Kapitel 38
»Bin gleich fertig«, verkündete Laurie und packte die letzten sechs unverkauften Cupcakes in eine Schachtel zum Mitnehmen. Sie war zufrieden – der Nachmittag war recht gut gelaufen, ein wenig so, als ob der eine oder die andere den Weg zu ihr fand, um sich für das Misstrauen durch den Kauf eines süßen Küchleins zu entschuldigen.
Finola wartete bereits an der Tür auf sie. Sie würden sich einen gemütlichen Abend im Pub machen, vielleicht im Bennets of Morningside
? Die hatten eine anständige Bierauswahl, und auf Scampi mit Pommes hatte sie durchaus Appetit. Allzu spät würde sie es allerdings nicht werden lassen, schließlich musste sie morgen früh wieder neue Cupcakes backen. Laurie lächelte.
Auf einmal kamen ein Mann und eine junge Frau angerannt und drückten gegen die bereits abgeschlossene Tür.
»Last-Minute-Kunden!«, stellte Finola fest.
»Lass sie rein, vielleicht kaufen sie noch meine Reste!«
Finola gehorchte.
»Haben Sie schon geschlossen?« Die Stimme der jungen Frau klang panisch. »Ich wollte doch … Oh, Sie haben ja gar nichts mehr!«
In ihr Gesicht war die Enttäuschung geschrieben, ja fast schien sie den Tränen nahe.
Laurie hielt ihr die Schachtel mit den letzten sechs Cupcakes hin. »Dies ist der Rest.«
»Oh, lass uns die nehmen, Daddy!«
»Ja, natürlich. Wenn du möchtest.« Der Mann zog ein Portemonnaie aus seiner Jackeninnentasche und gab es seiner Tochter.
»Ich liebe diese Cupcakes! Bei meinem letzten Geburtstag hatten wir ganz viele davon«, verkündete die junge Frau. »Und alle mit kleinen Löwen drauf, weil ich doch Löwe bin!«
Laurie erinnerte sich, ein solcher Auftrag kam schließlich nicht
allzu oft vor, und es war nicht einfach gewesen, die kleinen Zuckerlöwen zu besorgen.
»Dann bist du Tessa Burke?«
Die junge Frau nickte.
»Es tut mir so leid mit deiner Mutter. Sie war oft hier.«
Tessa nickte wieder. »Ich weiß. Sie hat immer gesagt: ›In Laurie’s Café
kann ich so richtig gut abschalten.‹« Ihre Augen schimmerten feucht.
Laurie schloss den Deckel. »Nimm. Und lass das Geld stecken.« Sie reichte Tessa die verpackten Cupcakes.
Tessa gab ihrem Vater das Portemonnaie zurück und griff nach der Schachtel.
»Danke. Und auch danke, dass du noch mal aufgemacht hast. Ich …«
Ein Handy begann zu klingeln, Finolas, denn die zog ihres aus der Tasche und signalisierte Laurie, dass sie rausgehen würde.
»Du kannst auch schon vorgehen ins Bennets
, wenn du willst. Ich komm gleich«, rief Laurie ihr nach. Dann wandte sie sich wieder an Tessa.
»Ich wünsche dir und deinem Vater viel Kraft in den nächsten Tagen.«
Tessa biss sich auf die Unterlippe und nickte. »Danke.« Dann sah sie ihren Vater an. »Lass uns nach Hause fahren, ja?«
Cameron Burke hielt ihr die Tür auf. Er blieb noch ein wenig stehen, als sie schon hindurchgetreten war, so als wollte er sich umdrehen und noch etwas sagen. Dann aber trat er doch hinaus auf die Straße, und die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
Finola nahm ihren Anruf an und sah dabei durch die Glasscheibe hinein ins Café. Laurie sprach mit Tessa. Cameron Burke stand etwas abseits und schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Es waren wohl trübe Gedanken, denn seine Stirn war gerunzelt.
»Hi, Granny.«
»Sorry, Finola, wenn ich dich vielleicht störe …«
»Du störst nicht. Ich warte auf Laurie, die bedient ihre letzten Kunden.«
»Es ist nur … also, ich war ja heute bei Auld Mairi
. Und wir kamen
auf dieses Medikament, durch das der Alkohol nicht abgebaut wird und das daher tödlich sein kann.«
Nun gingen die Burkes zur Tür. Gleich würde Laurie endlich Feierabend haben. Sie brauchte also nicht in den Pub vorauszugehen.
»Ja? Und?«, fragte Finola.
»Auld Mairi
erwähnte, dass es da auch einen Pilz gibt, der so wirkt. Also, wenn man den isst, darf man keinen Alkohol trinken.«
Tessa trat mit der Schachtel heraus auf die Straße, während ihr Vater ihr die Tür aufhielt.
»Einen Pilz?«, fragte Finola.
»Der heißt Faltentintling – ich hab es mir hier aufgeschrieben. Und er hat einen Stoff in sich, der heißt Coprin.«
»Falten…tintling?«
Finola trat einen Schritt zur Seite, um Tessa und ihren Vater leichter passieren zu lassen.
»Ja, wie Falten und wie Tinte, der ist, wenn er jung ist, eigentlich essbar, aber wenn in den folgenden zwei, drei Tagen Alkohol dazukommt … bumm!«
»Interessant. Danke, Granny«, sagte Finola. Es war immer wieder erstaunlich, was Granny über Pflanzen und Pilze wusste. Und was sie nicht selbst wusste, erfuhr sie mit Sicherheit von Auld Mairi
.
Endlich trat Laurie aus dem Laden und schloss ab.
»Ich muss los, Laurie ist fertig. Bye, Granny!«
»Habt Spaß! Bye!«
Finola steckte ihr Handy ein. »Dann mal los!«