Die Instruktionen besagen, mit einem Tor-Browser eine sichere Nachrichtenplattform namens Pryva-C herunterzuladen. Er muss mehrere Updates durchführen, damit es funktioniert. Tage vergehen, bis er eine Antwort erhält.
MATHILDA: dank für kontaktaufnahme sorry hat gedauert ging nicht anders
SEEMORE6: bist du bei bishop? in seinem camp?
MATHILDA: bestätige
MATHILDA: du bist keine behörde?
SEEMORE6: nein ich schwöre
SEEMORE6: will helfen will am kampf teilnehmen
MATHILDA: bin dir zugeteilt worden
SEEMORE6: will die maschine zerstören
Am Ende des Sommers verwüstet ein Wirbelsturm zwei karibische Inseln, Somalia ächzt unter einer Dürre, die weltweite Durchschnittstemperatur bricht alle Rekorde, eine internationale Studie stellt fest, dass die Temperatur der Ozeane viermal schneller steigt als erwartet, und der Rauch von den beiden Riesenbränden in Oregon wird westwärts nach Lakeport getragen, wo er sich in Formen sammelt, die für Seymour, der die Satellitenbilder auf seinem Tablet studiert, Whirlpools gleichen.
Janet hat er nicht mehr gesehen, seit er das große Seitenfenster des Campervans eingeschlagen hat und davongerannt ist. Soweit er weiß, hat sie nicht die Polizei gerufen. Sollte die Polizei sie irgendwie gefunden haben, hat sie, denkt er, nichts von ihm gesagt. Den ganzen Sommer über meidet er die Bibliothek, meidet die Stadt, arbeitet auf der Eisbahn, putzt die Umkleiden, füllt Getränke auf und zieht sich die Kapuze tief ins Gesicht. Ansonsten bleibt er in seinem Zimmer.
MATHILDA: sie sagen achtzig in der flut ertrunken was sie nicht sagen wie viele depressionen, wie viele PTBS, wie viele kein geld haben um wegzuziehn wie viele an den folgen des schimmels sterben wie viele
SEEMORE6: moment welche flut
MATHILDA: an gebrochenem herzen
SEEMORE6: der rauch ist hier heute schlimm
MATHILDA: in der zukunft werden sie zurückblicken und sich wundern wie wir gelebt haben
SEEMORE6: aber doch nicht wir? nicht du & ich?
MATHILDA: unsere bequemlichkeit
SEEMORE6: nicht die krieger
Im September rufen Bunny dreimal täglich Inkassounternehmen an. Wegen der schlechten Luft kommen auch am Labor Day keine Touristen. Der Hafen ist praktisch menschenleer, die Restaurants sind wie ausgestorben, keine Trinkgelder im Pig N’ Pancake, und Bunny kann keinen Ersatz für die Arbeit finden, die sie im Aspen Leave verloren hat.
Etwas in Seymour hat sich verhakt. Er sieht nichts anderes mehr, als dass der Planet stirbt und dass alle um ihn herum daran mitwirken. Die Leute in den Eden’s-Gate-Häusern füllen ihre Mülleimer, fahren mit ihren SUVs zwischen ihrem ersten und zweiten Zuhause hin und her, hören im Garten Musik aus ihren Bluetooth-Lautsprechern und sagen sich, sie sind gute Leute, führen ehrbare, anständige Leben, ja, sie leben den sogenannten «amerikanischen Traum» – als wäre das Land ein Garten Eden, in dem Gottes Wohlwollen allen Seelen gleichermaßen zuteilwürde. Während sie doch in Wahrheit an einem Pyramidenschema beteiligt sind, das alle, die unten sind, auffrisst. Menschen wie seine Mutter. Und sie gratulieren sich auch noch dazu.
MATHILDA: sorry bin spät kann nur abends ans terminal wenn aufgaben getan
SEEMORE6: was für aufgaben
MATHILDA: pflanzen, schneiden, mähen, schleppen, ernten, gemüse einlegen
SEEMORE6: gemüse?
