KAPITEL 14
ANGRIFF AUS DER DUNKELHEIT
TOKIO – HAFEN
Vickys wunderschönes Gesicht war finster vor Wut. Sie hatte die Stirn gerunzelt und ihre blauen Augen waren zu engen, Blitze schleudernden Schlitzen zusammengekniffen. Sie verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. »Du haust also wirklich ab.«
Das Herz klopfte Max bis zum Hals. Er wollte etwas sagen, doch er brachte vor Schreck darüber, dass sie ihn erwischt hatte, kein Wort hervor.
»Nichts ist also alles, was du dazu zu sagen hast, Max?«, fragte Vicky. »Ich finde, du schuldest mir zumindest eine Erklärung.«
»Was soll ich da schon erklären?«, stieß Max hervor. »Ich gehöre einfach nicht hierher, Vicky.«
»Was meinst du mit ›hierher‹, Max?«
»Tokio«, sagte er ausweichend.
»Das ist Quatsch!«, sagte sie schneidend. »Du liebst Tokio. Das hast du mehr als einmal gesagt. Um was geht es hier wirklich?«
Max biss sich auf die Unterlippe und zögerte.
»Raus mit der Sprache!«, forderte Vicky unerbittlich. »Wohin gehörst du deiner Meinung nach nicht?«
»Zu euch«, brachte Max schließlich hilflos und mit leiser Stimme heraus. »Zu deiner Familie. Zu den anderen Botschaftskindern.«
Vicky stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Das ist ja wohl die Höhe! Wie kannst du so etwas nur sagen?«
»Wenn es doch nun mal so ist …«
»Ist es aber nicht, Max!«, unterbrach sie ihn schroff. »Ist es definitiv nicht! Ricky liebt dich wie einen Bruder und mein Vater behandelt dich mit mehr Nachsicht als uns, seine eigenen Kinder.«
»Die beiden sind mir nur dankbar, dass ich Ricky in Berlin das Leben gerettet habe.«
»Das ist nicht wahr, und das weißt du! Erinnerst du dich noch an den eingebildeten Idioten, der Ricky war, ehe er dich kennengelernt hat? Dank dir ist er wie ein neuer Mensch. Seine Liebe zu dir ist echt!«
»Okay, da hast du vielleicht recht«, sagte Max. »Aber dein Vater fühlt sich mir gegenüber lediglich verpflichtet. Weil er mein Patenonkel ist und weil er ein schlechtes Gewissen hat wegen meines Vaters, über den er aber nicht sprechen will, obwohl er ganz genau weiß, dass ich Antworten brauche zu dem, was damals in Moskau geschehen ist.«
»Er hat dir gesagt, dass es ihm nicht erlaubt ist, über den Vorfall von damals zu sprechen. Er ist an seinen Amtseid gebunden. Warum nur fällt es dir so schwer, das einfach zu akzeptieren?«
»Würdest du es etwa akzeptieren, wenn es um den Tod deines Vaters ginge?«
Sie zögerte und gab dann zu: »Nein, vermutlich nicht.«
»Siehst du?!«
»Aber was ist mit Dimitri, Tapa und Irina?«, fragte Vicky. »Sind sie dir nicht die besten Freunde, die sich ein Mensch nur wünschen kann?«
Max seufzte. »Natürlich sind sie das. Aber jedes Gefühl der Zugehörigkeit, das sie mir geben, wird von Leuten wie Hauptmann Frommholz, von deiner Stiefmutter und vor allem von Peyton und seiner Gang wieder im Keim erstickt. Sie machen mir das Leben zur Hölle und reiben mir Tag für Tag immer wieder unter die Nase, dass ich eben nicht hierher gehöre. Dass ich niemals hierher gehören werde.«
»Oh heul doch, du Baby!«, sagte Vicky vorwurfsvoll. »Du wirfst die Flinte ins Korn, nur weil dich nicht jeder lieb hat?«
»Das ist nicht fair, Vicky!«, stellte Max verletzt fest. »Es gibt schließlich einen Unterschied zwischen ›nicht lieb haben‹ und mich permanent anzugreifen und mir ganz gezielt – und soweit ich das beurteilen kann auch völlig grundlos – das Leben so schwer wie möglich zu machen.«
»Es sind die Härten, an denen wir wachsen, Max. Das sagt Meister Chao Wong doch auch immer. Sieh nur, wie du in kürzester Zeit der Beste von uns allen im Training geworden bist. Du schlägst ja inzwischen sogar Peyton in Krav Maga, Karate und Taekwondo.«
»Siehst du, das ist genau, was ich meine«, sagte Max. »Ich stelle unter Beweis, dass ich eben nicht schlechter bin als sie, und alles wozu das führt, ist, dass Peyton und seine Gang sich immer mehr und fiesere Tricks einfallen lassen, um mich fertigzumachen. Ich verstehe beim besten Willen nicht, wie du mit jemandem wie ihm zusammen sein kannst, Vicky!«
»Ach, das ist es, worum es hier in Wirklichkeit geht, Max? Du bist eifersüchtig auf Peyton?« Die Wut war plötzlich aus ihrem Gesicht gewichen und Vicky wirkte stattdessen überrascht.
