Witte
M it freiem Oberkörper und barfuß lehne ich am Balkongeländer. Während der Schweiß von der körperlichen Anstrengung langsam in der Nachmittagsluft trocknet, lese ich die letzte Nachricht auf meinem Handy.
Bezahlung bar. Ohne Namen. Kein Nummernschild. FIN nicht zu erkennen. Komplettes Video per Mail als Anhang. Range Rover hat Peilsender am Fahrgestell.
Ich betrachte die körnige Schwarz-Weiß-Aufnahme einer Überwachungskamera, auf der ein Mann beim Verlassen eines Blumenladens in Greenwich zu sehen ist. Kopf und Wangen sind glatt rasiert, die Augen verborgen hinter dunklen Brillengläsern. Er ist groß und muskulös – manche würden sagen, wie ein Schläger –, und er trägt einen eleganten Anzug, dessen Sakko weit genug geschnitten ist, um eine Waffe zu verbergen.
Eine Bewegung hinter den schwarz gerahmten Balkontüren lenkt meine Aufmerksamkeit auf Danica, die dabei ist, meine über ihren weißen Teppich verstreuten Kleidungsstücke aufzusammeln. Meine langjährige Geliebte räumt hinter mir auf, bekocht mich und umsorgt mich. Natürlich ist das alles vollkommen unnötig, aber trotzdem reizend. Meine Tochter meint, es sei schon ein Wahnsinnszufall, dass ich eine Frau gefunden hätte, die bereit sei, sich mit den Anforderungen meines Berufs zu arrangieren. Dass Danica zudem bildhübsch ist und mich mit ihrem scharfsinnigen Witz und ihrem unkomplizierten Wesen zu bezaubern weiß, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Ich rieche sie auf meiner Haut, und urtümliches Verlangen regt sich in mir.
Ich öffne die E-Mail, überfliege den Bericht und schaue mir das Video an. Es beginnt mit dem Blickwinkel einer Kamera auf der gegenüberliegenden Straßenecke. Der Mann fährt in einem schwarzen Bugatti vor, und die Wahl eines derart auffallenden Fahrzeugs macht schon deutlich, dass es ihm egal ist, ob sich jemand an ihn erinnert. Er steigt aus und knöpft in aller Ruhe das Sakko zu, bevor er in den Laden geht. Auch wenn er wegen seiner Massigkeit nicht besonders flink erscheint, wirken seine fließenden Bewegungen und die Art, wie er seine Umgebung abschätzt, ehe er vom Wagen tritt, doch gewandt und bedrohlich.
Ich leite die E-Mail weiter und rufe Mr. Black an. Er meldet sich sofort, und ich erspare mir lange Vorreden. »Mir scheint eine Rückkehr ins Penthouse geboten«, sage ich. »Das Strandhaus bietet zu wenig Schutz.«
»Ich werde mit Lily darüber sprechen.«
Danica hat einen reinweißen Kimono übergestreift, der die perfekten Formen ihres nackten Körpers mit größter Deutlichkeit wiedergibt. Sie bewegt sich mit der sinnlichen Geschmeidigkeit einer Katze, während das platinblonde Haar ihr bis zur Taille fällt.
Selbst nach all den gemeinsamen Jahren begehre ich sie noch immer wie verrückt. Gerade erst haben wir es auf dem Boden getrieben, wie sie es in dem Moment von mir verlangt hat, als wir lachend durch die Eingangstür stürzten und die Hände nicht voneinander lassen konnten. Fick mich jetzt!, hatte sie mir befohlen und mich in einem Gewirr aus Armen und Beinen nach unten und auf sich gezogen. Nichts hätte mich davon abhalten können, dieser Anweisung Folge zu leisten. Und als ich mich rasch von ihrem gesättigten Körper löste, um an mein Handy zu gehen, zeigte sie keinerlei Groll darüber, dass ich mich kurz nach dem Orgasmus mit etwas anderem beschäftigte.
»Ich habe mir die Aufnahme der Überwachungskamera angesehen«, erkläre ich. »Der Mann ist zweifellos ein Profi.«
»Natürlich ist er das«, schnauft mein Arbeitgeber gereizt.
»Sie sollten die Aufzeichnung bereits haben.«
Er bleibt stumm, während er das Video aufruft. »Der Bugatti sollte leicht aufzuspüren sein«, murmelt er beim Zuschauen vor sich hin.
