Kapitel 41
»Hab ich’s nicht gesagt? Die meisten Frauen werden von ihren Partnern oder Ex-Partnern umgebracht.«
»Hast du, Lachie«, bestätigte Anne und goss ihm Tee ein.
Sie hatte heute die große rote Kanne mit den weißen Tupfen vollgefüllt – sie war wohl der Meinung, sie würden zur Nervenberuhigung eine ganze Menge des heißen Getränks brauchen.
»Darauf ist aber zunächst niemand gekommen, weil Cameron Burke schon seit Freitagabend, also zwei Tage vor ihrem Tod, keinen Kontakt mehr zu Helen hatte. Und die Pilze hatte er selbst ja auch schadlos gegessen«, erklärte Finola. »Wenn DI
MacFarlane nicht so misstrauisch gewesen wäre und vermutet hätte, dass er sie angelogen hatte, und die Leute in der Gerichtsmedizin nicht …«
»Wenn, wenn. Lass es gut sein, Lassie, dir ist nichts geschehen.« Lachie stand auf und holte sich das Zuckertöpfchen. Dann ließ er zwei Stücke Würfelzucker in seinen Tee gleiten und rührte kräftig um.
Zucker? Lachie? Er musste die Sache schwerer nehmen, als er zugab.
Finola lächelte unwillkürlich. Es war wunderbar, mit Anne und Lachie so in der warmen Küche zu sitzen und die Vertrautheit zu spüren, die sie drei inzwischen verband. Sie warf einen Blick hinaus in den Garten, in dem der Wind mit abgefallenen Blättern spielte.
Anne brachte das Thema wieder auf die professionelle Ebene: »Was macht deine Überprüfung dieses Angestellten, Lachie?«,
»Fast abgeschlossen. Kriegst heute Nachmittag den Bericht«, antwortete Lachie. Er trank einen Schluck Tee und verzog den Mund, als handle es sich um bittere Medizin.
»Und die Machado-Tochter? Kannst du da mal nachhören, was mit dem Flug ist?«, fragte Anne.
Finola nickte. »Mach ich gleich.«
»Trink erst mal in Ruhe deinen Tee. Wenn die Kanne leer ist,
koche ich neuen!«
Finola grinste.
Sie erreichte Antônio beim ersten Versuch, doch er wollte nicht am Telefon mit ihr sprechen, sondern sie lieber persönlich treffen.
Um ihn vor Annes exzessivem Teekochen, aber auch vor dem Herbststurm draußen zu schützen, schlug Finola Laurie’s Café
vor. Sicher ergab sich nach ihrem Gespräch mit Antônio die Möglichkeit, Laurie über die Ereignisse gestern Abend auf den neuesten Stand zu bringen. Noch schwebte ihre Freundin in seligem Unwissen.
Zwei der drei Tische im Café waren besetzt, der hinterste, Finolas Lieblingstisch, war frei. Laurie nickte ihr nur kurz zu, denn sie war gerade dabei, Cupcakes zum Mitnehmen zu verpacken. Schön, dass es für sie wieder aufwärtsging.
Kaum hatte sich Finola gesetzt, betrat auch Antônio das Café. Sie winkte ihm zu, und er setzte sich zu ihr.
»Tudo bem?«,
fragte sie.
»Tudo bem«,
antwortete er.
»Du siehst aber irgendwie nicht ganz glücklich aus. Klappt was mit Tícias Flug nicht?«
Antônio räusperte sich. »Der Flug geht morgen nach London, von da aus gab es für übermorgen nämlich noch Plätze nach Rio. Und ich denke, es ist wichtig, dass sie schnell hier aus Edinburgh verschwindet.«
»Wunderbar. Da werden sich Tícias Eltern sicher freuen.«
Er nickte. »Ich fürchte nur, du wirst dich nicht so freuen … also …«
Finolas Herz begann, schneller zu klopfen. Was war nicht in Ordnung? Sie sah ihn auffordernd an.
»Ich habe mich entschlossen, mit ihr zu fliegen.«
»Ich denke nicht, dass das nötig ist. Wenn sie erst mal im Flieger sitzt …«
»Ich weiß. Aber ich will. Ich glaube, meine Zeit hier in Schottland ist zu Ende. Kennst du das, dass man es einfach fühlt, wenn ein Lebensabschnitt zu Ende geht?«
Finola nickte. »Ja, das verstehe ich gut.«
»Es ist nicht nur wegen Tícia. Also, ich meine, das auch.«
»Du hast dich verliebt.« Finola lächelte unwillkürlich.
Es fiel ihr leicht, zu lächeln. Alles war gut. Sie spürte keine Verletzung, keine Eifersucht. Ja, sie hatte Antônio gern. Sehr gern. Doch er war nicht die große Liebe. Vielleicht nicht einmal eine kleine.
Antônio machte ein zerknirschtes Gesicht. »Ich weiß nicht, was es ist, aber ich möchte jetzt gerne bei ihr sein. Und ich wollte ja eigentlich ohnehin nicht für immer hierbleiben. Und gerade gab es eben diese günstige Flugmöglichkeit.«
Finola legte ihre Hand auf seine. »Ich verstehe.«
»Ich wollte dir …« Er zuckte mit den Achseln. Seine offensichtliche Zerrissenheit rührte sie.
»Ist okay. Es ist alles gut mit uns. Ich freue mich, wenn du dich dann mal aus Brasilien meldest.«
»Das werde ich. Bestimmt. Finola, du bist wirklich eine wunderbare Frau, und irgendwie liebe ich dich, aber …«
»Pst!« Finola legte ihren Finger auf seinen Mund. Dann erhob sie sich.
Antônio stand ebenfalls auf und nahm sie in den Arm.
»Adeus, minha querida
. Ich schick dir ’ne Nachricht, wenn wir angekommen sind.«
Finola küsste ihn auf beide Wangen. »Geh jetzt«, flüsterte sie, »bevor ich doch noch heule.«
Sie sah ihm nicht nach, als er das Café verließ.
»Was war denn das?« Plötzlich stand Laurie neben ihr. »Ich wollte gerade fragen, was ihr trinken wollt. Das war doch dein Freund Antônio, oder?«
Finola nickte. »Das war er. Er geht zurück nach Brasilien. Und eigentlich möchte ich gar nichts trinken. Anne hat mich schon mit Tee abgefüllt.«
»Hm, mir scheint, du hast mir einiges zu erzählen. Müssen wir aber etwas verschieben – Kundschaft.«
Zwei ältere Damen hatten das Café betreten und betrachteten freudig die bunten Cupcakes, bevor sie sich suchend umsahen.
»Kein Problem – ich hab Zeit. Und ziemlich viel zu berichten. Ich komm einfach wieder, wenn du zumachst, und mach jetzt Platz für
deine zahlende Kundschaft.«
»Fein, dann ruf ich heute Abend Evan und Scott an. Jetzt wo dein brasilianischer Freund weg ist, steht dir der Sinn ja vielleicht nach einem Schotten?«
Laurie legte den Kopf schief und grinste.
Finola lachte.
»Warum eigentlich nicht?«