8
Ein Grinsen breitete sich auf Zekes Gesicht aus, als er vom Haus wegfuhr. Tiefe Erleichterung überkam ihn, so stark, dass er das Bedürfnis hatte anzuhalten, den Hut in die Luft zu werfen und vor Freude juchzend um den Pick-up herum zu laufen. Danke, Jesus! Er musste an diesem Abend nicht kochen!
Ganz gleich, ob Carlin auch nur halb so gut kochen konnte wie Libby, oder nicht einmal. Sie musste nur genießbares Essen auf den Tisch stellen, und sie würde sowohl seine, als auch Spencers Bemühungen übertreffen. Jetzt musste er nicht mehr daran denken, eine Ladung Wäsche in die Maschine zu stecken, bevor er hinauseilte, um einen langen Tag auf der Ranch zu verbringen, oder nachdem er sich nach demselben langen Tag nach Hause geschleppt hatte. Jetzt musste er nicht mehr überlegen, was er mit dem Geschirrspüler falsch gemacht hatte, warum überall Seifenschaum hinlief, denn soweit er sich erinnern konnte, war das vorher noch nie passiert. Reinigungsmittel für den Geschirrspüler, Geschirrspüler, Geschirr – was an dieser Zusammensetzung könnte einen Vulkanausbruch Marke Vesuv auslösen? Er hatte keinen blassen Schimmer, und jetzt war es Carlins Problem.
Mahlzeiten, die er nicht hatte kochen müssen, Kleidung, die sauber war, sich nicht mehr den Weg durch das Haus kämpfen zu müssen, weil er nicht die Zeit gehabt hatte, auch nur die Hälfte der Sachen wegzuräumen, seit Spencer verletzt war – wenn das nicht der Himmel auf Erden war!
Hätte er sich nicht so sehr über das Entsetzen gefreut, das Carlin beim Anblick der Küche ins Gesicht geschrieben stand, wäre er verlegen gewesen – aber so war es nun mal gelaufen. Auf jeden Fall hatte es ihm große Freude bereitet, ihr das Chaos zu hinterlassen. Das hatte ihr loses Mundwerk gestopft.
Allerdings musste er zugeben, dass ihm die ganzen Frechheiten Spaß gemacht hatten. Trotz ihrer Stalker-Probleme – falls ihre Geschichte stimmte, und Zeke nahm für gewöhnlich nicht alles, was man ihm erzählte, für bare Münze, daher hielt er sich mit einem Urteil darüber zurück –, zeigte sie kein bisschen Angst. Manche Frauen hätten sich vielleicht einschüchtern lassen, aber Carlin nicht. Sie hatte überhaupt keine Angst vor ihm, und das gefiel ihm. Fast genauso wie ihr herzförmiger Arsch.
Nein, wenn er es recht bedachte, gab es da keinen Wettbewerb – ihr Arsch gewann um Längen.
Eine halbe Stunde später kam er an die Stelle, an der Darby und Eli ein Wasserpumpwerk reparierten, das von einem der Traktoren zerstört worden war, als sie Heu mähten. Eli war auf der Ranch der Beste, wenn es um Maschinen ging; Darby konnte überall eingesetzt werden, weshalb Zeke ihn auch weiter beschäftigte, obwohl der Mann sich ständig über alles Mögliche beschwerte. Wenn die Geduld ohnehin strapaziert war, fiel es schwer, ihm zuzuhören, aber manche Menschen waren nie zufrieden, und zu denen gehörte Darby.
Als er aus dem Wagen stieg, richteten sich beide Männer aus ihrer gebückten Haltung auf. Eli wischte sich mit einer schmierigen Hand über die Stirn, entfernte den Schweiß, hinterließ jedoch eine schwarze Ölspur.
»Wie kommt ihr voran?«, fragte Zeke und zog seine Handschuhe aus, um zu helfen, falls nötig.
