Entdecke Strategien, mit denen du alle Resilienzfaktoren stärkst. Tue Dinge für deinen Körper, für die Seele und für deine Beziehungen.
In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist. Da ist was dran. Der Körper kann den Geist nicht immer heilen. Aber alles, was du für deinen Körper tust, hilft auch der Seele. Sie wird stärker, sie kann sich leichter erholen. Darum lohnt es sich, den Körper gut zu behandeln, ihm das zu geben, was er braucht, und ihn manchmal zu verwöhnen – auch wenn dir das vielleicht schwerfällt oder du es nicht gewohnt bist.
Wichtig ist: All das gilt für den normalen Alltag. Wenn du gerade einen Flashback erlebst, dich richtig mies fühlst, weil du getriggert wurdest, wenn du neben dir stehst und panisch oder verzweifelt bist, gilt diese Regel nicht. Dann hat Priorität, dass du wieder zu dir findest, dich beruhigst und dich einfängst. Bereit?
Du bist, was du isst. Das ist eine Binsenweisheit. Wenn du unter einem Trauma leidest, ist auch dein Körper immer wieder hohem Stress ausgesetzt. Er hat also mehr zu tun als der Körper eines Menschen, der keine Traumafolgestörung hat, und er braucht besonders gute Nahrung, damit er weiterhin funktionieren kann. Was gehört dazu?
Für die meisten Funktionen braucht der Körper Protein. Es gehört zu den wichtigsten Baustoffen des Körpers. Wir nehmen es mit der Nahrung auf. Die Bausteine der Proteine sind die Aminosäuren. Viele dieser Aminosäuren kann der Körper nicht selbst herstellen. Man nennt sie deshalb essentielle Aminosäuren. Wir müssen sie mit der Nahrung aufnehmen, damit unsere Körper daraus ganz unterschiedliche Strukturen bauen kann: Muskeln, Zellen des Immunsystems, aber auch Hormone und Neurotransmitter. Das sind die Stoffe, die die Impulse zwischen den Nervenzellen übermitteln und dafür sorgen, dass bestimmte Reaktionen ausgelöst werden. Sie bewirken, dass wir uns beruhigen können, dass wir zufrieden sind, dass wir stolz auf etwas sind, das wir geschafft haben und was uns motiviert, weiterzumachen. Fehlen bestimmte Aminosäuren, kann der Körper auch die daraus bestehenden Stoffe nicht herstellen. Er funktioniert nicht richtig, er läuft sozusagen auf Sparflamme, oder wir werden krank, erleben düstere Stimmungen, oder wir hängen durch und haben keine Energie.
Spezialisierte Labors können aus einer Blutprobe ein Aminogramm herstellen und genau sagen, welche Aminosäuren in ausreichender Menge im Körper vorhanden sind. Das ist die sicherste Methode, zu wissen, wo du vielleicht auffüllen musst. Als Faustformel kannst du auch rechnen: Pro Kilo Körpergewicht solltest du 1,3 g Eiweiß pro Tag aufnehmen. Die Hälfte davon ist idealerweise tierischen Ursprungs. Am ausgewogensten sind alle essentiellen Aminosäuren in Eiern enthalten. Achte dabei auf gute Qualität und wähle Eier von Hühnern aus Biohaltung. Darüber hinaus findest du Proteine in Fisch, Fleisch, Hülsenfrüchten wie Linsen, Kichererbsen oder Bohnen, Pilzen, Sojaprodukten wie Tofu, aber auch in klassischen Milchprodukten. Reichlich Pilze, Hülsenfrüchte und grünes Blattgemüse sind ganz besonders für Veganer wichtig, damit sie ausreichend versorgt sind. Ein hervorragender Lieferant aller Aminosäuren ist übrigens neben Pilzen die Brennnessel. Je natürlicher und vielseitiger deine Ernährung ist, umso besser.
Daneben brauchst du natürlich noch viele andere Vitalstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe. Sekundäre Pflanzenstoffe sind Aroma-, Farb- und Duftstoffe in Pflanzen, Ballasttoffe solche Stoffe, die nicht verdaut werden und wie Füllstoffe wirken. Damit machen sie dem Darm die Verdauung leicht. Am einfachsten deckst du deinen Bedarf, wenn du viel unterschiedliches Gemüse und ein bisschen Obst in deinen Speiseplan einbaust, frisch und saisonal und so vielfarbig wie möglich.
