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Gwendoline beobachtete während der Fahrt nach Fort William fasziniert Cairans Minenspiel. Es war offensichtlich, dass er sich nicht sehr wohl in seiner Haut fühlte. Er saß stocksteif mit bleichem Gesicht da und starrte wie gebannt auf die Straße. Er presste seine Kiefer fest zusammen und sprach nicht ein Wort. Um ihn nicht noch mehr zu verschrecken und damit zu riskieren, dass er womöglich während der Fahrt aus dem Auto sprang, hatte sie das Radio geflissentlich aus gelassen. Als das Einkaufszentrum in Sicht kam, verlangsamte sie ihr Tempo, fuhr auf den Parkplatz und stellte ihren Wagen dort ab. Sie konnte hören, wie Cairan daraufhin erleichtert laut ausatmete und sehen, wie er seine Hände dabei vom Sitz löste. Auf irgendeine Weise war es schon komisch zu sehen, dass ein muskelbepackter Hüne, der noch dazu ständig seinen Sgiann Dubh zog, vor etwas so Banalem wie einer schnöden Autofahrt anscheinend Angst hatte. Wenn man allerdings bedachte, dass in der Zeit, aus der er kam, 4 PS das Höchste aller Gefühle gewesen waren, dann waren ihre 184 PS mit Sicherheit so etwas wie das achte Weltwunder für ihn.

Gwen öffnete ihren Gurt und die Fahrertür, dann trat sie auf den Parkplatz. Cairan, der sie bei jeder ihrer Bewegungen eingehend musterte, tat es ihr gleich. Eines musste man ihm lassen: Er lernte verdammt schnell. Wenig später befanden sie sich auch schon auf dem Weg ins Einkaufszentrum.

Das Bekleidungsgeschäft, das Gwen für ihre Shoppingtour ausgewählt hatte, erstreckte sich über mehrere Etagen und bot alles, was das Herz begehrte. Cairans Blick wanderte unablässig über sämtliche Ständer und Regale, so als könnte er nicht fassen, dass es derlei Vielfalt an Bekleidung überhaupt gab. Als Erstes suchte sie ihm zwei Jeanshosen aus, dann ein paar Pullover in verschiedenen Farben und anschließend eine warme Jacke, Socken und ein paar feste Schuhe. Vor den Unterhosen blieb sie allerdings unschlüssig stehen.

Welche Art von Unterhosen bevorzugte wohl ein Mann, der nicht einmal wusste, was eine Unterhose war?

Um nicht unnötig Aufsehen zu erregen und damit eine Verkäuferin herbeizulocken, griff sie sich eines der Pakete und warf es achtlos in den Einkaufskorb. Sie konnte nur hoffen, dass sie nicht gerade die Tangas erwischt hatte, denn allein schon die Vorstellung, Cairans muskulösen Körper in einem dieser winzigen Dinger zu sehen, trieb ihr die Röte ins Gesicht. Anschließend wandte sie sich der Damenabteilung zu. Zum Aussuchen ihrer Klamotten benötigte sie zwar etwas mehr Zeit, aber dennoch war sie zügiger damit fertig als gedacht. Dann machte sie sich auf den Weg zu den Umkleidekabinen.

»Bevor wir all das Geld ausgeben, sollten wir die Sachen lieber anprobieren«, wandte sie sich an Cairan, den sie hinter sich vermutete. Doch darin hatte sie sich getäuscht. Als sie sich zu ihm umdrehte, war dieser verschwunden. Vor Schreck ließ sie den Einkaufskorb fallen und rannte los.

Verdammt! Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Cairan war wie ein kleines Kind, das sich in solch einem Laden heillos verlaufen konnte. Was, wenn er einfach nach draußen auf die Straße gerannt und dort von einem Auto erfasst worden war? Er kannte sich nirgendwo aus und wusste die Gefahren, die überall auf ihn lauerten, nicht einzuschätzen. Wenn ihm etwas zugestoßen war, würde sie es sich niemals verzeihen.

