteten Gäste sicher seit dem Vortag nicht gegessen hatten, um sich bei uns durchzufüttern. Was ich zunächst für einen Scherz hielt, kam mir nun, angesichts der sich mir bietenden Orgie gar nicht mehr so spaßig vor. Da wurde hastig gegessen, nur um das letzte Stück von einem der Kuchen noch rechtzeitig abgreifen zu können, immer wieder mit Kaffee nachgespült, dass es vermutlich schneller rutschte, um gleich darauf zu einer weiteren Kuchenplatte zu greifen, auf dem noch immer ein Stück verzehrfertig bereit stand.
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Ich sah nur zu, hatte mir mit dem einzigen Stück, das ich an diesem Nachmittag aß. So viel Zeit gelassen, dass ich noch immer etwas auf meinem Teller hatte, als die anderen schon ihr drittes oder gar viertes Stück in sich hinein stopften. Ich versuchte nicht hinzusehen und war geradezu dankbar darüber, dass meine Mutter so ziemlich jedes aufkommende Gespräch an sich riss. Innerlich hoffte ich nur darauf, dass die Zeit dabei schneller vergehen würde. Doch plötzlich, gerade stocherte ich in dem Stück Torte auf meinem Teller vor mir herum, hörte ich Tante Leonores durchdringende Stimme: „Du, sag mal Andreas, wie sieht es bei dir eigentlich mit einer Freundin aus? Du bist ja jetzt alt genug und hast doch sicher schon eine? Sag mal, komm schon.“ Kaum waren die Worte verklungen herrschte absolute Stille am Tisch und auch ohne aufzusehen wusste ich, dass alle Augenpaare auf mich gerichtet waren. Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss und ich einen hochroten Kopf bekam. Da unterbrach meine Mutter die Stille: „Ach lass doch den Jungen, oder glaubst du, die Jugend von heute stellt ihre Liebschaften noch immer ihrer Familie vor?“
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„Lass den Jungen doch einmal antworten, du schüchterst ihn ja ein“, meldete sich nun Onkel Hans und es war, als würde nun ein Streit losbrechen, ohne dass ich überhaupt etwas gesagt hätte. Ich blickte auf und starrte nacheinander in die auf mich gerichteten, neugierigen Augenpaare. „Nein, ich habe noch keine“, antwortete ich schließlich und sah Tante Leonore dabei an.
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Aber anstatt sich damit zufrieden zu geben, schien sie nun erst Recht vor Neugier überwältigt zu sein: „Und hattest du schon mal eine?“
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„Ja“, antwortete ich knapp und fühlte mich plötzlich endgültig vollkommen fremd in dieser Runde. Damit hoffte ich, das Thema abgeschlossen zu haben und betete geradezu dafür., dass sie sich nun wieder einem anderen Thema zuwenden würden.
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„Was soll überhaupt diese Frage?“, zischte nun Onkel Hans eine Frau an. Die fühlte sich anscheinend direkt betroffen und wandte sich zu ihrem Mann und sagte mit gespieltem Entsetzen: „Na man hört doch heute so viel, da meinte ich ja nur.“
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„Was hört man?“, entgegnete Hand und runzelte seine Stirn.
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Leonore blickte sich nach rechts und links um und sagte dann ganz leise, als würde sie etwas Verbotenes aussprechen: „Na von wegen diese Homos und so. Es oll doch solche geben. Männer die auf Männer stehen und so....“ Ich merkte, wie mein Herz fast für einen schlag aussetzte und fühlte mich wie in einen Schock versetzt. Ich sah, wie meine Mutter erschrocken ihren Rücken durchdrücke, sich vollkommen aufrecht auf den Stuhl setzte und nun entrüstet sagte: „Aber Andres ist doch kein Homo! Er doch nicht!“
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Oh mein Gott, dachte ich, nun gleitet das Gespräch vollkommen aus dem Ruder. Aber Leonore war mit ihrer Wortmeldung noch längst nicht am Ende. Sie beugte sich nun vor und sagte, nachdem sie ihren Blick einmal durch die Runde hat wandern lassen: „Also der Sohn unserer Nachbarin, der ist ja so einer müsst ihr wissen.“
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„Nein!“, „Ist nicht wahr!“, „Wirklich?“ - Das Raunen am Tisch war durchsetzt mit Entsetzen, Abscheu und Aufregung. Hoffentlich blickt keiner zu mir, dachte ich und strengte mich an, meine Nervosität irgendwie unter Kontrolle zu bekommen.
