4. Szene.

Vorige. Rosa.

 

ROSA in elegantem Sommeranzug, eine Notenmappe am Arm, tritt rasch durch die Mitte ein. Guten Tag!

ALBERTINE. Ah, die Rosa? Steht auf, nimmt Rosa die Notenmappe ab, legt dieselbe aufs Klavier, und hilft ihr dann beim Abnehmen des Hutes etc. Guten Tag, Kind. Du bist ja so echauffiert?

Du bist doch bei der Hitze nicht nach Hause gegangen?

ROSA. Ja.

ALBERTINE. Warum denn? Stand wieder keine Droschke erster Klasse an der Straßenecke?

ROSA. Ich bin erregt, ich mußte mir Bewegung machen.

ALBERTINE. Was ist passiert? Doch nichts Unangenehmes?

ROSA nimmt Albertine bei der Hand, leise. Denke dir, Fräulein von Belling fragte mich, ob es wahr sei, daß ich mit dem Baron Zinnow verlobt bin.

ALBERTINE. Siehst du, Kind, andere Leute sehen es auch – ich habe es dir immer gesagt, er hat Absichten.

ROSA. Absichten! Ins Gerede bringt er mich – das ist alles.

ALBERTINE. Das ist deine Schuld. Du bist so scheu, so zurückhaltend zu ihm, er traut sich nicht mit der Sprache heraus. Spricht leise weiter mit Rosa.

EMILIE zurückfahrend, zu Frau Klinkert. Nein, das tue ich aber gewiß nicht.

FRAU KLINKERT. Sie werden sehen, Milchen, das Mittel hilft.

EMILIE. Nein, nein, lassen Sie mich in Ruhe.

ALBERTINE. Lassen Sie sie doch. Geht zu Frau Klinkert.

FRAU KLINKERT winkt Rosa mit der Hand. Guten Tag, Fräulein Rosa.

ROSA kurz. Guten Tag.

EMILIE ist zu Rosa auf die andere Seite getreten und reicht ihr die Hand.

ROSA zu Emilie. Was hast du denn mit der alten Klatschbase vor?

EMILIE. Sie will mir durchaus gute Ratschläge geben, wie ich Wilhelm behandeln soll.

ROSA. Weißt du das nicht selber?

EMILIE. Gewiß, aber –

ROSA. Ich denke, Ihr liebt euch so sehr? Oder ist's damit schon vorbei?[97]

EMILIE. Was fällt dir ein! Wenn man sich einmal so recht von Herzen lieb hat, dann ist das fürs Leben.

ROSA. Meinst du?

EMILIE. Denkst du dir die Liebe anders?

ROSA. Ich denke mir die Liebe gar nicht, weil ich nicht daran glaube.

EMILIE. Aber wenn du dich einmal verheiratest?

ROSA. Wenn ich mich einmal verheirate, so werde ich es gewiß nicht tun, weil ich verliebt bin.

EMILIE. Aus welchem Grunde denn?

ROSA. Vielleicht um eine selbständige und meinen Wünschen angemessene Stellung in der Gesellschaft zu finden.

EMILIE. Wenn du weiter nichts willst, dann solltest du lieber gar nicht heiraten.

ROSA. Es wird wohl auch so kommen.

FRAU KLINKERT. Wie ich Ihnen sage, liebe Hasemann – sie traf mit ihm bei mir im Laden zusammen – er probierte sich gerade ein Paar kanarienfarbene an. Nun weiß ich doch schon lange, daß sie'n Auge hat aus den schmucken Baron – wie er also fort ist, sage ich: wissen Sie vielleicht schon, Fräulein von Belling, daß der Herr von Zinnow mit Hasemanns Röschen verlobt ist? Da hätten Sie sehen sollen, liebe Hasemann, wie das einschlug! Der Handschuh, den sie anprobierte, platzte gleich mitten durch.

ALBERTINE. Nun muß er sich doch eigentlich erklären?

FRAU KLINKERT. Ich denke auch. Gestikuliert heftig.

EMILIE. Ich weiß nicht, Rosa, warum ich mich mit dir so schlecht verstehe? Das kommt gewiß daher, weil die Mutter dich hat so viel lernen lassen. Ganz gewiß, die gelehrtesten Leute sprechen oft das dümmste Zeug.

ROSA. Du bist sehr gütig.

ALBERTINE. Sie kommen also heute Abend noch auf ein Stündchen herüber, nicht wahr, liebe Klinkert?

FRAU KLINKERT. Ich bin so frei, liebe Hasemann. Legt ihr Strickzeug zusammen.

ALBERTINE zu Emilie. Emilie, sage doch der Anna, sie soll hier abräumen.

EMILIE. Ja – ich gehe gleich nach Hause. Adieu, Mutter.

ALBERTINE. Adieu. Tritt zu Rosa.

FRAU KLINKERT zu Emilie. Laufen Sie nicht so, Milchen ich gehe mit Ihnen.[98]

EMILIE im Abgehen. Bitte, inkommodieren Sie sich ja nicht. Ab durch die Mitte, Frau Klinkert folgt ihr.

ALBERTINE zu Rosa. Bist du endlich zu einem Entschluß gekommen?

ROSA. Nein. Aber ich werde mich entschließen – vielleicht heute noch – laß mich nachdenken. Nimmt ihren Hut und geht in das Seitenzimmer links ab.

ALBERTINE Rosa nachsehend. Und ich verwette meinen Kopf – sie wird Baronin! Das bischen vornehme Blut, was ihr an der Geburt fehlt, das ersetzt sie durch die Erziehung – und die hat sie mir zu verdanken. Nimmt ihr Strickzeug vom Tisch und geht in das Seitenzimmer rechts ab.[99]