Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, in der sie fast minütlich auf die leuchtenden Ziffern von Fionas Wecker sah, bevor Gwen endlich einschlief. Zu viele Dinge spukten gleichzeitig durch ihren Kopf, die alle nur ein Thema hatten: Cairan. Deshalb war es nicht weiter verwunderlich, dass er sich auch in ihre Träume schlich.
Diesmal befand sie sich nicht in einer menschenüberfüllten Halle, sondern anscheinend in einem Garten. Fahles Mondlicht fiel auf Bäume, Sträucher und Hecken, während sie zielgerichtet an ihnen vorbeirannte. Sie wusste nicht genau, wohin sie laufen wollte, aber etwas in ihrem Innern trieb sie ständig vorwärts. Eine sanfte, kühle Brise wehte vom Meer her ins Landesinnere, sodass sie die salzhaltige Luft riechen konnte. Gwen hielt einen Augenblick inne. Merkwürdig, dass sie sie in ihrem Traum sogar riechen konnte! Traum? Verdammt! Wie kam sie jetzt darauf, dass sie schlief und dies alles hier nur träumte?
Die Brise frischte ein wenig auf, sodass sie leicht zu zittern begann. Instinktiv schlang sie ihren Umhang enger um ihren Körper. Wie? Umhang?
Gwen sah an sich hinunter. Sie trug erneut eine Gewandung aus einer völlig anderen Zeit. Wenn sie schätzen müsste, dann vielleicht aus dem 15. oder 16. Jahrhundert. Was war das hier? Ihre Art, mit der Tatsache umzugehen, dass im Nebenraum ein 500 Jahre alter Mann lag? Nein!, beantwortete sie sich selbst ihre Frage. Dies war keine bloße Selbsttäuschung, sondern allem Anschein nach wieder so eine merkwürdige Vision, in der sie die Geschehnisse aus ihrer jetzigen Sicht beobachte.
Wie? Jetzige Sicht? Dann waren es vielleicht gar keine Träume, sondern Erinnerungen? Hatte Larna eventuell recht? Waren dies alles Erinnerungen an ein Leben, dass ...
Erschrocken sah sie sich um, dabei wanderte ihr Blick in die Richtung, aus der sie gekommen war. Hinter ihr befand sich eine große, durch die Nacht und das Mondlicht düster und unheimlich wirkende Burg. Erstaunlicherweise wusste sie sofort, um welche es sich dabei handelte, obwohl sie inzwischen völlig anders aussah: Dunvegan Castle.
Was trieb sie mitten in der Nacht in den Gärten des Schlosses ihrer Vorfahren? Wenn sie bei ihrer ersten Traumreise bereits bedrängt worden war, was erwartete sie dann jetzt? Ein Hexenprozess oder ein heimtückischer Mord?
Gwen bekam es mit der Angst zu tun. Egal, was es auch war, sie wollte es gar nicht wissen. Deshalb versuchte sie verzweifelt, ihr wirkliches ich zum Erwachen zu bewegen, aber es gelang ihr nicht.
Anscheinend steckte sie in dieser Vision fest. Vielleicht, weil sie etwas darin entdecken sollte? Wie dem auch sein, um es zu erfahren, blieb ihr nur eine Möglichkeit: Sie musste sich auf den Traum einlassen und darauf hoffen, dass er nicht allzu schrecklich endete.
Als ihr das bewusst wurde, atmete sie noch einmal tief durch, wandte sich dann von Dunvegan ab und setzte ihren Weg fort. Ihre Füße trugen sie immer näher in Richtung Küste, bis sie die Ufer des Loch Dunvegan erreichte. Dort hielt sie inne. Der Mond spiegelte sich in dem dunklen Gewässer und sie konnte das leise Rauschen der Wellen hören, dabei spielte der Wind mit ihrem offenen Haar. Alles schien so friedlich.