»Bin ich nicht«, sagte Max trotzig, aber er wusste, dass es eine Lüge war. Er war wirklich eifersüchtig. Verdammt eifersüchtig sogar. Aber das konnte er ihr doch unmöglich sagen, oder?
Es verwirrte ihn total, wie sie ihn jetzt ansah. Sie schien verletzt. War sie das, weil er gesagt hatte, dass er nicht eifersüchtig war?
Max hatte das Gefühl, dass das gerade ein ganz entscheidender Moment war und dass sowohl dieser Moment als auch Vicky von ihm erwarteten, dass er etwas ganz Bestimmtes sagte. Etwas Wichtiges. Aber während sein Gehirn noch ganz panisch danach suchte, was das wohl sein könnte, schien der Moment zu verstreichen, denn Vickys Blick wurde plötzlich wieder wütend.
»Ach, weißt du was, Max, hau doch einfach ab!«, schrie sie ihn mit einem Mal so laut an, dass sich ihre Stimme dabei überschlug.
Max sah, dass ihre Augen feucht wurden.
»Hau ab!«, schrie sie noch einmal. »Und bleib gefälligst, wo der Pfeffer wächst!«
Damit drehte sie sich um und rannte davon. Schon nach wenigen Schritten war sie in der sie umgebenden Dunkelheit verschwunden.
Max stand da wie vom Donner gerührt. Sein erster Impuls war, Vicky nachzulaufen. Auf der anderen Seite aber hatte er ja eh vor, abzuhauen, und sie hatte ihm gesagt, dass er genau das tun sollte. Was also hinderte ihn jetzt, da sie ihm dabei nicht mehr im Weg stand?
Für bestimmt weitere drei Sekunden verharrte Max völlig bewegungslos, wo er gerade war. Verwirrt und hin- und hergerissen. Dann rannte er Vicky hinterher.
Er hatte nicht die leiseste Ahnung, was er sagen oder tun würde, aber er wusste, dass er sie nicht einfach so gehen lassen konnte.
»Vicky!«, rief er. »Warte!«
Weil er sie nicht mehr sah, musste er dem Klang ihrer Schritte folgen. Sie führten durch eine dunkle Seitengasse auf einen Platz mit Schiffscontainern. Da entdeckte er sie im Licht des fahlen Mondes, das jetzt nicht mehr von Gebäuden aufgehalten wurde.
Vicky lief etwa zwanzig Schritte vor ihm. Ein verlorener Schatten in der Nacht.
»Warte, Vicky!«, rief Max noch einmal, doch sie blieb nicht stehen.
»Bitte!«, schickte er hinterher, und erst da wurde sie langsamer.
Max holte sie ein, fasste sie an den Schultern und drehte sie um.
Trotz der Dunkelheit sah er, dass ihre Augen und Wangen nass waren vor Tränen. Ihr Make-up war ganz verschmiert. War sie sonst so stolz und trotzig, wirkte sie jetzt klein und verletzt.
Max ahnte, dass er es war, der sie verletzt hatte, auch wenn er immer noch nicht wusste, womit genau.
»Vicky, was auch immer ich getan habe, es tut mir leid.« Er wollte sie in die Arme nehmen, doch sie wich einen Schritt zurück.
»Du hast wirklich keine Ahnung, oder?« Ihre Stimme war brüchig und leise.
