Oda

Jan taucht unter, sie schreit ihr Entsetzen raus, ihre Angst, den Unglauben, warum er das tut. Ein Bein nach dem anderen schiebt gegen den Widerstand des Wassers, das schwer ist, gefroren, wie Stein. Sie schreit, die Schmerzen sind irrsinnig, als ob sich ihr Fleisch abschält. Erreicht ihn, als ihre Beine nachgeben und sie sich auf den Knien wiederfindet. Streckt die Hände aus, muss ihn zu fassen kriegen, muss, muss, muss!

Stoff schneidet durch ihre Handflächen. Dann ist er wieder weg. Sie beugt sich nach vorn, wird von einer Welle zurückgeworfen, kommt irgendwie auf die Füße. Schiebt sich erneut voran, hasst, dass sie so langsam ist, so schwach! Doch da, sie kommt ihm nahe! Gibt alles. Jans Hinterkopf taucht auf, ihre Hände rudern hin. Packen das dichte Haar, ziehen ihn zu sich heran, heben sein Gesicht aus dem Wasser, das weiß ist und leblos, sie weiß nicht, wohin mit sich vor Angst.

Es ist nicht tief hier, sie kann stehen. Legt sich nach hinten, strauchelt rückwärts. Wie anstrengend das ist! Hält sein Gesicht hoch, hält und hält ihren Jungen, der doch leben muss! Zerbirst in der Kälte, und es ist ihr egal, nur Jan ist wichtig. Er muss raus, nur raus hier, an Land!

Sie ist fast starr vor Kälte, als jemand ihren Pullover packt, sie an den Achseln rauszieht. Ihre dünnen Sachen zerschrammen im gefrorenen Sand, sie spürt etwas Warmes an den Beinen. Blut?

Sie kommt irgendwie auf alle viere, hustet, sieht ihr Kind, ihr geliebtes Kind vor sich liegen.

Eine Frau hockt über ihm und trommelt auf seine Brust ein, schreit viele Dinge. Seine Frau Gesa?

Ein paar Brocken fallen aus Odas Mund. »Er … er kann nicht …? Er wollte doch nicht …« Lieber Gott.

Gesa dreht ihn auf die Seite, klopft seinen Rücken, greift ihm in den Mund. Schreckliche Laute dringen an ihr Ohr: ein Würgen, sein Gurgeln nach Luft, nach Leben.

Die Frau fällt über Jan her, hüllt ihn in ihre Umklammerung. »Ich werde dich vierteilen«, schreit sie. Ihr Lachen ist irr. Sie nimmt das Telefon zur Hand, gibt einen Notruf durch, hellste Not in der Stimme, Liebe. Solche, die Brände legen kann. Ja, das ist Gesa, Oda hat ihre Stimme erkannt.

Oda packt ihren Arm, als sie das Telefon fallen lässt.

»Ich bin schuld, dass er … oh, ich bin schuld! Mein Kind, mein …«

Gesa entreißt ihr den Arm. »Hilf mir!« Sie versucht, Jan auf die Seite zu drehen, bedeutet ihr, mitzumachen. Oda kriecht halb unter ihn. Jan erbricht Wasser und weißen Schaum. »Gott sei Dank, oh, Gott sei Dank!«, ruft Gesa, lacht, weint, küsst sein Gesicht.

Ein Stöhnen bricht aus ihm heraus.

Gesa rupft sich den Mantel vom Leib, legt ihn um Jan. »Wach bleiben, Jan, wir sind da. Deine Mutter und ich, und du wirst schön bei uns bleiben, verstanden?«

Oda wendet die letzten Kräfte auf, um Jan zu stützen. Holt alles aus sich raus.

Zwei Männer kommen gerannt. Gesa ruft ihnen entgegen, ordnet an, kommandiert.

Jan schließt die Augen, während Gesa rubbelt, klopft, auf ihn einredet, Flüche ausstößt.

Oda hat nur einen einzigen Gedanken. Mein Leben für seins.