In meinem Leben habe ich 21 Menschen ermordet, ich habe Tausende von Einbrüchen, Raubüberfällen, Diebstählen, Brandstiftungen verübt, und nicht zuletzt habe ich an mehr als 1000 Männern Sodomie begangen. All diese Dinge bedauere ich nicht im Geringsten. Ich habe kein Gewissen, also beunruhigt mich das nicht. Ich glaube nicht an Menschen, weder an Gott noch an den Teufel. Ich hasse die ganze verdammte Menschheit, mich eingeschlossen.
Wenn Sie oder jemand anderes sich die Mühe machen und die Intelligenz oder Geduld haben, jedes meiner Verbrechen zu verfolgen und zu untersuchen, werden Sie feststellen, dass ich mein ganzes Leben lang konsequent einer Idee gefolgt bin. Ich suchte nach den Schwachen, den Harmlosen und den Ahnungslosen.
Diese Lektion wurde mir von anderen beigebracht: Macht schafft Recht.
Das Zitat stammt, wie alle anderen dieses Texts, aus den Aufzeichnungen, die Carl Panzram im Gefängnis von Leavenworth, Kansas, kurz vor seinem Tod verfasst hat. Panzram ist 38 Jahre alt, als er sie niederschreibt. Er wartet, nachdem er einen Vorarbeiter in der Wäscherei getötet hat, auf seine Exekution. Panzram sieht, anders als andere zum Tode Verurteilte, seiner Hinrichtung mit Freude entgegen:
Ich glaube nicht, dass es eine barbarische oder unmenschliche Strafe ist, am Hals gehängt zu werden. Ich habe keine Lust, mich zu bessern. Mein einziger Wunsch ist es, Menschen zu bessern, die versuchen, mich zu bessern, und ich glaube, dass der einzige Weg, Menschen zu bessern, darin besteht, sie zu töten.
Der Psychiater Dr. Karl Menninger schreibt, Panzram sei nicht nur begierig gewesen, hingerichtet zu werden, diese Hinrichtung sei »im Wesentlichen ein Selbstmord, eine direkte Erfüllung dessen, was er indirekt all seine achtunddreißig Jahre lang angestrebt hatte«. Ein Satz, der nachdenklich macht. Was machte Panzram zu dem Menschen, der er war? Was musste in seinem Leben geschehen sein? Was haben wir als Gesellschaft, und damit meine ich jeden Einzelnen von uns, getan und tun es immer noch, um einen solchen Menschen zu kreieren?
Es ist meine feste Überzeugung, dass kein Mensch böse oder schlecht zur Welt kommt. Wir, die Gesellschaft, machen ihn erst dazu. Mir ist klar, dass nicht jeder, der wie Panzram in schwierige Familienverhältnisse hineingeboren wird, in seinem späteren Leben zum Mörder wird. Ich denke dabei auch an meinen eigenen Vater, der in seiner Kindheit unter meinem sadistischen Großvater zu leiden hatte. Dieser genoss es, seine Kinder zu züchtigen, wann immer es ihm möglich war. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie etwas angestellt hatten oder nicht. Die Lehre, die mein Vater daraus zog, war nicht, selbst zu schlagen. Er hatte sich bereits als kleiner Junge unter Tränen geschworen, sollte er jemals eine Familie haben, niemals seine Hand gegen diese zu erheben. Mein Vater hat sich sein ganzes Leben daran gehalten.
Aber was bringt einen Menschen dazu, den einen oder den anderen Weg einzuschlagen? Hätte Panzram sich wie mein Vater für den anderen Weg entscheiden können?
Carl Panzram hatte das Monstrum, das in ihm schlief, aus eigener freier Entscheidung oder auf Druck von außen losgelassen, und ich möchte Ihnen erzählen, wie ich zu der Geschichte dieses Serienmörders gekommen bin. Unsere Wege kreuzen sich in Larchmont, einer kleinen Vorstadt wenige Kilometer außerhalb von New York City im County Westchester. In dem Ort lebe ich während des Semesters und fahre von dort in die Stadt an die City University New York, an der ich studiere. Meine Wohnung ist keine zwanzig Minuten zu Fuß vom Long Island Sound entfernt, einem gezeitengeprägten Meeresarm, der zwischen dem Festland und der vorgelagerten Insel Long Island liegt.
