Lakeport, Idaho

Februar–Mai 2019

Seymour

Im Februar beugt er sich zusammen mit Janet in einer Ecke der Cafeteria über ihr Smartphone. «Ich muss dich warnen», sagt sie, «er hat etwas Beängstigendes.» Auf dem Bildschirm wandert ein kleiner Mann in schwarzem Denim und mit einer Ziegenmaske auf einer Bühne hin und her. Er nennt sich «Bishop» und trägt ein Sturmgewehr auf dem Rücken. Fangt, sagt er,

mit dem ersten Buch Mose an. «Seid fruchtbar», steht da am Anfang, «und mehret euch, füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über des Meeres Fische, die Vögel des Himmels und über alles Getier, das sich auf Erden regt!»

Die Kamera wechselt auf eine rastlose Menge Gesichter. Seit 2600 Jahren, fährt der Mann fort,

ist uns in der westlichen Tradition versichert worden, dass die Rolle des Menschen darin besteht, die Erde zu beherrschen. Dass die gesamte Schöpfung dem Zweck dient, von uns genutzt und geerntet zu werden. Und seit 2600 Jahren sind wir im Grunde damit durchgekommen. Die Temperaturen blieben konstant, die Jahreszeiten vorhersehbar, und wir haben die Wälder abgeholzt, die Ozeane leer gefischt und einen Gott über alle anderen erhoben: das Wachstum. Vergrößere deinen Besitz, vergrößere deinen Wohlstand, erweitere deine Mauern. Und wenn jeder neue Schatz, den du hinter deine Mauern zerrst, den Schmerz nicht erleichtert? Beschaff dir mehr. Aber jetzt? Jetzt beginnt die menschliche Rasse zu ernten, was sie …

Es klingelt, Janet tippt auf das Display, und Bishop erstarrt mitten im Satz, die Arme ausgestreckt. Ein Link leuchtet unten auf dem Bildschirm auf: Macht mit.

«Seymour, gib mir mein Handy, ich hab jetzt Spanisch.»

Am neuen Ilium-Terminal in der Bibliothek setzt er Kopfhörer auf und sucht er nach weiteren Videos. Bishop trägt eine Donald-Duck-Maske, eine Waschbär-, eine Kwatkiutl-Bieber-Maske. Er ist in Oregon, einem Dorf in Mosambik.

Als Flora heiratete, war sie vierzehn. Jetzt hat sie drei Kinder, die Dorfbrunnen sind ausgetrocknet, und die nächste verlässliche Wasserquelle liegt zwei Stunden zu Fuß entfernt. Hier im Bezirk Funhalouro verbringen jugendliche Mütter wie Flora jeden Tag etwa sechs Stunden damit, Wasser zu suchen und nach Hause zu tragen. Gestern war sie drei Stunden unterwegs, um Wasserlilien in einem See zu pflücken, damit ihre Kinder etwas zu essen hatten. Und was sagen unsere großen, klugen Führer? Wechseln wir zu elektronischen Rechnungen. Kauft drei LED-Birnen, und ihr bekommt einen Stoffbeutel umsonst. Die Erde hat acht Milliarden Menschen zu ernähren, und es gibt ein um das Tausendfache höheres Artensterben als in der vormenschlichen Zeit. Das reparieren wir nicht mit Stoffbeuteln.

Bishop rekrutiert Krieger, sagt er, um die weltweite industrielle Wirtschaft einzureißen, bevor es zu spät ist. Wir werden, sagt er, Gesellschaften um neue Denksysteme errichten, in denen Ressourcen geteilt werden; sie werden alte Weisheiten wiedergewinnen, Antworten auf Fragen suchen, die unsere Wirtschaft nicht beantworten kann, Lösungen für Probleme, die mit Geld nicht zu lösen sind.

Die Gesichter, die Seymour unter Bishops Zuhörern ausmachen kann, strahlen voller Bereitschaft. Er denkt daran, wie es sich angefühlt hat, als er zum ersten Mal den Deckel der Kiste mit Pawpaws alten Granaten aufgemacht hat. Die ganze schlummernde Macht. Noch nie hat jemand seiner eigenen Wut und Verwirrung so Ausdruck gegeben.

