Vier
Nathan fiel es schwer, sich auf den Film zu konzentrieren, den sie gerade schauten.
Owen lag ausgestreckt auf dem Sofa, den Kopf in Nathans Schoß, ganz versunken in das Geschehen auf dem Bildschirm. Doch Nathans Blick verirrte sich immer wieder zu dem Notizblock, der neben seinen Füßen auf dem Kaffeetisch lag. Es war jetzt später Nachmittag, und sie hatten den Großteil des Tages mit dem Sammeln von Ideen für Hochzeitspläne zugebracht. Aber Nathan fielen ständig weitere Dinge ein, die sie noch recherchieren oder organisieren mussten. Kein Wunder, dass reiche Leute Hochzeitsplaner engagierten. Er hatte nie darüber nachgedacht, wieviel Vorarbeit in einer Heirat steckte.
Plötzlich kam ihm etwas in den Sinn.
„Wir sollten es den Leuten sagen.“
Owen drehte den Kopf und blickte zu ihm auf. „Hm?“
„Dass wir verlobt sind.“
Owen zog die Nase kraus. „Ich hasse dieses Wort.“
„Den Hafen der Ehe ansteuern?“, schlug Nathan vor und grinste, als Owen Würgegeräusche von sich gab. „Heiraten wollen?“
„Damit kann ich leben.“
„Na gut. Sollen wir? Es allen sagen, meine ich? Wir müssten wahrscheinlich bald ein Datum festlegen, und da sollten wir sichergehen, dass die Leute, die wir dabeihaben wollen, nicht gleichzeitig einen Urlaub gebucht haben oder so.“
„Ja, vermutlich.“
„Das ist jetzt deine letzte Chance, alles rückgängig zu machen.“ Nathan sprach nur halb im Scherz. Er war immer noch nicht ganz überzeugt, dass Owen es wirklich ernst meinte. Wenn Nathan ihn dazu bringen konnte, es seiner Familie und ihren Freunden zu sagen, wäre das der Beweis, dass Owen es wirklich durchziehen wollte. Er wartete, und ihm wurde ein bisschen mulmig zumute, als Owen eine Zeitlang darüber nachzudenken schien.
Owen griff nach der Fernbedienung und drückte die Pausetaste, dann setzte er sich mit entschlossener Miene auf. „Okay. Wen sollen wir zuerst anrufen?“
Sie entschieden, dass Eltern Vorrang hatten, und warfen dann eine Münze, um zu sehen, wer es als erster erfahren würde. Es war Owens Mum.
„Können wir nicht beide unsere Eltern gleichzeitig anrufen?“, fragte Owen.
„Auf keinen Fall. Ich will über FaceTime sehen, wie deine Mum reagiert.“ Owens Mutter Jan liebte Nathan heiß und innig, daher war er sich ziemlich sicher, dass sie sich freuen würde.
„Das ist wahrscheinlich das Beste. Sie sprengt mir womöglich das Trommelfell, wenn ich es ihr am Telefon erzähle. Meine Mam denkt, dir scheint die Sonne aus dem Arsch. Ich weiß nicht, ob deine Eltern von mir so richtig begeistert sind.“
„Quatsch. Meine Eltern mögen dich. Sie sind nur nicht ganz so… überschwänglich wie deine Mum.“
„Dir ist aber schon klar, dass sie total darauf abfahren und wahrscheinlich versuchen wird, die komplette Organisation an sich zu reißen“, warnte Owen. „Sie hat sich benommen wie das Schwiegermonster persönlich, als Ceri geheiratet hat. Sie hat alles bis ins kleinste Detail kontrolliert.“
Nathan zuckte die Achseln. „Solange sie uns das letzte Wort haben lässt. Ein bisschen Hilfe zu haben wäre gar nicht so schlecht. Es gibt ganz schön viel zu tun.“
„Hilfe ist das eine, aber es ist was anderes, wenn du alle fünf Minuten wegen Brautjungfernkleidern, Blumen, Speisekarten und Gastgeschenken angerufen wirst“, sagte Owen düster. „Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Kurz vor dem großen Tag war Ceri fast soweit, sie umzubringen. Hinterher hat sie zu mir gesagt, sie wünschte, sie wäre nach Gretna durchgebrannt.“
„Mit deiner Mutter komme ich schon klar“, sagte Nathan bestimmt und hoffte, damit recht zu haben. Sie war ziemlich respekteinflößend. „Ruf‘ einfach an.“
Sie lehnten Owens Handy auf dem Kaffeetisch gegen eine leere Kaffeetasse und drängten sich auf dem Sofa aneinander, so dass Jan sie beide sehen konnte.