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„Die arme Familie, da muss man doch etwas tun können“, warf meine Mutter plötzlich ein und sofort ertönte ein zustimmendes Raunen. In diesem Moment kam es mir vor, als würde mir schwindlig werden und sich alles um mich herum drehen; als würden meine Füße die Haftung auf den Boden verlieren und dann, als wäre ich nicht mehr der Herr über meine eigenen Sinne, sah ich mich plötzlich mit der Faust auf den Tisch schlagen, dass das Kaffeegeschirr geradezu erzitterte und klirrte und ich hörte mich sagen: „Was fällt euch eigentlich ein? Glaubt ihr, nur weil ein Mann einen anderen liebt ist er nicht mehr der gleiche wie vorher oder liebt seine Familie nicht weniger? Hat nicht jeder Einzelne das Recht glücklich zu werden und wenn er nun einmal so denkt, dass er mit einem Mann glücklich sein kann, warum soll er das nicht dürfen? Amerikaner haben das Recht und Streben nach Glück sogar in ihrer Verfassung stehen und man kann von ihnen ja halten was man will, aber sie reden wenigstens davon und wir haben es hier im Land schon umgesetzt, dass solche Menschen zumindest im Anschein glücklich sein dürfen und ihr redet noch immer so wie im Mittelalter. Wo ist denn das Problem, wenn ein Mann einen anderen Mann liebt? Ist das nicht besser, er zeigt seine wahren, ehrlichen Gefühle als sein Leben lang heucheln zu müssen? Will man denn wirklich anderen Menschen verbieten, ihren Sinn des Lebens zu erfahren? Lieben und geliebt zu werden....? Und wenn ich dann so etwas höre, wie das wäre gegen die Natur, dann finde ich das einfach nur abartig. Ist es nicht viel mehr gegen die Natur, einem anderen Menschen verbieten zu wollen, glücklich zu sein? Ist das nicht viel widernatürlicher und gegen jede Freiheit, die wir uns immer wieder so gern auf die Fahnen schreiben....?“ Meine Stimme erstickte und ich sah in die weit aufgerissenen Augen der Runde. Alle sahen mich an wie einen Aussätzigen, mein Herz raste und ich merkte, wie sich mein Bauch unter der heftigen Atmung hob und senkte, schneller und schneller. Langsam verflog das Gefühl des Schwindels und ich fühlte mich auf einmal deutlich freier als vorher.
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„Na das war doch mal eine gute Ansprache,“ durchbrach Onkel Hans auf einmal das Schweigen, „Da sieht man, du kommst ganz nach deinem Vater. Du wirst sicher auch mal ein guter Anwalt, so wie du argumentierst. Also mich jedenfalls hat es überzeugt. Gut gemacht, bravo.“
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Und als wäre das nicht schon die Krone der Heuchelei gewesen, legte Tante Leonore noch einmal eine gewaltige Schippe obendrauf: „Genau das meine ich auch immer und besser hätte ich es nicht sagen können. Toll, wenn man so für die Rechte der anderen Menschen einsteht. Echt toll. Aus dir wird noch ein guter junge, sagte ich ja immer. Ach du,“ sie wandte sich meiner Mutter zu und sagte dann, ohne auch nur einen Augenblick Pause zu machen: „ob noch etwas von diesem köstlichen Schokokuchen da ist? Der war wirklich ganz ausgezeichnet.“ Sie streckte meiner Mutter ihren leeren Teller entgegen und sofort ergriff meine Mutter ihn und ging damit in die Küche. „Der ist ganz wirklich ausgezeichnet“, pflichteten nun auch die anderen am Tisch zu. Irgendwie hatte die ganze Situation etwas surreales an sich. Von einem so ernsten Thema gleich zum Kuchen zu schwenken. Ich war mir absolut sicher, dass das Thema für Tante Leonore noch längst nicht gegessen war und sie vermutlich nur aus Verlegenheit und um ihren Mann nicht am Tisch zu widersprechen ihre Meinung derart rasant gewechselt hat. Ganz sicher würden sie sich auf dem Heimweg schon den Mund über mich zerreißen, aber mir war es in diesem Moment egal und vollkommen gleichgültig. Noch immer fühlte ich mich aufgeregt und innerlich wütend. Dabei war ich mir nicht einmal sicher, ob ich wütend darüber war, wie verbohrt manche Menschen sein konnten oder darüber, dass es mir einfach so herausgeplatzt war und ich so offen für Rechte einer Gruppe eintrat, die mir so vollkommen fremd war. Aber diese Worte hatten mich einfach verletzt und ich fühlte mich sogar betroffen von diesen wüsten Tiraden, die darüber abgeladen wurden.
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Der weitere Nachmittag verlief im Vergleich harmlos und geradezu idyllisch. Irgendwann wurde über die Berufe gesprochen und natürlich war hier wieder jeder der Anwesenden Männer in seinem Element. Oder besser die Frauen, die dieses Gespräch ganz unter sich zu führen schienen und ihre Männer nur dazu brauchten, um möglichst fleißig zustimmend zu nicken, wenn sie gerade an der Reihe waren, etwas zu erzählen. Sagte einer von ihnen, dass er befördert worden war, legte ein anderer nach und meinte, dass er das schon längst wäre und bald diese oder jene leitende Position in seiner Firma inne haben würde. Aber dieser Verlauf war mir Recht, war er doch weit genug von jedem persönlich berührenden Thema fern und ersparte mir eine erneute Peinlichkeit bei Tisch.
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Doch dann, wieder ganz spontan und ohne jede Vorwarnung platzte Tante Leonore plötzlich mit einer Idee heraus, die sich als noch viel schicksalsträchtiger entpuppen sollte, als ich es zunächst annahm. „Wie wäre es, wenn wir deinem Jungen mal die Zukunft vorher sagen? Ich meine, wer wüsste schon nicht gern, was ihm bevor steht?“, sie fragte meine Mutter. Ganz so, als würde ich noch ein kleiner Junge oder, viel schlimmer, gar nicht anwesend sein.