MATHILDA: ja super frisch
SEEMORE6: mag gemüse nicht so
MATHILDA: heute abend stehn die bäume so groß und prächtig ums camp so schön
MATHILDA: der himmel eine lila aubergine
SEEMORE6: noch ein gemüse
MATHILDA: haha witzig
SEEMORE6: wo schlaft ihr? zelte?
MATHILDA: zelte und hütten baracken
MATHILDA: …
SEEMORE6: bist du noch da?
MATHILDA: sie haben grade gesagt ich habe noch zehn extra minuten
MATHILDA: weil du besonders wichtig und vielversprechend bist
SEEMORE6: ich?
MATHILDA: ja nicht nur für sie für mich
MATHILDA: für alle
SEEMORE6: …
MATHILDA: nachtvögel über dem gewächshaus der bach gluckert, bauch voll gutes gefühl
SEEMORE6: wünschte ich wäre auch da
MATHILDA: du wirst es lieben sogar das gemüse haha
MATHILDA: wir haben 1 duschhaus 1 gemeinschaftsraum 1 waffenlager plus die betten sind bequem
SEEMORE6: echte betten oder schlafsäcke?
MATHILDA: beides
SEEMORE6: sind jungen und mädchen getrennt?
MATHILDA: es ist wie immer wir es wollen wir halten uns nicht an alte regeln
MATHILDA: wirst du sehn
MATHILDA: sobald du deine aufgabe erfüllt hast
In der Schule trübt sich sein Blick durch Visionen von Bishops Camp. Weiße Zelte unter dunklen Bäumen, Maschinengewehrnester auf Palisaden, Gärten und Gewächshäuser, Sonnenkollektoren, Männer und Frauen in Tarnanzügen, die Lieder singen, Geschichten erzählen, geheimnisvolle Braumeister brauen gesunde Elixiere aus Waldkräutern. Und immer kehren seine Fantasien zu Mathilda zurück, zu ihren Handgelenken, ihrem Haar, dem Schnittpunkt ihrer Schenkel. Sie kommt einen Pfad mit zwei Eimern voller Beeren herunter. Sie ist blond, sie ist Japanerin, Serbin, eine fidschianische Sporttaucherin mit Patronengurten kreuz und quer über den Brüsten.
MATHILDA: du wirst dich hinterher so viel besser fühlen
SEEMORE6: die mädchen hier haben alle keinen schimmer
SEEMORE6: keine von denen interessiert mich
MATHILDA: so viel macht wirst du spüren
SEEMORE6: keine von denen ist wie du
Er schlägt ihren Namen nach: Mahd bedeute Stärke, Hild ist die Schlacht, Mathilda ist die Stärke in der Schlacht, und damit wird sie eine eins achtzig große Jägerin, die sich geräuschlos durch einen Wald bewegt. Er lässt sich aufs Bett zurücksinken, den Rand des Tablets warm auf seinem Schoß. Mathilda bückt sich und kommt durch die Tür, lehnt den Bogen an die Wand. Bougainvilleen als Gürtel, Rosen im Haar, sie verdunkelt die Deckenlampe und legt ihm eine kühle Hand in den Schritt.
Mitte September wollen Alex, Rachel, Olivia, Natalie und Christopher die Wolkenkuckucksland-Fragmente zu einem Stück machen, sich kostümieren und es aufführen. Regen fällt, der Rauch vergeht, die Luft wird besser, aber die Kinder kommen dienstags und donnerstags nach der Schule immer noch in die Bibliothek und versammeln sich um seinen Tisch. Es sind die Kids, wie ihm bewusst wird, die in keinem Volleyballclub sind, keine Mathenachhilfe bekommen oder Boote im Hafen liegen haben. Olivias Eltern betreiben eine Kirche, Alex’ Dad sucht eine Stelle in Boise, Natalies Eltern arbeiten Tag und Nacht in einem Restaurant. Christopher ist eines von sechs Kindern, und Rachel ist nur für ein Jahr in den Vereinigten Staaten, mit ihrem australischen Vater, der irgendetwas in Richtung Brandverhütung im örtlichen Büro des Idaho Department of Lands macht.