Wie vorhergesagt war sie außer sich vor Freude. Sie kreischte so laut, dass Nathan sich wunderte, warum das Display von Owens Handy nicht zersprang wie ein Kristallglas neben einer Opernsängerin.
„Oh, das ist wundervoll!“ Sie drückte sich die Hände an die Wangen. „Ich bin ganz aufgeregt. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so bald nochmal eine Hochzeit erleben würden. Beth macht keine Anstalten, eine Familie zu gründen.“ Sie seufzte. „Aber das geht mich natürlich nichts an.“
„Nicht, dass sie das davon abhalten würde, Beth ständig damit zu nerven“, murmelte Owen.
„Was hast du gesagt?“, fragte Jan.
„Nichts, Mam.“
„Ich freue mich total für euch.“ Sie strahlte sie an. „Ihr werdet sehr glücklich werden, das weiß ich. Was ist mit deinen Schwestern, Owen, willst du es ihnen auch heute schon sagen? Megan ist mit ihren Freundinnen unterwegs, sonst hättest du es ihr gleich sagen können.“
„Sollte ich wohl“, sagte Owen. „Die bringen mich um, wenn sie es nicht von mir hören. Aber vielleicht schreibe ich ihnen eine SMS. Das geht schneller.“
„Und was ist mit deinem Dad?“ Jans Lächeln schwand.
Nathan spürte, wie Owen sich verspannte, doch seine Stimme klang immer noch fröhlich. „Ja, keine Sorge, Mam. Ich sag‘ ihm auch Bescheid. Allerdings weiß ich nicht, ob er zur Hochzeit kommen will…“
Nathan legte Owen eine Hand aufs Knie und drückte. Er hatte Owens Vater immer noch nicht kennengelernt. Owen hatte kaum Kontakt zu ihm, und wenn, dann normalerweise nur per SMS. Als sie zusammengezogen waren, hatte Owen seinen Vater angerufen, um ihm von Nathan zu erzählen. Aber sein Vater hatte ihn abgewimmelt, als Owen vorgeschlagen hatte, sich irgendwann zum Mittagessen zu treffen. Er hatte behauptet, in den nächsten paar Wochen zu viel zu tun zu haben und dass er sich melden werde, um etwas zu auszumachen. Das hatte er nie getan. Owen hatte sich geweigert, einen weiteren Versuch zu starten und ihn zu einem Treffen zu drängen, obwohl Nathan ihm zugeredet hatte.
„Wehe, wenn der sich nicht bei deiner verdammten Hochzeit blicken lässt“, sagte Jan giftig. „Dann sprüh‘ ich seine Eier mit Glitter ein und nehm‘ sie als Ohrringe.“
„Schon gut, Mam“, sagte Owen beschwichtigend. „Warten wir erst mal ab, was er sagte, bevor du anfängst, die Axt zu schleifen, eh? Vielleicht nimmt er es ja gut auf. Und falls nicht… naja. Dann wollen wir ihn sowieso nicht dabei haben.“
Nathan hörte den Schmerz in Owens Stimme. Er drückte Owens Knie erneut, und Owen fasste nach Nathans Hand und hielt sie fest.
Owen brachte es nicht über sich, mit seinem Vater zu reden, daher schrieb er ihm nach dem Telefonat mit seiner Mutter eine SMS. Feige, vielleicht, aber es war einfacher, ihm die Nachricht auf diese Art zu überbringen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Vater sonderlich begeistert sein würde.
Das Telefonat mit Nathans Eltern verlief weniger dramatisch. Es gab kein Gekreische, aber sie schienen sich beide aufrichtig für sie zu freuen. Nathans Mutter wurde ein bisschen rührselig und tupfte ihre Augen mit einem Papiertaschentuch, während sein Vater sich aufs Praktische konzentrierte.