Mitten im Sound, vom Larchmont Beach aus sichtbar, gibt es eine kleine Insel mit einem verlassenen Leuchtturm, den Execution Rock. Bis 1979 wohnte und arbeitete auf dem Felsen, umgeben von den Wellen, ein Leuchtturmwärter. Neben ihm verrichtete, je nach Bedarf, auch noch ein Lotse seinen Dienst auf der Insel. Letzterer ging von hier aus an Bord, um eine sichere Durchfahrt der Schiffe im Sound und zur Einfahrt in den East River zu gewährleisten. Mit der Automatisierung des Leuchtturms verließ der letzte Wärter den Felsen. Das Betreten ist Privatpersonen verboten, nur hin und wieder legt das Boot des Wartungspersonals an, oder einem Vogelkundler wird der Zugang über eine spezielle Vollmacht genehmigt.
Um den Execution Rock und die Herkunft seines Namens ranken sich die phantastischsten Geschichten. Mal diente der Felsen als Hinrichtungsstelle für »straffällig« gewordene Sklaven, dann wieder als Ort, an dem die Engländer Rebellen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg exekutierten. Egal ob Sklaven oder Rebellen, in jeder dieser Geschichten wurden die Delinquenten an den Felsen gekettet und ertranken dann bei steigender Flut. Bei genauerer Recherche entpuppen sich alle Erzählungen als Schauermärchen. Der immer wieder zitierte Metallring, der die Hinrichtungen beweisen soll, stellt sich als Bootsanlegestelle heraus. Wer hier arbeitete, machte sein Boot daran fest, um nach getaner Arbeit wieder an Land zu kommen.
Eine Geschichte, die sich tatsächlich zugetragen hat, wird jedoch kaum erwähnt. Ab 1920 hielt sich in den Gewässern um den Felsen Carl Panzram auf. Er versenkte mindestens drei seiner Opfer nahe der Insel im Sound. Er selbst wird später behaupten, es wären zehn Menschen gewesen. Diese bedauernswerten Opfer wurden nie gefunden, es wurde auch nie nach ihnen gesucht. Panzram hatte sich ganz bewusst Schwache und Außenseiter gesucht, sie betrunken gemacht, vergewaltigt, ermordet und im Meer versenkt. Jahre später wurde er in Larchmont bei einem Einbruch ins Eisenbahndepot festgenommen. Es sollte die letzte Festnahme werden, die glimpflich für ihn ausging.
Panzram kam als Kind deutscher Einwanderer am 28. Juni 1891 in East Grand Forks, Minnesota, zur Welt. Sein Vater hatte als Soldat am Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 teilgenommen und war danach in der Hoffnung auf ein besseres Leben in die USA ausgewandert. Im Laufe des 19. Jahrhunderts zog es um die fünf Millionen Deutsche in die neue Welt, davon allein 1,4 Millionen zwischen 1880 und 1890. Johann Gottlieb, oder John Panzram, wie er sich in Amerika nannte, war einer von ihnen. Nach seiner Ankunft musste er feststellen, dass er zum großen Heer der Zuspätkommenden zählte und ein Neuanfang im Land der unbegrenzten Möglichkeiten weitaus schwieriger war, als er angenommen hatte. Für Leute wie ihn gab es nur noch die Wahl zwischen der schlecht bezahlten Arbeit in einer Fabrik, der Plackerei in einer Miene unter Tage oder dem Knochenjob beim Eisenbahnbau. Enttäuscht machte er sich auf den Weg in den Westen. Dort fand er in dem damals überwiegend von deutschen Einwanderern bewohnten Sauk Centre, Minnesota, Arbeit in der Landwirtschaft. Er lernte ein Mädchen kennen, das ebenfalls aus Deutschland stammte, und heiratete.
