Sand spritzte unter Storms Hufen auf, als sie am Strand entlangdonnerten. Tom beugte den Kopf tief über den Hals des Hengstes. Auf seiner rechten Seite schimmerte der See. Es war nicht weit bis zum Steg. Aber mit Hellion so nah, blieb ihnen nicht viel Zeit.
Ein ohrenbetäubendes Brüllen ertönte. Tom sah sich um. Das Biest stand mit ausgebreiteten Armen da. Sogar von Weitem strahlte Hellion so hell, dass man ihn kaum ansehen konnte. Das Biest blickte kurz hoch zu dem wirbelnden Portal über sich. „Er will nach Hause“, begriff Tom.
Hellion schlug mit seinen gewaltigen Armen um sich. Die Büsche am Waldrand fingen Feuer. Tom hoffte, dass das Biest Silver und Elenna nicht entdeckt hatte, die es gerade so zu den Felsen geschafft hatten. Er richtete sich im Sattel auf.
„Hier drüben!“, rief er und wedelte mit den Armen. „Hellion! Komm und hol mich!“
Die Augen des Biests funkelten. Hellion hob den Arm. Ein großer Feuerball schoss aus seinen Fingerspitzen. Er traf den Boden und explodierte. Storm schnaubte und ging auf die Hinterbeine. Tom musste die Beine fest an Storms Seiten pressen, um im Sattel zu bleiben. Dann drückte er die Fersen in die Flanken seines treuen Pferdes. „Los, Storm!“
Storm raste los, doch ein Feuerball flog ihnen in den Weg. Tom lenkte zur Seite und spürte die Hitze des Feuerballs, der sie knapp verfehlte und im See landete. Sie waren fast da. Tom packte die Zügel kürzer und trieb Storm noch mehr an. Der Hengst rannte so schnell wie nie und sprang auf den Steg.
Storm landete stolpernd, richtete sich aber schnell wieder auf. Schnaubend betrachtete der Hengst den langen Steg. Hellion kam am Ufer entlang hinter ihnen her.
„Wir schaffen das“, beschwor Tom seinen Hengst. „Vertraue mir!“
Storm richtete die Ohren auf und tastete sich vorsichtig auf dem Steg entlang. Der Steg ächzte unter Storms Gewicht, doch er schien zu halten. Nur ein oder zwei Bretter waren durchgebrochen. Tom wusste, dass das ein Vorteil für ihn war. Wenn Hellion den Steg betrat, würden die Holzbretter anfangen zu brennen und das Biest in den See stürzen. Es war ein Risiko, aber Tom hatte keine andere Idee.
Hinter ihnen ertönte wieder ein schreckliches Brüllen. Tom wandte die Augen von dem schmalen Steg ab und sah sich nach dem Biest um. Hellion schlich am Ufer entlang und hütete sich, das Wasser zu berühren. Einen Moment lang sahen sich Tom und das Biest in die Augen.
„Habe ich einen Fehler gemacht, hier auf den Steg zu reiten?“, fragte sich Tom. „War ich zu waghalsig?“
Er bemerkte Elenna, die über den Felsen linste. Sie gab ihm ein Daumen-hoch-Zeichen. Sogar von hier konnte Tom ihr entschlossenes Lächeln erkennen.
Er drehte sich wieder um und konzentrierte sich auf Storm, den er sicher über den wackeligen Steg führen wollte. „Weiter“, ermutigte er seinen treuen Hengst. „Du kannst das.“
Storm begann zu traben. Seine Hufe klapperten auf den Holzplanken. Tom sah sich nach dem Biest um. Hellion stand am Steganfang. Er war größer als drei Männer.
Tom drängte Storm weiter vorwärts. Es gab keinen Weg zurück. Der rote Juwel in seinem Gürtel pulsierte und verriet Tom, wie unsicher Hellion war. Hoffnung erfüllte Tom. Er und Storm würden es schaffen! Sie erreichten das Ende des Stegs. Vor ihnen lag das dunkle Wasser. Hier draußen war es tief. Tiefer, als Tom gedacht hatte.
„Gut gemacht“, wisperte Tom und klopfte seinem Hengst den Hals, als dieser stehen blieb.
Er wendete Storm und achtete darauf, dass sie nicht zu dicht am Rand des Stegs standen. Sie sahen Hellion entgegen.
