17

Das Wetter war definitiv umgeschlagen. Zeke ging vom Baumarkt zu Kat und stellte fest, dass die sonst übliche Gästezahl abgenommen hatte. Er sagte seiner Cousine, er werde die Kuchen mitnehmen, die Carlin bestellt hatte, wenn er wieder aus der Stadt fahre, und ging dann wieder, denn er hatte noch ein paar Besorgungen zu erledigen. Dafür hätte er Kat um Hilfe bitten können, aber das wollte er nicht. Sie würde wahrscheinlich zu viel aus etwas machen, das nur gesunder Menschenverstand war. Hinzu kam, dass sie ihr Café nicht beliebig verlassen konnte.

Carlin und Spencer hatten sich vor ein paar Tagen um die Lebensmitteleinkäufe gekümmert. Er hatte sie nicht einmal gefragt, ob sie heute mit ihm in die Stadt fahren wollte. Nach dem Kuss wäre es keine gute Idee, so viel Zeit in ihrer Nähe zu verbringen, das wusste er. Zeke wollte nicht zu sehr drängen. Klüger war es, wenn er sie zur Ruhe kommen ließ, die Situation so zu überdenken, wie Frauen es zu tun pflegten, und zu dem Schluss zu kommen, dass er sie nur ein bisschen getröstet hatte wegen Darby. Im Stillen schnaubte er. Jaah, stimmt. Als würden Männer eine Frau je so küssen, um sie zu trösten. Im Übrigen würde sie wahrscheinlich versuchen, ihn davon abzuhalten zu tun, was unvermeidlich war.

Er ging zu Tillman’s, irgendwie verärgert über Carlin, weil sie diese Besorgung notwendig machte, zugleich aber auch voller Verständnis, warum sie ihr Geld so festhielt. Er war wild entschlossen, das zu erledigen. Carlin würde über den Winter bleiben, und sie würde auf jeden Fall gut vorbereitet sein, bevor der erste Schnee kam, was jederzeit sein konnte, wenn man sich die Wolken ansah.

Er kannte Alice Tillman gut, war mit ihren Jungen zur Schule gegangen. Sie waren längst fortgezogen und hatten Battle Ridge verlassen, wie so viele andere in den letzten Jahren. Er nickte Mrs. Tillman zur Begrüßung zu, während er auf eine Stange mit warmen Mänteln zusteuerte, und sie fragte ihn, wie es so laufe. Er antwortete mit einem allgemeinen »gut«. Wenn sie sich wunderte, warum er in die Damenabteilung des kleinen Ladens ging, ließ sie es sich nicht anmerken.

Auf keinen Fall würde er stöbern. Er nahm einen Mantel in die Hand, der ihm ins Auge fiel, hielt ihn auf Armlänge vor sich und prüfte die Größe. Er kam zu dem Schluss, dass er wohl passen würde, und ging in die Stiefelabteilung. Größe achtunddreißig hatte sie gesagt. Er wusste bereits, was er wollte. Ihm war gleichgültig, wie hübsch die Stiefel waren, machte sich nichts daraus, ob sie modern waren oder nicht. Was sie brauchte, war etwas Wasserdichtes, gut isoliert und mit einer dicken Sohle, etwas, das ihre Füße trocken und warm halten würde, wenn der Schnee ihr bis an die Knie reichte. Er hob ein Paar hoch. »Haben Sie die in Größe achtunddreißig?«

»Sieht nicht so aus, als wäre es dein Stil oder deine Größe«, sagte Mrs. Tillman ironisch.

»Ich glaube, die gehen«, rief er ihr nach, als sie in den hinteren Raum ging. Er nahm ihr die Frotzelei nicht übel. Während sie fort war, schaute er auf dem Tisch mit Sonderangeboten nach, auf dem Carlin wahrscheinlich ihre hässlichen grünen Stiefel gefunden hatte. Ein paar Schachteln, manche eingebeult oder ohne Deckel, standen auf diesem Tisch und wirkten traurig und ungeliebt. Er ärgerte sich, dass Carlin sich gezwungen fühlte, hier einzukaufen, dass sie so viel Angst davor hatte, nicht genug Geld zu haben, um ihre nächste Flucht anzutreten, und daher automatisch nach Schnäppchen suchte.

Mrs. Tillman stellte einen großen, stabilen Schuhkarton auf die Ladentheke. »Ich nehme mal an, du wirst sie nicht anprobieren«, lästerte sie.