Plötzlich jedoch spürt sie, wie eine Hand sich sanft auf ihre Schulter legte. Gwen erschrak. War das etwa dieser William, der sie erneut küssen wollte? Doch wieso hüpfte ihr Herz mit einem Mal vor Freude? Sie spürte, wie die Gwen in ihrem Traum nun lächelte, dann drehte sie sich langsam zu der Person um, die sie berührte.
»Cairan!, hörte sie sich flüstern.
»Caileigh! Ich hatte schon befürchtet, dass du nicht kommen würdest.«
Das Bild fror ein, wie bei einem Film, den man mit der Pausetaste anhalten konnte. Nur ihre Gedanken bewegten sich weiter.
Caileigh?, schoss es ihr gleichzeitig durch den Kopf. Er nannte sie Caileigh? Woher kannte er ihren Zweitnamen, den sie nicht einmal Cat verraten hatte, und warum hatte sie sofort gewusst, dass nur er es sein konnte? Außerdem, wie war es möglich, dass das Bild plötzlich gefror? Sie hatte schon unzählige Male geträumt. Immer waren diese Träume wie Filme vor ihrem inneren Auge abgelaufen. In ihrer Kindheit waren es oft die Dinge gewesen, die sie am selben Tag oder kurz zuvor erlebt hatte. Dann, nach dem Unfall, immer wieder ihr Absturz und die Angst, die er mit sich gebracht hatte. In der ersten Zeit war es ganz schlimm gewesen, dann jedoch waren die Geschehnisse in ihrem Kopf langsam verblasst und mit ihnen auch die dazugehörigen Träume. Und später natürlich von Gordon. All die Gemeinheiten, die er sich einfallen lassen hatte. Immer und immer wieder, selbst heute noch. Wie gerne hätte sie diese Träume willentlich unterbrochen, eingefroren, abgeschaltet. Doch das hatte sie nie gekonnt. Sie waren stur in ihrem Innern abgelaufen, bis sie schließlich vom bitteren Ende schweißgebadet erwacht war. Aber dieser hier war anders, genau wie der in Larnas Pension. Vielleicht war das ja ein Zeichen. Wenn sie nicht so viel grübelte und sich einfach vorbehaltlos darauf einließe, dann ... Und was, wenn er noch schrecklicher endete, als all die anderen? Sie würde es niemals erfahren, wenn sie ihn nicht langsam zuließ. Dementsprechend ...
Gwen atmete erneut einmal tief durch. Gleichzeitig atmete auch die Gwen, bzw. Caileigh in ihrem Traum und das Bild bewegte sich wieder.
»Cairan, du weißt, dass ich dich niemals enttäuschen würde, aber wir müssen vorsichtiger sein.« er nickte.
»Ich weiß. Außerdem muss ich bald abreisen. Donald denkt zwar immer noch, dass ich gerade auf den kleinen Inseln nach dem Rechten sehe, aber lange wird es mit Sicherheit nicht mehr dauern, bis die Wahrheit ans Licht kommt.« Das Mädchen in ihrem Traum nickte und Gwen spürte, wie sich Tränen in ihren Augen bildeten.
»Dann willst du mich also verlassen?«
»Von Wollen war nie die Rede. Caileigh, ich muss. Ich bin einer von Donalds Beratern. Er verlässt sich auf mich. Und da das Treffen der Lairds für deinen Onkel nicht gerade so ausgegangen ist, wie er es sich erhofft hatte, besteht die Gefahr, dass Donald in Gefahr schwebt. Ich wäre kein guter Gefolgsmann, wenn ich ihn in dieser Lage allein lassen würde. Du weißt, dass ich ihm einiges zu verdanken habe.« Caileigh nickte.