Max suchte nach Worten, doch ehe er etwas sagen konnte, weiteten sich plötzlich Vickys Augen vor Schreck.
»Was?«, fragte er unsicher. Da bemerkte er, dass sie gar nicht mehr ihn ansah, sondern an ihm vorbei. Max drehte sich um.
Da standen zwei Männer!
Sie waren mit Kapuzen und Gesichtsschals maskiert und trugen schwarze Klamotten.
Ninjas!
»Lauf!«, rief Max, packte Vicky und zog sie in die entgegengesetzte Richtung. Doch sie waren nicht weiter als fünf oder sechs Schritte gekommen, da tauchten auf der anderen Seite zwei weitere Maskierte auf und stellten sich ihnen in den Weg.
»Ich lenke sie ab und du versuchst, abzuhauen«, flüsterte Max Vicky zu.
»Auf keinen Fall«, erwiderte sie. War sie eben noch verletzlich und schwach, hatte sie jetzt zu ihrer gewohnten Stärke und Entschlossenheit zurückgefunden. »Ich lasse dich nicht allein.«
Die Ninjas kamen immer näher. Von beiden Seiten. Sie bewegten sich langsam, lautlos und geschmeidig. Keiner von ihnen sagte ein Wort.
Max kalkulierte blitzschnell, dass schon nach wenigen weiteren Schritten für Vickys Flucht kaum noch Raum bleiben würde.
»Vicky, bitte, verschwinde von hier!«, drängte er. »Jetzt sofort!«
»Ich gehe nicht ohne dich, Max«, entgegnete sie entschieden. »Das kannst du vergessen.«
»Aber sie sind in der Überzahl.«
»Dann brauchst du mich erst recht.«
Max erkannte, dass es sinnlos war, sie zur Flucht überreden zu wollen. Das machte ihn wütend – aber auch stolz.
»Gut«, sagte er schließlich. »Zusammen kämpfen wir uns den Weg frei. Mehr nicht. Nur den Weg frei, hast du verstanden? Sodass wir auch zusammen abhauen können.«
Vicky nickte.
Max sah, wie die vier Maskierten ihre Waffen zogen. Zwei von ihnen hielten je ein Paar Wakizashis in ihren behandschuhten Fäusten. Der dritte hatte ein langes, gekurvtes Katana, dessen Griff er mit beiden Händen umfasste, der vierte führte zwei Army-Tomahawks – kurzstielige Beile mit schmaler Schneide und scharfem, leicht gebogenem Dorn an der Rückseite. Wie ein kleiner Eispickel.
Max zog das Zlatoust Clychok aus der Scheide an seinem Gürtel und drückte es Vicky in die Hand. Es schien eine lächerliche Waffe im Vergleich zu den Waffen der Ninjas, aber er wusste: Wenn du mit der Einstellung in den Kampf gehst, dass du keine Chance hast, dann hast du auch keine Chance. Und Meister Chao Wong hatte sie gelehrt, dass man immer eine hat, vorausgesetzt man gibt nicht auf.
Max ließ den Rucksack von seinem Rücken gleiten und umfasste die Tragegurte mit beiden Fäusten. So voll und schwer wie der Rucksack war, gab er eine feine Schlagwaffe ab. Max musste ihn nur richtig einsetzen.
Vicky zog sich den Gürtel aus der Hose und wickelte das weiche Ende einmal um ihre Hand, sodass die schwere Metallschnalle am anderen Ende nach unten baumelte. Ebenfalls eine wirkungsvolle Waffe zum Schlagen.
Das alles war in nur wenigen Sekunden geschehen und die Ninjas waren inzwischen gefährlich nah.
»Welche Richtung?«, fragte Vicky.
Max wusste, dass sie damit die Richtung meinte, die sie sich freikämpfen wollten, um zu fliehen.
»Stadteinwärts«, sagte er nach kurzer Überlegung. »Im Hafen sind unsere Fluchtmöglichkeiten durch das Wasser zu stark begrenzt.«
Max und Vicky verstanden einander durch das monatelange gemeinsame Training so gut, dass es jetzt keiner weiteren Worte mehr bedurfte. Wie auf ein Zeichen stürmten sie gleichzeitig los.