«Wartet», haben sie gesagt. «Seid geduldig», haben sie gesagt. «Die Technik wird die CO2-Krise lösen.» In Kyoto, in Doha, in Kopenhagen, in Paris haben sie gesagt: «Wir begrenzen die Emissionen, wir entwöhnen uns vom Kohlenwasserstoff», und dann sind sie in ihren gepanzerten Limousinen zurück zum Flughafen gerollt und in Jumbo-Jets nach Hause geflogen, haben in dreißigtausend Fuß Höhe Sushi gegessen, während die Armen unter ihnen an der Luft in ihren Städten und Dörfern erstickt sind. Das Warten hat ein Ende. Wir müssen uns erheben, bevor die ganze Welt in Flammen steht. Wir müssen …

Als Marian mit einer Hand vor seinen Augen herumwedelt, kann sich Seymour ein paar Atemzüge lang nicht daran erinnern, wo er ist.

«Jemand zu Hause?»

Der Link blinkt unten auf dem Bildschirm: Mach mit. Mach mit. Mach mit. Er nimmt die Kopfhörer ab.

Marian lässt ihre Autoschlüssel um einen Finger kreisen. «Feierabend, Junge. Kannst du bitte für mich das Geöffnet-Zeichen ausschalten? Und hör zu, Seymour, hast du am Samstag Zeit? Mittags?»

Er nickt, nimmt seine Büchertasche. Draußen regnet es auf den Schnee, und die Straßen sind voller Schlamm.

«Samstag», ruft Marian ihm hinterher. «Um zwölf. Vergiss es nicht. Ich habe eine Überraschung für dich.»

Zu Hause sitzt Bunny am Küchentisch und brütet über dem Scheckbuch. Sie sieht ihn an. Sie war mit ihren Gedanken weit weg.

«Bist du den ganzen Weg durch den Regen gelaufen? Hast du mit Janet zu Mittag gegessen?»

Er macht den Kühlschrank auf. Senf. Shasta Twists. Eine halbe Flasche Salatsoße. Sonst nichts.

«Seymour? Kannst du mich bitte ansehen?»

Im grellen Küchenlicht sieht ihr Gesicht wie aus Kreide gemacht aus. Die Haut am Hals ist schlaff. Man sieht ihre Haarwurzeln. Sie kriegt langsam einen Buckel. Wie viele Hoteltoiletten hat sie heute geputzt? Wie viele Betten abgezogen? Zuzusehen, wie die Jahre Bunny ihre Jugend genommen haben, ist, als sähe er ein weiteres Mal, wie der Wald hinter dem Haus abgeholzt worden ist.

«Hör zu, Schatz, Aspen Leaf macht dicht. Geoff sagt, sie können mit den Ketten nicht mehr mithalten. Er kündigt mir.»

Umschläge bedecken den Tisch. V-1-Propangas, Intermountain-Benzin, die Blue River Bank, die Stadtwerke Lakeport. Allein seine Medikamente, weiß er, kosten jede Woche 119 Dollar.

«Ich möchte nicht, dass du dich sorgst, Schatz. Wir lassen uns was einfallen. Tun wir doch immer.»

Er schwänzt Mathe und hockt sich mit Janets Handy auf den Parkplatz.

In einer Welt, die um zwei Grad Celsius wärmer ist, werden 150 Millionen Menschen, die meisten von ihnen arm, durch Luftverschmutzung sterben. Nicht durch Gewalt, nicht durch Überschwemmungen  allein durch Luftverschmutzung. Das sind 150-mal mehr Tote als im amerikanischen Bürgerkrieg. Fünfzehn Holocauste. Zwei zweite Weltkriege. Durch unsere Aktionen, durch unsere Versuche, der Marktwirtschaft Knüppel zwischen die Beine zu werfen, wird hoffentlich niemand sterben. Aber selbst wenn es ein paar Tote gibt, ist es das nicht dennoch wert? Um fünfzehn Holocauste zu stoppen?

Jemand klopft ihm auf die Schulter. Janet steht zitternd auf dem Bordstein. «Das nervt langsam, Seymour. Ich muss fünfmal am Tag fragen, ob ich mein Telefon zurückkriege.»