»Dann nimm mich mit!«, flüsterte sie unter Tränen. Cairan hielt einen Moment kurz inne, dann trat er näher an sie heran, schlang seine Arme um sie und drückte ihren Kopf gegen seine Brust. Der Geruch von Heidekraut, Feuer und Moor, vermischt mit einem Hauch von Moschus drang in ihre Nase und sie seufzte leise. Er roch so faszinierend männlich. Genauso musste ein Mann riechen. Seine Wärme hüllte sie ein wie ein schützender Umhang. In seinen Armen fühlte sie sich so sicher wie nirgendwo sonst auf dieser Welt.
»Nicht weinen«, flüsterte er in ihr Haar. »Ich ertrage es nicht, wenn du weinst.« Sie schmiegte sich noch enger an ihn. Doch genauso schnell wie er sie an sich gedrückt hatte, ließ er sie auch wieder los. Zurück blieb eine seltsame Leere und das Gefühl etwas verloren zu haben, das ganz allein ihr gehörte.
»Caileigh, sei doch vernünftig. Ich kann dich noch nicht mitnehmen. Wer bin ich, dass ich das von dir verlangen könnte?«
»Du verlangst es ja nicht, sondern ich folge dir freiwillig«, entgegnete sie ihm trotzig. Cairan nickte.
»Aye! Jetzt ... Aber ... Versteh doch! Ich habe dir nichts zu bieten. Weißt du noch, was William bei unserer ersten Begegnung gesagt hat?« Er wartete nicht darauf, dass sie die Frage beantwortete, sondern fuhr direkt fort. »Er hat mich einen Emporkömmling genannt und er hat recht. Mein Vater war ein einfacher Pächter. Ich habe in meiner Kindheit auf der Isle of Eigg die Schafe gehütet und dabei die Phìob gespielt. Nur weil ich begnadeter als andere war, ist Donald überhaupt auf mich aufmerksam geworden. Als er mich in seinen Dienst genommen hat, war ich einer unter vielen. Niemand schenkte mir Beachtung, bis zu jenem schicksalsreichen Tag auf dem Schlachtfeld, an dem ich Donald das Leben rettete. Doch auch wenn ich jetzt mit Achtungsbezeugungen und Reichtum überhäuft werde, so bleibe ich doch immer der Sohn des einfachen Bauern, der deiner nicht würdig ist.«
»Cairan, nein! Du schätzt dich selbst geringer, als du es bist.«
»Meinst du? Ich sehe das ein wenig anders. Dein Vetter und dein Onkel mit Sicherheit auch. Caileigh du bist die Nichte eines der bedeutendsten Lairds unserer Zeit. Das Schicksal sieht nicht vor, das du einen Bauernsohn heiratest, sondern keinen Geringeren als ebenfalls einen Laird. Wer bin ich, dass ich mir erlauben würde, dieses Schicksal anzuzweifeln?«
»Du liebst mich doch!« Er nickte.
»Aye! Mehr als mein Leben und genau deshalb muss ich dich verlassen.« In ihr stieg Wut auf.
»Cairan MacDonald!«, schrie sie ihn an. »Ich hätte dich niemals für einen solchen Feigling gehalten.«
»Ich bin kein Feigling. Ich bin nur kein Träumer. Aye, in meinen Träumen gibt es eine Welt, die es mir ermöglicht, mit dir zusammen zu sein, doch im Hier und Jetzt wird es sie niemals geben.« Erneut brach sie in Tränen aus.
»Warum hast du dich dann all die Zeit überhaupt mit mir getroffen, wenn du der Meinung bist, dass es niemals ein Uns geben wird. Cairan, ich liebe dich. Mir ist egal, ob du ein einfacher Bauer oder der König selbst bist. Ich will mit dir zusammen sein. Nur mit dir!«
»Ach Caileigh! Du machst es mir so schwer. Du machst es dir selbst so schwer!« Cairan zog sie zurück in seine Arme. Doch diesmal drückte er ihren Kopf nicht gegen seine breite Brust, sondern hob ihn leicht an und beugte sich dann zu ihr hinunter, dabei sah er ihr tief in die Augen. Selbst im fahlen Mondlicht schimmerten seine wie leuchtende Saphire. In ihrem Innern tobte es. Obwohl sie zutiefst enttäuscht und gekränkt war, raubte sein Blick ihr den Atem. Seine sanften Berührungen brachten ihre Wangen zum Glühen und ihren Herzschlag zum Rasen. Wenn er sie jetzt küsste ...
