Kapitel 26
»Und – tudo bem
? Alles okay?« Finola lehnte ihren Rücken an einen Laternenpfahl mit Blick auf den Praxiseingang und nutzte die Zeit für einen kurzen Anruf bei Antônio.
»Tudo bem!«
Antônio lachte. »Deine Aussprache wird besser. Nur noch ein bisschen nasaler. Wir üben das nachher mal, ja?«
»Ich kann dir allerdings nicht sagen, wann nachher sein wird.«
»Ah, dein neuer Fall. Interessant?«
»Ja, kann man so nennen. Aber jetzt zu Tícia.«
»Okay. Also. Sie war nicht bei der Neun-Uhr-Vorlesung. Und sie war nicht zu Hause. Ich habe ihre Vermieterin getroffen, die meinte, sie sei allerdings gestern Abend da gewesen. Sie hat sie durch das Küchenfenster gesehen.«
»Und das hat sie dir erzählt?«
»Natürlich. Warum sollte sie das Tícias Bruder nicht erzählen?«
»Tícias Bruder?«
Antônio lachte wieder. Es hörte sich an, als ob er bei seinem Auftrag wirklich Spaß hatte.
»Na ja, ich wollte die arme Frau ja nicht verschrecken, als sie vom Einkaufen kam und mich vor Tícias Tür vorfand. Also habe ich meinen schönsten Akzent aufgelegt und mich als ihr Bruder vorgestellt.«
»Und das hat sie geglaubt?«
Na ja, eigentlich war das nicht so verwunderlich. Antônios Hautfarbe war unwesentlich dunkler als Tícias, und natürlich würde er ihren brasilianischen Akzent genau treffen.
»Vertraue meinem Charme, Baby!«
»Gut. Bleibst du dran?«
»Ich bin schon dran. Stehe bei diesem Tyler vor der Haustür und warte, dass sie rauskommt. Hab sie vorhin am Fenster gesehen, sie ist also da.«
»Das klingt, als wärst du dein Geld wert!«
»Aber natürlich. Und ich freue mich schon sehr auf die persönliche Berichterstattung, wenn du …«
»Sorry, ich muss los«, unterbrach ihn Finola. »Ich hab auch ein Zielobjekt! Bis dann!«
Pola trat auf die Straße. Sie schaute unentschlossen nach links und nach rechts. Finola richtete sich auf und lächelte ihr zu. Tatsächlich sah Pola sie nun an und erwiderte ihr Lächeln, wenn auch zögernd.
Finola trat auf sie zu. »Hi. Bei euch geht’s heute in der Praxis wohl ein bisschen durcheinander? Ist ja auch kein Wunder. Schreckliche Geschichte.«
Polas Augen füllten sich mit Tränen.
»Oh, ich wollte dich nicht aufregen, sorry.« Finola berührte kurz tröstend ihren Oberarm. »Kann ich dir irgendwie helfen? Brauchst du jemanden zum Reden?«
Pola starrte sie an.
»Ich weiß, wir kennen uns eigentlich nicht, aber ich arbeite ja jetzt in der Praxis, wenn auch nur als Putzhilfe. Und du?«
»Ich bin in der Ausbildung. Zahnarzthelferin«, sagte Pola.
»Magst du einen Tee? Oder lieber einen Kaffee? Ich lad dich ein. Kennst du Laurie’s Café
?«
Pola nickte. Sie schien unsicher zu sein, wie sie auf Finolas doch recht offensiven Kontaktversuch reagieren sollte. Aber sie hatte wohl keinen besseren Plan.
»Ein Kaffee wäre cool. Tee habe ich schon einen Liter oder so getrunken.«
»Ich muss nur noch kurz meinem Freund schreiben«, behauptete Finola und tippte eine Nachricht für Laurie: Wenn ich gleich ins Café komme, kennst du mich nicht.