Während wir in unserem Leben in vieles hineinwachsen und etwas Neues erreichen, wachsen wir auf der anderen Seite gleichermaßen aus anderem heraus und entfernen uns davon.
Doch wir reagieren nicht auf jeden Verlust gleich. Es gibt einen Grund dafür, dass wir angesichts mancher Trennungen vollkommen am Boden zerstört sind, bei anderen jedoch gleichgültig, wenn nicht sogar dankbar. Unter der Oberfläche solcher Vorgänge verläuft eine tiefe psychologische Strömung, der wir uns oft nicht bewusst sind.
Letztlich gibt es drei verschiedene Arten von Trennungen, die wir in unserem Leben durchmachen, und jede sorgt dafür, dass wir etwas über uns selbst lernen.
1 Herzschmerz oder Kummer
Herzschmerz oder Kummer haben wir, wenn jemand, den wir lieben, unsere Erwartungen nicht erfüllt – wenn Gefühle nicht erwidert werden oder wenn jemand, der uns wichtig ist, nicht mehr in unserem Leben sein kann. Herzschmerz macht uns verletzlich. Der Schmerz bedeutet hier nicht wirklich, dass uns jemand wehgetan hat, eher dass wir unser Herz einschnüren und vor Beziehungen verschließen wollen, um uns sicher zu fühlen. So etwas ist schmerzhaft, doch führt es nicht zu echtem Leiden. Kummer kann auch entstehen, wenn wir »geghosted« werden, wenn uns ein Freund oder eine Freundin aus einer eher lockeren Beziehung einfach verlässt. Wenn wir ein Familienmitglied verlieren und doch dankbar dafür sind, dass es seinen Frieden hat. Obwohl er uns Stiche verursacht, ist Herzschmerz doch nicht an sich ungesund, sondern eine natürliche Reaktion auf einen Verlust. Er zeigt uns eigentlich, was es heißt zu lieben, und lehrt uns, die Bedeutung der Menschen in unserem Leben wertzuschätzen – denn wir sind uns jetzt bewusst, wie leicht wir sie verlieren können.
2 Bindungsverlust
Anders als beim Herzschmerz geht es beim Verlust einer Bindung darum, dass uns jemand verlässt, der für uns im Sinne einer grundlegenden Stabilität und eines Gefühls für uns selbst wichtig war. Das kann leicht mit Liebe verwechselt werden, doch der Unterschied ist: Wenn wir eine Bindung verlieren, sind wir so am Boden zerstört, dass wir uns nicht in der Lage fühlen, weiterhin zu funktionieren. Dies dient meist als Katalysator für eine Art radikalen oder plötzlichen Wachstums des Selbst, für eine Entwicklung oder eine Lebensveränderung.
Wenn wir eine Bindungsperson verlieren, machen wir einen radikalen Prozess der Desintegration durch und erleben häufig eine drastische Veränderung in unserer Vorstellung davon, wer wir sind, was wir glauben und wo wir unseren Platz in der Welt haben. Der Schmerz darüber, eine Bindung zu verlieren, konfrontiert uns im Grunde mit der Angst, mit der wir es zu tun hatten, bevor wir die Bindung zu der Person eingegangen sind, die nun nicht mehr da ist. Diese Angst betrifft häufig ein Gefühl der Instabilität, der Unsicherheit, der Ungewissheit oder Unklarheit bezüglich unserer Zukunft.
Bindungen lehren uns letzten Endes, wer wir wirklich sind, weil wir in dem Prozess, in dem wir versuchen, die Beziehung intakt zu halten, einen großen Teil unserer eigenen Werte und unseres Selbstgefühls opfern. Der extreme Schmerz eines Bindungsverlustes betrifft im Grunde nicht den Verlust der Person, sondern vielmehr den Verlust unserer Vorstellung von unserer Zukunft.
3 Ablösung
Bei der dritten Art des Verlustes kommt es zu einer Ablösung, wenn wir bereitwillig jemanden loslassen, weil wir erkennen, dass dieser Mensch nicht gut für uns ist, selbst wenn das bedeutet, dass wir uns bei diesem Prozess auch ein wenig selbst wehtun. Ablösung geschieht aus wirklicher Selbsterkenntnis und um der persönlichen Weiterentwicklung willen. Wir klammern uns dann nicht mehr ängstlich an etwas, was uns nicht dienlich ist.
Eine Ablösung kann häufig zu Kummer oder zu Gefühlen führen, die auch mit dem Verlust einer Bindung einhergehen, aber der Unterschied ist, dass wir diese Trennung initiieren, weil wir genügend Klarheit haben. Wir erkennen, dass die Beziehung im Grunde nicht gut für uns ist. Auf der anderen Seite sind Kummer und Bindungsverlust oft die Folge, wenn wir verlassen wurden, selbst wenn wir schon wissen, dass die Beziehung nicht funktionierte. Ablösung ist ein Zeichen der Reife: Wir setzen unser zukünftiges Selbst und unser langfristiges Wohlergehen an die erste Stelle.
Ablösung lehrt uns, uns zuerst selbst zu lieben. Sie lehrt uns, resilient zu sein. Sie ist ein Zeichen dafür, dass unser Ziel im Leben nicht mehr darin besteht, es einfach weiter bequem zu haben. Sie ist das sichtbarste Zeichen von Selbst-Liebe. Uns aus einer Beziehung zu lösen, wenn wir wissen, dass sie nicht richtig ist, zeigt, dass wir uns für unsere innere Stabilität und unser Selbstgefühl nicht mehr auf andere verlassen, und oft ist dies das erste Anzeichen dafür, dass wir mental stärker und emotional freier sind als jemals zuvor.