Doch der Gedanke an das »Wenn« war völlig unnötig. Cairan lächelte sie einen Augenblick vielsagend an, dann berührte er leicht mit seinen Lippen die Ihren. Das war genau der Moment, auf den die Caileigh in ihrem Traum gewartet hatte. Sie schmiegte sich noch näher an ihn und erwiderte seinen Kuss. Nicht nur das. Sie hing förmlich an seinen Lippen, während sie ihre Arme um seinen Hals schlang und ihn auf diese Weise noch näher an sich heran zog. Cairan vertiefte den Kuss, was ihr einen leisen Seufzer entlockte. Er, anscheinend davon angespornt, versuchte, mit seiner Zunge ihre Lippen zu öffnen, so als würde er Einlass erbeten und sie gewährte ihm diesen nur allzu gerne. Ihre Zungen tanzten den wildesten Tanz, den sie je erlebt hatte. Ihr wurde heiß und gleichzeitig kalt. Sie fühlte sich schwach und dennoch stark. Es war eine Achterbahn der Gefühle, die sie so noch niemals erlebt hatte. Sie vergaß, wer sie war, was sie war und wo sie sich gerade befand. In diesem Moment war alles andere unwichtig. Es zählten nur noch sie beide. Und wenn es nach ihr ginge, dann würde es auch bis in alle Ewigkeit so bleiben.
Sie war dermaßen in ihrer eigenen Welt, dass sie die fremden Männerstimmen erst hörte, als raue Hände von hinten nach ihr griffen und sie gewaltsam von Cairan trennten. Gleichzeitig sah sie, wie sich gleich mehrere Männer auf ihn stürzten und ihn auf diese Weise niederzuringen versuchten. Caileigh schrie entsetzt auf und startete einen Versuch, sich aus dem Griff des Mannes, der sie grob festhielt, zu befreien, doch es gelang ihr nicht. Vollkommen entsetzt musste sie mit ansehen, wie die Männer wild auf Cairan einprügelten, der sich trotz seiner aussichtslosen Lage wie ein Berserker zur Wehr setzte.
Warum zum Teufel hatte er auch sein Claymore nicht mitgenommen?, schoss es ihr durch den Kopf, aber das hatte er bei ihren heimlichen Treffen noch niemals getan. Vielleicht weil sie beide sich viel zu sicher waren, dass man sie nie und nimmer entdecken würde. Ein schwerwiegender Fehler, den sie nun bezahlen mussten.
Mitten in dem Handgemenge sah sie plötzlich etwas Metallisches im Mondlicht aufblitzen. Ein Sgiann Dubh! Erneut schrie sie auf.
»Cairan!« Die Hand auf ihrer Schulter verstärkte ihren Griff und zog sie noch ein wenig mehr zurück, sodass sie unsanft gegen einen Körper gedrückt wurde. Dann legte sich ein Arm so fest um ihre Taille, dass sie kaum noch Luft bekam. Zeitgleich schob sich eine Hand brutal über ihren Mund und presste ihren Kopf ebenfalls an den Körper.
