Gwendoline zog sich Megans Jacke über und öffnete die Haustür, dicht gefolgt von Cairan. Die Idee zu dem Einkaufsbummel war ihr gekommen, als sie gesehen hatte, dass Cairan noch immer Dustens Pullover und Jeans trug. Sie hätte auch Cat fragen können, ob sie ihnen noch ein paar Dinge leihen würde, aber etwas in ihrem Inneren, das sich wie ein Kind aufführte, das gerade einen Streich ausheckte, hatte plötzlich die Oberhand gewonnen, weil es unbedingt sehen wollte, wie er auf ein modernes Einkaufszentrum reagieren würde. Außerdem trug sie ihre Sachen bereits den vierten Tag und langsam kam sie sich selbst wie ein Landstreicher vor.
Sie hätte niemals damit gerechnet, dass er einwilligen würde, sie nach Dunvegan zu begleiten, aber anscheinend hatten ihre Argumente plausibel geklungen. Jetzt allerdings, war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie auch das Richtige tat.
War es nicht eine bodenlose Gemeinheit, zu wissen, dass er in Dunvegan etwas erlebt hatte, was vermutlich nicht zu seinen besten Erinnerungen gehörte und ihn dennoch ... Und das zu einem Zeitpunkt, wo sie sich gerade nicht mehr permanent nur Angifteten? Für Gewissensbisse war es jetzt zu spät. Also: Augen zu und durch!
Cairan folgte Gwendoline, bis sie vor einer merkwürdigen Gerätschaft, die direkt auf dem Weg zu Fionas Haus stand, halt machte. Er schloss darauf, dass es sich um eine Gerätschaft handeln musste, weil es Räder besaß wie ein Karren oder eine Kutsche und zudem Türen und Fenster hatte. Es war offenbar für den Transport von etwas gedacht, doch wie setzte es sich in Bewegung, wenn keine Pferde davor gespannt waren?
Gwendoline öffnete jetzt eine der Türen und setzte sich hinein, dann öffnete sie eine Weitere und forderte ihn auf, sich neben sie zu setzen. Cairan beäugte das Innere des Gefährts misstrauisch. Unmittelbar vor Gwendoline war ein weiteres Rad angebracht. Wozu es allerdings nütze sein sollte, war ihm ein Rätsel. Zudem waren oberhalb dieses Rades ein paar Gegenstände zu sehen, die ihn an einen Kompass erinnerten. Gwendoline, die sah, dass er zögerte, grinste ihn an.
»Keine Angst, es beißt nicht. Das hier nennt man Auto. Es ist vergleichbar mit einer Kutsche. Allerdings ist es wesentlich bequemer und viel schneller.« Da er sich nicht die Blöße geben wollte, ihr zu zeigen, dass er sich nicht ganz wohl dabei fühlte, in dieses Gerät einzusteigen, atmete er einmal tief durch und ließ sich dann auf dem Sitz nieder. Sofort beugte Gwendoline sich über ihn und zog die Tür zu. Dabei stieg ihm ihr Geruch in die Nase.
Cairans Pulsschlag beschleunigte sich. Sie roch nach Heidekraut und Rosen, genau wie Caileigh. Sie sah demnach nicht nur wie sie aus, sondern roch auch nach ihr. Das machte alles nur noch viel schlimmer, denn in dem winzigen geschlossenen Raum, in dem sie sich jetzt so nah nebeneinander befanden, war es unmöglich, sich so weit von ihr zu entfernen, dass er sie nicht mehr roch. Doch jetzt, wo er sich bereits neben sie gesetzt hatte, wollte er auch nicht wieder aussteigen, zumal er noch nicht einmal wusste, wie man die verdammte Tür wieder öffnen konnte.
Gwendoline saß jetzt wieder gerade vor diesem Rad, dabei griff sie zur Seite und zog eine Art Fessel hervor, die sie um sich schlang und neben sich in eine Mulde steckte.
»Schnallst du dich auch bitte an!«, forderte sie ihn daraufhin auf. »Es ist Pflicht und ich möchte ungern Strafe zahlen, wenn sie uns ohne Gurt erwischen.« Während er nun versuchte, das, was er bei ihr gesehen hatte, nachzuahmen, beobachtete Gwendoline ihn wie aus Argusaugen. Es war offensichtlich, dass sie damit rechnete, dass er selbst an einer so banalen Aufgabe wie das Umbinden eines Gurtes scheitern würde, aber dazu würde es niemals kommen. Auch wenn es ungewohnt war, so war es dennoch nicht viel anders als das anlegen eines Waffengurtes. Einen vernünftigen belted Kilt aus einem Plaid zu binden, war da wesentlich komplizierter. Als er es dementsprechend auf Anhieb schaffte, grinste er sie breit an.
»Zwei Fragen, wenn Ihr gestattet?«
»Wenn du gestattest«, berichtigte sie ihn erneut. »Aye! Ich gestatte.«
»Warum fesselt ihr euch, wenn es doch nur ein Gefährt ist und wie bekommt man diesen Gurt wieder auf?« Gwendoline grinste ihn verschmitzt an.
»Wir fesseln uns nicht, sondern gurten uns an, weil es bei einem Zusammenprall mit einem anderen Fahrzeug äußerst gefährlich werden kann und man bekommt ihn wieder auf, indem man auf den roten Knopf drückt. Jetzt aber genug geredet. Wir sollten wirklich langsam losfahren, sonst kommen wir nie auf Skye an.« Ohne Vorwarnung steckte sie anschließend den Schlüssel in ein Loch und drehte ihn. Ein ohrenbetäubender Lärm ertönte und das Gefährt begann zu vibrieren, so dass er sich mit beiden Händen an seinen Sitz klammerte. An etwas erinnerte ihn dieses Geräusch und er benötigte nur ein paar Augenblicke, um zu erkennen, woran.
Die merkwürdigen Höllentiere, die nachts an seinem Fenster vorbeigezogen waren, hatten dasselbe Geräusch gemacht. Dann waren es keine Tiere gewesen, sondern ..., wie hatte Gwendoline es noch genannt? ... Ach ja! Autos.
In diesem Moment betätigte sie eine Art Hebel und das Auto setzte sich mit einem Ruck in Bewegung. Cairan klammerte sich so fest an seinen Sitz, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Es war ja nicht so, dass er Angst vor dem Gefährt an sich hatte, aber darauf zu vertrauen, dass eine Frau in der Lage war, es zu lenken, war ungewöhnlich. Nicht nur das. Es war erschreckend, sein Leben in ihre Hände geben zu müssen.
Wäre es nicht anders herum wesentlich sinnvoller?
Aber da er keine Ahnung hatte, wie man ein Auto steuerte oder es überhaupt in Bewegung setzte, blieb ihm wohl keine andere Möglichkeit, als ihr zu vertrauen. Keine schöne Vorstellung, zumal er nicht wusste, wie lang ihre Reise in dem Gefährt dauern würde. Für den Weg von Gleann Comhann bis zur Isle of Skye hatten sie früher mehrere Tage benötigt, einschließlich einer Bootsfahrt. Er konnte nur hoffen, dass Autos wirklich um einiges schneller waren, denn mehrere Tage in diesem Gefährt und das zusammen mit ihr, würden für ihn die Hölle bedeuten.