»Wir sind fast fertig«, erwiderte Eli. »Vielleicht noch eine halbe Stunde.«
»Gut.«
Darby bog den Rücken durch, um die Anspannung in den Muskeln loszuwerden. »Hast du die neue Köchin eingewiesen?«
»Sie ist da. Ob sie sich eingewöhnt oder nicht, weiß ich nicht.« Beim Gedanken an ihren Gesichtsausdruck, als er sie mit allem stehen ließ, hätte er am liebsten wieder gegrinst.
»Ich hoffe nur, dass sie besser kochen kann als Spencer«, quengelte Darby. »Andererseits kann wohl fast jeder besser kochen als Spencer – außer dir, Boss.«
Das war die reine Wahrheit, also war Zeke nicht verärgert. »Wie alt ist sie?«, fuhr Darby fort.
Nur vier Wörter, aber sie reichten, um Zekes Alarmglocken in Gang zu setzen. Darby war mit ein Grund gewesen, warum Zeke die letzte Köchin verloren hatte. »Sie ist jung genug«, sagte er barsch, »und du hältst dich gefälligst von ihr fern.«
»O-ho!« Darby grinste ihn an, obwohl recht wenig Humor in seiner Miene war. »Bist wohl selber scharf auf sie, was?«
Ob es nun stimmte oder nicht – und er musste zugeben, dass da definitiv ein körperlicher Funke existierte, zumindest was ihn betraf –, es gehörte nicht hierher, und er wollte nicht, dass die Männer glaubten, er sehe Carlin als seine sexuelle Privatdomäne an. Sie hatte es verdient, mit Respekt behandelt zu werden, und dafür würde er schon sorgen. Außerdem wollte er alles, was mit Darby vor sich ging, im Keim ersticken, auf der Stelle.
»Nein, ich habe eine Köchin und Haushälterin, und ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass du der Grund bist, warum ich die auch verliere.«
»Das war nicht meine Schuld …«, fing Darby mit weinerlichem Ton an.
»Das habe ich auch nie behauptet«, unterbrach Zeke ihn. »Ich will damit nur sagen, dass es mir scheißegal ist. Offensichtlich kann ich einen weiteren Rancharbeiter verdammt viel leichter finden als eine Köchin, also halte dich verdammt noch mal fern von ihr, sonst setze ich deinen Arsch vor die Tür, nicht ihren. Das gilt für alle, die hier arbeiten, nicht nur für dich, also sagst du es am besten gleich weiter.«
Er musste wachsam bleiben, dachte er. Carlin war hübsch. Nicht schön, nicht übermäßig sexy, aber ihre Gesichtszüge waren fein geschnitten und immerhin so zart, dass sie einen Mann zwei Mal hinschauen ließen, auch ohne die Keckheit der kleinen, hohen Brüste und ihren runden Arsch zu berücksichtigen. Männer würden immer auf sie reagieren. Er musste es den geilen alleinstehenden Männern, die für ihn arbeiteten, unmissverständlich zu verstehen geben, dass sie komplett tabu war.
Was das betraf, so musste er sich selbst ermahnen. Sein Schwanz war steif geworden und hatte sie zur Kenntnis genommen, als Zeke sie zum ersten Mal gesehen hatte, und unter anderen Umständen – na ja, die Umstände waren nicht anders. Sie befand sich in einer schwierigen Lage, und ihre stachelige Art machte deutlich, dass ihr nicht nach einer Affäre zumute war, nicht einmal nach einer flüchtigen, denn mehr wollte er ohnehin nicht. Schade aber auch. Er würde es jedoch überleben; Mangel an Sex war verdammt ärgerlich, aber nicht tödlich.
Außerdem war es saublöd, dass er sich nicht gern zurückhielt, wenn er etwas haben wollte. Darin hatte er nicht viel Übung, und er war kein guter Verlierer. Was war schon gut daran, zu verlieren? Nichts, verdammt.
Was zum Teufel hatte er sich nur dabei gedacht, sie einzustellen und hierher zu bringen?