Carl Panzrams Mutter Mathilda Elisabeth Boldwon, genannt Lizzie, war als Dreizehnjährige aus Berlin in die USA ausgewandert. Ihre Eltern erzogen sie streng protestantisch, und Lizzie blieb zeit ihres Lebens den puritanischen Prinzipien ihres Elternhauses treu. Gemeinsam mit ihrem Mann bekam sie fünf Kinder, vier Söhne und eine Tochter. Als Carl, der Jüngste, geboren wurde, war die Ehe längst zerrüttet. Der vormals stattlich aussehende, groß gewachsene, schnauzbärtige Johann hatte sich in einen vom Leben enttäuschten cholerischen Säufer verwandelt, und seine Frau Lizzie rackerte sich auf der kleinen Farm der Familie in East Grand Forks an der Grenze zu North Dakota ab. Panzrams Kindheit war geprägt von einem tyrannischen, meist betrunkenen Vater und einer völlig überforderten Mutter, die neben der Arbeit und ihrem Glauben wenig Raum für Liebe und Zuneigung hatte.
Carl war ein rebellisches Kind. Prügel, sowohl von den Eltern als auch von den größeren Brüdern, waren an der Tagesordnung. Irgendwann im Jahr 1898 verschwand der Vater aus dem Leben seiner Familie. Zurück blieb eine verhärmte und bigotte Lizzie mit ihren fünf Kindern auf einer Farm, die kaum genügend zum Überleben abwarf.
Ein Jahr später wurde Carl zum ersten Mal auffällig. Er wurde im zarten Alter von acht Jahren angetrunken aufgegriffen. Drei Jahre danach, mit elf, stahl er ein paar Äpfel, einen Kuchen und eine Handfeuerwaffe. Er hatte den abenteuerlichen Plan, seiner trostlosen Kindheit mit dem nächsten Zug Richtung Westen zu entfliehen, um dort als Cowboy anzuheuern. Er trödelte, verpasste den Zug, wurde erwischt und verprügelt. Wegen des Diebstahls kam es zu einer Verhandlung. Hier kam auch die Trunkenheit erneut zur Sprache, und der Richter entschied sich für eine Unterbringung in einer Anstalt für straffällig gewordene Jugendliche in Red Wing, Minnesota. In der Minnesota State Training School sollten Minderjährige durch eine strenge Erziehung wieder auf den richtigen Pfad zurückgebracht werden. Zwei Jahre sollte Panzram in der Anstalt bleiben. Zwei Jahre, in denen er 27 Einträge wegen ungebührlichen Verhaltens erhielt. Den letzten davon am 2. Oktober 1905 wegen Flüsterns während des Unterrichts. Panzram behauptete später in seinen Aufzeichnungen, dass er bereits am Tag seiner Ankunft, dem 11. Oktober 1903, durch den damaligen Direktor der Schule sexuell missbraucht worden sei.