Max übernahm die Führung und drei Schritte, ehe er den ersten der beiden Ninjas vor ihnen erreicht hatte, begann er eine Drehung um die eigene Achse, bei der er seinen schweren Rucksack mit beiden Armen rund um sich schwang.
Der Ninja setzte mit einem schnellen Sprung zurück, um dem Rucksack auszuweichen, doch Max schleuderte ihn mit aller Kraft und ließ genau im richtigen Moment los. Der Rucksack flog wie ein Geschoss durch die Luft und traf den Ninja mitten im Gesicht.
Der Ninja torkelte benommen nach hinten und Max hechtete blitzschnell hinterher. Er rammte ihm mit der Schulter gegen die Brust, sodass er umfiel. Max ließ sich mit dem Knie in seinen Bauch fallen, um ihm die Luft zu nehmen. Dabei entrang er ihm eines seiner Tomahawks und schlug ihn mit dessen flacher Seite k.o.
Auch Vicky überraschte ihren Gegner mit ihrem Angriff. Sie schwang die harte Schnalle ihres Gürtels wie eine weite Acht vor sich und schlug ihm damit eines seiner beiden Wakizashis aus der Hand.
Sie setzte nach und wischte mit der Klinge des Messers durch die Luft, doch der Ninja wich zur Seite aus und stellte ihr ein Bein.
Vicky stolperte und der Ninja holte mit seinem verbleibenden Kurzschwert aus.
Max sprang schnell wie der Blitz dazwischen, blockte den Schlag in allerletzter Sekunde mit dem Metallstiel seines Tomahawk – nur wenige Zentimeter von Vickys Nacken entfernt.
Er trat dem Ninja mit einem schnellen Kick von der Seite hart mit dem Fuß in die Kniekehle. Der Ninja sackte ein und Max schlug auch ihn mit der flachen Seite des Kampfbeils bewusstlos.
Vicky war schon wieder auf den Füßen und nickte ihm dankbar zu.
Max nahm sich gerade so viel Zeit, eins der Wakizashis vom Boden aufzuheben und es Vicky zuzuwerfen, dann rannten sie auch schon los in Richtung Stadt.
»Wir haben jetzt Waffen, wir sollten kämpfen«, sagte Vicky und gab ihm im Rennen sein Zlatoust Clychok zurück. Außer dem Kurzschwert hatte sie ja jetzt noch den Gürtel. »Jetzt ist es nur noch zwei gegen zwei.«
»Nein«, erwiderte Max.
»Warum nicht? Wir haben eine faire Chance.«
Max blieb eisern und schüttelte den Kopf. »Die ersten beiden konnten wir überrumpeln, weil sie nicht mit unserem Training bei Meister Chao Wong gerechnet haben. Die anderen zwei machen ganz sicher nicht den gleichen Fehler, und das sind ausgebildete Killer.«
Max hörte ein seltsames Zischen in der Luft und rief sofort: »Duck dich!«
Die beiden duckten sich, und fast im selben Moment flogen zwei kleine Sterne aus Metall über ihre Köpfe hinweg und krachten mit ihren messerscharfen Spitzen in eine Hauswand vor ihnen, wo sie im Stein stecken blieben. Shuriken, wusste Max sofort. Die mörderischen Wurfsterne der Ninjas.
Max und Vicky wechselten sofort die Richtung und bogen in eine dunkle Seitenstraße. Dabei liefen sie im Zickzack, um den Verfolgern, deren schnelle Schritte sie hinter sich hörten, das Zielen mit weiteren Wurfsternen zu erschweren.
Nach etwa fünfundzwanzig oder dreißig Metern erkannte Max, dass sie einen Fehler gemacht hatten, denn es stellte sich heraus, dass die Straße, in die sie gelaufen waren, eine Sackgasse war.
Max fluchte.
»Was nun?«, fragte Vicky, während sie weiter auf die Wand am Ende der Straße zu rannten.
Max wusste, dass sie keine andere Wahl hatten. »Jetzt müssen wir kämpfen. Uns bleibt keine andere Wahl.«
Sie machten kurz vor der Wand Halt und drehten sich um. Die beiden Ninjas waren nur noch zehn Schritte von ihnen entfernt.