Na ja, die Frage war leicht zu beantworten. Er hatte gedacht, dass er ein sauberes Haus haben wollte, saubere Kleidung und Mahlzeiten, die es wert waren, verzehrt zu werden. Er war immerhin so verzweifelt gewesen, dass er absichtlich die körperliche Anziehung ignorierte, die er für sie empfand. Und bei Licht betrachtet, wollte er eigentlich ausgiebig mit Carlin ins Heu. Seine gute Laune ließ abrupt ein wenig nach, als er an die bevorstehenden Monate dachte, in denen er sich selbst verleugnen musste. Man konnte nicht sagen, wie lange sie bleiben würde, aber eines war verdammt sicher: Sie war nicht für immer hier. Sobald sie sich nicht sicher fühlte, würde sie verduften.
»Wie heißt sie?«, fragte Eli. Auch er war alleinstehend, aber nicht so ein geiler Bock wie Darby. Eli war Mitte vierzig und vor langer Zeit ein Mal verheiratet gewesen, als er noch auf Rodeos ritt. Er hatte ein paar Bars besucht, ein bisschen getanzt, sich aber nur selten verabredet. Was jedoch nicht hieß, dass er es von vornherein ablehnte. Zeke fügte Eli im Geist seiner Liste der Männer hinzu, die er im Auge behalten musste.
»Carly Hunt.« Gott sei Dank war »Carly« so nah an »Carlin«, dass es wahrscheinlich niemand mitbekommen würde, wenn er sich vertat und ihren richtigen Namen benutzte. »Was ich Darby gerade gesagt habe, gilt auch für dich, Eli. Herrgott, es gilt für alle.« Sogar für ihn selbst. Verdammt.
»Um mich brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, Boss«, sagte Eli gelassen. »Ich schätze, ich bin das, was hier als Mahlzeiten durchging, ebenso leid wie alle anderen.« Seine Lippen zuckten ein wenig, aber er hütete sich, zu grinsen.
Darby nicht.
Carlin legte eine Verschnaufpause ein – eine sehr kurze, denn sie hatte das Gefühl, unter einer Wäschelawine zu ersticken, wenn sie sich zu lange ausruhte. Waschmaschine und Trockner liefen in den letzten drei Stunden fast ununterbrochen. Auch der Geschirrspüler lief, und die dreckigsten Töpfe und Pfannen hatte sie mit der Hand gespült. Kein Geschirrspüler der Welt hätte diese angebrannten Töpfe sauber bekommen. Allmählich ging es ihr mit ihrem Job besser. Sie machte nicht nur Fortschritte, sondern hatte Zeke in den drei Stunden überhaupt nicht gesehen. Und sie kannte sich mit Jobsicherheit aus; offensichtlich brauchte er dringender Hilfe, als er sich hatte anmerken lassen.
Wenn sie ihn nicht sehen musste, würde sie sich vielleicht nicht um ihre außer Kontrolle geratenden Hormone sorgen müssen. Im Übrigen wäre sie am Ende des Tages so müde, dass selbst das hartnäckigste Hormon zu erschöpft wäre, um sich zu regen.
Ihr erster Tagesbefehl hatte gelautet, eine Bestandsaufnahme von Speisekammer und Kühlschrank zu machen, nachzusehen, was verfügbar war, und einen Plan für das Abendessen zu machen. Beide waren gut gefüllt, wofür sie zutiefst dankbar war. Vermutlich sollte sie auch dankbar sein, dass ihr Boss nicht von ihr erwartet hatte, dass sie für neun Personen – zehn, wenn sie sich mitzählte – Mittagessen kochte, sobald sie einen Fuß ins Haus gesetzt hatte. Vielleicht aßen die Männer Sandwichs in der Baracke, oder aber sie hatten ein frühes Mittagessen gehabt. Das »Warum« spielte keine Rolle. Im Endeffekt hatte sie ein wenig Zeit, um Ordnung zu schaffen, bevor sie kochen musste.