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Meine Mutter mit ihrem ohnehin starkem Hang zum esoterischen war gleich Feuer und Flamme: „du meinst so wie früher? Kaffeesatzlesen und so?“
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„Ja, genau so wie es früher immer Oma Hiltrud gemacht hat.“
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„Oh Super!“, strahlte meine Mutter und Tante Leonore und meine Mutter standen auf und gingen gemeinsam in die Küche.
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Wenig später kamen sie mit einem Tablett herein, auf dem eine dampfende Tasse und eine Untertasse standen. Sie stellten es genau vor mich auf den Tisch und ich sah, dass in der Tasse nur eine Menge feuchter Kaffeepulver war. Vermutlich die ausgeschüttete Filtertüte aus der Kaffeemaschine, wie es mir sofort durch den Kopf schoss.
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„So,“ fing Tante Leonore an zu erzählen, „Du musst nun die Untertasse auf die Tasse stülpen, beides umdrehen und dann die Tasse langsam hoch ziehen, sodass der Kaffeesatz auf die Tasse fällt. Ich lese dann, was es bedeutet.“
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„Echt?“, fragte ich misstrauisch zurück und fand die Idee absolut albern.
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„Komm, mach schon, das ist interessant“, stupste mich meine Mutter von hinten an und ich tat, wie mir geheißen. Ich nahm die Tasse mit dem nassen, dampfenden Kaffeesatz, stülpte die Untertasse darüber und drehte es mit einem Ruck um. Dann setzte ich den Teller ab und zog ganz langsam die Tasse nach oben. Der feuchte Satz fiel in kleinen Klumpen auf die Untertasse und bildete ein unzusammenhängendes, chaotisches Bild ohne jeden Sinn.
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„Oho, das ist ja interessant!“, sagte Leonore und ergriff den Teller. Konzentriert blickte sie auf die braunen, dampfenden Körnchen und tat sehr geheimnisvoll. Was für eine Show, schoss es mir durch den Kopf, geeignet um kleine Kinder zu beeindrucken. Aber mich?
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„Ich sehe,“ fing sie an und wandte den Blick keine Sekunde von dem dampfenden Pulver auf dem Teller, „ich sehe ein düsteres Geheimnis. Ein Geheimnis, dessen du dir selbst noch nicht einmal bewusst bist. Aber ich sehe, es wird sich schon bald zeigen und du wirst eine Entscheidung treffen müssen. Es ist eine wichtige Entscheidung. Es ist eine Entscheidung, die dein gesamtes Leben verändern wird und nach der nichts mehr so ist, wie es bis dahin war...“ Sie erzählte noch weiter, aber ich schaffte es, zwar hinzusehen und hin und wieder zu nicken, aber jedes Wort zu ignorieren. Es ließ mich absolut kalt und ich wartete nur darauf, dass dieses unwirkliche Schauspiel endlich beendet sein würde. Ein kurzer Blick in die Runde verriet mir, dass ich damit wohl nicht allein war. Ich nahm an, dass sie derartige voraussagen wohl auf jedem Geburtstag auf die eine oder andere Weise traf. Ich wurde achtzehn Jahre alt, wer in diesem Alter steht nicht vor einer wichtigen Entscheidung irgendwann. Und wer hatte kein Geheimnis....
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Gegen sechs Uhr am Abend verabschiedeten sich die Gäste und kaum waren sie in ihre Wagen gestiegen und begleitet von einem breiten Lächeln und heftigem Winken meiner Mutter losgefahren, trat sie wieder ein, knallte die schwere Haustür hinter sich zu und zischte mich an: „Sag mal, welcher Teufel hat dich denn vorhin geritten? Wolltest du die ganze Feier mit deiner komischen Meinung kaputt machen?“
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„Hä?“, fragte ich und wusste im ersten Moment nicht, was sie meinte.
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„Na deine Rede über die Schwulen und so. Also das musste doch echt nicht sein, oder. So etwas gehört doch auf keine Feier eines jungen Mannes.“ Sie sah mir in die Augen und ich hatte den Eindruck, als glühten darin zwei lodernde Feuer.
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„Immerhin hat sie damit angefangen“, gab ich zu meiner Verteidigung zurück und ahnte schon, dass das wohl sicher falsch war.
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„Und da musst du so reden, als ob du selbst betroffen wärst?“
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„Und wenn es so wäre? Wenn ich schwul wäre und einen Mann lieben würde, würdest du mir dann auch die Predigt hier halten oder würdest du einfach heucheln, das ja alles so toll wäre, wie du es sonst immer tust.“ Ich merkte, wie mir die Worte geradezu aus dem Mund sprudelten und ich mich mehr und mehr in Rage redete.
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Meiner Mutter war ihre Wut deutlich anzusehen und ich glaube, wäre mein Vater in diesem Moment nicht aufgetaucht und hätte beschwichtigend seine Hand auf ihre schulter gelegt, sie wäre endgültig aus ihrer Rolle gefallen, die sie den gesamten Tag über gespielt hatte. Ich drehte mich wortlos um, rannte die Stufen hoch und ging in mein Zimmer. Dort angekommen knallte ich die Tür hinter mir zu und machte meine Stereoanlage an. Alles kam mir gelegen, nur nicht über diesen verdammten Mist nachdenken und wenn es die lauten Klänge elektronischer Musik waren, die jetzt in mein Ohr dröhnten.
