14. Szene.

Hasemann. Körner.

 

HASEMANN öffnet die Mitteltür und tritt vor. Komm herein, Körner, es ist niemand hier.

KÖRNER durch die Mitte. Du verlangst eine Unterredung mit mir, das ist dein Recht, und ich stehe zu deinen Diensten.

HASEMANN. Das ist schön. Erst setze dich mal, und dann wollen wir recht ruhig mit einander sprechen.

KÖRNER. O, du hast nichts zu fürchten, ich bin jetzt ruhig, ganz ruhig.

HASEMANN. Na, und ich bin außerordentlich ruhig, also wird das ja eine sehr ruhige Unterhaltung werden.

 

Beide setzen sich an den Mitteltisch.[169]

 

HASEMANN. Also – du willst dich wirklich von deiner Frau trennen?

KÖRNER. Es muß sein.

HASEMANN. Na, ob es sein muß, darüber ließe sich doch vielleicht noch streiten.

KÖRNER. Versuche es nicht, es wäre umsonst, ich bin fest entschlossen. Und du kennst mich genugsam, um zu wissen, daß ich nicht der Mann bin, der morgen ändert, was er heute beschließt.

HASEMANN. Man könnte es ja auch noch heute ändern.

KÖRNER heftig. Ich bitte dich, Anton, schlage nicht diesen Ton an, ich bin wahrlich nicht in der Stimmung, mit dir zu scherzen.

HASEMANN. Was fährst du denn so auf? ich denke, du bist so ruhig?

KÖRNER ruhig. Ja, ich bin es, aber martere mich nicht, komm zum Ziele. Jedenfalls habt Ihr doch schon eine Form ersonnen, unter welcher die Scheidung vorgenommen werden soll. Sage, welche? ich erkläre mich im voraus mit allem einverstanden.

HASEMANN. Also du meinst, wir hätten nichts Eiligeres zu tun gehabt, als das Prozeßrecht zu studieren und irgend welche Winkelzüge zu finden, um mit einem Ruck das Band wieder zu zerreißen, welches vor einem Jahre erst in Liebe und Freundschaft und, wie es schien, fürs Leben geschlossen wurde? Nein, mein Junge. Zuerst lag es uns doch etwas näher, unserem unglücklichen Kind Trost und – ich leugne es nicht – Hoffnung zuzusprechen. Oder meinst du, es wäre so ganz gleichgiltig, wenn man ein Kind, welches man unter seinem Herzen getragen geholfen hat, leiden sieht? Oder meinst du, eine Tochter ist eine Treibhauspflanze, die man im Sommer zum Ausputz einer Fassade ausleiht, um sie im Winter wieder ins Quartier zurückzunehmen und dann im nächsten Sommer wieder einem anderen zu borgen? O nein! Heftiger werdend. Ein Ehepakt ist kein Mietskontrakt, man verheiratet sich nicht, um sich nach einem Jahre wieder zu trennen. Und den eigenen Eltern zuzumuten, daß sie sich mit doppelter Dampfkraft vorspannen sollen, um ihr Kind, anstatt es auf das rechte Gleis zu bringen, selber zu verfahren und in den Graben zu werfen, das ist geradezu eine Schändlichkeit von dir.

KÖRNER. Ist das deine gepriesene Ruhe?[170]

HASEMANN. Ach, na ja! Wenn einem auch solche Geschichten zugemutet werden! Aber du hast recht, ich bin schon wieder ruhig. Sieh' mal, Körner, ich bin nicht bloß dein Schwiegervater, ich bin auch dein ältester Freund, und ich kann sagen, ich bin dir immer ein aufrichtiger Freund gewesen. Wenn du nun auch dem Vater, der ja gewiß etwas parteiisch in der Sache ist, nicht glauben willst, dem Freunde kannst du gewiß glauben. Es ist wahr, Rosa hat nicht offen und ehrlich an dir gehandelt, als sie deine Hand annahm, aber bedenke ihren Charakter, ihre Erziehung, und wie sie von aller Welt verwöhnt war! Und jetzt ist sie eine andere geworden, an deiner Seite, durch dich. Rosa liebt dich.

KÖRNER auffahrend. Nein.

HASEMANN. Ja, du darfst es glauben, und die Trennung von dir wäre der Abschied vom Glück für sie.

KÖRNER. Hat deine Tochter dich beauftragt, mir das zu sagen?

HASEMANN. Sie hat mich sogar gebeten, es dir zu verschweigen, weil sie fürchtet, du würdest ihr nicht glauben.

KÖRNER. Also kennt sie mich doch! Nein, ich glaube es nicht. Ich glaube an keine Liebe als Nachwuchs kalter Berechnung. Eher will ich glauben, daß Haß sich in Liebe verkehren kann, als Uebermut und Selbstsucht. Aufstehend. Hat sie nicht ja gesagt vor Gott und dem Gesetz und hat mich doch belogen? Hat sie nicht meinen Kuß geduldet und erwidert und hat mich doch belogen? Welche Künste will sie denn nun ersinnen, um mich glauben zu machen, daß ihre neue Liebe nicht neue Lüge sei?

HASEMANN. Und das nennst du ruhig sein?

KÖRNER. Ich kam mit der Absicht, ruhig zu sein, aber auch mit der Hoffnung, daß Ihr meinen Willen als unabänderlich erkannt haben würdet.

HASEMANN. Du bist also nicht zu überzeugen?

KÖRNER. Nein. Ich kam, um mit dir zu beraten, mit dir zu reden, nicht, um mich von dir überreden zu lassen.

HASEMANN. Ich bin wohl auch kein guter Redner, ich werde mir einen anderen Anwalt holen. Wendet sich nach links.

KÖRNER. Was soll das heißen?

HASEMANN. Ich will versuchen, ob Rosas tränenfeuchte Augen nicht besser sprechen.[171]

KÖRNER. Deine Tochter ist hier? Das ist eine Falle, in die du mich gelockt hast, ich gehe. Will gehen.

HASEMANN kräftig. Nein, du bleibst. Einstweilen ist meine Tochter doch noch deine Frau, und deine Frau wird wohl das Recht haben, wenigstens – geschäftlich mit dir zu verhandeln. Du brauchst dich nicht zu fürchten, daß sie dir mit ihren Liebkosungen allzu lästig fällt. Verbarrikadiere dich doch, stelle Tische und Stühle übereinander, damit sie dir nicht gleich an den Hals fliegen kann, wenn du sie ebenso liebenswürdig behandelst, wie mich. In eine Falle gelockt, – sieh doch! Ab links.[172]