»Wenn ich noch einen Laut aus deinem Mund höre, Base, dann bringen wir es direkt hier zu Ende. Du hast die Wahl! Leben oder Sterben? Das Schicksal deines Geliebten liegt in deiner Hand!«, das war eindeutig Williams Stimme, die vor Gehässigkeit nur so triefte. Gwen oder vielmehr Caileigh erschrak. William hasste Cairan seit jenem Abend, als er sie gerettet hatte. Und er war niemand, der ein vermeintliches Unrecht in Bezug auf sich selbst duldete. Sie hätte es wissen müssen, dass er seine Niederlage nicht so schnell vergessen würde und auf Rache sann. Wahrscheinlich hatte er sie die ganze Zeit beobachten lassen. Sie war wie versteinert, als sie diese Erkenntnis wie ein Blitz traf. Cairan und sie hatten sich die ganze Zeit in Sicherheit gewogen, doch William hatte es bereits von Anfang an gewusst und nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, um zuschlagen zu können. Offenkundig waren sie ihr bis hierher gefolgt und sie hatte seine Männer geradewegs zu Cairan geführt. Tränen liefen über ihre Wangen, während sie regungslos auf das Geschehen vor ihren Augen starrte und inständig hoffte, dass er trotz der Übermacht seiner Gegner dennoch entkommen konnte. Doch ihr Hoffen war vergeblich.
Inzwischen hatten mehrere der Männer ihre Sgiann Dubhs gezogen, auch Cairan. Ein paar von ihnen konnte er zwar zurückschlagen, aber mittlerweile kreisten sie ihn ein. Obwohl er sich noch immer wie ein Besessener gegen sie zur Wehr setzte, sanken seine Chancen dadurch erheblich. Als ihm schließlich einer der Männer mit seinem Dolch eine tiefe, klaffende Wunde, aus der das Blut nur so strömte, am Oberarm zufügte und er dadurch seinen Sgiann Dubh fallen ließ, stürzten sich alle anderen gleichzeitig auf ihn und warfen ihn zu Boden, dabei schlugen sie so lange auf ihn ein, bis er sich nicht mehr rührte.
»Lasst ihn am Leben!«, hörte sie daraufhin erneut Williams gehässige Stimme hinter sich sagen. »Er wird seine Strafe noch bekommen. Aber nicht hier und jetzt! Schafft ihn mir aus den Augen!« Die Männer zögerten keinen Moment, den Befehl ihres Herrn auszuführen. Sie zogen den noch immer halb bewusstlosen Cairan auf seine Füße und zerrten ihn dann in Richtung Burg mit sich fort. Sie starrte ihnen solange apathisch hinterher, bis sie nur noch ihre Silhouetten als Schemen in der Dunkelheit sehen konnte.
»Und nun zu Euch, Base!«, William ließ sie so abrupt los, sodass sie leicht ins Straucheln geriet und einen Sturz nur mit Mühe und Not verhindern konnte.
»Hat er Euch geschändet?«
»Ich wüsste nicht, was Euch das angeht!«, presste sie wütend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während sie sich zu ihm umdrehte. William sah sie einen Moment an, dann holte er aus und schlug ihr mit voller Gewalt ins Gesicht. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen.
»Was mich das angeht?«, brüllte er sie an. »Ich versuche bereits seit geraumer Zeit, einen geeigneten Ehemann für Euch zu finden. Allerdings ist beschädigte Ware nicht so leicht zu verkaufen. Wenn er Euch geschändet hat, muss ich per Dekret des Königs oder der Kirche dafür sorgen, dass Eure Jungfernschaft wieder hergestellt wird. Wisst Ihr, was das kostet? Eure Mitgift würde beachtlich schrumpfen und kein halbwegs normaler Mann würde Euch dann noch nehmen. Aber was kann ich auch schon von Einer erwarten, die sich während der Versammlung vor allen Lairds in einem Hurenkleid präsentiert.« William beendete seine Tirade und betrachtete sie eindringlich von oben bis unten, so als könne er durch ihr Gewand erkennen, ob ihre Jungfernschaft noch intakt war.
»Hat er nun bei Euch gelegen oder nicht? Ich kann auch einen Medicus rufen lassen, der es feststellt?« Sie schüttelte ihren Kopf.