Als er am Freitag aus der Schule kommt, sitzt Bunny auf dem Sofa und trinkt Wein aus einer Plastiktasse. Sie strahlt, nimmt ihm den Rucksack von den Schultern und macht einen Knicks. Sie hat, verkündet sie, einen Kurzzeitkredit aufgenommen, damit sie Geld haben, bis sie einen neuen Job findet. Und auf dem Weg nach Hause ist sie beim Computer Shack neben dem Holzplatz vorbeigekommen und musste stehen bleiben.

Sie holt ein neues Ilium-Tablet hinter dem Sofakissen hervor, noch originalverpackt. «Voilà!»

Sie grinst. Der Burgunder lässt ihre Zähne aussehen, als tränke sie Tinte.

«Und weißt du noch, Dodds Hayden? Im Laden? Er hat mir das hier so gut wie umsonst dazu gegeben!» Damit holt sie auch noch einen Ilium-Smartspeaker hinter dem Kissen hervor. «Der sagt dir, wie das Wetter wird, beantwortet alle möglichen Fragen und erinnert sich an deine Einkaufsliste. Du kannst sogar Pizza bestellen. Musst es ihm nur sagen!»

«Mom.»

«Ich freue mich so, dass du solche Fortschritte machst, Possum, und Zeit mit Janet verbringst. Ich weiß, es ist schwer, ein Junge ohne all den neuen Technikkram zu sein. Deshalb hab ich gedacht, nun, du verdienst es. Wir verdienen es. Oder?»

«Mom.»

Draußen vor der Schiebetür schimmern die Eden’s-Gate-Lichter, als würden sie von einer Unterwasserströmung getragen.

«Mom, dafür brauchst du WLAN

«Wie?» Sie nippt an ihrem Wein. Sie lässt die Schultern hängen. «WLAN

Am Samstag geht er zur Eisbahn und setzt sich auf eine Bank hoch über den Schlittschuhläufern, schaltet das neue Tablet ein und loggt sich ins Gratis-WLAN ein. Es dauert eine halbe Stunde, alle Updates herunterzuladen. Dann sieht er sich etwa ein Dutzend Videos von Bishop an, alles, was er finden kann, und als er sich an Marians Einladung erinnert, ist es schon nach drei. Er rennt die Straße hinauf, und an der Ecke von Lake und Park steht eine neue Buchrückgabekiste, fest im Beton verankert. Sie sieht aus wie eine Eule.

Es ist ein dicker Zylinder, grau, braun und weiß angemalt, und er sieht aus, als hätte er Flügel an den Seiten und Krallen an den Füßen. Große gelbe Augen leuchten in der Mitte des Eulengesichts, und sie trägt eine Fliege – es ist eine Große Graueule. Auf der Klappe steht: BITTE EURE BÜCHER HIER HINEIN. Und auf der Brust der Eule:

STADTBIBLIOTHEK LAKEPORT
«EULE» BÜCHER BEI UNS!

Die Eingangstür der Bibliothek öffnet sich, und Marian kommt mit ihrer Tasche und dem Schlüssel heraus. Sie trägt einen kirschroten Parka, die Knöpfe sind falsch geknöpft, und sie sieht verletzt, wütend, unglücklich oder alles auf einmal aus.

«Du hast die Einweihung verpasst. Ich habe alle gebeten zu warten.»

«Ich …»

«Ich habe dich zweimal daran erinnert, Seymour.» Die gemalte Eule scheint ihn vorwurfsvoll anzublicken, während sich Marian den Kragen hochzieht. «Weißt du», sagt sie, «du bist nicht der einzige Mensch auf dieser Welt», und damit steigt sie in ihren Subaru und fährt davon.

Der April ist wärmer, als er sein sollte. Er hört auf, in die Bibliothek zu gehen, schwänzt die Treffen des Umwelt-Clubs und geht Mrs Tweedy auf den Korridoren aus dem Weg. Nach der Schule setzt er sich auf eine niedrige Mauer hinter der Eisbahn, in Reichweite des WLAN, und folgt Bishops Videos in die düsteren Ecken des Internets. Die Menschen sollte man am besten als Ausrotter verstehen, sagt Bishop. Jeden Lebensraum, in den wir vordringen, zerstören wir, wir haben die ganze Erde überrannt, und als Nächstes rotten wir uns selbst aus.