Sie warf einen riesigen, aber einfachen Thunfischauflauf zusammen; er stand bereit, um in den Ofen geschoben zu werden. Ein Auflauf gehörte zu den wenigen Gerichten, für die sie kein Rezept brauchte, weil sie ihn so häufig gekocht hatte, wenn auch noch nie in dem Umfang. Es war einfach: Reis, Creme aus Pilzsuppe, jede Menge Thunfisch, Gemüsemischung, etwas Gewürz und reichlich Käse, um einen Elefanten zu stopfen. Zu spät fragte sie sich, ob einer der Männer eine Laktoseunverträglichkeit hatte. Wenn ja, dumm gelaufen. Jemand hätte es ihr sagen sollen, wenn spezielle Ernährungsbedürfnisse vorhanden waren.
Sie hatte eine riesige Auflaufform gefüllt, damit für das Mittagessen am nächsten Tag noch mehr als genug übrig blieb. Sie hatte beschlossen, Vollkornbrot zu machen, weil die Anleitung auf der Seite der Verpackung der Backmischung ihr einfach genug erschien, aber wenn das überhaupt gut werden sollte, dann musste es auf die letzte Minute zubereitet werden. Außerdem gab es noch Eis und eine Backmischung für Brownies. Ob sie jeden Tag mit Nachtisch rechneten? Sie hatte nicht gefragt, aber es würde ihr zu einem guten Start verhelfen, wenn sie an ihrem ersten Tag hier etwas Süßes auftischte.
Ein Braten für den nächsten Abend taute im Kühlschrank auf. Vorausschauende Planung wäre der Trick, um hier zu überleben. Und sie würde überleben, trotz grüner Augen, Bergen von Wäsche, Knackarsch und schmutziger Küche. Überleben war das, was sie neuerdings machte.
Carlin vernahm das hartnäckige Klopfen an der Hintertür und fragte sich, wie oft derjenige, wer immer es sein mochte, wohl versucht hatte, sie auf sich aufmerksam zu machen. Wer immer es sein mochte – ha! Es musste Zeke sein, der nach ihr sehen wollte. Sie trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, strich sich ein paar verirrte Haarsträhnen glatt, warf einen Blick durch die Küche, um zu prüfen, wie weit sie gediehen war. Sollte er ruhig warten. Je länger er wartete, desto wütender wäre er natürlich, und sie war diejenige, die ihm etwas entgegenhalten musste, während er in diesem halben Dauerzustand war.
Doch der Mann auf der anderen Seite des doppelt verglasten Türfensters war jung, blond und hatte ein frisches Gesicht. Eine Mischung aus Scham und Enttäuschung überkam sie. Das war schließlich nicht Zeke. Sie hatte jemand anderen warten lassen. Pfui!
Sie schloss auf und öffnete die Tür. Ein genauer Blick, und sie wusste, wer dieser Mann war. »Sie müssen Spencer sein.«
»Das Ding an meinem Arm hat mich verraten, nicht wahr?« Er grinste, das breite, offene Grinsen eines Knaben, der keine Feinde hatte, keinen emotionalen Schmerz, überhaupt keine Sorgen, bis auf einen schlimmen Arm in einer beeindruckend komplizierten Schlinge. »Was ist mit der Tür los? Ich bekam sie nicht auf, und dann habe ich andauernd geklopft. Die muss kaputt sein. Ich werde es Zeke sagen.«
Noch ein Mann, dem verschlossene Türen fremd waren. »Die Tür ist nicht kaputt, sie war abgeschlossen.«
Er wirkte erschrocken. »Warum?«
Sie brauchte eine Erklärung, die nur ein wenig von der reinen Wahrheit abwich. »Neuer Ort, draußen in der Provinz, wahrscheinlich könnte man sagen, dass ich ein bisschen komisch bin. Ich bin Carly«, sagte sie, bevor er Gelegenheit hatte, das Thema weiterzuverfolgen. Sie hielt sich an den Spitznamen, der nicht so auffallen würde wie Carlin. »Tut mir leid, wenn ich nicht sofort an die Tür gekommen bin. Da Waschmaschine, Trockner und Geschirrspüler laufen, habe ich das Klopfen einfach nicht gehört.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Carly.« Als Spencer hereinkam, schaute er sich im Vorraum um und riss die Augen weit auf. »Boah! Sie waren fleißig, das sieht man. Der Haufen schmutziger Kleidung war beim letzten Mal, als ich hier war, mindestens einen halben Meter höher. Der Boss macht sich nicht viel aus Waschen.«
»Nicht nur daraus, wie es den Anschein hat«, murmelte Carlin vor sich hin. »Was kann ich für dich tun, Spencer?« Es musste einen Grund geben, warum er vorbeigekommen war, und sie hatte keine Zeit für ein Plauderstündchen, heute nicht.