Jede Minute, in der er mit ihnen zusammen ist, lernt Zeno etwas dazu. Zu Anfang des Sommers richtete sich seine ganze Konzentration auf das, was er nicht wusste, darauf, wie viel von Diogenes’ Text verloren war. Aber jetzt sieht er, dass er nicht jedes bekannte Detail über die Schafhaltung im alten Griechenland recherchieren oder jede Redewendung aus der Zeit der Zweiten Sophistik kennen muss. Er braucht nur die Teile der Geschichte, die noch auf den Tafeln lesbar sind, und die Fantasie der Kinder erledigt den Rest.
Zum ersten Mal seit endlos langer Zeit, vielleicht zum ersten Mal seit den Tagen mit Rex in Lager Fünf, als sie Knie an Knie beim Feuer in der Küchenbaracke saßen, ist er wirklich wach: als wären die Vorhänge von den Fenstern seines Denkens gerissen worden – was er tun will, ist genau das jetzt, hier mit diesen Kindern.
Eines Dienstags im Oktober sitzen die fünf wieder um seinen kleinen Bibliothekstisch. Christopher und Alex verschlingen Donuts aus einem Karton, den Marian von irgendwo hergezaubert hat. Rachel, klapperdürr in ihren Stiefeln und Jeans, sitzt über einen Block gebeugt da, schreibt, radiert, schreibt neu. Natalie, die während der ersten drei Wochen so gut wie kein Wort gesagt hat, redet mittlerweile praktisch ohne Pause. «Nach dieser ganzen Reise», sagt sie, «löst Aethon das Rätsel, schafft es durchs Tor, trinkt aus den Wein- und Sahneflüssen, isst Äpfel und Pfirsiche, sogar Honigkuchen, was immer das sein mag, das Wetter ist immer super, und keiner ist je gemein zu ihm, aber er ist immer noch unglücklich?»
Alex isst einen weiteren Donut. «Yeah, das klingt verrückt.»
«Wisst ihr was?», sagt Christopher, «in meinem Wolkenkuckucksland gäbs in den Flüssen keinen Wein, sondern Ingwerbier. Und das ganze Obst, das wären Süßigkeiten.»
«So viele Süßigkeiten», sagt Alex.
«Endlos Starbusts», sagt Christopher.
«Endlos Kitkats.»
Natalie sagt: «In meinem Wolkenkuckucksland? Da würden die Tiere wie Menschen behandelt.»
«Keine Hausaufgaben», sagt Alex. «Und keine Halsentzündungen.»
«Aber», sagt Christopher, «das Super magische, extra starke Buch von Allem da im Garten in der Mitte? Das gäbs auch in meinem Wolkenkuckucksland. Dann könnte man, also, fünf Minuten ein Buch lesen und würde alles wissen.»
Zeno beugt sich über die Papiere auf dem Tisch. «Habe ich euch noch nicht erklärt, was der Name Aethon bedeutet?»
Sie schütteln die Köpfe. Er schreibt das Wort αἴθων groß auf ein Blatt. «Leuchtend», sagt er. «Lodernd, hitzig. Manche sagen, es kann auch hungrig heißen.»
Olivia setzt sich wieder. Alex schiebt sich einen frischen Donut in den Mund.
«Vielleicht ist es das», sagt Natalie. «Warum er nie aufgibt. Warum er keine Ruhe geben kann. Weil es in ihm brennt.»
Rachel blickt über den Tisch hinweg in die Ferne. «In meinem Wolkenkuckucksland?», sagt sie. «Da würde es jede Nacht regnen, und so weit man gucken könnte, gäbe es grüne Bäume und große, kalte Bäche.»
An einem Dienstag im Dezember suchen sie in einem Secondhandladen nach Kostümen. Am Donnerstag drauf modellieren sie einen Eselskopf, aus Papiermaschee, dann noch einen Fischkopf und den von einem Wiedehopf. Marian bestellt schwarze und graue Federn, damit sie Flügel bauen können. Sie schneiden Wolken aus großen Stücken Pappe. Natalie sammelt Geräusche auf ihrem Laptop und hat dabei einen großen rosa Kopfhörer auf. Zeno gibt einem Schreiner den Auftrag für eine Bühne und eine Wand, in dessen Werkstatt, zum Zusammenbauen, damit er die Kinder überraschen kann. Bald sind nur noch zwei Donnerstage übrig, und es ist noch so viel zu tun. Das Ende muss noch geschrieben werden, alle brauchen sie ein Skript, sie müssen Klappstühle mieten, und Zeno erinnert sich, wie Athene, wenn sie spürte, dass es ans Wasser ging, immer vor Aufregung zitterte. Es war, als zuckten Blitze durch ihren Körper. So fühlt es sich an, wenn er abends schlafen geht, seine Gedanken wandern über Berge und Meere und hinauf zu den Sternen. Und in seinem Kopf lodert eine Laterne.
