Hier ist ein Satz, der entweder deine Weltsicht durcheinanderbringen oder dich befreien kann, vermutlich beides: Jeder Mensch macht genau die Erfahrung, die er gerade braucht.
Das ist schwer zu akzeptieren, wenn wir sehen, wie die Menschen in unserem Umfeld unserer Ansicht nach schwere Irrtümer begehen.
Das ist schwer zu akzeptieren, wenn wir sehen, wie Menschen, die wir lieben, zu kämpfen haben, und wir ihnen gerne einen Ausweg zeigen möchten.
Das ist schwer zu akzeptieren, wenn wir nicht aufhören können, uns selbst dafür zu verurteilen und zu bestrafen, dass wir nicht besser, weiter oder einfach anders sind.
Als wir Kinder waren und bevor wir einen echten Sinn für Autonomie hatten, wurde unser Leben durch einen gewissen Prozess bestimmt, von einer spezifischen Reihenfolge.
Wir wissen, dass wir erst lernen zu krabbeln und dann zu laufen.
Wir wissen, dass wir lernen, unsere Schuhe zu binden und unsere Jacken anzuziehen.
Wir wissen, wenn wir mit der zweiten Klasse fertig sind, kommen wir in die dritte.
Unser Leben ist wie ein sich selbst bestärkendes System.
Wir werden durch Gleichaltrige bestärkt, durch unsere Familie, durch unsere Noten.
Wir wissen, dass das Ziel darin besteht, die Schule abzuschließen, einen Job zu finden oder eine Ausbildung oder ein Studium aufzunehmen, zu heiraten und Kinder zu bekommen.
Dann kommt natürlich das Leben dazwischen.
Wir stellen fest, dass diese eine Formel für die Existenz einfach nur ein Vorschlag ist, der unser Wohlergehen sichern und Katastrophen verhindern soll.
Wir bekommen jedoch selten Hinweise dazu, wie wir ein erfülltes Leben führen können.
Man sagt uns nicht oft, was wir tun können, wenn wir nicht genau dorthin kommen, wo alle anderen sind, wenn unsere großen Meilensteine sich als Schlag ins Wasser entpuppen oder, ganz häufig, wenn wir jedes Kästchen auf der Liste abhaken und feststellen, dass wir innerlich immer noch leer sind.
Zurückzufallen ist eine Illusion.
So etwas gibt es gar nicht.
Es gibt nicht nur einen Weg, auf dem dein Leben sich entfalten kann.
Manchmal müssen wir eine Seitenstraße wählen, weil der lange Umweg uns etwas lehrt, was wir wissen müssen.
Manchmal verharren wir jahrelang in unserem Schmerz, bevor wir langsam aufwachen und unser Verhalten anpassen.
Manchmal ist das, was wir durch das Anderssein lernen, wichtiger als das, was wir lernen können, wenn wir uns einfügen.
Manchmal sind unsere größten Erfolge jahrzehntelang im Prozess des Werdens.
Manchmal erreichen wir den Gipfel schnell.
Manchmal benötigen wir Jahre des Wachstums und der Selbsterforschung, um zu entscheiden, was wir als Nächstes brauchen. Manchmal besteht der Sinn der Reise darin, verschiedene Erfahrungen zu sammeln, uns nicht nur durch eine Reihe von ihnen zu bewegen, bis wir uns für das eine entscheiden, das wir für immer wollen.
Wenn wir glauben, dass wir zurückfallen könnten, setzen wir uns in unserem Leben Grenzen.
Wenn wir glauben, dass wir Rückschritte machen könnten, liegt dies daran, dass wir meinen, es sei der Sinn des Lebens, eine bestimmte Anzahl von Meilensteinen zu erreichen, bevor wir sterben.
Die Ausbildung abschließen, einen Job bekommen, die Rechnungen bezahlen, sich selbst ein wenig hassen, heiraten, mit dem Ehepartner oder der Ehepartnerin streiten, Kinder bekommen, mit ihnen streiten, alt werden, in Rente gehen – und dann versuchen zu genießen, was noch übrig ist.
Wenn du dir wirklich Sorgen darüber machst, dass du hinter den anderen aus deiner Altersgruppe zurückbleiben könntest, dann frag dich bitte, wohinter du deiner Meinung nach eigentlich zurückbleibst.
Viele Menschen haben nämlich jeden einzelnen Meilenstein erreicht, den sie erreichen sollten, und waren deshalb nicht glücklicher.
Denn im Leben geht es nicht nur um eine Vorwärtsbewegung.
Das Leben will gelebt werden.
Das Leben ist dazu gedacht, erfahren zu werden.
Und wir stellen oft fest, dass unser Schmerz das Portal darstellt, das uns für diese Erfahrung öffnet.
Unbehagen signalisiert, dass da mehr für uns ist; mehr auszukosten, mehr zu fühlen, zu sein.
Was, wenn du dein Leben nicht danach bemessen würdest, wie es im Vergleich zu dem Leben der Menschen in deiner Umgebung war, sondern danach, wie es sich in deinem Innern angefühlt hat?
Was, wenn deine Priorität nicht auf der Art des Wachstums liegen würde, das man sehen kann, sondern auf der Art persönlichen Wachstums, das dich völlig erneuert – der Art, die verändert, wie du alles machst, vom morgendlichen Nippen an deinem Kaffee bis zum Einatmen der Frühlingsluft?
Manchmal ist der Rückschritt auch die Reise.
Weil der Weg, auf dem du warst, ohnehin nicht dorthin führte, wohin du wolltest.
Manchmal ist ein Rückschlag der Weckruf, den du brauchst, um dein Leben zu retten.
Denn andernfalls würdest du auf deine eigene Selbstzerstörung zurasen.
Manchmal ist anders zu sein keine schlechte Sache.
Es bedeutet, dass du auf der Reise zu etwas Tieferem bist und zu etwas Größerem, wovon die meisten Menschen nicht einmal zu träumen wagen.