Mit einem wütenden Brüllen sprang das Biest auf den Steg. Die Holzbretter unter Storms Hufen bebten, als Hellion auf sie zurannte. Sein brennender Körper leuchtete noch heller als zuvor.
Hinter Hellion konnte Tom etwas erkennen, was das Biest nicht sah: flammende Fußspuren, die sich durch das Holz fraßen. Krachend gab die erste Planke nach und fiel mit einem Zischen in den See. Dann noch eine.
Als das Biest das Geräusch hörte, drehte es sich zögernd um. Immer mehr Holzbretter fingen Feuer. Obwohl das Biest näher bei Tom als am Ufer war, versuchte es, umzukehren. Doch das Feuer, das die glühenden Füße hinterließen, brannte sich sofort durch die alten Planken.
Tom zog sein Schwert und hielt es hoch in die Luft. Die Sonne spiegelte sich in der Klinge. „Ich bin hier!“, forderte er das Biest heraus. „Jetzt bist du dran.“
Dank des roten Juwels konnte Tom die Wut des Biests spüren, als es auf ihn zugestürmt kam. Das Gewicht der riesigen Feuerbestie ließ den brennenden Steg zur Seite kippen. Die Holzplanken ächzten, splitterten und Flammen loderten auf. Hellion sah verwirrt und panisch aus. Er taumelte und ruderte mit seinen mächtigen Armen.
„Jetzt hab ich ihn“, dachte Tom.
Mit einem lauten Brüllen stürzte Hellion in den See. Eine riesige Dampfwolke wirbelte aus dem Wasser auf, als das Biest untertauchte.
Der Steg war schwer beschädigt. Immer mehr Planken fielen ins Wasser. Das brennende Holz zischte, als es ins Wasser fiel. Rauchschwaden kräuselten sich zum Himmel hoch. Tom spürte, wie der ganze Steg wackelte und langsam in sich zusammenbrach. Storm wieherte. Jetzt waren sie an der Reihe. Tom gab seinem Hengst die Sporen und holte noch einmal tief Luft. Dann sprangen sie in den See.
Tom tauchte ins kalte Wasser und schwamm weg von Storms stampfenden Hufen. Um ihn herum war es stockdunkel. Er versuchte, den Weg nach oben zu finden. Doch als er die Augen öffnete, sah er nur Wasserpflanzen und Holzteile, die vor seinem Gesicht schwammen.
Er schob sie weg und versuchte, seine Panik zu unterdrücken. Seine Brust fühlte sich wie mit Stahl umwickelt an. Er konnte nicht Luft holen. Noch nicht …
Eine Luftblase wich aus seinem Mund und schwebte davon.
„Luftblasen schwimmen nach oben“, fiel Tom ein.
Er schwamm in Richtung der Blase und entdeckte die Sonne schwach durch das Wasser über seinem Kopf schimmern. Tom paddelte mit Armen und Beinen und tauchte schließlich durch die Wasseroberfläche. Er spuckte Wasser aus und holte tief Luft.
Hellion kraulte zum Ufer. Das Biest hatte sich vollkommen verändert. Es war immer noch riesig, aber der Körper war dünn und dunkel und die Arme nur nasse Stümpfe. Ohne die Feuerhülle war das Biest schutzlos, es war nicht länger unbesiegbar.
Tom schöpfte neue Hoffnung. Er sah sich nach Storm um. Der Hengst befand sich ein Stück entfernt. Er versuchte, den Kopf über Wasser zu halten, aber es gelang ihm nicht.
„Ich hätte ihm den Sattel abnehmen sollen“, dachte Tom wütend über sich selbst. „Er zieht ihn nach unten.“
So schnell er konnte, schwamm Tom zu seinem Hengst.
„Halte durch, Storm!“, rief er.
Er griff nach Storms Zügel. Storm schnaubte panisch. Zusammen tauchten sie unter.
Tom paddelte hektisch mit den Füßen. Er würde seinen Hengst nicht loslassen. Sie sanken tiefer und tiefer. Am Grund des Sees lag das Wrack eines alten Fischerbootes, umgeben von Algen, die sanft hin und her wogten.
Toms Kopf drohte durch den Druck des Wassers zu platzen. Er und Storm trieben weiter durch das Wasser. Toms Lungen brannten wie Feuer. Benommen wurde ihm bewusst, dass Storm und er ertrinken würden.
Die Mission hatte sie besiegt!