Um sechs Uhr in der Frühe, am zwanzigsten Februar, macht Zeno seine Liegestütze, zieht sich zwei Paar Utah-Woolen-Mills-Socken an, bindet sich seine Pinguinkrawatte um, trinkt eine Tasse Kaffee und geht zum Lakeport Drugstore, wo er fünf Kopien der letzten Version ihres Skripts macht und eine Kiste Ingwerbier kauft. Er überquert die Lake Street, die Skripte in der einen, das Ingwerbier in der anderen Hand. Ein silberblauer Himmel wölbt sich über dem schneegesäumten See, und die Berggipfel sind in Wolken gehüllt. Da zieht ein Sturm auf.
Marians Subaru steht bereits auf dem Parkplatz, und oben ist ein einzelnes Fenster erleuchtet. Zeno steigt die fünf Granitstufen zum Eingang hinauf, bleibt kurz stehen und schnappt nach Luft. Eine Sekunde lang ist er wieder sechs Jahre alt, fühlt sich allein, ihm ist kalt, und zwei Bibliothekarinnen öffnen ihm die Tür.
Oh, du siehst aus, als wäre dir kalt.
Wo ist deine Mutter?
Die Tür ist unverschlossen. Er steigt die Treppe in den ersten Stock hinauf und bleibt vor der Sperrholztür stehen. Fremder, wer immer du bist, öffne dies und siehe, was dich erstaunen wird.
Er drückt die Tür auf, Licht strömt ihm entgegen, und er erblickt Marian, die auf einem Hocker auf der Bühne steht. Sie hält einen Pinsel in der Hand, betrachtet die goldenen und silbernen Türme hinten auf der Kulisse, steigt vom Hocker und tritt ein paar Schritte zurück. Taucht den Pinsel noch einmal in die Farbe, klettert erneut auf den Hocker und fügt dem Bild drei weitere Vögel hinzu. Der Farbgeruch ist intensiv. Alles ist ruhig.
Sechsundachtzig Jahre alt zu sein und von einem solchen Gefühl erfüllt zu sein.
Als der erste Schnee auf den Bergen um die Stadt herum liegen bleibt, stellt ihnen Idaho Power den Strom ab. Der Propangastank vorn ist noch halb voll, und so heizt Bunny das Haus, indem sie den Backofen anmacht und die Tür offen lässt. Seymour lädt sein Tablet an der Eisbahn und gibt seiner Mutter den Großteil von dem, was er verdient.
MATHILDA: kalt heute nacht hab an dich gedacht
SEEMORE6: hier ist es auch kalt
MATHILDA: wenn es so dunkel ist will ich mich ausziehen draußen rumlaufen und die kälte auf der haut spüren
MATHILDA: und dann schön warm ins bett
SEEMORE6: echt?
MATHILDA: du musst dich beeilen und kommen, ich halts kaum mehr aus
MATHILDA: du musst deine aufgabe machen
An Weihnachten setzt Bunny ihn an den Küchentisch. «Ich gebe nach, Possum. Ich verkaufe. Suche was zur Miete. Nach dem nächsten Jahr bist du weg, und ich brauche keinen ganzen Morgen Land für mich.»
Hinter ihr rauscht das Gas blau im offenen Ofen.
«Ich weiß, unser Haus hier ist dir wichtig, vielleicht wichtiger, als es mir bewusst ist. Aber es ist an der Zeit. Sie suchen eine Hilfe im Sachse Inn, das ist ein Stück weiter weg, ich weiß, aber es ist ein Job. Wenn ich Glück habe, kann ich mit dem Job und dem Geld vom Haus unsere Schulden bezahlen, und mir bleibt noch genug, um meine Zähne in Ordnung zu bringen. Vielleicht kann ich sogar noch was fürs College dazutun.»