»Wir arbeiten daran«, versichere ich ihm.
»Er hat meinen Wagen getrackt?!«, ruft er aus, gefolgt von einem wilden Fluch, als er im Bericht auf die entsprechende Information stößt. »Wie konnte das passieren?«
»Wir überprüfen noch die Aufnahmen aus der Penthouse-Tiefgarage, aber vermutlich war es leichter, den Sender während einer der diversen Fahrten in der Stadt unbemerkt anzubringen.«
»Warum treiben sie ihre Spielchen mit ihr?«, fragt mein Arbeitgeber, und nun schwingt Hilflosigkeit in seiner Stimme mit. »Erst wird sie getrackt. Dann verhöhnt mit diesem Blumenstrauß.«
»Eine Botschaft«, antworte ich. »Nur sie weiß, was sie bedeutet und an wen von Ihnen beiden sie gerichtet ist.«
Danica nähert sich, und die vollen Brüste und schlanken Hüften schwingen verführerisch. Sie drückt die Tür auf, schenkt mir ein katzenhaftes Lächeln und stellt ein Glas Whisky mit Eis auf den Balkontisch. Lunch in einer halben Stunde formen ihre Lippen tonlos, bevor sie wieder nach drinnen huscht und die Tür hinter sich schließt. Obwohl ich sie gerade erst genießen durfte, erregen ihre so aufreizend vorgeführten Rundungen meinen Schwanz sofort aufs Neue. Ich bin jetzt schon seit Tagen mit ihr zusammen und habe in dieser Zeit bloß selten die Hände von ihrem Körper lassen können. So wohltuend das auch gewesen ist, mittlerweile beschleicht mich das Gefühl, nicht dort zu sein, wo ich sein sollte.
»Ihrer Meinung nach ist ihr also nicht zu trauen«, erklärt Mr. Black. »Haben Sie denn nicht gesehen, wie sie mich anschaut, Witte? Von ihr geht keine Bedrohung aus.«
Das Urteil ist reichlich unbekümmert. Hat er unter ihrer Beziehung nicht bislang die meiste Zeit leiden müssen? Seine Trauer war so schmerzvoll, dass ihn allein der Tunnelblick darauf, sich zu einem Menschen von bedeutendem Stellenwert zu entwickeln, zum Weitermachen antrieb. Eine solch überzeugende Ablenkung würde er nicht noch einmal haben. Wenn Lily ihm jetzt erneut das Herz bricht, überlebt er das nicht.
Ich begegne dem Blick von Danica, die gerade in der offenen Küche hantiert. Mit ihren verlockenden Kurven gleitet sie geschmeidig von einem Ort zum anderen, ein betörendes Geistwesen, dem eine weiße Schleppe aus hauchdünnem Stoff folgt und dessen wehendes Silberhaar wie ein glänzender Schleier ihre schlanken Schultern umspielt. Durch halb gesenkte Lider werfen mir ihre rassigen Augen einen einladenden Blick zu.
Gibt es etwas Berauschenderes, als von einer atemberaubend attraktiven Frau begehrt zu werden? Kann irgendein Mann unter diesen Umständen noch rational bleiben? Bevor ich Danica kennenlernte, hätte ich behauptet, dass den Verstand raubende Liebe und Begierde bloße Torheiten der Jugend sind. Ich selbst glaubte mich längst über solchen Unfug erhaben. Wie kann ich Mr. Black verurteilen, ihm schlaue Ratschläge erteilen, wenn ich in einer ganz ähnlichen Lage stecke?
»Ich erzähle Ihnen mal etwas über Lily«, fährt er in gereiztem Ton fort. »Damals erhielt ich eines Tages eine Nachricht von Ryan, in der er mich einlud, ihn abends zu besuchen. Wir hatten ein paar Wochen nichts mehr gemeinsam unternommen, da ich ihr lieber aus dem Weg gehen wollte. Ich ertrug die Vorstellung einfach nicht, die beiden zusammen zu sehen. Zumindest halb verliebt war sie in mich, davon war ich überzeugt, und es machte mich verrückt, dass sie bei ihm blieb, nur um mich auf Distanz zu halten. Sie tat alles dafür, mich in den Wahnsinn zu treiben, wollte mir vormachen, dass ich mir eine Reaktion bei ihr bloß einbilde, obwohl jeder sehen konnte, mit welcher Liebe sie mich anschaute. Und auch mit welcher Angst.«
Mit einem Schlag erscheint meine erste Begegnung mit ihr in den Straßen Manhattans in anderem Licht. Gründet ihre Angst womöglich eher in ihren Gefühlen für ihn als in ihrer Furcht vor ihm? Kann es so etwas geben?