»Ich dachte, Sie könnten vielleicht Hilfe gebrauchen. Der Arzt hat mir gesagt, ich soll mich ausruhen, und Zeke lässt mich nichts tun, so ein Mist, und deswegen fällt mir allmählich die Decke auf den Kopf. Wussten Sie, dass tagsüber absolut nichts Gescheites im Fernsehen läuft?«
»Ja«, sagte sie bewundernswert ernst, während sie sich fragte, was sie mit ihm anfangen sollte.
Er meinte es gut, aber Carlin hatte keine Ahnung, wie ein einarmiger Mann ihr helfen könnte. Er wäre ihr nur im Weg, und das Letzte, was sie brauchte, war ein Mann, über den sie beim Kochen und Putzen stolpern würde. Spencer war jedoch so ernsthaft und freundlich, dass sie ihm das wohl kaum sagen konnte. Innerlich seufzend beschloss sie, dass sie es einfach mit ihm aushalten musste, denn sie wollte auf keinen Fall seine Gefühle verletzen.
»Setz dich doch einfach und erzähl mir etwas über die Ranch und die Männer, die ich bekochen werde.« Sie zog einen Stuhl vom Küchentisch weg und stellte ihn in die Ecke, in der ihr Besucher aus dem Weg wäre. »Du kannst mir sagen, was ihr gerne esst, ob es etwas gibt, was ich nicht kochen sollte, ob ich etwas unbedingt wissen sollte …« Zum Beispiel, warum ein Mann wie Zeke Decker nicht verheiratet ist? Warum gibt es nicht wenigstens eine Freundin, die seine Unterwäsche wäscht? Nein, das würde sie unter keinen Umständen fragen. Sie wunderte sich zwar, würde aber nicht nachfragen.
»Wir sind beim Essen nicht wählerisch. Bis auf Darby, aber der ist einfach nur ein Nörgler, wissen Sie? Der ist nie zufrieden.« Spencer schürzte die Lippen, als er über seine Antwort nachdachte. »In Wirklichkeit ist alles, was Sie machen, egal was, bestimmt besser als das, was ich gekocht habe, und verraten Sie ihm nicht, dass ich es gesagt habe, aber der Boss kocht noch schlechter als ich. Er hat so ziemlich alles anbrennen lassen. Am Ende eines langen Tages sind wir normalerweise so hungrig, dass es keine große Rolle spielt, was man uns vorsetzt, Hauptsache, es ist viel, aber seine Mahlzeiten zu essen … kotz, würg. Das war schlimm. Also machen Sie sich keine Sorgen, wir werden alles essen. Versuchen Sie einfach nur, nicht alles anbrennen zu lassen.«
»Ich werde es mir merken.«
Der Trockner brummte und zeigte an, dass wieder eine Ladung fertig war. Carlin entschuldigte sich, hievte die Sachen aus dem Trockner in einen Wäschekorb, den sie ins angrenzende Esszimmer trug. Dort würde die Mannschaft essen. An dem langen, schlichten Holztisch hätten leicht zwölf Personen Platz – und er war perfekt dafür geeignet, um darauf Wäsche zu falten.
Sie leerte den Korb mitten auf den Esstisch und begann, die Wäsche zusammenzulegen. Praktischerweise würde sie hier falten und die Sachen dann auf dem Sofa im nächsten Zimmer stapeln. Wenn sie ein paar Minuten Zeit hatte, würde sie die gefalteten Kleidungsstücke nach oben in Zekes Zimmer bringen.