Draußen vor der Schiebetür schimmern die Lichter der Eden’s-Gate-Häuser hinter einem eisigen Nebel. In Seymour hat sich eine fürchterliche Empfindlichkeit entwickelt: Tief in seinem Kopf reden hundert Stimmen gleichzeitig auf ihn ein. Iss dies, trag das, du bist unzulänglich, du gehörst nicht dazu, dein Schmerz hört nur auf, wenn du das da jetzt kaufst. Sea-more Stuhl-Mann, haha. Da draußen im Schuppen warten Pawpaws alte Beretta und die Handgranaten, ordentlich in ihren fünf mal fünf Fächern. Wenn er den Atem anhält, kann er hören, wie sie ganz leicht in der Kiste vibrieren.
Bunny legt die Hände auf den Tisch. «Du wirst etwas Besonderes aus deinem Leben machen, Seymour, ich weiß es.»
Es ist spät, und er steht in seiner Windjacke an der Ecke Lake und Park. Weihnachtslichter schmücken die Fassade vom Eden’s-Gate-Showroom in perfekt arrangierten Abständen. Unter der Dachtraufe hängen zwei schwarze Kameras, Aufkleber in den unteren Ecken der Fenster sehen aus wie Polizei-Dienstmarken, und Türen und Tore sind mit modern wirkenden Schlössern gesichert.
Sicherheitssysteme. Alarmanlagen. Da hineinzukommen und etwas dazulassen, ohne bemerkt zu werden, ist nicht machbar. Aber die Lücke zwischen der Westseite von Eden’s Gate und der Ostseite der Bibliothek ist keinen Meter breit, da passt kaum ein Gaszähler rein, kaum ein Streifen Schnee. Sprengstoff in den Showroom zu schmuggeln, mag ja unmöglich sein. Aber in die Bibliothek?
SEEMORE6: ich habe eine stelle gefunden
MATHILDA: ein zielobjekt?
SEEMORE6: eine aufgabe, meine art die maschine zu stören um die leute aufzuwecken und eine wirkliche veränderung in gang zu setzen
MATHILDA: was hast du
SEEMORE6: um mir meinen zugang zum lager zu verdienen
MATHILDA: gefunden?
SEEMORE6: und zu dir
Das PDF, das Mathilda via Pryva-C schickt, ist voller Schreibfehler und grober Schaubilder: Zünder, Druckkochtöpfe, Prepaidhandys, und alles doppelt, falls die erste Bombe versagt. Er kauft einen Drucktopf im Lakeport Drugstore und einen bei Ridley’s, dazu zwei abschließbare Türbeschläge bei Eisenwaren Bergesen, die er innen an seiner Schlafzimmertür und an der Schuppentür anbringt.
Die Granaten aufzuschrauben, ist einfacher, als er gedacht hat. Der Sprengstoff sieht harmlos aus, wie kleine, blonde Quarzsplitter. Er benutzt eine alte Briefwaage von Pawpaw: fünfhundertfünfzig Gramm pro Topf.
Er geht auch weiter zur Schule. Macht auf der Eisbahn sauber. Bislang war sein ganzes Leben ein Vorspann, und jetzt fängt es an.
Anfang Februar lädt er drei Alcatel-Prepaid-Handys hinter der Ausleihtheke für Schlittschuhe auf, und als er aufblickt, ist da Janet in ihrer Jeansjacke.
«Hi.»
Neue Froschaufnäher säumen ihre Ärmel. Ihre Mütze ist aus der Art Wolle, die so weich aussieht, dass du sie niemals abnehmen möchtest. Er hat nie so eine gehabt. Janet hat das gebräunte Gesicht einer Skifahrerin, und sie anzusehen, gibt ihm das Gefühl, seit der letzten Klasse um zehn Jahre gereift zu sein, so als gehörte seine Vernarrtheit in Janet einer Zeit an, in der die Menschen vor tausend Jahren gelebt haben.