»Das ist aber auch eine schwere Wahl für eine Frau«, murmele ich verwirrt. »Sie sind beide außergewöhnliche Männer.«
»Ich damals noch nicht«, widerspricht er mir. »Ryan war mit LanCorp schon ganz gut im Geschäft, aber bei mir war es noch reines Wunschdenken, die Überreste von Baharan aufzukaufen.« Er schweigt kurz, und nur ein schweres Seufzen ist zu hören. »Ich folgte seiner Einladung, weil mir seine Freundschaft fehlte, aber auch weil ich die Fotos von ihr sehen wollte, die bei ihm überall herumstanden. Derart verzehrte ich mich danach, sie zu sehen.«
Ich blicke zu Danica hinüber. Auch ich halte mich an Fotos von ihr, wenn wir uns nicht treffen können. Bisweilen reichen Erinnerungen allein einfach nicht aus, die Schmerzen einer Trennung zu lindern.
»Ich kam auf die Minute pünktlich«, erzählt er weiter. »Vielleicht sogar ein wenig zu früh. Der Türsteher kannte mich und wusste, dass ich komme. Also winkte er mich durch. Ich nahm den Fahrstuhl und fand die Eingangstür zu Ryans Wohnung bloß angelehnt. Ich ging hinein und wollte gerade etwas rufen, als ich Geräusche aus dem Schlafzimmer hörte.«
Der gequälte Ton in seiner Stimme setzt mir stark zu.
»Ich wäre besser wieder gegangen«, bemerkt er mit harter Stimme. »Stattdessen lief ich weiter zum Schlafzimmer. Ich konnte einfach nicht anders. Sie war da, lag direkt unter ihm. Sie hatten nicht einmal Zeit gefunden, sich auszuziehen. Er hatte die Hose heruntergezogen, sie ihr Kleid gerafft, und er war in ihr und stöhnte, als würde er den Verstand verlieren.« Er verstummte eine ganze Weile, dann fuhr er fort: »Sie sah mir direkt in die Augen, als ich in die Tür trat, und in ihrem Ausdruck lag nicht die geringste Überraschung. Ihre Hand drückte seinen Kopf so an ihre Schulter, dass er zur Seite gewandt war und mich nicht sehen konnte.«
»Mr. Black, ich glaube nicht …«
»Sie hatte es geplant, Witte. Die ganze Sache.«
Ich möchte nicht noch mehr hören. Es ist mein Job, mich in seine Lage zu versetzen, und mit Danica vor Augen fällt mir das viel zu leicht. Danica und ich sind beide alt genug und haben es nicht mehr nötig, unserer Beziehung ein Etikett zu verpassen. Ich bin zwar monogam, aber ich habe nie gefragt, ob sie mir gegenüber ebenso rücksichtsvoll ist. Sie ist eine heißblütige Frau, und ich habe häufig keine Zeit. Ich besuche sie nie unangekündigt, aber wenn ich es täte, bestünde durchaus die Möglichkeit, dass ich eine ähnliche Szene erleben würde wie mein Arbeitgeber. Bei der bloßen Vorstellung zerreißt es mich schon.
»Sie hatte sein Handy benutzt«, zischt er noch immer voller Wut. »Hatte die Uhrzeit festgesetzt. Am Empfang Bescheid gesagt. Die Tür angelehnt. Und mich dann mit ausdruckslosem Blick angestarrt, während er sie direkt vor meinen Augen fickte.«
Ich kann es mir bildlich vorstellen und trete angewidert von einem Fuß auf den anderen. Die Lily, von der er spricht, kenne ich nicht. Die Frau, die ihn mit solch leidenschaftlichem Verlangen und solcher Liebe anschaut, kann es jedenfalls nicht sein.
Allerdings könnte es die Lily sein, der ein Auftragskiller Blumen und romantische Grüße schickt.