»Nein, Ma’am.« Als er zur Ladentheke ging, schaute sie auf den Mantel über seinem Arm. Ihr Lächeln verblasste, nur ein wenig. Er kam ihr mit einem kleinlauten Lächeln zuvor. »Auch der Mantel ist nicht für mich.«

Einen Moment lang war sie offensichtlich hin und her gerissen. »Ich würde nie einen Kauf abweisen, besonders so einen guten, aber ich will mich vergewissern, bevor ich ihn eintippe. Hast du nach dem Preis für den Mantel gesehen?«

»Nein, hätte ich sollen?«

»Auf jeden Fall.«

Er fand das Preisschild, hob es hoch und blieb mitten im Gang stehen. »Heiliger …« Er verstummte. »Sind die Taschen mit Gold gesäumt?« Auch er hatte einen Mantel aus Schaffell, daher war er nicht davon ausgegangen, dass er billig wäre, hatte aber auch nicht mit einem Tausend-Dollar-Stück gerechnet.

»Das ist das beste Kleidungsstück im Laden«, erklärte Mrs. Tillman, »sehr gute Qualität, aber ich muss sichergehen, dass du weißt, wie teuer es ist, bevor ich den Preis eintippe. Von denen lege ich mir jedes Jahr ein paar auf Lager, falls ein paar reiche Jäger vorbeikommen und einen dicken Mantel brauchen. Du wärst überrascht, wie selten ich sie bis zur nächsten Saison behalten muss.«

Er konnte sich den Mantel leisten, und Carlin brauchte etwas Gutes und Schweres. Aber verdammt, er war sich ziemlich sicher, dass sein erster Pick-up nicht so teuer gewesen war.

»Der ist nicht zufällig für deine neue Köchin, oder? Carly, so heißt sie doch?«, fragte Mrs. Tillman, als sie seinen Gesichtsausdruck las, an ihm vorbeiging und ihm dabei den Mantel aus der Hand nahm.

Im Stillen zuckte er mit den Schultern. Kleinstädte. Wenn er daraus ein Geheimnis hätte machen wollen, dann hätte er nach Cheyenne fahren müssen. »Ja, beides stimmt.«

»Als sie vor Kurzem hier war, hat sie sich genau den Mantel angesehen. Ich bin mir sicher, er würde ihr gut gefallen, aber ich habe auch andere Mäntel, die viel praktischer sind.«

»Sie haben sie gesehen. Habe ich die richtige Größe erwischt?«

»Würde ich sagen. Sie ist ungefähr so groß wie meine Schwiegertochter.« Mrs. Tillman hängte den Mantel wieder an die Stange und griff nach einem dunkelblauen Parka, dick und flauschig, aber wesentlich leichter als der Schaffellmantel. »Der hier wird sie warm halten, und er ist viel leichter zu pflegen.«

Sie gingen wieder an die Ladentheke, auf der Parka und Schuhkarton nebeneinander lagen. Er schaute sich an, was er bisher ausgesucht hatte, und seufzte. Das reichte nicht. Carlin war nicht an die Winter in Wyoming gewöhnt, und das hieß, dass sie noch Mützen, Handschuhe, Schals und lange Unterwäsche brauchte.

Mrs. Tillman war begeistert, ihm bei der Auswahl helfen zu können. Er entschied sich für gute Qualität, ohne das Teuerste zu nehmen. Bald stapelte sich alles, was er kaufen wollte, auf dem Ladentisch.

Irgendwo musste er eine Grenze ziehen. Carlin müsste sich um Himmels willen ihre eigene Unterwäsche kaufen, lange oder andere.

Sie starrte auf die Waren, die Zeke ihr ohne Trara überreicht hatte. Er hatte ihr die Tüten praktisch in die Hand gedrückt und war dann aus dem Haus gegangen. Eine Kuh brauche ihn, oder so, doch wie hätte er das wissen sollen, nachdem er gerade erst aus der Stadt zurück war? Eine Art Gedankenübertragung mit einer Kuh? Erst als sie die Sachen, die er gekauft hatte, auf ihrem Bett auslegte, wurde ihr klar, wie viel das alles gekostet haben musste.

Sie war verlegen und verwirrt zugleich. Sie verabscheute den Gedanken, dass er das ganze Geld für sie ausgegeben hatte, obwohl sie doch so viel besaß, um diese Sachen für sich zu kaufen, aber sie hatte sich bewusst dafür entschieden, ohne auszukommen, oder mit dem, was sie im Haus schnorren konnte, weil sie möglichst jeden Penny sparte, für alle Fälle.

Allmählich konnte sie die Wörter nicht mehr hören. »Für alle Fälle« bestimmte allmählich ihr Leben, und das ging ihr auf die Nerven.

Was »verwirrt« betraf, was sollte sie denken? Dabei hatte er ihr keine Dessous gekauft. Das alles war praktische, schmucklose, dringend benötigte Winterkleidung für draußen.

Als er ein paar Stunden später, nachdem er Kuchen und die für Wyoming passende Winterkleidung abgeliefert hatte, wieder ins Haus kam, wartete sie auf ihn. Sie hätte diesen Zeitpunkt nicht unbedingt gewählt, denn sie war über und über mit Mehl eingestäubt. Sie war aufgeregt und brauchte etwas, um sich zu beschäftigen, also hatte sie beschlossen, an diesem Abend Biscuits zu machen – echte, selbst gemachte Biscuits, nicht die aus der Tiefkühltruhe oder die aus der Dose, auch nicht aus einer Backmischung. Echte Biscuits. Es war chaotisch. Und nach ihrer bisherigen Erfahrung gefährlich.

