5

HOLLY

Am nächsten Tag bin ich total aufgekratzt.

Das Haus ist leer, meine Eltern sind sicher drei Städte weiter bei meiner Tante und meinem Onkel untergebracht, also haben Winston und ich das Haus für uns allein.

Tja, seine Pläne scheinen davon nicht betroffen zu sein. Er verbringt den Tag wie immer damit, mich mit seinen dunklen Hundeaugen von seinem Platz auf der Couch aus zu beobachten. Es gab mal eine Zeit, da ist er mir ständig durch das Haus gefolgt.

Ich mache Morgen-Pilates. Ich dusche und glätte meine Haare. Unnötig? Vielleicht. Aber ich werfe immer wieder einen Blick auf das Haus auf der anderen Straßenseite und spüre seine Lippen auf meiner Wange. Und ich fühle mich zu hundert Prozent wieder wie mein Teenager-Ich, nur ohne den übermäßigen Gebrauch von Lipgloss.

Außerdem lasse ich sehr laute Weihnachtsmusik laufen. Mariah Carey ist der Soundtrack meines Morgens, und ich schmettere ihre Lieder mit, ohne sie damit besser zu machen. An den Füßen trage ich meine Lieblings-Weihnachtssocken. Sie sind hoch, flauschig, absolut lächerlich, und in den Gummizug sind kleine Glöckchen eingenäht.

Ich erledige sogar etwas Arbeit. Das Dokument auf meinem Computerbildschirm ist voll. Von oben bis unten, einzeilig, und es geht ausschließlich um Fairhill.

Adam hat gestern noch Witze darüber gemacht, aber diese Stadt ist wirklich interessant. Ich kenne sie wie meine Westentasche.

Es gibt zwar keine geheimen Drogenverstecke in Keramik-Weihnachtsmännern, aber es muss doch Zusammenhänge geben. Warum ist die Stadt die Weihnachtshauptstadt des Bundesstaates? Wie sehen die Bewohner hier die Feiertage?

Ich habe gerade angefangen, die zweite Seite zu schreiben, als es an der Tür klingelt. Sofort springe ich von der Couch auf. »Ich komme!«

Winston grunzt, als er sich zu mir herunterkämpft. Seine Aufgabe als Wachhund nimmt er offenbar immer noch ausgesprochen ernst.

Es ist Adam Dunbar, groß und gelassen. Sein dunkles Haar ist mit winzigen Schneeflocken von seinem Weg über die Straße übersät. »Hey«, sagt er. »Störe ich gerade?«

»Nein, nein, gar nicht. Was gibt’s? Brauchst du noch ein paar Weihnachtslichter?«

Er zieht eine Grimasse. »Nein. Du warst letzte Woche äußerst gründlich.«

»Und du hasst es. Nein, schon okay. Du kannst es mir ruhig sagen. Dein Tonfall hat es irgendwie verraten.«

»Ich hasse es«, sagt er trocken. »Aber ich bin froh, nicht mehr das Ziel des Zorns der Maple Lane zu sein.«

»Das war die richtige Entscheidung. Die Damen hier können einem schon Angst einjagen.«

Er tut so, als würde er vor Furcht erschauern. »Musst du arbeiten, oder kannst du schwänzen?«

»Ich muss nicht arbeiten. Schließlich ist Samstag.«

»Stimmt. Willst du mir bei einer Besorgung helfen?«

Darüber muss ich nicht lange nachdenken. »Ja. Kann ich mir noch eine Jacke überwerfen und mir meine Tasche schnappen?«

»Nein. Du musst sofort mitkommen, nur in deinem Pullover und deinen Weihnachtssocken. Ich habe ein strenges Zeitlimit.«

»Haha, sehr witzig. Ich bin gleich zurück.«

Ich lasse Adam im Flur stehen und renne durch das Haus. Meine Socken sind absolut lächerlich, und ich liebe sie. Kein einziges Mal habe ich daran gedacht, dass ein Mann, für den ich mich interessiere, sie sehen würde, bevor er sich, na ja, verliebt hat. In mich.

Aber jetzt hat er sie gesehen.

