Archie hat oft nicht das gemacht, was man von ihm wollte«, erzählte Louisiana. »Eigentlich hat er fast nie gemacht, was man von ihm wollte.«
»Wovon sprichst du?«, fragte Beverly.
Sie waren am Supermarkt angekommen. Ein Einkaufswagen war den Hügel heruntergerollt und an einem Baum gestrandet. Das Metall des Wagens glitzerte fröhlich, es reflektierte die Lichter des Parkplatzes.
»Ich finde, dieser Einkaufswagen ist perfekt für Archies Befreiung. Wir können ihn reinsetzen und überall hinschieben.«
»Nein«, sagte Beverly.
»Ja«, sagte Louisiana.
»Wir können nicht mitten in der Nacht mit einem Einkaufswagen durch die Gegend ziehen. Das macht viel zu viel Krach und außerdem sieht es blöd aus.«
»Ich glaube, wir können ihn gut gebrauchen«, sagte Louisiana. Sie drehte sich zu Raymie um. »Was meinst du?«
»Ich denke, es ist okay«, sagte Raymie. »Kein Mensch weit und breit.«
»Prima«, sagte Louisiana. »Das heißt, wir schaffen es.«
Sie zog den Wagen weg vom Baum und schob ihn den Bürgersteig entlang.
Der Einkaufswagen hatte ein schiefes Rad, das beim Rollen stotterte. Es klang, als ob der Wagen verzweifelt versuchen würde, etwas zu sagen, aber Schwierigkeiten mit den Wörtern hatte.
»Kommt schon, ihr beiden«, sagte Louisiana und warf einen Blick zurück. »Wir wollen Archie befreien.«
Und dann drehte sie sich wieder um und fing an, ein Lied zu singen, in dem es um Wohnwagen ging, die man kaufen oder mieten konnte.
»Sie denkt wohl, wir veranstalten hier so eine Art Parade der Gescheiterten«, sagte Beverly zu Raymie.
Sie liefen hinter der singenden Louisiana und dem stotternden Einkaufswagen her durch die fremdartige Dunkelheit.
Die Dinge waren zwar sichtbar, aber alles fühlte sich unwirklich an. Als ob die Schwerkraft im Dunkeln weniger stark war. Manches schien zu schweben. Raymie versuchte, ihre Zehen zu krümmen. Auch sie fühlten sich leichter an.
»Siehst du das da oben?« Beverly zeigte auf den Belknap Turm. Ganz oben auf seiner Spitze blinkte ein rotes Licht. »Da arbeitet meine Mutter. Sie sitzt auf einem kleinen Stuhl hinter der Kasse und verkauft Mini-Belknap-Türme und Orangenblüten-Parfüm und lauter so Zeug. Es gibt eine Maschine im Souvenirshop, wo man einen Penny einwirft, und dann bekommt man ihn zurück mit einem Bild des Turms drauf. Die Maschine ist richtig laut. Meine Mutter hasst sie. Aber sie hasst sowieso alles.«
»Oh«, sagte Raymie.
»Jawohl«, sagte Beverly.
Vor ihnen schob Louisiana immer noch den Einkaufswagen. Sie sang davon, wie es ist, König der Straße zu sein.
»Warst du schon mal oben auf dem Turm?«, fragte Raymie.
»Ganz oft«, sagte Beverly.
»Wie ist es da?«
»Ganz okay. Man kann ziemlich weit gucken. Als ich noch richtig klein war, hab ich jedes Mal, wenn ich oben war, erwartet, New York zu sehen, weißt du? Damals war ich ein kleines Kind und wusste es nicht besser. Ich bin nach oben gegangen und hab gehofft, ich würde meinen Dad sehen. Was natürlich blöd war.«
Raymie fragte sich, was sie wohl vom Turm hätte sehen können, wenn sie zur richtigen Zeit oben gewesen wäre. Hätte sie Mr Staphopoulos und Edgar auf ihrem Weg nach Nord Carolina gesehen? Hätte sie ihren Vater gesehen, wie er mit Lee Ann Dickerson davonfuhr?
»Wir könnten mal zusammen hochgehen«, sagte Beverly. »Wenn du magst.«
»Okay«, sagte Raymie.
Louisiana hörte auf zu singen. Sie drehte sich zu ihnen um.
»Wir sind da«, sagte sie.
Und da war es schon: Gebäude 10.
Raymie war nicht sehr glücklich über diesen Anblick.