Als ich dort rauskam, wusste ich alles über Jesus und die Bibel – so viel, dass ich wusste, dass das alles nur heiße Luft war. Aber das war nicht alles, was ich wusste. Mir war von Christen beigebracht worden, wie man ein Heuchler ist, und ich hatte mehr über Stehlen, Lügen, Hassen, Brennen und Töten gelernt. Ich hatte gelernt, dass der Penis eines Jungen für etwas anderes als zum Urinieren benutzt werden kann und dass ein Rektum für andere Zwecke gebraucht werden kann …
Im Januar 1906 war er wieder in der Obhut seiner Mutter. Diese hatte die Farm in der Zwischenzeit verkaufen müssen und lebte nun mit einem ihrer Söhne, der als Polizist arbeitete, zur Miete in einem kleinen Haus mit Garten. Das Haus lag auf der anderen Seites des Flusses in North Dakota, nur einen Steinwurf von der Immanuel Lutheran Church entfernt. Dort wurde ihr Sohn Carl nach seiner Rückkehr aus Red Wing in die German Lutheran School aufgenommen. Irgendwann fingen seine Mitschüler an, mit den Fingern auf ihn zu zeigen und ihn wegen seiner Vergangenheit in der Besserungsanstalt zu hänseln. Panzram wollte sich Respekt verschaffen, indem er sich mit den Gleichaltrigen prügelte, diese ließen es nicht auf sich sitzen und erzählten es ihren Eltern, die sich bei Panzrams Mutter und der Schule beschwerten. Panzram wurde daraufhin vom Lehrer gezüchtigt. Ein Kreislauf aus Prügeleien, Beschwerden der Eltern und körperlicher Züchtigung durch den Lehrer begann, bis in Carl der Gedanke erwuchs, sich an seinen Lehrern zu rächen. Wieder besorgte er sich eine Pistole und nahm sie mit in die Schule. Kurz nach Unterrichtsbeginn kam es zu einer Auseinandersetzung. Panzram warnte seinen Lehrer, er würde es sich nicht mehr gefallen lassen, geschlagen zu werden.
Ich nehme an, er hielt es für selbstverständlich, dass ich bluffte oder unfähig war, meine Drohungen wahr zu machen, und anstatt mich in Ruhe zu lassen, holte er sofort seine Gerte und befahl mir, nach vorne zu kommen, um mir meine Bestrafung abzuholen. Ich weigerte mich, meinen Platz zu verlassen. Er kam vom Pult herunter und versuchte, mich aus der Bank herauszuziehen, aber ich hielt mich mit Händen und Füßen fest. Dann fing er an, mich mit der Gerte auf Kopf und Schultern zu schlagen und gleichzeitig an meinem Mantel- und Westenkragen zu reißen, um mich herauszuziehen. Die Knöpfe an der Weste gaben vor mir nach. Der Prediger zog. Die Knöpfe rissen los, und die Pistole fiel auf den Boden und der Prediger mit ihr. Er fiel mit offenem Mund und Augen wie Untertassen auf sein großes, fettes Hinterteil. Er war gelähmt vor Überraschung und Angst. Alles, was er sagen konnte, war: »Mein Gott, mein Gott, eine Waffe, eine Waffe.« Ich war weder überrascht noch hatte ich Angst. Ich war wahnsinnig sauer. Ich sprang von meinem Platz auf, griff nach der Waffe und richtete sie direkt zwischen seine Hörner auf ihn und drückte zwei- oder dreimal ab, aber sie ging nicht los.
Noch in derselben Nacht beschloss der 14-Jährige, dass es nun endgültig genug sei. Er wollte fort. Carl nahm seinen Plan von vor zwei Jahren wieder auf und machte sich auf den Weg Richtung Westen.
Ich wollte ein Cowboy werden und ein paar wilde Indianer schießen und Priester zähmen. Das ist mehr als zwanzig Jahre her, aber seitdem bin ich ein Cowboy. Ich habe nie wilde Indianer erschossen, aber ich habe einmal auf einen zahmen Prediger geschossen. Ich habe ihn direkt unter seinen Hemdschoß geschossen.
Er verließ das Haus seiner Mutter. Anders als bei seinem letzten Versuch trödelte er dieses Mal nicht. Er sprang auf einen Zug nach Montana, um sich dort seinen Traum vom freien und ungezwungenen Leben als Cowboy zu erfüllen. Ganz so, wie man es in Groschenheften lesen konnte. Es war der Beginn einer Reise in den Abgrund.