Tolle Möglichkeiten bieten da zum Beispiel frische selbstgemachte Bowls, in die man fast alles hineinmischen kann. Mit einem leckeren Dressing sind sie auch optimal für unterwegs.
Wenn du dann noch verschiedene Nüsse und gute Öle zu dir nimmst, ist deine Ernährung schon fast perfekt.
Wenn du innerlich oft oder dauerhaft stark angespannt bist, könnte dir auch Magnesium fehlen, das du günstig in Form von Magnesiumcitrat (400 mg/Tag) einnehmen kannst. Magnesium ist für den gesamten Zellstoffwechsel notwendig. Es ist auch zum Entspannen und Schlafen nötig. Bei Magnesiummangel sind wir aufgeregt und angespannt. Leider ist der Magnesiumwert im Blut nicht sehr aussagefähig, aber meisten traumatisierten Menschen profitieren davon, Magnesium zu substituieren. Nimmst du zu viel, scheidet der Körper es wieder aus. Du kannst einen Selbstversuch machen. Merkst du nach 4 Wochen nicht den kleinsten Unterschied, setzt du es wieder ab. Dann ist in deiner Ernährung genug davon vorhanden.
Damit dein Blutzuckerspiegel nicht ständig rauf- und runterrauscht, solltest du außerdem kurzkettige Kohlenhydrate meiden. Diese kommen aus Zuckerstoffen und Produkten aus Mehl mit einem hohen Ausmahlungsgrad, also weißem Mehl. Wähle stattdessen Vollkornprodukte. Vielleicht hast du ein Low-Carb-Kochbuch, an dem du dich orientieren kannst. Ein stabiler Blutzuckerspiegel lässt dich ruhiger sein, du drehst nicht so schnell auf und fällst tagsüber seltener in irgendwelche Energielöcher.
Kaffee in kleinen Mengen ist okay, zuckerhaltige Softdrinks und Energydrinks meide. Sie powern dich kurzfristig auf, aber eben nur kurzfristig.
Du hast dich bisher eher suboptimal ernährt? Fang mit einer Mahlzeit am Tag an, die du nach dem neuen Motto zusammenstellst. Nicht alles auf einmal.
Bewegung ist für den Körper nicht nur notwendig. Sie ist auch das beste Mittel gegen Angst und Panik. Das hat damit zu tun, dass körperliche Bewegung dabei hilft, das vegetative Nervensystem, also das unbewusste, zu harmonisieren und aus dem Stress- oder Panikmodus in den Entspannungs- und Regenerationsmodus zu überführen. Dann erleben wir innere Ruhe und Entspannung, wir schlafen besser und sind insgesamt ausgeglichener.
Dafür haben wir eine Faustformel: 4-mal in der Woche 40 Minuten Ausdauer- oder 20 Minuten Krafttraining. Auch Kombinationen sind gut. Gern darf es etwas mehr sein, weniger sollte es aber nicht sein. Denn dann erlebst du zwar unmittelbar nach der Bewegung einen angenehmen Effekt. Das Nervensystem stabilisiert sich aber nicht insgesamt und dauerhaft. Hältst du dich an die Faustformel, tut es das.
Welche Art von Bewegung? Das ist völlig egal. Im Ausdauerbereich kannst du walken, joggen, mit dem Rad fahren, schwimmen, Inliner oder Ski fahren, du kannst Zumba machen oder Tango tanzen oder in den Bergen wandern. Krafttraining kannst du klassisch im Fitnessstudio machen, aber auch ein Workout mit einem Online-Coach oder einer App funktioniert gut.
Kombinieren kannst du Ausdauer und Kraft gut beim Kampfsporttraining, zum Beispiel beim Taekwondo oder Judo, aber auch in einem knackigen Yogakurs, der dich gut aus der Puste bringt und deine Muskeln beansprucht.
Entscheidend ist, was dir Spaß macht. Denn dann ist es leichter, motiviert dranzubleiben.