»Ihr Ziel war, die Sache mit uns zu beenden, bevor wir angefangen hatten. Auch wenn wir uns wochenlang nicht gesehen hatten, fühlten wir uns nämlich nur noch stärker zueinander hingezogen. Es war alles bloß eine Frage der Zeit. Ryan hatte mir erzählt, dass die Leidenschaft in ihrer Beziehung immer mehr schwand. Sie hatten immer seltener Sex, verbrachten immer weniger Zeit zusammen. Meine Hoffnungen, dass sie bald zu mir kommen würde, sind daraufhin natürlich gestiegen, was das Ganze nur noch schlimmer machte.«
Ich höre, wie sein Schreibtischstuhl quietscht, als er das Gewicht verlagert. Instinktiv nehme ich die Gelegenheit wahr und nehme mir vor, Schmiermittel zu besorgen, da mir diese profane Überlegung erlaubt, ein wenig Abstand zu unserem Gespräch zu finden. Das Thema ist sowohl zu persönlich als auch zu schmerzhaft.
»Bis zu diesem Moment hatte ich geglaubt, ich wäre das Problem«, fährt er fort. »Ich wäre nicht gut genug, meine Perspektiven zu limitiert, um als Lebenspartner für sie zu taugen. Doch jetzt wurde mir klar, dass aus ihrer Sicht das genaue Gegenteil der Fall war. Aus irgendeinem Grund glaubte sie, ich wäre besser ohne sie dran, und sie war bereit, uns beide zu erniedrigen, nur um mich vor ihr zu schützen.«
Ich brauche ein paar Sekunden, mir eine taktvolle Antwort zu überlegen. »Nicht viele Männer würden unter diesen Umständen zu dieser Schlussfolgerung kommen«, sage ich schließlich.
»Irgendwie wusste ich sogar in diesem Augenblick ganz genau, dass sie mich liebte«, erwidert er. »Sie inszenierte eine Szene, die zu meinem Wohle gedacht gewesen sein muss, Witte. Für sie war nichts damit zu gewinnen, außer selbst zugefügten Qualen. Sie begriff nicht, dass ich nur aufhören würde, sie zu begehren, wenn sie zuerst mich nicht mehr haben wollte. Solange sie mich liebte, musste ich einfach weitermachen. Verstehen Sie?«
»Teilweise, ja«, antworte ich vorsichtig. Ich erzähle ihm lieber nichts von meiner Mutmaßung, dass sie mithilfe der Szene sein Verlangen nach ihr auch ganz bewusst angespornt haben könnte. Und sich selbst hatte sie dabei in einige Gefahr gebracht – schließlich hat jeder Mensch seine Grenzen, und Mr. Blacks Temperament ist mitunter höchst explosiv. Würde Danica mir eine solch grausame, detailliert geplante Falle stellen, ich würde mit Sicherheit nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. Aber Lily durchschaut Kane Black vermutlich besser als jeder andere Mensch, mal ganz abgesehen davon, dass sie Psychologie studiert hat.
»Lily hat das nicht kapiert. Sie versuchte, meine Gefühle für sie zu ändern, weil ihre Liebe zu groß war, um dagegen anzukämpfen. Und für einen kurzen Augenblick gelang ihr das auch.« Seine Stimme ist jetzt scharf wie eine Rasierklinge, die in mich schneidet. »Ich habe nie solchen Hass empfunden. Weder vorher noch nachher. Am liebsten hätte ich Ryan umgebracht, ihn massakriert und sie erwürgt für die bestialische Gemeinheit, die sie mir angetan hatte. Ich wollte meine Hände um ihren Hals legen und zudrücken. Mit letzten Kräften konnte ich mich davon abhalten, die beiden auseinanderzureißen. Ich weiß noch, wie ich dachte, dass ihre Augen auch nicht toter sein könnten, wenn ich sie umbrachte. Gewehrt hätte sie sich nicht. Sie hätte still dagelegen, schön und grausam wie eine Rose, während ich sie erdrossele.«
Wer ist dieser Mann, der so nüchtern schildert, wie er die Frau, die er liebt, tötet? Ich kenne ihn ebenso wenig wie die Frau, die er beschreibt. Seine Frau würde sich niemals einfach der Gewalt ergeben. Ich habe ihr in die Augen gesehen und eine Frau erblickt, die stets bis zum letzten Atemzug kämpfen wird.