»Bin wieder da!« Ich greife nach meinem Parka. »Wo gehen wir hin?«

»Das ist eine Überraschung.«

»Oh, das klingt ja ominös. Ist das der Moment, in dem du mir erzählst, dass du diese ganzen Jahre über ein Serienmörder gewesen bist?«

»Ich dachte, dass hätte ich dir schon vor Tagen erzählt. Serienmörder war mein früherer Job. Jetzt bin ich ausschließlich im Programmiergeschäft tätig.«

»Das nenne ich mal einen Berufswechsel!«

Er nickt. »Ja, aber beim Serienmorden lernt man nebenbei alle möglichen Fähigkeiten.«

»Wie, unter Druck ruhig zu bleiben«, sage ich todernst. »Gelassen im Umgang mit Risiken. Knotentechnik.«

Adam grinst. »Ab ins Auto, du Freak.«

»Schon gut. Muss ich mir selbst Klebeband um die Handgelenke wickeln, oder übernimmst du das?«

Immer noch lächelnd schüttelt er den Kopf, und wir steigen in den Wagen. Die Fahrt durch Fairhill führt uns an der Highschool, der Hauptstraße und dem riesigen Diner vorbei, das mit grell blinkenden Lichtern geschmückt ist, die ich liebe. Schließlich kommen wir am Marktplatz und dem Weihnachtsbaummarkt an.

Wo er parkt.

»Gehen wir zum Friseur?«, rate ich.

»Nö.«

»Zur Reinigung?«

Er schnaubt. »Ich sagte zwar Besorgungen, aber dafür hätte ich dich nicht gebeten mitzukommen.«

»Wo gehen wir dann hin?«

Adam neigt den Kopf in Richtung der Reihen von Bäumen, die zum Verkauf stehen. »Sagtest du nicht, dass ihr dieses Jahr keinen Weihnachtsbaum haben könnt, weil Evans Verlobte allergisch dagegen ist?«

»Genau.«

»Ich habe Platz im Haus.«

Mir fällt die Kinnlade runter. »Oh.«

Adam ist still an meiner Seite und wartet auf eine Antwort. Aber ich habe keine. Ich bin überwältigt von der Vorstellung, dass er mir das hier schenken will. Also starre ich einfach auf die grünen Tannenreihen unter dem fallenden Schnee und versuche, nicht in Tränen auszubrechen.

»Ist die Überraschung gut?« Seine Stimme klingt ein bisschen schroff. »Ich muss nämlich keinen haben, weißt du.«

»Nein, es ist eine sehr schöne Überraschung. Die beste überhaupt. Danke, Adam.«

Er knöpft seine Jacke zu. »Gut. Tja, dann lass uns einen aussuchen.«

Ich schleppe Adam die Baumreihen hoch und runter. Er besteht darauf, dass der erste Baum der beste sei, aber ich bin eine Kennerin und weiß, dass die Händler ihre besten Bäume oft ganz hinten aufstellen. Bei unserem dritten Durchgang schneit es so stark, dass ich meine Augen abschirmen muss.

Und dann taucht er wie aus dem Nichts vor mir auf. Der perfekte Baum.

Er ist tiefgrün, hat dicke Nadeln und ist mit seiner unvollkommenen Symmetrie einfach perfekt. Er sieht aus wie ein Baum in einem Zeichentrickfilm, nur ohne die abgebrochene Spitze.

Adam ist fast so groß wie der Baum selbst. »Dieser hier?«

»Das ist er!«

»An dem sind wir schon dreimal vorbeigelaufen.«

»Niemals.«

Er runzelt die Stirn. »Doch, ganz sicher.«

»Tja, in dem Fall hat er sich uns eben erst jetzt offenbart. Ist er nicht perfekt?«

»Er sieht aus wie all die anderen Bäume.«

Ich schüttele den Kopf. »Du bist Programmierer, kein Künstler. Er sieht nicht so aus wie all die anderen. Komm, heben wir ihn an.«

Adam geht in die Knie und hebt ihn stöhnend hoch. Ich greife nach der wippenden Spitze, aber er schüttelt den Kopf. »Ich habe ihn.«

»Sicher?«

»Ja. Aber jetzt lass uns gehen.«

Wie jedes Jahr betreiben Tom und sein Sohn Marshall den Weihnachtsbaummarkt und wickeln unseren Baum ein. »Komm gut nach Hause, Holly«, sagt Marshall. »Sieht nicht so aus, als würde es bald aufhören zu schneien.«

»Nein, es wurde etwas über einen Schneesturm von Norden her erwähnt, oder? Besteht die Möglichkeit, dass er hier durchzieht?«, frage ich. Es sollte die Heimkehr meiner Eltern nicht beeinträchtigen, aber ich mache mir trotzdem Sorgen.