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Ich warf mich aufs Bett und sah auf die Uhr: Noch gut zwei Stunden, bis ich abgeholt werden würde. Hoffentlich endete diese geplante Party nicht auch in einem derartigen Chaos.
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Kurz nach acht Uhr vibrierte mein Telefon und Rick schrieb mir, dass er mit dem Auto draußen warten würde. Endlich, dachte ich, endlich weg aus diesen vier Wänden die mir an diesem Tag so einengend vorkamen, obwohl ich nicht wusste, woher dieses seltsame Gefühl kam, das ich auf einmal in meinem Bauch verspürte. Ohne mich von meinen Eltern zu verabschieden ging ich aus dem Haus und zur Straße, wo Ricks Auto stand. Als er mich sah, erhob er seine Hand zum Gruß und ich fühlte mich sofrt erleichtert. „Hi,“ sagte ich, als ich in den Wagen stieg, „wo sind die Anderen?“ Es wunderte mich, dass er allein kam, denn eigentlich wollten wir zu viert feiern.
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„Die sind schon oben in der Berghütte. Thomas konnte es nicht erwarten und ist mit Michael vorgefahren.“ Rick fuhr los, ohne dass er darauf gewartet hätte, dass ich meine Tür zugezogen hatte. Er war ohnehin immer ein rasanter Fahrer, aber an diesem Abend war es mir nur allzu Recht, so schnell wie möglich hier weg zu kommen. Wir fuhren eine gute halbe Stunde die Landstraße entlang und hörten im Radio den Klängen der Musik zu. Auf reden hatte ich ohnehin wenig Lust, was wohl auch Rick bemerkte. Denn als er den Wagen in den schmalen Weg einbog, der rauf zur Berghütte von Michaels Eltern führen sollte, die wir an diesem Abend für unsere Feier nur für uns hatten, sagte Rick auf einmal: „Sag mal, ist alles ok?“
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„Was meinst du?“ entgegnete ich und sah weiter auf den durch die Scheinwerfer erleuchteten Weg vor dem Wagen,
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„Du bist so ruhig heute Abend.“
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„Scheiß Nachmittag gehabt“, sagte ich nur und hoffte, es würde reichen.
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„Echt? Erzähl, was war los?“
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„Ach, gemeinsames Kaffeetrinken mit dr Verwandtschaft. Erst das ganze Geheuchel von meiner Mutter, dann eine sinnlose Diskussion über Blödsinn und als wenn das nicht genug wäre, noch ein Spiel, das die Zukunft voraussagen sollte...“
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„Klingt doch unterhaltsam.“ Ich wusste nicht, ob Rick sich über mich lustig meinte oder tatsächlich glaubte, es wäre ein Vergnügen gewesen.
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„Wenn du meinst... Kannst ja beim nächsten Mal meine Rolle übernehmen und es über dich ergehen lassen. Mal sehen ob du es dann immer noch unterhaltsam findest.“
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„Hey, hey, hey, Großer, nun spiel mal nicht den Beleidigten. Wir wollen doch Spaß haben heute Abend, oder?“
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„Ja, hast Recht. Sorry, wollte nicht genervt klingen. Aber mach du das mal mit. Beim Kaffeetrinken eine Diskussion über Schwulen-Rechte führen.“ Plötzlich war das Auto stumm und nur noch die Klänge aus dem Radio waren zu hören. Rick sah starr nach vorn und ich fragte mich, ob ich etwas falsches gesagt hätte. Ich wartete irgendwie auf eine Nachfrage von ihm, aber er sah nur schweigend nach vorn und schien zu überlegen.
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„Nun bist du aber sehr ruhig“, unterbrach ich nach einer Weile das Schweigen und sah ihn an. Er starrte konzentriert auf den Weg vor ihm, als würde hier die Gefahr bestehen, dass er einem Hindernis ausweichen müsste.
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„Nein, nein. Schon gut,“ sagte er leise, kaum hörbar, „Ich hab nur gerade nachgedacht.“
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„Ah, ok“, entgegnete ich und sah ebenfalls wieder nach vorn. dennoch beunruhigte mich das plötzliche Schweigen. Aus irgendeinem Grund fühlte es sich seltsam an.
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Nach einigen weiteren Minuten, in denen wir kein Wort mehr wechselten, kamen wir schließlich an der Berghütte an. Michaels Wagen parkte genau davor und Rick lenkt seinen direkt daneben. Im Haus brannte Licht und gemeinsam mit Rick ging ich zur Tür.
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„Da seid ihr ja endlich!“ begrüßte uns Thomas grinsend. „sieh mal wer hier ist“, rief er hinter sich und sofort tauchte Michael mit einem Sixpack Bier auf. Wir traten ein und nahmen jeder eine Flasche, dann hielt Thomas seine empor und rief in die Runde „Auf deinen Geburtstag! Nun sind wir alle volljährig und erwachsen!“
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„Prost“, „Zum Wohl“ sagten wir durcheinander, stießen mit den Böden der Flaschen an und tranken einen Schluck. Es fühlte sich gut an zu spüren, wie das kalte Bier langsam den Hals herab lief und es war, als würde mit jedem Schluck ein Teil dieser unerträglichen Last von mir abfallen, die ich noch immer verspürte.