Sie sagt: «Ich seh dich gar nicht mehr.»
Verhalte dich normal. Alles ist normal.
«Ich habe nie irgendwem gesagt, was du getan hast. Falls du dich das fragst.»
Er schaut zum Getränkeautomaten hinüber, zu den Schlittschuhen in ihren Fächern. Besser, er sagt nichts.
«Letzte Woche waren wir achtzehn im Umwelt-Club, Seymour. Ich dachte, das interessiert dich vielleicht. Wir haben die Cafeteria dazu gebracht, weniger Essensabfälle zu produzieren, und es gibt jetzt Bambusservietten, Bambus ist nachwachsend – wie sagt man noch?»
«Nachhaltig.»
Draußen auf dem Eis gleiten Teenager lachend am Sicherheitsglas entlang. Spaß, das ist alles, was sie wollen.
«Yeah, nachhaltig. Am Fünfzehnten fahren wir zu einem Sit-in nach Boise. Du könntest mitkommen, Seymour. Die Leute fangen an, uns Beachtung zu schenken.» Sie lächelt etwas schief, und ihre blauschwarzen Augen sehen ihn an, aber sie hat keine Macht mehr über ihn.
SEEMORE6: ich habe 2 nach den instruktionen von dir gebaut
MATHILDA: 2 kuchen
SEEMORE6: ha yeah 2 kuchen
MATHILDA: diese kuchen wie backst du die
SEEMORE6: prepaidhandys, der kuchen ist beim 5. klingeln fertig
MATHILDA: 2 verschiedene nummern? für jeden eine?
SEEMORE6: 2 kuchen 2 handys 2 nummern wie in den instruktionen
SEEMORE6: wenn der erste kuchen fertig ist wirds auch der zweite
MATHILDA: wann?
SEEMORE6: bald
SEEMORE6: vielleicht donnerstag, sturm ist angesagt denke da sind weniger leute draußen
MATHILDA: …
SEEMORE6: bist du noch da?
MATHILDA: sims mir beide nummern
Als er am Mittwoch aus der Schule kommt, ist Bunny im Wohnzimmer und packt im Licht der Taschenlampe Kisten voll. Sie sieht ihn an, beschwipst, nervös, jemand, der glaubt, an der Schwelle zu etwas Neuem zu stehen.
«Verkauft. Wir haben es verkauft.»
Seymour denkt an seine Töpfe voller Composit B unter der Bank im Schuppen, und Aale winden sich in seinem Bauch.
«Haben sie …»
«Sie haben es sich online angesehen. Bar bezahlt. Sie reißen das Haus ab. Sie wollen wahrscheinlich nur das Grundstück. Stell dir vor, genug Geld zu haben, um ein Haus am Computer zu kaufen.»
Ihr fällt die Taschenlampe aus der Hand, und er bückt sich und gibt sie ihr zurück. Er fragt sich, welche Wahrheiten unausgesprochen zwischen einer Mutter und ihrem Sohn übermittelt werden und welche nicht.
«Kann ich morgen das Auto benutzen, Mom? Ich fahre dich in der Frühe zur Arbeit.»
«Klar, Seymour, das ist okay.» Sie leuchtet in eine Kiste. «2020», ruft sie ihm hinterher, als er in sein Zimmer geht, «wird unser Jahr.»
SEEMORE6: wenn die kuchen fertig sind woher weiß ich wohin
MATHILDA: fahr richtung norden
MATHILDA: ruf die nummer an die wir dir gegeben haben
SEEMORE6: richtung norden
MATHILDA: ja
SEEMORE6: kanada?
MATHILDA: fahr los wir geben dir anweisungen
SEEMORE6: aber die grenze?
MATHILDA: du wirst ein so großartig mutiger krieger sein
SEEMORE6: was wenn es da schwierigkeiten gibt?
MATHILDA: gibt es nicht
SEEMORE6: aber für den fall
MATHILDA: ruf die nummer an
SEEMORE6: dann kommt einer
MATHILDA: alle hier
SEEMORE6: nervös
MATHILDA: werden so stolz sein
MATHILDA: überglücklich