»Nein«, sagt Adam. Weiße Schneeflocken kleben an seinem dunklen Haar und Bart wie Juwelen. Ich muss lächeln, weil es so gar nicht zu der Ernsthaftigkeit in seinen Augen passt. »Sie haben vorausgesagt, dass er mindestens zwei Stunden entfernt von uns vorbeizieht.«

Tom lacht. »Das ist so eine Sache mit dem Wetter, mein Junge. Es hört nicht auf unsere Vorhersagen.«

Adam und ich schaffen den Baum ins Auto. Er passt gerade so hinein. Der Schneefall behindert ihn beim Fahren, also halte ich die Baumspitze fest, die zwischen unsere Sitze ragt, und dirigiere ihn durch die Straßen.

»Ich weiß, wie wir zurückkommen«, sagt Adam.

»Ja, aber es ist schon eine Weile her, dass du hier gewohnt hast.«

»Ich bin seit zwei Monaten wieder da.«

»Hier links.«

»Ich weiß«, entgegnet er schnaubend.

»Hast du irgendwelchen Baumschmuck?«

»Ja. Ich habe meine gesamte Weihnachtsdeko aus Chicago mitgebracht.«

»Wirklich?«

Seine Lippen zucken. »Holly.«

»Oh. Ich wette, da hast du auch keine.«

»Keinen einzigen Karton.«

»Warst du schon immer so fies? Ich erinnere mich an dich als Evans netten Freund.«

Er schnaubt. »Nett. Das ist das schlimmste Wort überhaupt.«

»Ach wirklich?«

»Wer will schon als nett bezeichnet werden? Vanilleeis ist nett. Dass es nicht kalt ist, ist nett. Einen USB-Stick beim ersten Versuch richtig herum einzustecken, ist nett.«

Ich muss lachen und spüre, wie sich meine Wangen röten. »Schon gut, schon gut. Ich dachte damals, du wärst mehr als nett. Du warst cool.«

»Okay, jetzt weiß ich, dass du lügst. Wenn es eins gibt, was ich in der Highschool nicht war, dann cool.«

»Für mich schon. Du vergisst, dass du älter warst als ich. Du wusstest, wie der Hase läuft.«

Adam tippt mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. »Dann bin ich froh, dass ich dir diesen Eindruck vermitteln konnte.« Er parkt den Wagen in seiner Einfahrt und blickt stirnrunzelnd durch die Windschutzscheibe. »Morgen werde ich jede Menge Schnee schaufeln müssen.«

»Hast du niemanden, der dir hilft?«

»Wenn du jemanden in Fairhill kennst, der mir helfen kann, lass es mich wissen«, erwidert er trocken.

»Robbie hat das früher gemacht, der Sohn der Sandersons. Aber er ist weggezogen. Soll ich ein paar Weihnachtskugeln von uns holen? Dann können wir den Baum schmücken.«

»Klar.«

An der Tür zögere ich. »Wäre es okay, wenn ich Winston mitbringe? Ich will nicht, dass er so lange allein ist.«

»Er kann gern mitkommen.«

»Danke!«

Zehn Minuten später ist die große Wanderung abgeschlossen. Winston hatte keine Lust, durch die immer dicker werdende Schneedecke auf der Straße zu laufen, also musste ich ihn tragen. Adam hat mir auch mit einer der Kisten geholfen und mich trocken gefragt, ob ich noch weiß, dass wir nur einen Weihnachtsbaum gekauft haben.

Als der Baum aufgestellt ist, setzt sich Adam mit Winston neben ihm auf seine zweisitzige Couch. Er liegt da wie eine Sphinx und blickt mit ernstem Gesicht zu Adam hoch.