»Soll das ›Nein, Ihr müsst den Medicus nicht rufen‹, oder doch eher ›Nein, meine Jungfernschaft ist nicht mehr intakt‹, bedeuten?«
»Nein, wir haben nicht beieinander gelegen.« William sah sie misstrauisch an. Sie konnte nur hoffen, dass er nicht bemerken würde, dass sie ihn schamlos belog, denn ansonsten würden wohl weder sie noch Cairan den nächsten Morgen erleben.
»Das ist gut für Euch«, entgegnete er ihr schließlich, sodass sie erleichtert durchatmete.
»...Aber schlecht für ihn«, ergänzte er noch nach einer Weile. »Wenn Euer ach, so nobler Galan ein richtiger Mann wäre, dann hätte er sich die Freuden, die Ihr im willig dargeboten habt, nicht entsagt und wüsste jetzt ganz genau warum, er sterben wird. So aber, ...
Plötzlich verschwamm das Bild vor ihren Augen und Gwen erwachte schweißgebadet in ihrem Bett. Der Traum hatte sie dermaßen aufgewühlt, dass sie kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Das Einzige, woran sie denken konnte, war Cairan, den sie in Richtung Dunvegan geschleift hatten, und an Caileigh, die von ihrem Vetter unter Druck gesetzt worden war und die ihn schamlos belogen hatte, um sich und Cairan zu retten. Doch, was war mit den beiden danach geschehen? Verdammt!
Warum musste der Traum auch gerade jetzt enden? Hätte er ihr nicht noch ein wenig mehr zeigen können?
Sie kam sich vor wie in einer dieser bescheuerten Fernsehserien, bei der immer im spannendsten Moment eine Folge endete und der Zuschauer bis zur Nächsten warten musste, um zu erfahren, wie die Geschichte weiterging.
Verflucht! Sie musste mehr erfahren! Doch wie? Einfach wieder einzuschlafen, war vermutlich nicht die richtige Lösung, aber die andere, Cairan darauf anzusprechen, war mit Sicherheit auch nicht besser. Er würde garantiert von ihr wissen wollen, woher sie das alles wusste, und was sollte sie ihm dann sagen? Hi, hast du gut geschlafen? Ich nicht so. Ich habe übrigens von deiner Verhaftung geträumt, vielleicht lag es ja daran? Sag mal, wie bist du ihnen lebend entkommen? War das der Moment, an dem Morgane dich in ihr Reich geholt hat? Oder geschah es später? Ach ja, und, bevor ich es vergesse, war diese Caileigh nur deine Geliebte oder verband euch wesentlich mehr? Leider endete mein Traum, bevor ich es erfahren konnte, aber ich sterbe fast vor Neugier!
Gwen schüttelte unbewusst ihren Kopf. Keine gute Idee! Wenn er sie nicht bereits jetzt für verrückt hielt, dann auf alle Fälle danach. Sie musste sich etwas anderes überlegen.
Gwen, streng dich an. Du bist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen, ermahnte sie sich selbst. Und plötzlich kam ihr ein Gedanke, der immer mehr Form annahm. Ein Grinsen erschien auf ihrem Gesicht.
Das war die Lösung! Genauso würde sie es machen. Ihr Blick wanderte unwillkürlich auf Fionas Wecker. Es war noch mitten in der Nacht, was bedeutete, dass sie kaum drei Stunden Schlaf bekommen hatte, obwohl ihr Traum eine Ewigkeit gedauert zu haben schien. Doch es half alles nichts. Um diese Uhrzeit war eine Umsetzung ihres Plans noch vollkommen unmöglich. Da an Schlaf jetzt allerdings nicht mehr zu denken war, stand sie auf, schlich an Cairans Zimmer vorbei die Treppe hinunter, ging in die Küche und setzte Teewasser auf.
Die eisblauen Augen, die sie dabei beobachteten, glühten, als er sich amüsiert abwandte, in Luft auflöste und dabei in Gelächter ausbrach. Das Spiel hatte endlich begonnen und er allein wusste bereits, wie es ausgehen würde.