„Wir beteiligen uns an den Kosten“, sagte er. „Zu Bens Hochzeit haben wir auch etwas beigesteuert, und ich habe damals etwas für dich zur Seite gelegt, falls du es später einmal brauchst. Ich dachte, du willst dir vielleicht eines Tages eine Wohnung kaufen –“
„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal erleben würde, wie du heiratest“, fiel Nathans Mutter ihm ins Wort, immer noch mit feuchten Augen. „Deswegen habe ich an meinen Abgeordneten geschrieben, weißt du, vor der Abstimmung damals über die Gleichstellung der Ehe.“
„Wirklich?“ Nathan war gerührt. Er hatte seine Mutter nie für eine große Aktivistin gehalten. „Das wusste ich ja gar nicht.“
„Ja.“ Sie lächelte. „Ich hatte eine entschiedene Meinung dazu.“
Nach dem Gespräch mit Nathans Eltern schickten sie Textnachrichten an diverse Leute: an Nathans Bruder Ben, an Owens Vater, an Owens Schwestern und dann an ihre gemeinsamen Freunde – als erstes natürlich an Simon und Jack. Für den Rest des Abends standen ihre Handys vor lauter Glückwünschen nicht mehr still. Die Antworten bewegten sich zwischen höflich…
Wunderbare Neuigkeiten, wir freuen uns sehr für euch von Nathans Bruder und Schwägerin
… und derb…
Ja Scheiße, wie hat Nathan dich denn dazu rumgekriegt? Bist du schwanger? von Simon. Doch gleich darauf folgte: Aber mal im Ernst, das ist echt der Hammer! Glückwunsch xxx
… bis drohend:
Cool aber wenn du versuchst, mich in ein widerliches Brautjungfernkleid zu stecken, mach‘ ich dich alle von Owens jüngster Schwester Megan.
Owen ging online, machte ein Foto der denkbar grässlichsten, mit Rüschen besetzten pinken Monstrosität ausfindig und schickte es ihr. Dazu schrieb er: Sowas in der Art haben wir uns vorgestellt. Das steht dir bestimmt.
Sie antwortete mit einem Foto ihrer Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger. Owen brach in Gelächter aus und zeigte Nathan den Dialog.
Nathan prustete los. „Das gibt aber richtig Ärger, wenn du sie das nächste Mal siehst.“
Megan ließ sich nichts gefallen. Nathan mochte das an ihr, obwohl sie manchmal etwas furchteinflößend sein konnte – für eine gertenschlanke Sechzehnjährige, die aussah, als könnte ein Windstoß sie davonwehen.
„Wollen wir überhaupt Brautjungfern?“, fragte Owen.
Nathan zuckte die Achseln. „Falls deine Schwestern Lust dazu haben. Wir könnten sie die Kleider aussuchen lassen, dann gibt es kein Drama. Und deine Nichte auch – das wäre niedlich.“ Owens Nichte war vier und ziemlich anstrengend, aber dabei auch liebenswert. „Sie brauchen nicht alle Brautjungfern zu sein. Wir könnten ihnen die Wahl lassen.“
„Ja. Gott, es gibt so viel zu bedenken, nicht?“ Owen fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Er sah aus, als wäre er ein bisschen durch den Wind.
„Ja, schon, aber das kann warten. Ich glaube, für heute haben wir genug getan. Hat dein Vater schon geantwortet?“
„Nein.“
Nathan konnte die Owens Anspannung in der Haltung seiner Schultern erkennen. Seine Meinung nach konnte Owen ein wenig Ablenkung brauchen, also nahm er ihm das Smartphone aus der Hand, stellte es stumm, sein eigenes ebenfalls, und legte dann beide mit dem Display nach unten auf den Kaffeetisch. Er schubste Owen aufs Sofa und kroch über ihn. Die Hände links und rechts von Owens Kopf auf das Polster gestützt, beugte er sich vor und küsste ihn. Owen summte und schob die Hände hinten unter Nathans T-Shirt, streichelte ihm den Rücken und zog ihn herunter, bis sein Gewicht Owen in die Sitzpolster drückte. Nathan küsste ihn, bis Owen sich an ihm zu reiben begann, offensichtlich angetörnt und nicht mehr gestresst wegen Hochzeitsplänen oder seinem Arschloch von Vater.
Nathan gab seinen Mund frei und arbeitete sich weiter nach unten vor, küsste ihn auf den Hals und knabberte dann durch den dünnen Stoff des T-Shirts hindurch an seinen Nippeln.
Als er an Owens Hosenbund ankam und das T-Shirt hochschob, um die glatte Haut von Owens Hüften mit Lippen und Zunge zu liebkosen und das Gesicht an den Streifen Haar auf seinem Bauch zu reiben, hatte Owen bereits die Hände in Nathans Haaren vergraben und atmete schwer.
Nathan hakte die Finger unter den Gummizug von Owens Trainingshose und zerrte sie ihm zusammen mit der Unterhose herunter. Dann blickte er zu ihm auf und lächelte ihn an, bevor er sich daran machte, ihn abzulenken – und zwar gründlich.