***
Die Zeit verging wie im Fluge. Wir hatten es uns in dem kleinen Wohnzimmer gemütlich gemacht, hörten laute Musik und tranken reichlich Bier, das Thomas und Michael mitgebracht hatten. Es war eine locker, ausgelassene Stimmung, wie es eben zwischen Teenagern so ist, die ihren achtzehnten Geburtstag feiern. Oder wenigstens einen von ihnen. Nur Rick war seltsamerweise sehr schweigsamer. Viel ruhiger als sonst saß er da, nippte hin und wieder an seiner Flasche und ich hatte das Gefühl, als würde ihn plötzlich etwas bedrücken. Oder ging es nur mir so? Die anderen Beiden jedenfalls ließen sich gar nichts anmerken und machten ihre Witze, erzählten irgendwelche, vermutlich erfundenen Anekdoten und auch ich versuchte, nicht zu Rick zu sehen, um ihn nicht noch mehr in Verlegenheit zu beringen, wenn ihn wirklich etwas so beschäftigen sollte, dass er einen Moment Auszeit brauchte.
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„Hey, jetzt wo du achtzehn bist, hast du eigentlich schon mal gefickt? Also so richtig einen weg gesteckt?“ Thomas sah mich an und ich hatte das Gefühl, als würde mir zum zweiten Mal an diesem Tag das Herz für einen Schlag stehen bleiben. Ich war erschrocken und wusste nicht, was ich so schnell sagen sollte. Aus den Augenwinkeln aber erkannte ich, dass nun auch Rick aufrecht saß und gespannt zu mir blickte. Was war nur mit ihm los, dass er auf einmal wieder geistig anwesend zu sein schien?
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„Äh... noch nicht“, stammelte ich ehrlich. Wir waren unter uns und ohnehin hätten es die anderen Jungs gewusst, wenn ich schon einmal Sex gehabt hätte. Bislang war nur Thomas derjenige von uns gewesen, der bereits einige Erfahrungen gesammelt hatte, wie er immer und bei jeder sich bietenden Gelegenheit wieder zum Besten gab.
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„Sollte aber Zeit werden jetzt... dachte du bist da etwas schneller mit als die anderen Schnarchnasen hier...“ Thomas sah nun die anderen beiden Jungs abwechselnd an und grinste breit.
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„Hey,“ protestierte Michael, „Kann ja nicht jeder auf alles steigen, was ne Muschi hat. Gut Ding will Weile haben.“
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„Aber ständig wichsen kann auch nicht die Lösung sein... meinte ja nur“, sagte gleich darauf wieder Thomas.
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Ich fühlte mich plötzlich beobachtet und drehte mich zu Rick. Er sah mir direkt in die Augen und für eine Sekunde verharrten unsere Blicke aufeinander. Es fühlte sich seltsam an in diesem Augenblick. Irgendwie kam es mir vor, als würden meine Knie weich werden und zittern. Da war etwas unerklärliches in seinen Augen, das ein Gefühl in mir auslöste, als würde ich gerade einen leichten elektrischen Schlag bekommen.
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„Auch noch ein Bier“?“ rief Thomas nun und ich drehte mich wieder zu ihm, dankbar dafür, aus dieser Situation, die wie ich hoffte niemand bemerkt hatte, heraus zu kommen.
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„Ja, gern. Aber sicher!“, sagte ich und bemühte mich, nicht noch einmal zu Rick zu blicken, der mich noch immer ansah. Zumindest fühlte es sich so an, als würden seine Augen noch immer auf mir ruhen. Das Bier kam schnell und wir hatten ein anderes Thema gefunden, über das wir redeten und das sich deutlich besser anfühlte. Ich konzentrierte mich auf Michael und Thomas und vermied es, zu Rick zu sehen. Irgend etwas war mit ihm, da war ich mir sicher und was es auch war, es fühlte sich so an, als würde ich davon betroffen sein...
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Weit nach Mitternacht, längst hatten die Biere ihre Wirkung gezeigt, meinte Thomas schließlich, dass wir uns die Schlafplätze aufteilen sollten. Er bestand darauf, im Schlafzimmer zu schlafen und noch bevor ich etwas einwenden oder sagen konnte, hatte sich Michael das Gästezimmer reserviert. Ich erhob dann auch gleich Anspruch auf die Couch und Rick, als letzter in unserer Runde, meinte, er würde den Schlafsack nehmen und auch im Wohnzimmer pennen. In diesem Moment musste ich wieder zu ihm sehen und er tat mir tatsächlich leid. Wie er da saß, so ruhig, in sich gekehrt und nun auch noch derjenige, der im Schlafsack auf dem Boden schlafen würde. Unsere Augen trafen sich und wieder war es, als würde von diesem Blick aus ein Gefühl ausgehen, das meinen gesamten Körper ergriff. Ich konnte es mir nicht erklären und sah schnell wieder weg, mein eigenes Herz laut und heftig in der Brust pochen spürend. Für einige Sekunde verharrten wir so, schweigend und uns in die Augen blickend. Michael und Thomas waren längst verschwunden und schließlich, nach weiteren Augenblicken, in denen wir uns nur anstarrten, erhob sich Rick schließlich und meinte, eher zu sich als zu mir sagend: „Ich hole dann mal den Schlafsack aus dem Auto.“
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„Ja, ok“, meinte ich nur und sah ihm hinterher, wie er aus der Tür hinaus ging. Er wirkte irgendwie verloren, die schlanke Statur, das glatte Haar und wie er da mehr schlurfte als wirklich fest auftrat. War er so angetrunken, das er diesen Gang wählte oder stimmte tatsächlich etwas nicht mit ihm?
