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10.

Gibt es eine Spur? Einen Hinweis?

Am nächsten Tag ging die Suche nach dem verschwundenen Kugelschreiber weiter. Die Einwohner von Kirchhausen ahnten freilich nicht, dass sie – ob im Haus oder auf der Straße oder wo immer – von aufmerksamen Augen beobachtet und von gespitzten Ohren belauscht wurden.

Großtante Annabel, Großtante Amelie und Großonkel Theo waren den ganzen Tag unterwegs, wurden zu Kaffee und Kuchen eingeladen, erfuhren aber nichts, was Flori weiterhelfen hätte können.

Er verbrachte viele Stunden in der Schule. Unterhielt sich mit den Kindern. Redete mit den Lehrern und Lehrerinnen. Alle vom Lehrpersonal waren in der fraglichen Zeit entweder in den Klassenzimmern gewesen oder hatten ein Alibi von Erna Grill, von Herrn Haberzettl oder eines aus dem Kollegenkreis.

„Florian“, sagte Erna Grill, als wir in ihrem Zimmer beisammensaßen, „ich wünschte, ich hätte niemandem gesagt, dass mein Geschenk verschwunden ist. All diese Verdächtigungen! Das ist ein Kugelschreiber, und sei er auch aus Gold, nicht wert.“

Flori blickte nachdenklich vor sich hin. „Frau Direktor“, sagte er dann, „wenn Sie nicht wissen, wer es getan hat, werden Sie sich immer wieder fragen, ob es nicht diese sei oder jener. Und ganz Kirchhausen wird glauben – weil sich so etwas nie verschweigen lässt –, der Dieb könne nur Ivo oder Max gewesen sein. Wollen wir das?“

„Nein“, sagte Erna Grill, „hast ja recht, Florian. Heute Früh kamen sie von der Polizei zu mir. Denen habe ich meine Meinung gesagt! Ohne Anzeige darf die Polizei sich nicht einmischen. Ich habe nichts angezeigt und werde es auch nicht tun. Da sind sie wieder abgezogen.“

Der Gedanke daran schien sie aufzuheitern.

Was Rosi und Bobby berichteten, nützte uns auch nicht. Für alle Kinder, von der ersten bis zur vierten Klasse, war Max der Kugelschreiberdieb. In den Pausen zischten sie hinter ihm her: „Stinker Max! Stinker Max! Dieb! Dieb! Stinker Max!“

Das war selbst Bobby zu viel gewesen, obwohl er Max alles Schlimme zutraute. Rosi hatte Max in der großen Pause ein Nusskipferl geschenkt. Weil er ihr leid getan hatte.

„Und was hat er getan?“, fragte Bobby. „Er hat das Nusskipferl auf den Boden geworfen und ist darauf herumgetrampelt. Er ist und bleibt ein Stinker!“

Nach Schulschluss, als alle fort waren, gingen Rosi und Bobby, begleitet von Schnoferl und Mimi, in die Schule. Schnoferl schnüffelte überall, im Lehrerzimmer, in der Kanzlei, in allen Klassenzimmern, auf den Toiletten, in den Gängen, auf der Treppe. Mimi meinte, es sei ein neues Spiel und trippelte tänzelnd hinter ihm her.

Rosi und Bobby, auch Herr Haberzettl, warteten gespannt. Vergeblich. Schnoferl entdeckte keinen verdächtigen Geruch.

Am frühen Nachmittag vergönnte ich mir eine Ruhestunde und döste auf dem Fensterbrett. Ein Miauen aus dem Garten ließ mich aufblicken. Es war Blanka. Ich glitt vom Fensterbrett und landete neben ihr im Gras.

„Molly“, miaute sie, „ich habe Berta beschattet. Vom Augenblick an, als sie aus dem Bett gestiegen ist. Ich war dabei, als sie sich die Zähne putzte. Ich saß neben ihr, als sie den Frühstückskaffee trank. Als sie aus der Schule heimkam, war ich auch bei ihr. Hat sie etwas Verdächtiges getan? Nein!“ Blankas Schwanz begann hin und her zu schlagen. „Wenn da jemand ist, der noch immer glaubt, sie sei es gewesen“, zischte sie, hob die Pfote und fuhr die Krallen aus, „der bekommt es mit mir zu tun.“

„Ist schon gut, Blanka“, beruhigte ich sie. „Wir wollten uns ja nur vergewissern, dass sie unschuldig ist.“

Blanka zog die Krallen ein und stolzierte mit erhobenem Schwanz davon. Durfte ich ihr glauben? Oder wollte sie Berta beschützen? Ich spürte, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Berta Obermeier blieb trotzdem auf meiner Liste der Verdächtigen. Freilich mit Fragezeichen.

Flop kam wieder einmal angetanzt, kam sich sehr wichtig vor und meldete mir das Neueste. Leider war es nichts Neues. Keine Katze aus der Bande hatte eine Spur oder auch nur den kleinsten Hinweis entdeckt.