Sie hatte keinen Zweifel daran, dass sie sein Zimmer dann erkennen würde. Das dürfte der Raum mit dem ungemachten Bett und einem Haufen Schmutzwäsche auf dem Boden sein.
Spencer stand im Durchgang zwischen Küche und Esszimmer. »Bitte, sagen Sie jetzt nicht, dass Sie die Unterhosen vom Boss auf dem Tisch zusammengelegt haben, an dem wir essen.«
»Natürlich nicht.« Das war eine Notlüge, die den Jungen beruhigen sollte, der ihr dabei zusah, wie sie eine Ladung Flanell- und Baumwollhemden faltete. »Erzähl mir doch noch etwas über die anderen Rancharbeiter«, forderte sie ihn auf und schüttelte eins von den vielen Arbeitshemden aus.
Er setzte sich, kam ihrer Bitte nach und erzählte ein wenig über jeden der Männer, mit denen er arbeitete. Ihr Herz wurde ein wenig weicher, denn Spencer sah nur das Gute in jedem Menschen. Er schenkte allen aus seiner Umgebung vollstes Vertrauen. Er vertraute ihr, obwohl er sie überhaupt nicht kannte. Sie hörte ihm zu und fragte sich, ob ihr Eindruck von den Männern, die sie bekochen würde, auch nur halb so rosig wäre wie seiner.
Wie gewöhnlich war es dunkel, als sie sich alle zurück zum Haus schleppten. Zeke musste sich selbst ein Gefühl der … Dankbarkeit vielleicht? … eingestehen, als er sah, dass im Haus die Lichter brannten. Die Küche war hell erleuchtet, die Vorhänge zurückgezogen, und er konnte Carlin sehen, wie sie hin und her ging. Auch im Wohnzimmer brannte Licht, ein seltsam einladender Zug. Die Baracke war ebenfalls erleuchtet, obwohl dafür auch Spencer gesorgt haben konnte.
Dann kam Spencer aus der Hintertür, ein breites Grinsen im Gesicht, während er auf der Veranda stand und ihnen zusah. Oh, Scheiße, dachte Zeke erschöpft. Wenn »leicht zu beeindrucken« ein Gesicht hatte, dann war es Spencers. In diesem Fall konnte er dem Jungen nicht einmal befehlen, sich von ihr fernzuhalten, denn er brauchte Spencer, damit er ihr alles zeigte und ihr half – soweit das mit einer Hand möglich war. Den Jungen zu warnen wäre so, als wollte man dem Wind verbieten zu wehen; in diesem Fall müsste die Warnung an Carlin gehen, was sie wahrscheinlich verärgern würde. Krass.
»Scheiße«, grummelte Walt, als er aus einem der Pick-ups stieg. »Ich hatte schon gehofft, dass wir heute Abend etwas Richtiges zu essen kriegen, aber stattdessen kommst du hier aus der Küche.«
Spencer grinste, nicht im Geringsten beleidigt. Wahrscheinlich war er glücklicher als alle anderen zusammen, dass er nicht kochte. »Ich habe nichts angerührt, ehrlich. Ich habe Miss Carly nur gezeigt, wo alles ist, und ihr beim Arbeiten Gesellschaft geleistet.«
»Soll das heißen, es gibt richtiges Essen?«, schaltete Micah sich ein.
»Und nicht schwarz angebrannt?«, fragte Patrick mit echter Hoffnung in der Stimme.
Die Hintertür ging wieder auf, und Carlin trat heraus. Das Licht der Veranda schimmerte auf ihrem blonden Haar. Ihr Pferdeschwanz sah struppig aus und baumelte an der Seite herab, ein paar lose Haarsträhnen umrahmten ihr Gesicht. Sie trug eine Schürze, die ihr vom Hals bis an die Knie reichte und mit vielen Farben übersät war, obwohl die bei der Sechzig-Watt-Glühbirne schwer auszumachen waren. Wenn sie am Morgen irgendein Make-up aufgelegt hatte – Zeke konnte sich nicht mehr erinnern –, war es längst verschwunden. Alles in allem sah sie aus wie eine Frau, die eine oder zwei Runden mit dem Dosenöffner hinter sich hatte, und der Dosenöffner hatte gewonnen. Vielleicht aber auch nicht, wenn man bedachte, dass sie noch immer auf den Beinen stand.