»Was um alles in der Welt hast du dir dabei gedacht?«, fragte sie, sobald er aus dem Vorraum hereinkam.

Er zog die Augenbrauen hoch und tat so, als hätte er keinen blassen Schimmer, wovon sie redete, aber sie wusste, dass er nicht so begriffsstutzig war. Sie zeigte mit einem von Backfett und Mehl überzogenen Finger auf ihn.

»Der Mantel ist viel zu teuer, und die Stiefel … Ich will gar nicht wissen, um wie viel die Stiefel dich ärmer gemacht haben.«

»Du hast sie gebraucht, ich habe sie gekauft. Kein Problem«, sagte er rundheraus. Er betrachtete die Küche und ihre mehlbestäubte Gestalt. »Jemand hat das Mehl mit einer Sprengladung versehen, und es ist an dir explodiert, was?«

»Versuche nicht, mich abzulenken.« Für ihn mochte es kein Problem sein, aber für sie. Sie wollte niemandem etwas schulden, sie wollte frei bleiben. Sie steckte jedoch in der Klemme, denn ihm den Einkauf zurückzugeben, könnte ihn kränken, verletzen – Zeke Decker mit verletzten Gefühlen? –, und er war der Mann, der Darby ihretwegen zusammengeschlagen hatte. »Gut. Ich werde es dir zurückzahlen«, sagte sie und hob trotzig das Kinn.

»Den Teufel wirst du tun«, brummte er.

Sie musste es. Ein solches Geschenk anzunehmen, würde sie an ihn binden, an diesen Ort, und sie war schon gefesselt genug. »Es ist zu viel. Das kann ich nicht …«

»Wenn es dir damit besser geht, nimm es als Weihnachtsgeschenk«, blaffte er.

»Weihnachten ist erst in zwei Monaten!«

»Verdammt, kannst du nicht einfach danke sagen, wie jede normale Frau? Ich möchte nicht, dass du auf dem Weg zur Garage hinfällst, weil die Sohlen dieser billigen Stiefel so glatt sind. Ich möchte nicht, dass du dich zu Tode frierst, wenn du vom Pie Hole zur Bücherei gehst. Seit wann machen mich Sicherheitsvorkehrungen für eine Angestellte zum Buhmann?«

»Kein Grund, hier so rumzubrüllen«, sagte sie mit ruhiger Stimme, was ihn ärgern würde, das wusste sie.

»Ich brülle nicht!«

»Doch.« Sie seufzte. »War ja ein netter Gedanke, aber ich werde in diesem Winter nicht erfrieren. Ich hätte mir einfach einen deiner alten Mäntel ausgeliehen, falls nötig, und in diesem Haus gibt es hundert Paar Handschuhe und doppelt so viele Mützen. Die Stiefel, die ich gekauft habe, werden reichen. Ich werde einfach besonders vorsichtig sein, wenn es draußen glatt ist. Der Mantel da … der ist sehr schön, wirklich, aber es ist zu viel.«

»Gut«, fuhr Zeke sie an. Wenigstens brüllte er nicht mehr. »Die Stiefel und der Mantel gehören zum Job. Wenn du im Frühling kündigst, kannst du sie für die nächste Köchin hierlassen, falls es dir damit besser geht.«

»Ja, tatsächlich.«

»Gut.« Er ging zur Tür, Wut in seinem Gang und in seiner Stimme. »Ich dusche noch vor dem Abendessen.«

Als er auf dem Weg zur Treppe ins Esszimmer trat, hielt Carlin ihn mit einem leisen »Zeke?« an.

Er blieb wie angewurzelt stehen, als sie seinen Namen aussprach, und drehte sich langsam zu ihr um. Ihr Herz raste wieder. Auf was um alles in der Welt hatte sie sich da bloß eingelassen? Ein Mantel und ein Paar Stiefel würden sie hier nicht festhalten, und wenn sie noch so teuer waren, also könnte sie sich der Wahrheit ruhig stellen. Die Sachen waren es nicht. Er war es. Das unleugbare Gefühl tief in ihr, dass Zeke sie brauchte, hielt sie hier fest. Nicht der Kuss, nicht die körperliche Anziehung. Das alles könnte sie in die Flucht schlagen und wäre nicht der Grund, warum sie fest entschlossen war zu bleiben. Zeke Decker, der gereizte, harte Kerl, brauchte sie. Zumindest eine Zeit lang.

»Danke«, sagte sie.

»Keine Ursache.« Er drehte sich um und ging. »Und, war das denn so schwer?«, fügte er hinzu, solange sie noch in Hörweite war.