Kapitel 13
Laurie saß am gedeckten Tisch und sah alle zwei Minuten auf die Uhr. Dazwischen fixierte sie die noch abgeschlossene Eingangstür zu ihrem Café und überlegte, ob es sich überhaupt lohnen würde, heute zu öffnen. Der Samstag war zwar sonst immer ihr bester Tag, aber wenn die Morningsider Nachbarn, die ja den größten Teil ihrer Kundschaft ausmachten, sie weiter boykottierten …
Dreiundvierzig Minuten waren vergangen, seit sie mit Finola gesprochen hatte. Laurie erhob sich und ging zur Tür, um einen Blick hinauszuwerfen. Tatsächlich, da kam Finola flotten Schrittes anmarschiert. Laurie hielt ihr die Tür auf und schloss sie anschließend ab.
»Wie machst du das, dass du immer so pünktlich bist?«, fragte sie.
»Ich kenne mich und weiß, wie lange was dauert. Ah, Frühstück!«
»Es ist ein kontinentales, weil ich hier im Café nichts braten kann«, erklärte Laurie entschuldigend.
Finolas Blicke wanderten über den gedeckten Tisch mit der großen blauen Teekanne. »Wunderbar. Sind das französische Croissants von dem kleinen Bäcker dort drüben?«
»Ja. Was möchtest du dazu trinken? Mittags magst du ja gerne Latte macchiato, aber morgens weiß ich das gar nicht, ich trink ja immer Tee. Natürlich kann ich dir schnell einen Kaffee machen …«
»Tee ist gut«, unterbrach Finola sie. »Gieß ein, und setz dich endlich. Wenn ich ein paar Bissen in mir habe, darfst du mir erzählen, warum ich eigentlich hier bin.«
Laurie nickte und goss ihnen beiden ein. Sie wartete, bis Finola sich ein wenig Milch in den Tee geschüttet hatte und tat es ihr nach. Dann fasste sie sich in Geduld.
»Okay«, sagte Finola schließlich, nachdem sie ein Croissant mit Butter und Erdbeermarmelade verspeist und ihre Tasse geleert hatte. »Der erste Gang war schon mal lecker – du kannst jetzt loslegen.«
Laurie räusperte sich. »Es geht um Helen Burke.«
»Was ist mit ihr?«
»Sie ist wieder zu Hause. Wir haben gestern Abend telefoniert.«
Finola warf ihr einen fragenden Blick zu und griff nach der Orangenmarmelade.
»Ich habe sie angerufen und mich nach ihrem Gesundheitszustand erkundigt. Und sie gefragt, ob sie wirklich glaubt, dass in meinem Café … also, ich war’s nicht, und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass einer meiner Gäste …«
»Verstehe«, murmelte Finola mit vollem Mund.
»Sie war sehr nett und hat gesagt, dass sie auch nicht glaubt, dass das irgendwas mit mir zu tun hat«, berichtete Laurie weiter. »Die Ärzte waren sich nicht wirklich sicher, wann sie das Gift zu sich genommen hat. Sie konnte mir noch nicht einmal sagen, was es für ein Gift gewesen ist, weil das wohl mit den Analysen nicht so schnell geht. Oder man ihr keine Details gibt.«
»Dann müsstest du nachher wieder Kundschaft haben!«
»Meinst du?«
»Sollte sich doch rumsprechen. Sonst bedienen wir eben die Gerüchteküche umgekehrt. So in die Richtung, wie dir gestern unrecht getan wurde. Und dass man dich jetzt unterstützen muss. Ich könnte Mrs B anrufen, die kennt hier fast jeden. Müsste funktionieren, wenn sie ein paar Bemerkungen fallen lässt.«
Finola griff nach dem nächsten Croissant und begann, es mit Butter und Marmelade zu bestreichen.
»Würdest du das machen?«
»Klar. Wenn’s weiter nichts ist.«
»Äh, ja, also, da wäre noch was.«
Finola hielt inne.
Laurie schluckte. Es fiel ihr wirklich nicht leicht, Finola um Hilfe zu bitten, aber wer nicht wagte, konnte nicht gewinnen.
»Helen hat erwähnt, dass sie nach der Nacht im Krankenhausbett wieder starke Rückenschmerzen hat. Und dass sie unglücklicherweise bis Montag warten muss, um Hilfe von ihrer Physiotherapeutin zu kriegen.«
Finola sah von ihrem Teller auf und runzelte die Stirn. »Willst du etwa vorschlagen …?«
»Könntest nicht du sie behandeln?«, fragte Laurie schnell, »und sie dabei ein wenig aushorchen? Vielleicht hat sie ja einen Verdacht, wer ihr schaden will? Auch wenn es keine tödliche Dosis war, muss ja jemand einen ziemlichen Hass schieben, um so etwas zu tun.«
»Wie stellst du dir das vor? Ich ruf sie an und sage: ›Ich habe gehört, Sie haben Rückenschmerzen, ich möchte sie gerne behandeln, weil ich ohnehin noch ein paar Fragen habe und überhaupt auch mal sehen will, was für ein Mensch Sie sind? Damit ich herausfinden kann, wer sie vergiften wollte, und damit meine Freundin wieder Gäste im Café hat?‹«
Immerhin hatte Finola nicht gleich Nein gesagt. Laurie schöpfte Hoffnung.
»Nein, das ist wirklich ganz einfach. Ich habe ihr nämlich schon erzählt, dass eine Freundin von mir Physiotherapeutin ist. Sie ist gerade erst nach Edinburgh gezogen und hat noch keinen Job gefunden. Ist doch fast gar nicht gelogen.«
»Hm.«
»Und dann hab ich Helen angeboten, diese Freundin zu fragen, ob sie am Wochenende zur Behandlung kommen würde.«
»Kann ich noch etwas Tee haben?«
Das war keine Ablehnung, oder?
Hastig griff Laurie nach der Teekanne und goss Finolas Tasse voll. Sie schob das Milchkännchen zu ihr hinüber und wartete.
»Also, ich bin nicht sicher, ob das nötig ist«, sagte Finola schließlich. »Die Polizei wird ja bestimmt ermitteln.«
Laurie atmete tief ein und aus. »Aber der Polizei ist es egal, was aus meinem Café wird. Und solange nichts geklärt ist und niemand verhaftet ist, meiden die Leute meine Cupcakes. Wir müssen doch irgendwas tun!« Sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
Finola stand auf und kam um den Tisch herum. Sie legte die Arme um Laurie. »Na, komm. Das kriegen wir schon hin.«
Laurie nickte unter Tränen.
»Jetzt beruhig dich erst mal. Trink deinen Tee, und dann ruf diese Helen an. Ich kann ihr mit den Rückenschmerzen helfen, das ist eine gute Tat. Und ganz ohne Honorar muss ich das ja nicht machen.«
»Natürlich nicht. Es soll professionell aussehen.«
»Meine liebe Laurie. Wenn ich was mache, dann immer professionell!«, behauptete Finola und klimperte mit den Augenlidern.
Laurie lachte. Sie war so erleichtert, dass sie am liebsten einen Jig getanzt hätte. Das brachte sie überhaupt auf eine Idee!
»Ich weiß, wie ich mich erkenntlich zeigen kann«, sagte sie. »Magst du Scottish Country Dancing? Wir haben morgen einen Clubabend, da kann ich dich als Gast mitnehmen. Sind alles sehr nette Leute.«
»Klingt nicht schlecht. Und ja – mit einem Dashing White Sergeant kannst du mich immer locken.«