Glaubt man seinen Aufzeichnungen, so wurde Panzram auf dieser Fahrt von einer Gruppe Wanderarbeiter vergewaltigt, die wie er als blinde Passagiere reisten. Der Teenager schwor sich, dass er von nun an derjenige sein würde, der anderen Leid zufügte, und nicht umgekehrt. Als er fünfzehn Jahre später am Long Island Sound auftauchte, hatte er nicht nur fast das halbe Land bereist, er war unehrenhaft aus der Armee entlassen worden und hatte in vierzehn verschiedenen Gefängnissen eingesessen. Aus einigen war er nach ein paar Tagen oder Wochen entlassen worden, aus anderen hatte er sich selbst befreit, indem er die erste sich ihm bietende Gelegenheit zum Ausbruch nutzte. Nichts und niemand konnte ihn festhalten. Er benutzte unterschiedliche Namen und Identitäten. Er hatte von Diebstählen, Betrügereien und Einbrüchen gelebt. Er hatte als Streikbrecher angeheuert und als Seemann. Unter dem Namen Captain John O’Leary war er nach Südamerika, Europa und Afrika gereist.
Im Sommer 1920 war er wieder in den USA gelandet. Aus dem traurigen und misshandelten Kind war ein mitleidloser Täter geworden. Er hatte jede Hemmung, einem anderen das Leben zu nehmen, längst verloren. Zwischen 1920 und 1928 sollte er in immer schnellerer Abfolge töten. Er war immer auf der Suche nach Opfern, die entweder schwächer waren als er oder mit einem Angriff nicht rechneten und sich somit nicht zur Wehr setzten.
Im August desselben Jahres brach er in das Haus des ehemaligen Präsidenten William H. Taft in Connecticut ein. Taft lehrte als Professor an der Yale University in New Haven. Er war zum Zeitpunkt des Einbruchs auf einer Vortragsreise in Kanada, und auch sonst nutzte er das Anwesen eher selten. Panzram sollen bei dem Einbruch Bargeld, Schmuck und Wertpapiere in der Höhe von 40000 Dollar in die Hände gefallen sein. Inflationsbereinigt entspricht das einer heutigen Kaufkraft von ungefähr 600000 Dollar. Dazu noch eine Taschenuhr, die Taft während seiner Zeit als Generalgouverneur der Philippinnen als Geschenk überreicht worden war, sowie ein Colt Kaliber 45 Automatik.
Mit der Beute kaufte Panzram sich eine Jacht, die Akista. In den nun folgenden Wochen fuhr er an der Küste des Long Island Sound entlang, raubte andere vor Anker liegende Jachten aus oder ging an Land, um dort in die Sommerresidenzen reicher New Yorker einzubrechen. Nach eigenen Angaben war er zu dieser Zeit meist betrunken. Jeden zweiten Tag fuhr er hinunter nach Manhattan und hielt Ausschau nach Matrosen. Diese heuerte er dann unter dem Versprechen eines großzügigen Lohns und leichter Arbeit auf seinem Boot an.
Was sie bekamen, war etwas anderes. Ich würde sie mit all ihrer Kleidung und Ausrüstung zu meiner Jacht auf City Island bringen. Dort würden wir essen und trinken, und wenn sie genug getrunken hätten, gingen sie ins Bett. Wenn sie schliefen, holte ich meinen 45er Colt Army Automatic, den ich aus Mr. Tafts Haus gestohlen hatte, und blies ihnen das Gehirn weg. Dann würde ich ein Seil nehmen und sie festbinden und sie in mein Ruderboot legen, ungefähr eine Meile in den Hauptkanal hinausrudern und sie über Bord werfen.
Nach eigenen Angaben sollen ihm so zehn Matrosen zum Opfer gefallen sein. Die meisten vergewaltigte er, ehe er sie tötete und um den Execution Rock herum im Wasser versenkte. Wenige Wochen später lief die Akista bei einem Segeltörn vor Atlantik City auf Grund. Panzram und die beiden Matrosen, die sich mit ihm an Bord befanden, konnten sich in Sicherheit bringen.
Sein Weg führte ihn zunächst nach Connecticut zurück. Hier wiederholte sich das alte Muster: Er kam mit dem Gesetz in Konflikt, wurde angeklagt, und während er gegen Kaution bis zur Verhandlung auf freiem Fuß war, heuerte er auf einem Schiff nach Europa an. Von dort ging es nach Afrika und später wieder zurück in die USA.