Über Schlaf zu schreiben, ist so eine Sache. Gerade Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen haben mit dem Schlafen ein Problem. Sie kommen nicht gut zur Ruhe, und wenn, dann fühlen sie sich oft nicht wohl. Denn gerade Menschen mit schwerwiegenden Verletzungen werden oft dann unruhig, wenn sie zur Ruhe finden. Was paradox klingt, ist eigentlich logisch: Viele funktionieren tagsüber wunderbar, sind aktiv und abgelenkt. Wenn aber nichts mehr zu tun ist, kommt die innere Anspannung wieder hoch, versteckte Sorgen oder Ängste. Auch darum tun manche Betroffene alles Mögliche, anstatt zu schlafen, obwohl es ihnen gut täte.
Wieder andere Menschen mit posttraumatischen Störungen schlafen sehr viel, manchmal mehr als 10 oder 12 Stunden am Stück. Das kann zu viel sein, sodass sie tagsüber kaum in die Gänge kommen.
Fakt ist: Viele von Trauma betroffenen Menschen schlafen suboptimal. Die Faustformel: 8 Stunden am Tag, wenn du jünger als 25 Jahre bist, mindestens 7 Stunden am Tag für Erwachsene bis zum Alter von etwa 60 Jahren. Danach nimmt das Schlafbedürfnis weiter ab. Eine gesunde Neunzigjährige kommt gut mit 5,5 Stunden Schlaf über die Runden.
Was kannst du tun, um deinen Schlaf zu verbessern, sodass sich der Körper gut erholen kann, du aber nicht im Dauerdämmern bist?
Du solltest dir möglichst regelmäßige Schlafenszeiten angewöhnen. Wenn deine Hauptschlafenszeit nachts ist, gewöhne dir an, spätestens zu einer bestimmten Zeit ins Bett zu gehen, auch wenn du dich noch nicht richtig müde fühlst. Du kannst im Bett lesen oder eine Entspannungsübung machen – aber versuche, auf den Fernseher zu verzichten. Die schnellen Bilder bringen den Schlaf leicht durcheinander, während Lesen beruhigt. Manchmal braucht es eine Weile, bis man sich daran gewöhnt hat. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.
Schau auch, dass du an dem Ort einschläfst, an dem du die restliche Zeit des Schlafs verbringst. Also nicht auf dem Sofa einschlafen und später ins Bett schlurfen. Das Sofa ist da zum Relaxen, das Bett zum Schlafen.
Stell dir einen Wecker für die Zeit, zu der du ins Bett gehen möchtest, und einen für die Zeit, zu der du aufstehen willst. Steh dann auch auf – selbst, wenn du noch nicht fit bist. Du kannst den fehlenden Schlaf bei einem Powernap oder in der nächsten Nacht nachholen.
Nach dem Mittagessen, in der Zeit zwischen 13 und 15 Uhr, ist der Organismus optimal für einen Powernap eingestellt. Du kannst ein klassisches Mittagsschläfchen machen wie unsere Vorfahren und dich dafür ins Bett legen – aber nicht länger als 20 Minuten, damit du nicht in den Tiefschlaf kommst. Alternativ kannst du auch eine Achtsamkeitsmeditation im Sitzen, eine geführte Meditation im Liegen oder für fünf Minuten eine Atemübung durchführen. Der Körper entspannt sich und erholt sich, und du bist besser für die zweite Tageshälfte gewappnet.
Solltest du in Schichten arbeiten, versuche auf die Nachtschicht zu verzichten. Schichtarbeit belastet das Nervensystem und die Hormonuhr. Schon gesunde Menschen haben damit Probleme. Man wird dünnhäutiger – und das ist für dich nicht gut. Wenn irgend möglich, steig also aus der Schichtarbeit so weit aus, dass du dir einen regelmäßigen Schlafrhythmus angewöhnen kannst.
Beobachtest du gelegentlich deine Atmung? Wenn ja, fällt dir vielleicht auf, dass sie manchmal oder dauerhaft flach und schnell ist. Diese Art der Atmung entsteht bei innerer Anspannung und Stress – und sie führt zu weiterer innerer Anspannung und weiterem Stress und zu Muskelverspannungen.