Eine ins Klo, eine ins Waschbecken. Seymour hört auf, Buspiron zu nehmen. Einige Tage lang bricht sein Körper immer wieder zusammen. Dann wacht er auf. Die Gefühle kommen zurück, sein Denken kommt ihm vor wie der riesige Hohlspiegel eines Radarteleskops, das selbst noch aus den fernsten Regionen des Universums Licht auffängt. Jedes Mal, wenn er nach draußen geht, kann er die Wolken am Himmel entlangschaben hören.

«Wie kommt es eigentlich», fragt Janet ihn eines Tages, als sie ihn nach Hause fährt, «dass du meine Eltern nicht kennenlernen willst?»

Ein Kipplaster donnert vorbei. Da draußen treffen sich Bishops Krieger. Seymour fühlt sich, als bereite er sich auf eine Metamorphose vor. Er kann fast spüren, wie er bis auf Molekularebene zerfällt und sich zu etwas völlig Neuem wieder aufbaut.

Janet hält vor seinem Haus. Er ballt die Hände zu Fäusten.

«Ich rede», sagt sie, «aber du hörst mir nicht zu. Was ist los mit dir?»

«Nichts ist mit mir los.»

«Steig einfach aus, Seymour.»

Sie nennen uns militant und Terroristen. Sie sagen, dass Wandel Zeit braucht. Aber wir haben keine Zeit mehr. Wir können nicht länger in einer weltweiten Kultur leben, in der es den Reichen erlaubt ist, zu glauben, dass ihre Lebensweise ohne Folgen ist, dass sie benutzen können, was immer sie wollen, und wegwerfen können, was immer sie wollen, dass sie gegen Katastrophen immun sind. Ich weiß, es ist nicht einfach, sich die Augen öffnen zu lassen. Es macht keinen Spaß. Wir werden alle stark sein müssen. Die kommenden Ereignisse werden uns in einer Weise auf die Probe stellen, die wir uns noch nicht vorstellen können.

Unten pulsiert der Link: Mach mit. Mach mit. Mach mit.

Er betrachtet die Eden’s-Gate-Häuser, die ihnen am nächsten sind, und sucht nach denen ohne jedes Lebenszeichen, deren Besitzer eindeutig woanders sind, und am fünfzehnten Mai, während Bunny auf ihrer Abendschicht bei Pig N’ Pancake ist, überquert er hinten ihr Grundstück, geht vorbei am eiförmigen Felsbrocken, springt über den Weidezaun, huscht durch die Dunkelheit und versucht es bei verschiedenen Fenstern. Als er eins findet, das sich öffnet, klettert er hinein, schiebt die Jalousette dahinter zur Seite und steht in der Düsternis.

Die Uhr im Herd verbreitet ein weiches grünes Licht in der Küche.

Das Modem ist im Dielenschrank. Netzwerkname und Passwort stehen auf einem Zettel, der darüber klebt. Ein paar Atemzüge lang befindet er sich im Leben eines anderen. Auf einem Magneten am Kühlschrank ist zu lesen: Bier, der Grund, weshalb ich jeden Nachmittag aufstehe. Auf einem Sideboard ein gerahmtes Familienfoto. Der Geruch nach Kaffee und dem Braten vom letzten Wochenende hängt noch ganz leicht in der Luft. Ein leerer Fressnapf neben der Tür zum Vorratsraum. Neben der Haustür vorn hängen vier Skihelme am Haken.

Im Supermarkt schieben die Leute Wagen voller grell verpackter Lebensmittel durch die Gänge, und keiner von ihnen begreift, dass sie unter einem hochragenden Damm leben, der bald brechen wird. Ein Kuchen in einer Pappschachtel, auf dem mit blauen und gelben Zuckergusssternen Herzlichen Glückwunsch, Sue steht, ist auf ein Viertel seines Originalpreises heruntergesetzt. An der Kasse behält er seinen Hörschutz auf dem Kopf.