»Denk dran, was Meister Chao Wong uns in Krav Maga gelehrt hat«, flüsterte Max Vicky zu.
Sie nickte. »Wild, brutal und ohne Skrupel.«
»Und so hart und schnell wie möglich.«
Auch ohne sie direkt anzusehen, konnte Max hören, wie Vicky schnell und tief schnaufte, um ihren Puls und damit auch ihren Adrenalinpegel in die Höhe zu treiben.
Die Ninjas waren jetzt ebenfalls stehen geblieben und gingen lauernd in Angriffsposition. Nur wenige Meter von ihnen entfernt. Der eine mit seinem langen Katana, der andere mit seinen Wakizashis.
Max umfasste den Stiel seines Army-Tomahawk fest mit der rechten Faust und das Zlatoust Clychok mit der linken. Er zwang sich trotz des hohen Adrenalinpegels innerlich zur Ruhe. Er wusste, sie hatten im direkten Zweikampf mit den trainierten Killern – wenn überhaupt – nur eine Chance, wenn sie bei aller Wildheit gleichzeitig einen kühlen Kopf bewahrten.
Da Max zwei Klingen führte, sagte er leise zu Vicky: »Ich übernehme den mit den Wakizashis.«
»In Ordnung«, sagte Vicky. »Offensiv oder defensiv?«
Max hörte das leise Zittern in ihrer Stimme, wusste, dass sie genau wie er Angst hatte und dass auch sie sie niederkämpfte.
»Defensiv«, antwortete er. »Wir lassen sie kommen. Aber sobald sie hier sind, machen wir ihnen die Hölle heiß.«
»Worauf du dich verlassen kannst.«
»Keine Skrupel«, erinnerte er sie.
»Keine Skrupel«, bestätigte sie.
Da setzten die beiden Ninjas sich auch schon in Bewegung. Langsam. Sehr viel vorsichtiger als vorhin. Sie machten ganz gezielt einen Schritt vor den anderen und bewegten dabei ihre Waffen hin und her, um Max und Vicky im Unklaren darüber zu lassen, aus welcher Richtung sie mit ihren Klingen zuschlagen würden.
Max sorgte dafür, dass er sein Gewicht gleichmäßig auf beide Fußballen verteilte, um auf jede Angriffsrichtung so gut wie möglich reagieren zu können.
Doch ehe die Ninjas sie erreichten, geschah etwas völlig Unerwartetes: Ein Schatten tauchte lautlos aus dem Dunkel hinter den maskierten Killern auf.
Ein Mann.
Er war ebenfalls maskiert. Er führte zwei Teleskopschlagstöcke – und mit zwei blitzschnellen Hieben gegen die Nacken der Ninjas schickte er sie ins Reich der Träume.
Trotz der Maske erkannte Max den Mann sofort – am Körperbau, an der Art, mit der er sich bewegte, aber vor allem an den Augen.
Es war derselbe Mann, der ihm bereits im U-Bahn-Tunnel in Berlin das Leben gerettet hatte.
Sein Vater?
»Geht in die Botschaft zurück«, sagte er leise durch den Stoff der Maske. »So schnell ihr könnt. Und in Zukunft keine nächtlichen Spaziergänge mehr!«
Bevor Max etwas erwidern konnte, hatte der Mann bereits kehrtgemacht und ging davon.
Max wollte ihm nachlaufen, doch Vicky hielt ihn am Arm fest.
»Du hast gehört, was der Typ gesagt hat«, zischte sie. »Wer auch immer das war. Wir müssen zurück in die Botschaft. Auf der Stelle.«
Max steckte das Messer weg und legte die Hand an Vickys Wange.
»Du gehst zurück in die Botschaft«, sagte er. »Ich habe noch etwas zu erledigen.«
»Ich lasse dich nicht gehen, Max«, widersprach sie. »Verstehst du? Ich will nicht, dass du gehst … dass du uns verlässt.«
Er lächelte. »Keine Sorge, ich werde nicht abhauen. Versprochen! Aber dafür musst du mir jetzt versprechen, auf direktem Weg nach Hause zu laufen. Ich komme nach, sobald ich kann.«
»Ehrenwort?«
»Ehrenwort!« Damit warf er den Army-Tomahawk weg und lief los. Dem Mann hinterher.