Achte im Alltag immer wieder bewusst und absichtlich darauf, ein paar tiefe Atemzüge zu nehmen, die ganz weit unten in deinem Bauch ankommen. Atme dabei am besten durch die Nase ein. Ausatmen kannst du durch den Mund, wenn das angenehmer für dich ist, oder auch durch die Nase. Außerdem kannst du die Atemübung aus dem Notfallkoffer auch immer wieder in deinem Alltag einsetzen, wenn gar kein Notfall vorliegt. Sie tut gut und entspannt, und je öfter du deinen Atem in Ruhe steuerst, umso mehr gewöhnt sich der Körper daran und kann es wieder von selbst tun.
Eine entspannte Muskulatur führt zu einem entspannten Geist. Dies gilt auch umgekehrt: In einem entspannten Körper gibt es keine innere Anspannung. Das heißt: Alles, was du tust, um deinem Körper beim Entspannen zu helfen, hilft auch direkt und unmittelbar deiner Psyche und macht dich ruhig.
Dass Sport und aktive Bewegung ein guter Weg sind, haben wir weiter oben schon gesehen. Auch Massagen sind hilfreich. Wenn du es angenehm findest, massiert zu werden, gönne dir ruhig regelmäßig eine Massage bei jemandem, dem du vertraust. Auch Fußmassagen können entspannend wirken. Wenn du nicht gern von jemand anderem angefasst wirst, kannst du ein Gerät für die Selbstmassage nutzen, das ebenfalls einen tiefen Effekt haben kann. Es gibt inzwischen viele Geräte zur Faszien-Selbstmassage, die den gesamten Körper lockern und entspannen. Auch eine Faszienrolle leistet gute Dienste. Und natürlich ein Bad in duftendem warmen Wasser oder der Besuch einer Sauna, wenn du das magst.
In diesem Abschnitt findest du viele Instrumente – ich nenne sie Hacks – die deine Psyche stärken. Sie sind nicht wichtiger oder unwichtiger als die Hacks für den Körper. Sie ergänzen sie. Fang mit dem an, der dir am leichtesten fällt. Du weißt ja: Jeder Schritt ist wichtig und hilft, egal wie klein er ist!
Wer unter einem Trauma leidet, ist oft nicht ganz in der aktuellen Realität. Gerade das im Hier uns Jetzt sein aber gibt im Alltag Stabilität und hilft dabei, zu dem Schweren, das man mit sicher herumträgt, einen Ausgleich zu schaffen. Man fühlt sich dann leicht, friedlich und lebendig.
Damit du das immer öfter erlebst, kannst du das Ankommen im realen Hier und Jetzt, wo ja in der Regel vieles gut ist, täglich üben. Du findest im Kapitel über den ▶ Notfallkoffer die Wahrnehmungsübung, die dich ins Hier und Jetzt holt. Wenn du sie täglich nutzt, auch wenn es dir gut geht und du stabil bist, wird sie dich immer zuverlässiger auch aus schwierigen Zuständen herausholen.
Die Faustregel: Übe sie zehnmal täglich. Die Übung ist ganz kurz, und nach ein paar Tagen brauchst du nicht mehr als 30 Sekunden dafür. Hilfreich ist ein Handyton, der dich einmal in der Stunde daran erinnert. Dann kannst du kurz innehalten und dich mit der Übung ins reale Hier und Jetzt zurückbeamen. Nach und nach automatisiert sich die Übung und wirkt fast augenblicklich.
Es mag paradox klingen: Während wir uns nach Sicherheit und Verlässlichkeit sehnen, nach einer Umgebung, in der alles vertraut ist, stärkt das genaue Gegenteil auch. Entscheidend für die psychische Stabilität ist eine gute Balance von Bekanntem und Neuem.
Wenn wir uns vorstellen, dass jeder Mensch eine Komfortzone hat, in der er sich am liebsten aufhält, wird das leichter verständlich. Die Komfortzone ist nämlich nicht etwa das, was uns ein gutes Gefühl gibt. Es ist das, was wir kennen. Dahin strebt jeder Mensch, egal ob die Komfortzone gut oder schlecht für ihn ist, gesund oder ungesund.