»Dich gibt’s schon ziemlich lange«, sagt Adam zu ihm. »Damals warst du noch ein Welpe.«

»Er ist ein Herr im besten Alter«, sage ich. »Hast du hier irgendwo Lautsprecher?«

»Ja. Wieso?«

»Wir können keinen Baum ohne Weihnachtsmusik schmücken.«

Adam runzelt die Stirn. »Ich habe nicht gesagt, dass ich den Baum mit dir schmücke.«

Ich stemme die Fäuste in die Seiten und unterdrücke das nervöse Flattern im Magen. »Adam, komm schon.« Seinen Namen zu sagen kommt mir wie Luxus vor. »Ich schmücke doch keinen Baum allein.«

»Das hier war alles für dich, aber beim Schmücken ziehe ich eine Grenze.«

»Nichts da. Hoch mit dir. Komm her.«

»Jesus«, murmelt er.

»Ja, genau, bald hat Jesus Geburtstag. Siehst du, du weißt alles über Weihnachten!«

Adam lacht zögerlich. »Na schön. Ich muss zugeben, dass der Baum gut riecht.«

»Na also! Jetzt liebt er Weihnachten!«

»Das habe ich nicht gesagt.« Adam öffnet eine der Kisten und starrt mit stummem Entsetzen auf den glitzernden Inhalt. Ich drücke auf die Shuffle-Taste der Weihnachts-Playlist, und aus den Lautsprechern ertönt die schmachtende Stimme von Eartha Kitt, die »Santa Baby« singt.

Stöhnend lässt Adam den Deckel der Kiste los. »Ich bereue gerade alles an heute Abend.«

»Tja, das war deine Idee.« Ich trete näher und greife nach einer der Kugeln. Adams Hand streift meine. Wir halten beide inne und blicken auf das Sammelsurium aus Weihnachtsschmuck hinunter. »Das war deine Idee«, wiederhole ich leise. »Danke noch mal. Das … war wirklich richtig nett von dir.«

»Gern geschehen«, murmelt er.

Ich drehe die Silberkugel in meiner Hand und gehe auf den Baum zu. Mein Herz klopft heftig in meiner Brust, und mit jedem Schlag wird meine alte Schwärmerei stärker. Nur fühlt es sich jetzt anders an. Berauschend und echt und wie etwas, auf das ich als Neunundzwanzigjährige unbedingt eingehen sollte.

»Ist es ein Beweis dafür, wie wenig Freunde du in dieser Stadt hast, dass du bereit bist, mit Evans kleiner Schwester rumzuhängen?«, frage ich. »Oder Beweis dafür, wie sehr du Evan vermisst hast, dass du Zeit mit seinem Ersatz verbringst?«

Mit seinen dunklen Augen beobachtet Adam, wie ich die Kugel aufhänge. »Ich muss zwei Dingen widersprechen, die du gerade gesagt hast.«

»Ach.«

»Vielleicht sogar drei.«

»Wie streitlustig.«

Er lächelt. »Erstens hänge ich nicht mit dir rum, weil ich einsam bin.«

»Hmm. Danke.«

»Zweitens bist du definitiv nicht Evans Ersatz. Dem würde er mir sofort zustimmen.«

Ich schnaube. »Hast du vergessen, wie sehr wir uns als Kinder gestritten haben?«

»Nein, aber das ist lange her. Und ich erinnere mich, wie stolz er auf dich war.«

Ich blicke auf den Ast hinunter, den ich dekoriere. Dicke, überraschend weiche Tannennadeln streifen meine Haut. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, seit Evan und ich zusammen waren. Durch seine Arbeit und seine Verlobte ist er an den meisten Wochenenden sehr beschäftigt, obwohl er in Chicago nur ein paar Straßen weiter wohnt. »Danke. Ich weiß, wie gern er dich wiedersehen würde.«

Adam öffnet ein Päckchen mit Kugeln. Er konzentriert sich darauf, eine nach der anderen herauszunehmen und sie mir zu reichen. Aber er antwortet nicht.