»Ich bin die neue Köchin«, verkündete sie den Männern. »Ich heiße Carly. Ich habe heute im Wesentlichen die Küche gesäubert und abgespritzt, aber es gibt etwas zu essen. Morgen werde ich mehr Zeit haben. Heute Abend gibt es Thunfischauflauf mit Vollkornbrot, Brownies und Eis als Nachtisch.«
»Thunfischauflauf?«, murmelte Bo.
»In der Speisekammer war jede Menge Thunfisch. Ich dachte mir, er wäre nicht da, wenn jemand ihn nicht mag.«
Ihre Logik war unanfechtbar. Zeke mochte Thunfisch ganz gern, er machte sich hin und wieder ein Sandwich damit, und Libby hatte manchmal etwas mit Thunfisch gekocht, aber Zeke vermutete, dass Spencer einfach eine ganze Lage im Sonderangebot gekauft hatte. Er raffte sich auf. »Mir schmeckt er«, sagte er, denn er wollte ums Verrecken nicht zulassen, dass seine Männer meuterten und diese Köchin verjagten, gerade als er ein Licht am Ende des Tunnels sah – wie saubere Unterwäsche zum Beispiel.
Doch nachdem er gesagt hatte, dass ihm Thunfisch schmecke, musste er ihn auch essen. Er hoffte inständig, dass er gut war. Er würde sich mit einigermaßen zufrieden geben. Oder auch nur genießbar. Solange er nicht würgte, würde er ihn essen oder sterben. Oder essen und sterben.
»Kopf hoch!«, sagte Carlin, die offensichtlich mitbekommen hatte, dass Thunfischauflauf nicht gerade der Bringer war. »Das Verhältnis von Käse zu Thunfisch ist zwei zu eins.«
Okay, das klang schon besser.
Die Männer strömten in die Baracke, um sich zu waschen, Walt suchte dafür seine kleine Hütte auf. Carlin huschte ins Haus, gefolgt von Spencer. Zeke dachte, er sollte lieber auch eine schnelle Dusche nehmen, sonst würde er sich an den Tisch setzen und nach Kuhdung stinken. Er trat in den Vorraum, streifte seine schmutzigen Stiefel ab, stellte sie beiseite und öffnete die Tür zur Küche.
Der warme Duft, der ihn überfiel, ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben. Er konnte nicht genau sagen, was es war, aber der Geruch war heimelig und einladend. Schokolade – jaah, er konnte die Brownies riechen. Eine mit einer Serviette abgedeckte Schüssel auf der Arbeitsplatte enthielt einen riesigen Stapel Muffins. Er konnte nur den Rand eines goldbraunen Muffins sehen, der unter der Serviette hervor lugte. Das Maismehl war nicht schwarz angebrannt. Halleluja.
Dann fiel ihm auf, dass kein schmutziges Geschirr mehr herumstand. Im Spülbecken lagen Kochutensilien und andere Sachen, nichts im Vergleich zu dem gottverdammten Chaos, das vorher dort geherrscht hatte.
Carlin öffnete die Backofentür und spähte hinein. Sie stand mit dem Rücken zu ihm, musste ihn aber gehört haben, als er hereinkam. »In sieben Minuten ist er fertig«, sagte sie knapp. »Sie sollten sich lieber beeilen.«
Auf Socken lief er nach oben, zwei Stufen auf einmal nehmend. Sobald er sein Schlafzimmer erreichte, hatte er das Hemd ausgezogen und warf es auf einen Stuhl. Seine Jeans landeten auf dem Boden vor dem Schrank. Unterwäsche und Socken wurde er vor der Badezimmertür los. Knapp dreißig Sekunden später stand er unter der Dusche. Sie war nicht einmal lauwarm, das heiße Wasser hatte nicht genug Zeit, ihn zu erreichen, aber es wurde immer wärmer.