Wenn du dich mit neuen Dingen beschäftigst, verlässt du deine Komfortzone. Während du dieses Buch liest, ist deine Komfortzone noch durch dein Trauma geprägt. Gesundwerden findet überwiegend außerhalb deiner Komfortzone statt.
Was kann dieses Neue sein? Du könntest mit dem Rad zur Arbeit fahren, wenn du bisher das Auto genommen hast. Du könntest eine neue Sprache lernen, dir ein neues Hobby zulegen, allein oder mit anderen. Du könntest über dich sprechen, wenn du es bisher nicht getan hast, oder es nicht mehr so oft tun, wenn du es bisher ständig getan hast. Du könntest damit anfangen, dich in irgendein Thema zu vertiefen, das dich interessiert. Du magst Fußball? Mach dich schlau über Spieler und Vereine, lies Chroniken und aktuelle Berichte. Du magst es, kreativ zu sein? Lerne Nähen oder Töpfern, richte ein Zimmer in deiner Wohnung komplett neu ein, schreibe Geschichten oder Gedichte oder Tagebuch oder lerne Bildbearbeitung am Computer. Du kannst auch etwas ganz Neues erschaffen: zum Beispiel einen Verein gründen oder eine Arbeitsgruppe bilden, mit der du gemeinsam etwas auf den Weg bringst, das dir wichtig ist.
Das Hirn liebt Beschäftigung. Sicher beschäftigst du dich viel – aber bestimmt nicht immer auf die optimale Weise. Lerne etwas Neues! Das aktiviert nicht nur die Neuronen – es macht auch stolz! Etwas Neues zu können, stärkt dein Selbst. Du merkst dabei, dass du kompetent bist.
Es ist völlig egal, was du lernst. Reifen wechseln, ein neues Computerprogramm, Chemie verstehen, ein Instrument spielen, deinen Kindern die Haare selbst schneiden, kochen oder etwas reparieren: Lernen ist Balsam für den Geist!
Leider, leider, leider – unser Medienkonsum tut uns nicht gut. Er mag kurzfristig ablenken und damit ein gutes Gefühl oder zumindest überhaupt kein Gefühl geben – aber er ist ungesund, weil er unlebendig ist. Spaß aus zweiter Hand, Ablenkung und Verdrängung, während das echte Leben an dir vorbeizieht. TV, Netflix und Instagram sind die kleinen Süchte, die uns ein intensives Leben vorgaukeln. Du zahlst dafür aber einen hohen Preis. Medienkonsum löst im Gehirn oft Stress aus und belastet zusätzlich. Außerdem stielt er dir die Zeit, die du brauchst, um wirklich Stärkendes zu tun.
Faustregel: maximal eine Stunde täglich, insgesamt. Überlege also, ob du lieber auf Instagram gehen möchtest oder eine Folge deiner Lieblingsserie anschauen willst. Lass das Handy mal am Sonntag zuhause. Lass den Fernseher aus und lies stattdessen ein Buch. Jede Stunde, die du nicht mehr an die elektronischen Medien verschenkst, ist eine Stunde, die du für dich und deine Heilung verwenden kannst – also für etwas, das dir wirklich guttut.
Du erlebst sicher immer wieder unangenehme Gefühle. Dankbarkeit kann dabei helfen, die andere Waagschale zu füllen. Ich mag eine Übung ganz besonders: das Diamantensammeln. Dafür schreibst du jeden Abend sechs Dinge auf, die den Tag wertvoll gemacht haben. Und zwar jeden Tag, auch an schlechten Tagen. Genau sechs, nicht mehr und nicht weniger. Das können Momente sein, in denen du dich gut gefühlt hast, egal, warum. Etwas, wozu du dich überwunden hast und was schwer war. Ein kleiner Erfolg. Ein Moment, in dem du jemand anderem geholfen oder eine Freude gemacht hast. Oder etwas, das jemand anderes für dich getan hat. Es kann auch ein Glück im Unglück gewesen sein oder dass du dich, als es dir schlecht ging, wieder herausgearbeitet hast.
Ich schreibe mir meine Diamanten abends in ein kleines Heft. Es tut gut, sie immer wieder anzuschauen und zu merken: Es gibt viel Wertvolles und Schönes, jeden Tag.
