EPILOG

HOLLY

Ich reibe meine handschuhlosen Hände aneinander. Es ist eiskalt, selbst in der riesigen Lobby, und ich bin nicht für die arktischen Temperaturen draußen gekleidet. Aber wenn es einen Tag im Jahr gibt, an dem man unvernünftig sein darf, dann ist es Silvester.

Mein Kleid ist silbern und glitzernd und fällt mir bis zu den Knien. Es wird nur von dünnen Trägern auf meinen Schultern gehalten. Ein Spontankauf.

Adam hat mich zu der Silvesterparty eingeladen, zu der er aus beruflichen Gründen gehen muss, aber ich hatte schon was vor. Ein Abendessen mit meinen engsten Freundinnen aus dem College.

Die übrigens auch der Meinung waren, dass ich zur Party meines neuen Freunds gehen sollte.

Also habe ich einen Kompromiss gefunden. Wenn ich kurz vor Mitternacht hier ankäme, könnten wir gemeinsam ins neue Jahr feiern, was perfekt wäre. Aber es bedeutet auch, dass ich an einem Ort auftauchen muss, an dem Adam nicht der Adam von gegenüber oder der Sohn des berüchtigten Dunbar ist. Es ist ein Ort, an dem er Adam Dunbar ist, Gründer von Wireout, Milliardär und Genie. In einer Welt, in der ich ihn noch nie erlebt habe.

Eine Welt, in die ich noch nie eingeladen wurde.

Natürlich hat er über die Notwendigkeit dieser Party gestöhnt und gesagt, dass er sie am liebsten ausfallen lassen würde. Aber der Aufzug, auf den ich warte, ist vergoldet, und die Luft riecht nach Flieder. Verstecken sie Duftkerzen in der Lobby? Oder installieren sie Duftzerstäuber in den Wänden?

»Oberster Stock, Miss«, sagt ein Angestellter neben mir. Seit ich ihm meine Einladung gezeigt habe, strahlt er über das ganze Gesicht.

Die Schmetterlinge in meinem Bauch werden mit jedem Stockwerk, das der Aufzug hinauffährt, wilder. Aber ich sage mir, dass Adam Weihnachten mit meiner Familie verbracht hat. Es ist nur fair, dass ich an Silvester seine Arbeit, im Grunde also seine Adoptivfamilie, kennenlerne.

Die Türen öffnen sich, und ich höre es schon, bevor ich es sehe: den Klang einer Live-Band und das unverwechselbare Stimmengewirr einer großen Menschenmenge.

Ich folge dem Geräusch, und meine Absätze klappern auf dem steinernen Boden. Wir sind auf dem Dach des Rush-Hotels, und die Aussicht auf die Skyline von Chicago ist atemberaubend. Hier sind wir von der ganzen Stadt umgeben.

Ich gehe an einer Gruppe von Männern in Smokings vorbei, die sich für Silvester herausgeputzt haben. Als ich mich umsehe, fallen mir die vielen Cocktailkleider auf, die in diesem Raum getragen werden und einer Modenschau Konkurrenz machen könnten. Adam hatte sich angehört, als würde er lieber gefoltert werden, als hier zu sein, aber als ich in diesem riesigen Raum stehe, werden meine Augen groß wie Untertassen. Ich verstehe, warum die Einladung, die er mir gegeben hat, so viel Gewicht hat.

Die Gäste sind hier, um sich unter die Leute zu mischen, um zu sehen und gesehen zu werden. Um Silvester mit Leuten zu feiern, die sie für ihresgleichen halten. Wenn man dabei für wohltätige Zwecke spenden muss, ist das nur ein kleiner Preis.

Darüber könnte ich einen Artikel schreiben, denke ich.

Ich spähe vorbei an den Menschenmassen, den Cocktailtischen und der Live-Band, aber ich kann Adam nirgends sehen. Die dünnen Riemchen meiner High Heels graben sich in meine Knöchel. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit wir uns in Fairhill verabschiedet haben. Er ist zwei Tage vor mir zurück nach Chicago gefahren, und unseren letzten gemeinsamen Tag haben wir vor dem Kamin in seinem Haus verbracht.

Genauso wie alles angefangen hat.

Ich hantiere mit dem Verschluss an meinem Abendtäschchen und bekomme sie schließlich auf. Laut meinem Handy ist es viertel vor zwölf. Nur noch fünfzehn Minuten bis Mitternacht. Ich muss ihn finden.

Dann ertönt ein Rauschen aus dem Mikrofon. Die Musik verstummt, und die Menge wird still. »Guten Abend Ihnen allen«, sagt eine tiefe Männerstimme.