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Als er schließlich die Tür hinter sich verschlossen hatte und ich allein in dem Wohnzimmer war, stand ich auf und holte eine der Decken, die Thomas auf den Boden neben die Couch gelegt hatte. Ich räumte die Kissen vom Sofa, ließ nur eines an einer der Seitenlehnen liegen und fing an, mich auszuziehen. Ich fühlte mich müde, erschöpft und auf einmal, ich weiß nicht woher es kam, fiel mir diese Kaffeesatzleserei ein, die es am Nachmittag gegeben hatte. Ein Geheimnis würde ich in mir tragen, eine Entscheidung bevor stehen... Ich überlegte kurz, ahnte,m dass ich auf dem weg war, das Geheimnis zu erkennen, auch wenn ich nicht wirklich eine Ahnung davon hatte, was es sein sollte und schob dann schnell diese Gedanken wieder zur Seite.
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Ich stand vor der Couch und zog mir das T-Shirt über den Kopf, warf es auf den Boden zu den Kissen und streifte mir beide Schuhe ab,. Dann setzte ich mich hin, zog die Socken aus und stand erneut auf, um mir den Gürtel meiner Hose aufzumachen. In diesem Augenblick öffnete sich wieder die Tür und Rick kam zurück. Er trug den zusammengerollten Schlafsack auf seinen Armen und sah mich an. Direkt in die Augen und ich hörte sofort damit auf, meinen Gürtel aufzumachen. Als wäre ich bei etwas verbotenem ertappt worden klopfte mein Herz heftig und ich starrte Rick nur in die Augen. Nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich löste sich unser Blick wieder. Rick sah herab und kam näher. Ich fühlte mich verlegen, drehte mich um und machte nun meine Jeans ganz langsam auf.
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Obwohl ich mit Rick gemeinsam im Fußballverein war und wir nach dem Training gemeinsam duschten, schämte ich mich in diesem Augenblick, die Hose vor ihm herunter zu lassen und nur in Shorts da zu stehen. Ich ging zum Lichtschalter, verdunkelte den Raum und ging zurück zur Couch. Obwohl nun kein Licht mehr brannte, sah ich doch deutlich Rick noch immer im Raum stehen und zu mir blicken. Das Licht im Flur schien herein, aber es wäre mir blöd vorgekommen, noch einmal dahin zu gehen und es auszuschalten. Also beließ ich es dabei. Ich strengte mich an, von Rick weg zu sehen und zog mir nun die Jeans herunter, stieg aus ihr und legte sie auf das T-Shirt neben der Couch. Dann, auf einmal, sah ich aus den Augenwinkeln Rick näher kommen. Ich drehte mich um, er stand nur wenige Zentimeter vor mir und blickte mir tief in die Augen. „Du,“ sagte er auf einmal ganz leise, „Ich glaube, ich muss dir was sagen.“
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Mein Herz klopfte, mein Mund fühlte sich auf einmal trocken an und ich konnte kein Wort heraus bringen. Er sah mir in die Augen und es war, als blickte ich in zwei tiefe, glasklare Seen. Ich wusste, das er auf eine Reaktion wartete, ein Wort oder eine Geste, die ihm signalisierte, dass er reden könnte. Aber ich bekam einfach nichts heraus! Es ging nicht, ich fühlte mich absolut wortlos und leer. Es war, als würden plötzlich alle Gedanken aus meinem Kopf verschwinden, als würde die Welt, das Zimmer um Rick herum, in einen dichten, undurchdringlichen Nebel verschwinden und nur noch Rick übrig bleiben. Meine Knie zitterten, meine Füße fühlten sich an, als würden sie langsam den Kontakt zum Boden verlieren und mein Herz schlug immer schneller. Und dann, als wäre ich nicht mehr der Herr meiner eigenen Sinne und Handlungen, sah ich plötzlich meine eigene Hand langsam in die Höhe gehen. Es war, als würde das Gefühl in diesem Moment die Kontrolle über mich übernehmen; als würde mein Unterbewusstsein das zum Vorschein bringen, was ich noch nie derart deutlich verspürt hatte. Meine Hand schwebte zu Ricks Gesicht und berührte sanft seine Wange. Ich streichelte sie und es fühlte sich gut an. Seine Augen verharrten auf meinen. Unser Blick wurde tiefer und tiefer und nun kam er einen weiteren Schritt auf mich zu.