Als Bunny nach Hause kommt und sich die Schuhe von den Füßen tritt, sagt sie: «Was ist das denn?»

Seymour schneidet zwei Stücke Kuchen ab und holt den Ilium-Smartspeaker. Bunny sieht ihn an. «Ich dachte …»

«Probiers aus.»

Sie beugt sich über das Mikro. «Hallo?»

Ein schwaches grünes Licht zeichnet einen Kreis um den Rand. Hallo. Er klingt leicht britisch. Ich heiße Maxwell. Wie heißt du?

Bunny klatscht sich mit den Händen auf die Wangen. «Ich heiße Bunny.»

Schön, dich kennenzulernen, Bunny. Alles Gute zum Geburtstag. Was kann ich heute Abend für dich tun?

Sie starrt Seymour mit offenem Mund an.

«Maxwell, ich möchte eine Pizza bestellen.»

Kein Problem, Bunny. Welche Größe?

«Groß. Mit Pilzen. Und Chorizo.»

Einen Moment, sagt der Lautsprecher, das grüne Licht beginnt zu kreisen, Bunny lächelt ihr so schönes verlorenes Lächeln, und Seymour spürt, wie seine Welt ein Stückchen mehr zerbricht.

Eine Woche später parkt Janet den Audi in der Stadt, sie kaufen sich ein Eis, und Janet sagt dem Mädchen hinter der Theke, sie sollten kompostierbare Löffel ausgeben und keine aus Plastik, und das Mädchen fragt: «Mit Streusel oder ohne?»

Sie setzen sich auf Felsblöcke mit Blick über den See, essen ihr Eis, und Janet holt ihr Telefon heraus. Links von ihnen auf dem Parkplatz des Jachthafens steht ein Zehn-Meter-Camper-Van-Boot mit Slide-Outs auf beiden Seiten und den zwei Kondensatoreinheiten einer Klimaanlage auf dem Dach. Der Motor läuft, ein Mann steigt aus, stellt einen angeleinten kleinen Pudel auf den Teer und verschwindet mit ihm.

«Wenn alles zusammenbricht», sagt Seymour, «gehen Typen wie der als Erste.»

Janet tippt auf dem Bildschirm ihres Telefons herum. Seymour zappelt vor und zurück. Das Dröhnen ist heute so nahe, er hört es wie einen Flächenbrand, der näher kommt. Von seinem Platz aus kann er bis ins Stadtzentrum sehen, mit dem neuen Büro von Eden’s Gate neben der Bibliothek.

Der Camper-Van hat ein Nummernschild aus Montana. Hydraulische Hubstützen. Eine Satellitenschüssel.

«Er ist mit seinem Hund los», sagt er, «und lässt den Motor laufen.»

Janet macht ein Selfie und löscht es wieder. Über dem See öffnen sich die Augen von Trustyfriend, zwei gelbe Monde.

Im Gras am Rande des Parkplatzes sieht Seymour einen Granitbrocken von der Größe eines Babykopfes. Er geht hin. Der Brocken ist schwerer, als er aussieht.

Janet ist immer noch mit ihrem Telefon beschäftigt. Ein Krieger, sagt Bishop, ein wirklich überzeugter Krieger, kennt keine Schuldgefühle, keine Angst oder Reue. Ein wirklich überzeugter Krieger wird zu etwas, das mehr ist als bloß ein Mensch.

Seymour erinnert sich an das Gewicht der Granate in seiner Tasche, mit der er über die Bauplätze von Eden’s Gate gegangen ist. Erinnert sich, wie es war, den Finger durch den Sicherungsring zu stecken. Zieh ihn. Zieh ihn. Zieh ihn.

Er schleppt den Stein hinüber zu dem Wohnmobil. Durch das Dröhnen in seinem Kopf hört er Janet rufen: «Seymour?»

Keine Schuld, keine Angst, keine Reue. Der Unterschied zwischen uns und ihnen ist die Tat.

«Was machst du da?»

Er hebt den Granitklumpen über den Kopf.

«Seymour, wenn du das machst, werde ich nie wieder …»

Er sieht zu ihr hinüber. Sieht zum Camper. Mit der Geduld, sagt Bishop, ist es vorbei.