Ich bin sicher: Es gibt oder gab schon Dinge, die dir Freude gemacht haben. Der berühmte Arzt Dr. Carl Simonton sagte einmal: Wer nicht täglich eine Stunde Spaß hat, wird krank. Und wer täglich eine Stunde Spaß hat, wird gesund.
Vielleicht hast du gerade an wenigen Dingen Spaß. Das macht nichts. Fang damit an, alles aufzuschreiben, was du irgendwann mal gern getan hast oder was dir Genuss bereitet hat oder bereitet. Schreib eine Liste mit mindestens 40 verschiedenen Punkten! Ja, ich weiß, das ist viel. Aber es geht. Jeder Mensch hat eigene Vorlieben, jedem tut etwas anderes gut. Schneebälle werfen. In den Sternenhimmel blicken. Eis essen. Mit einem lieben Menschen telefonieren. Skat spielen. Sport treiben oder dabei zuschauen. Eine Reise machen. Laut Musik hören. Walderdbeeren pflücken und gleich aufessen. Eine Katze streicheln. Motorrad fahren. Etwas basteln. Die Kopfmassage beim Friseur. Puzzeln. Und wenn du wirklich nicht auf 40 Aktivitäten kommst, überlege, was dir Spaß gemacht hast, als du klein warst. Oder was du genießen könntest, wenn du es tätest. Auf einem Segelboot über den Ozean reisen? Klavier spielen? Egal, was es ist: Schreib alles auf. Und dann baue diese Aktivitäten für eine Stunde täglich in dein Leben ein. Am Stück, in kleinen Einheiten, ganz egal. Du wirst sehen: Du wirst dich nach und nach besser fühlen und wirst das ein oder andere davon schon bald genießen.
Die Natur ist ein wunderbarer Heiler. Sie hilft uns, bei uns selbst anzukommen, sie beruhigt und lässt uns oft ganz unerwartet innere Ruhe und Frieden spüren.
Wenn du in die Natur gehst, nimm nichts mit, was dich ablenken kann. Keine Musik auf den Ohren, kein Handy in der Tasche. Geh in den Wald, auf einen Berg oder an einen Fluss oder ans Meer und nimm dir Zeit. Drei oder vier Stunden reichen, damit du dich nach und nach in den Rhythmus der Natur einschwingst und dich plötzlich geborgen und sicher fühlst. Die Natur entschleunigt und harmonisiert das Nervensystem. Intensives Grün im Wald, das Zwitschern von Vögeln oder intensive Weite geben der Seele Frieden. Egal, wie verletzt sie ist.
Was sind die wichtigsten Faktoren dafür, lange gesund zu bleiben und gesund alt zu werden? Zum einen sollte man natürlich auf ungesunde Angewohnheiten verzichten, nicht rauchen oder zu viel Alkohol trinken. Aber noch wichtiger sind menschliche Beziehungen. Menschen, die viele Kontakte haben, auch oberflächliche, die über den Tag hinweg mit vielen verschiedenen Leuten sprechen, sind gesünder und stärker als solche, die überwiegend allein sind. Wenn wir die Alten auf den Plätzen in Südfrankreich sehen, die Boule spielen, über dieses und jenes reden, einen Plausch mit dem Briefträger halten, mit dem Wirt und der Kellnerin quatschen und mit den Touristen, die am Nachmittag vorbeikommen – sie tun damit etwas Wichtiges für ihre Gesundheit und für ihre seelische Stabilität. Zugegeben: In unseren Breiten sind viele Menschen verschlossener und es ist nicht immer leicht, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Dennoch geht es besser, als man glaubt, wenn man es einfach mal macht.
Wie erreichst du das? Indem du einen Menschen nach dem Weg fragst, anstatt das Navi zu benutzen; jemandem ein Kompliment machst, jemandem dankst, der freundlich ist, zum Beispiel der Bäckereifachverkäuferin. Du kannst den Aushilfsbriefträger fragen, wie lange er die Post zustellen wird oder was er sonst macht. Oder jemanden auf der Straße grüßen, den du nicht kennst. Oder du stellst deinen Kollegen auf der Arbeit Fragen: Warum arbeiten sie in ihrem Beruf, wo leben sie, haben sie Kinder? Du wirst sehen: Viele Menschen werden schon nach kurzer Zeit auftauen und dir gegenüber offen und freundlich werden. Das tut unglaublich gut.