Die mir bekannt vorkommt.

Adam steht auf der Bühne mit einem Mikrofon in der Hand. Er hat sich seinen Bart nicht abrasiert, obwohl er in Fairhill damit gedroht hat. Im Gegensatz zu den meisten Männern hier trägt er keinen Smoking. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, keine Krawatte.

Er steht entspannt und breitbeinig da oben, mit einem Gesichtsausdruck, der unmöglich zu lesen ist. So sieht er also aus, wenn er wieder in seiner Welt ist. Der Mann, der eingeladen wurde, um Eröffnungsreden zu halten, Bänder zu durchschneiden und einen neuen Krankenhausflügel zu finanzieren.

Der Mann, der Weihnachten mit mir und meiner Familie verbracht hat.

»Im Namen der Stiftung möchte ich Ihnen allen für Ihr Kommen heute Abend danken. Es bedeutet uns sehr viel, dass Sie das Jahr mit uns beenden, aber noch mehr, dass Sie bereit sind, auch das nächste Jahr mit uns zu beginnen. Keiner von Ihnen hat eine bessere Party-Einladung bekommen, oder?«

Gelächter brandet durch den Raum, höflich und gespannt. Ich weiß nicht, wie er es schafft, diese ganze Aufmerksamkeit zu ertragen, als wäre es nichts. Ich wäre das reinste Nervenbündel.

Adam blickt suchend über die Menge. »Uns bleiben noch fünfzehn Minuten in diesem Jahr. Wenn Sie noch etwas auf Ihrer To-Do-Liste haben, sollten Sie es jetzt tun. Andernfalls nehmen Sie sich bitte ein Glas Champagner und spenden Sie, falls Sie es nicht schon getan haben.«

Sein Blick fällt auf mich, und trotz der Entfernung kann ich erkennen, wie seine Augen aufleuchten. »Die Terrasse bietet den besten Ausblick für das Feuerwerk«, sagt er. »Für diejenigen unter Ihnen, die niemanden zum Küssen mitgebracht haben. Guten Rutsch.«

Es gibt mehr höfliches Gelächter, und die Leute stupsen sich gegenseitig an. Ich habe nur Augen für Adam. Er übergibt das Mikrofon an einen Mitarbeiter, und ein riesiger Bildschirm hinter ihm erwacht zum Leben. Es ist ein Countdown.

Er verlässt die Bühne und zieht eine Schneise durch die Menge. Die Leute beobachten ihn und teilen sich wie das Rote Meer um ihn herum. Es ist offensichtlich, dass er hier heute Abend der Ehrengast ist. Das war mir nicht klar gewesen, als er es klingen ließ wie eine langweilige Arbeitsveranstaltung, die es zu ertragen galt.

Adam hält meinen Blick fest, und mein Herz rast.

Er macht das hier vor allen, den Gästen und Reportern. »Hallo«, sagt er, und seine Lippen verziehen sich zu einem intimen Lächeln, bevor er mir einen Kuss auf die Wange gibt. Ich beuge mich ihm entgegen und spüre, wie er seine Hand auf meine Taille legt. »Danke, dass du gekommen bist.«

»Aber natürlich.« Es fällt mir schwer zu ignorieren, wie die Umstehenden uns anstarren. Sein Blick wandert über mein Kleid. »Du siehst hinreißend aus.«

»Danke. Du siehst auch sehr gut aus.« Es zuckt mir in den Fingern, ihm über den Bart zu streichen, aber wir sind hier nicht unter uns. »Du hast dich nicht rasiert.«

»Ich wollte dich nicht enttäuschen.«

»Das könntest du gar nicht.« Wenn ich mir das raue Prickeln an meinem Hals vorstelle, während er sich an meinem Körper hinunterküsst, dann will ich nichts lieber als das.

Er winkt einen Kellner herbei und besorgt uns zwei Gläser Champagner. Die Leute um uns herum haben ihre Gespräche wieder aufgenommen, aber sie blicken neugierig in unsere Richtung. Er ignoriert sie und führt mich auf die Terrasse. Sie ist wie ein Gewächshaus gebaut und das umgebende Glas schirmt uns vor den Elementen ab.

»Ist schick hier«, sage ich.

»Ja, aber es dient nur einem Zweck, nämlich solchen Veranstaltungen.« Seine Hand liegt immer noch auf meinem unteren Rücken. »Ich bin froh, dass du hier bist.«

»Das hast du jetzt schon zweimal gesagt«, frotzele ich. »War es vorher so schlimm?«

»Unerträglich. Trockenes Essen, langweiliger Smalltalk, und von diesen Schuhen bekomme ich Blasen. Völlig unzumutbar.«

»Hört sich schrecklich an«, sage ich grinsend.