Ich sehe ihn an. »Adam?«

Er dreht einen Glitzerengel in seinen großen Händen hin und her. »Es wird schön sein, ihn wiederzusehen.«

»Wieso hörst du dich so zögerlich an? Ist mir irgendwas entgangen?«

Adam schüttelt den Kopf und verzieht den Mund. Er hängt eine Kugel an den höchsten Ast, den ich nicht erreichen kann. »Sagen wir einfach, ich bin derjenige, der unsere Freundschaft hat sterben lassen. Ich war nicht gut darin, mit alten Freunden in Kontakt zu bleiben, und er hätte recht, wenn er mir das vorwerfen würde.«

»Das wird er dir nicht vorwerfen. Ich meine, das weiß ich nicht und vielleicht sollte ich nicht für ihn sprechen. Aber ihr seid auf verschiedene Colleges gegangen und in verschiedene Richtungen. Freunde leben sich auseinander. Das passiert.«

Adam lehnt sich an die Rückenlehne seiner Couch und verschränkt die Arme vor der Brust. Dunkle Augen beobachten mich beim Schmücken des Baums. »Vielleicht. Aber diese Neunzig-Stunden-Wochen, die ich neulich erwähnt habe? Evan ist nicht der einzige Freund, den ich vernachlässigt habe.«

Oh, denke ich. Ich muss wohl einen Volltreffer gelandet haben, als ich vorhin Witze über Einsamkeit gemacht habe. In meinem Bauch krampft sich was zusammen. Mitgefühl und ein plötzliches Verständnis, das meine Fantasien über seinen Erfolg, seine Attraktivität und die Vorstellung, wer er ist, durchbricht. Direkt zu der Person, die ich schon immer kennenlernen wollte.

»Bist du deswegen hier hergezogen? Um ein bisschen langsamer zu machen?«

»Vielleicht«, sagt er seufzend. »Obwohl ich dir das vor zwei Monaten noch nicht hätte sagen können.«

»Warum also hast du dieses Haus gekauft?«

Adam antwortet nicht sofort. Als ich zurückblicke, streicht er mit einer Hand über Winston. Eine dunkle Haarsträhne ist ihm über die Stirn gefallen und verdeckt seine Augen. »Würdest du mir glauben, wenn ich sage, dass ich mir immer noch nicht sicher bin, warum?«

»Ja. Und ich werde dich das nie wieder fragen, wenn du diese Frage leid bist. Ich bin sicher, dass man sie dir in den letzten zwei Monaten ständig gestellt hat.«

»Ein- oder zweimal«, sagt er lächelnd. »Da drüben hast du eine Stelle vergessen.«

»Wirklich? Oh, stimmt. Da sieht es ziemlich leer aus.«

Ich behebe das, und Adams Telefon klingelt. Er lächelt mich entschuldigend an und stöpselt seine Kopfhörer ein. Während ich mich aufs Dekorieren konzentriere, höre ich, wie er in kompetentem, forderndem Ton mit einem Mitarbeiter spricht. Es dauert nicht lange, bis er sich hinter mir an den Küchentisch setzt und seinen Laptop aufklappt.

Weihnachtsmusik aus den Lautsprechern, ein Baum zum Schmücken und ein sarkastischer, gut aussehender Mann als Unterhaltung. Ich lächle vor mich hin, während ich den Baum fertig schmücke. Er steht zwar nicht im Haus meiner Eltern, aber er ist trotzdem wunderschön.

Als ich alles erledigt habe, lasse ich mich zu Winston auf die Couch fallen. Es gibt nur noch eine Sache zu tun … und die will ich nicht ohne Adam machen.

Mit einem knappen »Wir sprechen später wieder« legt er schließlich auf, klappt seinen Computer zu und kommt zu mir an den Baum. »Tut mir leid«, sagt er mit einem halbseitigen Lächeln. »Ich wurde von der Arbeit aufgehalten.«

»Kein Problem. Irgendwas Wichtiges?«

»Alles ist wichtig, wenn es nach meinem Assistenten geht. Jetzt sieh dir das an. Gut gemacht.«

Ich grinse. »Warum klingt das so überzeugend wie ein Elternteil, das sich die hundertste Strichmännchen-Zeichnung seines Kinds ansieht?«

Er rollt mit den Augen. »Wieso sind die Lichter noch nicht an?«

»Ich wollte damit auf dich warten. Bereit?«

»Klar.«

Ich stecke den Stecker ein, und der Baum erstrahlt. Umhüllt von einem warmen, goldenen Schein erhellt er das karge Wohnzimmer. Endlich sieht es aus wie ein Zuhause.