Er hatte noch vier Minuten, als er das Wasser abdrehte und sich rasch mit dem Handtuch abrubbelte. Er fuhr sich mit der Hand durch das dichte, nasse Haar, warf sich ein paar Kleidungsstücke über, und als er die Treppe wieder hinunterging, blieben ihm noch fast zwei Minuten. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so erpicht darauf war, etwas zu essen, von dem ihm womöglich schlecht wurde. Ach, zum Teufel, selbst wenn ihm der Auflauf nicht schmeckte, gab es ja immer noch Brownies als Nachtisch!
Die Männer mussten derselben primitiven Logik gefolgt sein, denn sie kamen fast gleichzeitig mit ihm herein.
»Ich brauche Hilfe«, sagte Carlin angespannt, sobald sie ihn sah.
Du lieber Himmel, was war passiert? Hatte sie das Abendessen doch noch anbrennen lassen? Ihm wurde mulmig. »Was ist los?«
»Die Auflaufform. Ich habe sie in den Ofen bekommen, aber sie ist mir zu schwer, solange sie so heiß ist. Ich hätte zwei kleinere nehmen sollen, aber darauf bin ich erst gekommen, als es zu spät war.«
Die Krise war zu bewältigen – und von seinem Standpunkt aus war es keine Krise. Die Topfhandschuhe hatten ihm mit seinen großen Händen nie gepasst, also nahm Zeke zwei Geschirrtücher, faltete sie, öffnete die Ofentür und zog die große Auflaufform heraus. Goldener Käse blubberte obenauf, knusprig braun an den Rändern. Der Duft war … Herrgott, wenn es nur halb so gut schmeckte, wie es roch, dann war er zufrieden.
Sie beeilte sich, zwei große Untersetzer auf den Tisch im Esszimmer zu stellen, und er setzte die Kasserolle darauf ab. Der Tisch war bereits mit Tellern, Besteck und hohen, mit Eis gefüllten Gläsern gedeckt. Sie schoss wieder in die Küche, kam mit einem Tablett zurück, auf dem eine große Karaffe Tee und die Schüssel mit Maismuffins standen. »Ich wusste nicht, was Sie trinken, daher habe ich Tee gemacht«, sagte sie. Auf dem Tablett lagen noch zwei Gegenstände: zwei große, langstielige Löffel, die sie in die Thunfischkasserolle grub wie Pfeile in eine Zielscheibe.
Spencer wollte sie schon von den Maismuffins erleichtern, doch Zeke kam ihm zuvor; die Schüssel war zu groß und zu schwer für den Jungen, der nur eine Hand zur Verfügung hatte. »Danke«, sagte Carlin, ohne ihn anzuschauen.
»Keine Ursache.«
Die Teekaraffe handhabte sie wie eine erfahrene Kellnerin, die sie ja auch war. Im Pie Hole hatte sie sich wohl rasch eingearbeitet. Wenn sie auch noch ein paar Kochkünste von Kat übernommen hatte, dann hatte er wirklich Schwein gehabt.
Da er nun einmal gesagt hatte, er möge Thunfischauflauf, und weil er der Boss war, gab er sich einen Ruck und nahm sich eine große Portion.
Reis war darin. Reis war in Ordnung, damit hatte er kein Problem. Dann gab es Mischgemüse. Er mochte Gemüse, also war das ein Plus. Und Thunfisch. Außerdem, wie sie versprochen hatte, jede Menge Käse. Er tauchte seine Gabel in die dampfende heiße Mischung und führte sie an den Mund, wobei er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie skeptisch er war.
Er hätte es vorher etwas abkühlen lassen sollen, doch er spürte eine so starke Erleichterung, dass er die Hitze kaum wahrnahm.
»Verdammt«, sagte er überrascht. »Das schmeckt gut!«