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Ich spürte deutlich die Wärme seines Gesichts auf meine Wangen strahlen, seinen sanften Atem auf mich treffen und mein Herz raste immer schneller. Meine Hand ließ nun wieder die Wange los und glitt an seinem Arm nach unten. Er drehte sich weg, sah meiner Hand auf seinem Arm nach, nur um mich gleich darauf erneut anzusehen, den fehlenden Schritt, der uns noch trennte, nach vorn zu gehen und dann spürte ich sie schon: Seine weichen Lippen auf meinen Mund treffen. Plötzlich war es, als würde ich vollkommen aus dieser Welt hinaus gleiten und ein Reich betreten, von dessen Existenz ich bislang noch nichts geahnt hatte. Es war so wundervoll, so magisch und herrlich, wie seine Lippen sanft auf meinem Mund ruhten. Wie von selbst legte ich die Arme um Ricks schlanken Körper und drückte ihn gegen meinen. Er hatte noch immer sein T-Shirt an, doch dann griffen meine Hände an den Bund des Shirts, und die kurze Sekunde, die sich unsere Münder trennten, reichte, um ihm das Shirt über den Kopf zu ziehen.
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Noch während es zu Boden fiel berührten sich unsere Lippen zum zweiten Mal. Dieses Mal viel fester, intensiver und leidenschaftlicher. Seine Zunge drückte gegen meinen Mund und ich ließ locker. Sofort glitt sie zwischen meinen Lippen hindurch und fing an, mit meiner Zunge zu spielen. Nun spürte auch ich seine weichen, warmen Hände auf meinem Rücken. Sanft streichelten sie meine Haut, glitten an meinem Rücken auf und ab und immer wieder ein kleines Stück tiefer. Schließlich lagen sie auf meiner Shorts, direkt auf meinen Pobacken und er presste mein Becken fest gegen seines, während unsere Zungen noch immer wild und doch auf eine ganz gewisse Art zärtlich miteinander spielten.
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Es fühlte sich so neu an, so wundervoll und als würde ich in einen tiefen Rausch gleiten, aus dem ich nie wieder erwachen wollte. Wir küssten uns, rieben unsere nackte Haut aneinander und ich geriet immer mehr in Ekstase. Ich konnte nichts denken und fühlte nur diesen einmaligen, herrlichen Augenblick. Alle Gedanken waren verschwunden in ein tiefes Nichts und es existierte nur dieser eine, einzigartige Moment.
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Obwohl ich so etwas noch nie zuvor getan hatte, wusste ich auf einmal ganz genau, was ich tun musste. Ja, es kam mir vor, als würde mein Gefühl direkt die Oberhand gewonnen haben und mich nun leiten; als wäre ich endgültig von diesem einmaligen Rausch gepackt, in dem meine Sinne triumphierten. Unsere Lippen lösten sich, Rick warf seinen Kopf ruckartig in den Nacken und krallte seine Finger durch den dünnen Stoff meiner Shorts hindurch in das Fleisch meiner Pobacken. Ich küsste seinen Hals, liebkoste ihn und glitt mit meinen Lippen zu seinen Schultern. Immer heftiger fühlte ich die eigene Erregung in mir aufsteigen und ich küsste nun weiter an seinem schlanken, glatten, nackten Oberkörper herab. Ich liebkoste seine Brust, biss sanft auf einen seiner Nippel und entlockte Rick ein kaum hörbares, aber heftiges Stöhnen, bei dem er noch einmal seine Finger fester in das Fleisch meiner Pobacken vergrub. Ich glitt tiefer mit meinen Lippen, küsste nun den flachen Bauch und gelangte zu seinem Nabel. In diesem Moment ließ er meine Pobacken los, legte eine Hand auf meinen Kopf und machte die Beine etwas breiter auseinander. Ich glitt in die Hocke, küsste nun seine Jeans genau an der Stelle, hinter der bereits die pralle, heiße Beule seiner Männlichkeit gegen das dicke Stück Stoff drückte. Geschickt öffnete ich die Knöpfe der Hose, leckte immer wieder über den Stoff und zog sie schließlich herunter. Er stieg aus ihr, schoss sie zur Seite und ich liebkoste mit meinen Küssen nun die dünne, eng anliegende Shorts, die er trug. Immer wieder küsste ich entlang des sich abzeichnenden, harten und großen Schaftes, leckte hin und her und hielt es schließlich nicht mehr aus. Mit einem schnellen Ruck zog ich seine Shorts herunter und sofort sprang sein steifer, harter Penis heraus und klatschte gegen meine Wange. Ich ergriff die pralle Wurzel, er packte meine Haare und ich begann damit, ganz langsam entlang des Schaftes von unten nach oben zu lecken, bis ich schließlich an der durch die Erektion bereits von der Vorhaut befreiten Eichel anlangte. Ich bewunderte dieses mächtige, pralle und blanke Stück Fleisch und leckte schließlich ganz zärtlich über diese heiße Spitze seiner Männlichkeit. Wieder stöhnte Rick leise auf und ich leckte gierig um das feste Stück Fleisch, spielte mit der Zunge um es herum und stülpte schließlich meine Lippen darüber, nur um es ganz langsam in meinen Mund gleiten zu lassen. Hin und her bewegte ich meinen Kopf und rieb meine Lippen auf dem nackten Fleisch seiner Eichel. Meine Hand wichste unterstützend seinen harten, heißen Schaft und ich wurde geiler und geiler. Nie zuvor verspürte ich eine derartige, intensive Lust und ich genoss jeden einzelnen Augenblick!