Mindestens sieben weitere Menschen fielen ihm in dieser Zeit zum Opfer. Jungen nicht älter als elf genauso wie erwachsene Männer. Er raubte, vergewaltigte und mordete, das Ungeheuer in ihm war nicht mehr zu kontrollieren. 1928 wurde er ein letztes Mal, eher durch Zufall, in Washington D.C. verhaftet. Er hatte wieder einen Einbruch begangen und wurde dabei festgenommen. Während einer der Vernehmungen gab er zu, mehrere Menschen ermordet zu haben. Panzram war an einem Punkt angekommen, an dem er weder weiter wollte noch konnte. Er wusste, einer wie er hatte im Gefängnis wenig zu erwarten, weder von den Mitgefangenen noch von den Wärtern. Doch es war ihm gleichgültig. Noch während er auf seinen Prozess wartete, wurde Panzram mehrmals von den Wachen brutal zusammenschlagen. Eines seiner Beine war gebrochen, und er wird es für den Rest seines Lebens nach ziehen.
Henry Lesser, ein junger Wachmann, hatte Mitleid mit ihm. Später würde er sich daran erinnern, dass, als er Panzram zum ersten Mal sah, »eine Art von Stille um ihn herum war«. Lesser ließ dem gequälten Gefangenen einen Dollar zukommen, damit sich dieser ein paar Zigaretten kaufen konnte. Es war der Beginn einer seltsamen Freundschaft.
Ähnlich wie Panzram stammte auch Lesser aus einer Einwandererfamilie. Als Kind jüdisch-orthodoxer Einwanderer aus Russland wuchs er in bitterer Armut auf. Wie Panzram hatte er als Jüngster von vier Geschwistern unter den Hänseleien seiner größeren Brüder zu leiden. Anders als Panzram hatte er Eltern, die ihren Kindern ihre Zuneigung und Liebe zeigten. Zum ersten Mal in seinem Leben begegnete Panzram einem Menschen, der versuchte, ihn zu verstehen, und der ihm in vorbehaltloser Freundschaft zugeneigt war.
Lesser überredete Panzram, sein Leben niederzuschreiben, und es entstand ein Briefwechsel, in dem man noch immer den Respekt und die Zuneigung dieser so unterschiedlichen Männer erkennen kann.
Panzrams einundzwanzigstes und letztes Opfer war der Vorarbeiter der Wäscherei im Gefängnis von Leavenworth. Am frühen Morgen des 20. Juni 1929, kurz nach Dienstantritt, wurde Robert G. Warnke von Carl Panzram angegriffen. Panzram schlug mit einem schweren Eisen auf Warnke ein. Er wurde von den herbeigerufenen Wärtern überwältigt und in die Isolierstation verbracht. Dort verweigerte er jede Aussage zu seiner Tat. Zeugen sagten später aus, dass Panzram sich von Warnke ungerecht behandelt fühlte und mehrfach angekündigt hatte, ihn zu töten. Es war das einzige Tötungsdelikt, für das Panzram zur Verantwortung gezogen wurde. Am 5. September 1930 wurde er im Alter von 38 Jahren hingerichtet.
1935, fünf Jahre nach der Hinrichtung Carl Panzrams, schied Lesser aus dem Dienst aus. Er hatte sich bis in die Position eines Bewährungshelfers hochgearbeitet und gab schließlich aus Frustration über die Schwerfälligkeit des Strafvollzugs und dessen Unfähigkeit, sich zu reformieren, auf. Zeit seines Lebens fühlte er sich jedoch dem Freund verpflichtet, der unter einer dünnen Grasnarbe im Gefängnisfriedhof von Leavenworth, Kansas, begraben liegt. Er wollte der Welt zeigen, dass Menschen wie Carl Panzram nicht als Ungeheuer geboren werden, sondern erst durch die Welt um sie herum dazu gemacht werden. Das Kind Carl hatte niemals eine Chance, und der erwachsene Carl wollte sie nicht mehr.