»Ihr Plan wäre fast aufgegangen. Ich dachte, wenn sie mich derart verzweifelt loswerden will, tue ich ihr eben den Gefallen. Also wandte ich mich zum Gehen. Hätte sie ihr Spiel unverändert weitergetrieben, bis ich verschwunden war, hätte ich wahrscheinlich für jeden, der mir über den Weg gelaufen wäre, eine große Gefahr dargestellt, denn ich hatte noch immer größte Lust, etwas zu zerstören. Aber sie ertrug es nicht, mich so gehen zu lassen, und gab diesen – wie soll ich sagen? – entsetzlichen Laut von sich. So ein gequälter Aufschrei. Er klingt mir noch heute in den Ohren.«
Er verstummt kurz, was mir Zeit gibt, es mir bildlich vorzustellen.
Nach einem tiefen Schnaufen fährt er fort: »Ryan geriet in Panik, weil er fürchtete, ihr wehgetan zu haben. Ich hörte noch, wie er sie anflehte, doch zu sagen, was los sei, während ich die Wohnung unbemerkt verließ und er nie etwas von meiner Anwesenheit erfahren hat. Sie machte noch in derselben Nacht Schluss mit ihm und brach ihm damit das Herz. Er hatte sogar schon einen Verlobungsring gekauft in der Hoffnung, dies würde beheben, was in ihrer Beziehung schieflief. Am Ende suchte er danach ausgerechnet bei mir Rückhalt. Ich fühlte mich echt wie der letzte Verräter. Da tröstete ich meinen besten Freund und verheimlichte ihm zur selben Zeit, dass ich die Ursache für all sein Leiden war.«
»Ein paar Entscheidungen sind zwar fragwürdig«, bemerke ich ernst, »aber hintergangen haben Sie ihn nicht.«
»All das ständige Vorlügen«, murmelt er. »Können Sie eine Liebe wie unsere begreifen, Witte? Meine Frau zu verlieren ist das Einzige, was ich niemals überleben würde, aber sie würde mich verlassen, um mir das Leben zu retten.«
Ich massiere mir den angespannten Nacken. Auf unbekannte Dinge können wir uns nicht vorbereiten. »Wenn sie an Ihrem Schutz interessiert ist, muss sie offenlegen, worin die Gefahr besteht.«
»Die Lage ist heute eine andere«, antwortet er. »Sie ist eine andere. Morgen früh werde ich mehr wissen.« Zorn schwingt in seinen Worten mit. So lange Zeit hatte er sich beherrschen müssen, doch damit ist es nun vorbei. »Morgen werden wir entscheiden, ob wir in die Stadt zurückkehren. Irgendein dämlicher Ganove in einem Bugatti wird uns jedenfalls nicht einfach so von hier vertreiben. Dieses Haus ist für mich unantastbar. Und ich gehe erst, wenn ich es will und für richtig halte.«
»Ich würde Ihnen dringend empfehlen, bis dahin das Haus nicht zu verlassen.«
»Wir gehen nirgends hin«, erklärt er knapp. »Wir haben viel zu besprechen. Wenn jemand es auf sie oder ihr Geld oder beides abgesehen hat, möchte ich das jetzt ein für alle Mal geklärt wissen. Ich habe zu hart daran gearbeitet, mir dieses Leben aufzubauen, und ich werde nichts davon abgeben.«
Irgendwie ist es erleichternd, über die Gegenwart – und mögliche künftige Entwicklungen – zu sprechen. Vergangenes kann ich nicht ändern, aber für die Gegenwart und die Zukunft kann ich Vorbereitungen treffen. »Wir wissen nicht, womit sie die letzten sechs Jahre oder die Zeit vor Ihrem Kennenlernen verbracht hat. Gewisse Lebensstile kann man nicht nach bloßem Gusto wechseln. Es gibt Situationen, in denen ist der einzige Ausweg, töten oder getötet werden.«
»Schon klar«, erwidert er ohne jedes Zögern in der Stimme, ohne jedes Bedauern. Er klingt gefasst und entschlossen. »Wie Sie sich aber auch denken können, kommt für mich davon nur eine Option infrage.«