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Dann ein heftiges Stöhnen von Rick und gepresst, geradezu keuchend sagte er: „Ah, ich glaube ich komme!“
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Sofort ließ ich die pralle, heiße Eichel aus meinem Mund gleiten, wichste noch einmal heftig und schnell den heißen Schaft und riss den Mund weit auf. In diesem Moment zuckte sein Schaft in meiner Hand und schon einen Wimpernschlag später schoss eine heftige, reichliche Fontäne seines klebrigen, warmen Spermas aus seinem Schwanz und traf meine Lippen. Ich leckte darüber, es schmeckte salzig und hielt meinen Mund näher an die spuckende Schwanzspitze. Der zweite Schub traf mich mitten in den Mund und ich schluckte gierig herunter. Es kam ihm so heftig, dass ich nicht einmal schaffte, alles aufzunehmen. Ein dünner Strom seines Spermas bahnte sich den Weg von meinem Gesicht herunter zum Kinn, von wo aus ich es dann herab tropfen spürte. Es landete irgendwo auf meinem Oberkörper, aber das war mir egal. Ich war noch immer berauscht! Nun schob er mir den Penis erneut zwischen meinen Lippen hindurch in den Mund. Ein letzter Schub spritzte direkt auf meine Zunge und langsam, zufrieden stöhnend zog er seinen Schwanz wieder zwischen meinen Lippen hindurch nach draußen, rieb ihn über meinen geschlossenen Mund hin und her und ich leckte ihn so blitzblank wie es nur ging. Zufrieden, glücklich und noch immer in diesem wunderbaren Rausch gefangen.
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Ich glitt an Ricks nacktem Körper herauf bis nach oben. Wir sahen uns in die Augen, er wirkte zufrieden. Seine Hand griff mir auf einmal in den Schritt, packte das harte, heiße Paket meiner Männlichkeit und knetete es sanft. Ich lächelte, wir küssten uns uns nun war er es, der seinen Kuss löste und an mir herab glitt. Stück für Stück meines nackten Oberkörpers erkundete er mich küssend und leckte dabei die Spuren seines eigenen Spermas ab, kam erneut nach oben, um mich erneut zu küssen und ich schmeckte bei unserem heftigen Zungenspiel seinen Saft erneut. Dann glitt er wieder küssend an mir herab und fing schließlich damit an, mich so zu verwöhnen, wie ich ihn eben erst verwöhnt hatte. Es dauerte auch nicht lang und ich erlebte meinen Höhepunkt! So heftig und intensiv, wie ich es noch nicht einmal zu träumen gewagt hätte!
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„Was wolltest du mir eigentlich vorhin sagen?“, fragte ich ihn und drückte ihn näher an meinen nackten Körper. Wir lagen gemeinsam auf der Couch, kuschelten nach diesem Erlebnis noch miteinander und wollten uns erst am Morgen wieder trennen, bevor die anderen Jungs aufstehen würden und uns erwischen könnten.
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„Ach das,“ hauchte Rick leise, gab mir einen flüchtigen Kuss und sagte dann, mir tief in die Augen sehend: „Als du mir am Abend, als ich dich abholte, sagtest, dass du zu Hause über die Rechte von Schwulen diskutierst hast, dachte ich erst, du wüsstest es. Du wüsstest mein Geheimnis, das ich so lange unterdrückt habe. Da wollte ich es dir eigentlich schon sagen, aber ich wusste nicht wie und ob ich richtig lag mit meinem Gefühl. Es war so seltsam, so komisch und doch spürte ich, dass all die Jahre zwischen uns etwas war, das über die einfache Freundschaft hinaus ging, auch wenn ich es vielleicht gar nicht wahr haben wollte oder verdrängte. Vielleicht hoffte ich auch, dass du so sein würdest wie ich und mit den gleichen Problem kämpfst.“ während er die Worte sagte, streichelte er sanft meinen nackten Körper mit seiner warmen, weichen Hand. Plötzlich musste ich mich an die Worte meiner Tante erinnern, die mir aus dem Kaffeesatz vorher sagte, dass ein tiefes Geheimnis aus mir heraus drängen würde und ich eine Entscheidung treffen müsste. Aber konnte das ein? Konnte ein dampfender, feuchter Kaffeesatz wissen, wer und was ich wirklich war. Ich blickte Rick in seine strahlenden, glücklich glänzenden Augen und hauchte lächelnd: „Und was war es nun, was du mir sagen wolltest?“
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Doch tief in mir kannte ich die Antwort bereits und das nächste was ich spürte, waren seine feuchten, warmen Lippen auf meinem Mund. Das reichte mir als Antwort auf meine Frage aus, denn ich wusste, dass, was er mir sagen wollte, würde in Worten nie das wieder geben können, was ich in diesem Moment verspürte. Und ja, tief in meinem Inneren hatte ich tatsächlich bereits eine Entscheidung getroffen, die mein gesamtes Leben verändern sollte: Denn jetzt, wo ich das erste Mal das reine, unverfälschte Glück kennen gelernt hatte, wollte ich es nie wieder verlieren....
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