»Oh, wie schön«, sage ich. »Danke für das hier, Adam. Ich weiß, dass du das selbst nicht wolltest, und der Gedanke, dass du es nur getan hast, damit ich … danke.«

Er wirft mir einen ernsten Blick zu. »Jederzeit, Holly.«

Ich blicke auf meine Socken – dieses Mal anständige – hinunter. Kein Weihnachtsmuster in Sicht, sondern die Art Socken, die eine erwachsene Frau tragen sollte. »Ich will mich aber nicht weiter aufdrängen. Ich weiß, dass du viel zu tun hast. Du musst ein Imperium leiten, oder?«

»Macht mir nichts aus«, sagt er leise.

»Nein?«

»Nein.« Adam stößt sich von der Rückenlehne seiner Couch ab und geht in die Küche. Dies ist zumindest ein Ort, den er gut kennt, an dem er aufgewachsen ist. Aber er bleibt am Küchentresen stehen und blickt auf die verblichenen Schränke. »Ich wollte … na ja. Irgendwas zum Abendessen machen.«

»Irgendwas?«, frage ich. »Das ist mein Leibgericht.«

Über seine Schulter hinweg schenkt er mir ein schiefes Grinsen. Es trifft mich direkt unterhalb des Brustbeins, heiß und flatternd. »Perfekt«, sagt er. »Weißt du zufällig auch, wie man es kocht?«

»Ach, hast du das Rezept verloren?«

»Es hat den Umzug nicht überstanden.«

Ich gehe an ihm vorbei und lasse meine Hand kurz seine Schulter streifen. Sie fühlt sich an wie Stahl unter seinem Zopfstrickpullover. »Mein Beileid.«

Ich öffne den Vorratsschrank und muss lachen. Hinter mir ertönt ein maskulines Seufzen.

»Ich weiß. Armselig.«

»Ist es das, wovon du lebst? Käsemakkaroni aus der Packung und Luft?«

»Ja. Und von Willenskraft.«

»Natürlich.« Grinsend nehme ich eine Packung heraus. »Weißt du was? Ich habe dich so oft online gesehen. Ich meine, in Interviews und Artikeln. Meine Kollegin hat sogar mal einen über dich geschrieben. Na ja, nicht nur über dich.«

»Wirklich?«

»M-hm. Es ging um die Mode der Geschäftsführer von Tech-Firmen.«

»Wir sind modisch?«

Ich grinse ihn an. »Nein. Genau darum ging es in dem Artikel ja.«

»Aua.« Er reibt sich eine Stelle auf seiner breiten Brust. »Aber fahr fort.«

»Die Sache ist die, ich habe das alles gesehen und dachte mir: ›Wow! Adam ist so weit gekommen. Ich frage mich, ob er sich überhaupt noch daran erinnert …‹ Na ja, ob du dich hieran erinnerst. Das ganz normale Leben. Käsemakkaroni aus der Packung.« Ich hebe sie hoch, als hätte ich einen Schatz gefunden. »Aber das tust du.«

Er tritt näher und greift das andere Ende der Packung. Einer seiner Finger streift meinen. »Der Laden die Straße runter führt leider keinen Kaviar.«

»Ach«, hauche ich. »Das erklärt alles.«

»Das ist kein Essen, das es wert wäre, die kleine Schwester meines Freundes aus Kindertagen zu beeindrucken. Wir können was bestellen, wenn du möchtest.«

Ich lecke mir die Lippen. »Es ist schon spät, und Dennis sollte bei diesem Wetter nicht raus müssen.«

»Ja, das stimmt. Guter Gedanke.«

»Käsemakkaroni sind voll okay.«

»Ja?«

»Ja.«

»Tja, dann.« Adam nimmt mir die Packung aus der Hand. »Warum setzt du dich nicht, und ich fange mit der Show an?«

Ich stütze meine Arme auf der Kücheninsel ab und beobachte, wie er den Herd anschaltet. Er ist so groß und selbstbewusst, der Mann, hinter dem sich der Teenager verbirgt, in den ich so verknallt war.

»Ich bleibe hier«, sage ich. »Und leiste dir Gesellschaft.«