Zeitgenössische Ekpyrosen

Das Feuer ist in allen Kriegsepisoden zerstörerisch, vom fabelhaften und fabelumwehten griechischen Feuer der Byzantiner (ein militärisches Geheimnis, wenn es je eines gab, ich erinnere nur an den schönen Roman Das griechische Feuer von Luigi Malerba) bis zur zufälligen Entdeckung des Schießpulvers durch den Mönch Berthold Schwarz, der in einer persönlichen Straf-Ekpyrosis endet. Das Feuer ist Strafe für den, der im Krieg ein doppeltes Spiel treibt, und »Feuer« ist der Befehl bei jeder Erschießung, als riefe man den Ursprung des Lebens an, um den Epilog des Todes zu beschleunigen. Aber vielleicht war das Kriegsfeuer, das die Menschheit am meisten erschreckt hat – ich meine die ganze Menschheit, die zum ersten Mal auf dem ganzen Globus erfuhr, was in einem seiner Teile geschah –, die Explosion der Atombombe.

Einer der Piloten, der die Bombe auf Nagasaki abgeworfen hatte, schrieb später: »Plötzlich erhellte das Licht von tausend Sonnen die Kabine. Ich war gezwungen, für zwei Sekunden die Augen zu schließen, trotz der dunklen Brille.« In der Bhagavad Gita heißt es: »Wenn das Licht von tausend Sonnen plötzlich am Himmel aufscheinen könnte, wäre es wie der Glanz des Großmächtigen […]. Ich bin der Tod geworden, der Zerstörer der Welten«, und diese Verse kamen Robert Oppenheimer nach dem ersten Atombombentest in den Sinn.

Damit nähern wir uns dramatisch dem Ende meines Vortrags und – in einem rationaleren Zeitraum – dem Ende des menschlichen Abenteuers auf dieser Erde oder des Abenteuers der Erde im Kosmos. Denn drei der vier Urelemente sind heute mehr denn je bedroht: Die Luft wird von Ausdünstungen und Kohlensäure verpestet, das Wasser wird einerseits verseucht und andererseits immer knapper. Allein das Feuer triumphiert, in Form einer Wärme, welche die Erde austrocknet, die Jahreszeiten durcheinanderbringt und die Gletscher schmelzen lässt, sodass die Meere das Land überfluten. Ohne es uns bewusst zu machen, gehen wir auf die erste wirkliche Ekpyrosis zu. Während Bush und China das Protokoll von Kyoto ablehnen, gehen wir dem Tod durch Feuer entgegen – und es tröstet uns nicht, dass sich das Universum nach unserem Holocaust regenerieren wird, denn dann wird es nicht mehr das unsere sein.

So mahnte Buddha in seiner berühmten Feuerpredigt:

O Mönche, alles brennt! Und was brennt alles? Das Auge brennt, die Formen und Farben brennen, das Sehbewusstsein brennt, der Sehkontakt brennt, und jedwedes Gefühl, das aus dem Kontakt des Auges mit seinen Gegenständen erwächst, sei es ein angenehmes, unangenehmes oder neutrales, brennt ebenfalls. Und durch was brennt es? Es brennt durch das Feuer der Leidenschaften […]. Ich sage euch, es brennt durch Geburt, durch Alter und Tod, durch Schmerz, durch Klagen, durch Gram, durch Angst und Verzweiflung. Das Ohr brennt, die Töne brennen […]. Die Nase brennt, die Gerüche brennen […]. Die Zunge brennt, das Schmeckbare brennt […]. Der Tastsinn, o Mönche, brennt […], das Denken, o Mönche, brennt […].

Dies alles sehend, o Mönche, wird der edle Jünger, der die Lehren in sich aufgenommen hat, ernüchtert und überdrüssig des Auges, der Formen und Farben […], überdrüssig des Ohres, der Töne […], überdrüssig der Nase, der Gerüche […], überdrüssig aller Gefühle, die aus dem Kontakt der Zunge mit ihren Gegenständen erwachsen, seien sie angenehm, unangenehm oder neutral …

Doch die Menschheit hat nicht gelernt, auf die Leidenschaft für ihre Riech-, Schmeck-, Hör- und Tastfreuden (wenigstens teilweise) zu verzichten – und auch nicht auf das Feuermachen durch Reibung. Vielleicht hätte sie die Erzeugung des Feuers lieber den Göttern überlassen sollen, die es ihr dann nur hin und wieder in Form von Blitzen gegeben hätten.

[Vortrag im Rahmen der Milanesiana 2008, Die vier Elemente]