Daneben spielen die nahen Beziehungen eine wichtige Rolle für die psychische Stabilität. Wer steht dir nah und wie gehen diese Menschen mit dir um? Wen sehen sie in dir, was denken sie über dich? Vertrauen sie dir, glauben sie an deine Stärke, lieben sie dich oder sehen sie dich als Problemfall, als Opfer, als schwach und hilfsbedürftig?
Die Menschen, die dir am nächsten sind, bestimmten dein Selbstbild zu einem großen Teil. Wer wie ein Problemfall behandelt wird, mit Vorsicht und Rücksicht, fühlt sich bald auch als Problemfall. Wem etwas zugetraut wird, der traut sich auch selbst mehr zu.
Mach den Check: Sehen die Menschen, mit denen du die meiste Zeit verbringst, deine Freunde, dein nächster Mensch, etwas Gutes und Schönes in dir oder nicht? Und wie behandeln dich diese Menschen? Wertschätzend und unterstützend, auf Augenhöhe oder nicht? Sind sie für dich da oder nutzen sie dich aus? Erlauben sie dir, sowohl stark als auch schwach zu sein? Schauen sie liebevoll auf deine Schwächen, anstatt sie auszunutzen oder sie dir vorzuwerfen?
Es lohnt sich, die Nähe von Menschen zu suchen, die bereit sind, das Starke, Schöne und Gute in dir zu sehen und dich so zu schätzen, wie du bist. Menschen, die offen dafür sind, dass du wächst und dich veränderst und gesünder wirst. Menschen, die sich das für dich wünschen.
Gerade wenn du durch andere Menschen traumatisiert wurdest, hast du vielleicht bisher dazu geneigt, dich schlecht behandeln zu lassen, den falschen Menschen zu vertrauen, oder du hast dich vor nahen Beziehungen geschützt und warst schnell auf der Flucht, wenn es schwierig wurde. Es ist nicht leicht, das von einem Tag auf den anderen zu verändern. Auch Beziehungen finden in Komfortzonen statt. Wir fühlen uns in der Regel unsicher, wenn wir etwas erleben, was wir nicht kennen – selbst wenn es etwas Gutes ist. Schau dich in deinem Umfeld um. Wer sind die Menschen, die wirklich wertschätzend sind, die gut mit dir umgehen? Und wie kannst du etwas mehr Zeit mit ihnen verbringen?
Gleichzeitig ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Heilung, dass du dich von Menschen, die dich traumatisiert haben, distanzierst. Denn sie können dich jederzeit erneut triggern, und die Nähe zu ihnen tröstet nicht, sondern verstärkt die alten Verletzungen und kann retraumatisieren. Solche Menschen sind im wahrsten Sinn des Wortes toxisch für dich. Beende toxische Beziehungen konsequent und möglichst sofort. Und sorge dafür, dass dich Täter oder Menschen, die dich ausnutzen, nicht mehr erreichen, auch nicht digital.
Wenn du schwere Traumata mit dir herumträgst, kann es sinnvoll sein, an einen Ort zu ziehen, der nicht vorbelastet ist. In der alten Umgebung wimmelt es von Triggern, und woanders fühlt man sich oft automatisch besser. Man kann neu anfangen. Wenn es einen Ort gibt, an dem du dich besonders wohl und gesund fühlst, dann schau, ob du dort leben kannst.
Du wirst in deinem Alltag sicher immer wieder erleben, dass Erinnerungen auftauchen an das, was du erlebt hast. Das müssen nicht immer Flashbacks sein. Sicher wärst du diese Erinnerungen gern los. Noch besser nutzt du sie, indem du sie in ein kleines Schreibheft notierst. Dort zeichnest du auf, was immer wieder eine Rolle spielt in deinen Gefühlen, deinem Verhalten oder deinen Entscheidungen. Wenn du eine Therapie machst, helfen sie zu verstehen, wo die Therapie ansetzen kann, um das Trauma aufzulösen.