Er mag sich herausgeputzt haben, imposant wirken, von allen verehrt werden und einen Anzug tragen, der sicher mehr gekostet hat als mein Gebrauchtwagen, aber er ist immer noch Adam Dunbar. Albern, er selbst und ehrlich zu mir.

Ich lehne mich an ihn. »Also, meine Dinnerparty war toll. Ganz ohne Qualen.«

»Ach«, sagt er sanft. »Da bin ich aber froh.«

»Meine Freundinnen sind wirklich neugierig auf diesen mysteriösen Typen, mit dem ich mich treffe.«

»Mysteriös«, wiederholt er. »Dabei kennst du ihn doch schon fast dein ganzes Leben lang.«

»Trotzdem bist du mysteriös. Ich weiß nicht, ob du morgens lieber Kaffee oder Tee trinkst, auf welcher Seite des Betts du schläfst und was du im Bett trägst. Was, wenn ich diese Woche zu dir komme und entdecke, dass du in einem richtigen Schlafanzug schläfst wie ein alter englischer Gentleman? Mit einem Hut und Socken und allem Drum und Dran?«

»Du bist unmöglich«, sagt er, beugt aber den Kopf, um mir ins Ohr zu flüstern. »Es ist immer Kaffee, meine Lieblingsseite ist die, auf der du bist, und ich trage keinen Schlafanzug. Weder mit noch ohne Hut.«

»Oh«, hauche ich. »Gut zu wissen.«

»Bleibst du heute Nacht bei mir?«

»Um das neue Jahr richtig zu beginnen?«

Sein Blick wird hitzig. »Ja.«

»Sehr gern. Vielleicht habe ich sogar eine Zahnbürste eingepackt. Auch wenn ich das wohl nicht zugeben sollte, oder? Es lässt mich so aufdringlich wirken.«

Er lächelt. »Und wie. Meine wunderschöne Freundin will mit mir schlafen. Ich bin total beleidigt.«

Hitze steigt mir in die Wangen. Freundin? Wir sind gerade mal ein paar Wochen zusammen, aber es fühlt sich so richtig an. Ich kenne ihn schon ewig, und trotzdem kann ich es kaum erwarten, die ganzen kleinen Dinge an ihm zu entdecken, von denen ich noch nichts weiß.

»Wirst du gerade rot?«, fragt er und hebt mein Kinn an.

»Du hast ›Freundin‹ gesagt. Bin ich das?«

»Ja, wenn du das möchtest.«

Ich schenke ihm ein kleines Nicken. Seine Hand liegt immer noch an meiner Wange. »Ja. Sehr gern.«

»Dann bist du das.« Er zieht mit dem Daumen einen Kreis zu meinem Kinn. »Du bist aufrichtig, süß und witzig. Du versprühst Magie, Holly. Jeder um dich herum wird davon berührt.«

»Oh«, hauche ich.

»Es könnte sein, dass ich davon regelrecht besessen bin. Von dir.«

»Schon okay. Ich … na ja, es könnte auch sein, dass ich total und wie blöd in dich verliebt bin.«

Er schmunzelt. »Ach ja?«

»M-hm.«

»Na ja«, murmelt er und senkt den Kopf. »Ich bin auch in dich verliebt, kleine Holly Michaelson.«

Ich öffne den Mund, um zu protestieren, aber er verhindert es. Der Kuss ist unendlich süß. Er macht mich schwindlig, so beschwingt, dass ich in diesem riesigen Kuppelgebäude davonfliegen könnte. Ihm geht es also genauso. Das Wissen fühlt sich wie ein Geschenk an.

Adam hebt den Kopf und blickt über die Menschenmenge im Raum.

Die Leute haben angefangen zu zählen. Zehn. Neun. Acht. »Anscheinend habe ich dich zu früh geküsst.« Sieben. Sechs. Fünf.

Ich greife in die Aufschläge seines Jacketts. »Schon okay. Du kannst mich ja noch mal küssen.«

Vier. Drei. Zwei.

»Gott sei Dank«, murmelt er und drückt seine Lippen auf meinen Mund.

Eins. Null.

Um uns herum explodiert ein Feuerwerk, das den Himmel in leuchtende Farben taucht. Aber ich halte den Mann meiner Träume fest und küsse ihn genauso leidenschaftlich zurück, wie er mich küsst.

Die Zukunft ist jetzt schon strahlend genug.