Gwen rannte wie eine Wahnsinnige durch den Laden, doch Cairan blieb verschwunden.

Hatte sie ihm vielleicht aus Versehen im Eifer des Gefechts gesagt, dass er verschwinden sollte, und er hatte sie wörtlich genommen und war wieder dorthin zurückgekehrt, woher er gekommen war? Verdammt! Und sie hatte die Phìob bei Fiona gelassen.

So langsam geriet sie in Panik. Da sie ihn in dem Laden nirgendwo entdecken konnte, rannte sie aus dem Gebäude heraus auf den Parkplatz. Aber auch dort fand sie keine Spur von ihm. Vollkommen frustriert machte sie auf dem Absatz kehrt und ging langsam zurück in das Center.

Vermutlich hatte ja eine der Verkäuferinnen ihn gesehen und wusste, wo er jetzt steckte. Immerhin war ein fast zwei Meter großer Hüne, der noch dazu aussah, als wäre er gerade aus der Titelseite einer Illustrierten gesprungen, kaum zu übersehen.

Doch auch an der Kasse konnte ihr keines der Mädchen weiterhelfen. Deshalb beschloss sie, noch ein letztes Mal den gesamten Laden abzusuchen, bevor sie endgültig aufgab.

Als sie an den Umkleiden vorbeikam und sich nach ihrem verwaisten Korb bückte, der dort noch immer stand, hörte sie plötzlich aus dem Gang, der sich davor befand und den man von ihrer Position aus nicht einsehen konnte, das alberne Gekicher gleich mehrerer Frauen, mit denen eine tiefe Männerstimme lauthals scherzte. Diese Stimme hätte sie unter Tausenden sofort wiedererkannt. Sie gehörte niemand anderem als Cairan.

Gwen bewegte sich langsam in den Gang hinein, blieb aber sofort stehen, als sie sah, was dort vor sich ging. Anscheinend amüsierten sich die dort anwesenden Personen königlich. Cairan hatte sich umgezogen. Er trug nun eine enganliegende schwarze Lederhose, dazu passend ein schwarzes T-Shirt und schwarze Lederstiefel mit Schnallen. Das Ensemble wurde durch eine ebenfalls schwarze Lederjacke abgerundet. Es fehlte nur noch ein Kopftuch und er hätte ausgesehen, wie einer dieser Biker aus dem Film Easy Rider, der sich lässig auf seine Harley Davidson schwang und damit in den Sonnenuntergang fuhr. Wenn sie ehrlich mit sich war, dann musste sie zugeben, dass er wirklich toll in den Klamotten aussah, was allerdings nicht nur sie zu bemerken schien. Ein ganzer Pulk Frauen, darunter auch ein paar jüngere, deren Alter Gwen auf höchstens achtzehn schätzte, schienen es ebenfalls zu bemerken. Sie kicherten wie pubertierende Teenager und zogen ihn dabei fast mit ihren Blicken aus. Gwen war außer sich.

Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein? Sie war die ganze Zeit wie eine Idiotin durch den Laden gerannt und er vergnügte sich hier mit halben Kindern.

»Zieh mal die Jacke aus und dann lauf ein Stück in diese Richtung. Dann musst du dich drehen und zu uns zurück laufen. So machen es die Models auch immer«, wies eines der Mädchen ihn nun an. Zu ihrer Verwunderung gehorchte er ihr aufs Wort.

Das war eindeutig zu viel des Guten! Er gehörte ihr. Ihr ganz allein!

Ohne sich überhaupt dessen bewusst zu sein, stellte Gwen den Korb erneut auf den Boden und ging langsam auf ihn zu, dabei setzte sie ihr breitestes Lächeln auf.

»Hallo Schatz!«, bemerkte sie daraufhin so laut, dass jeder es mitbekommen musste. »Ich dachte mir schon, dass du auch etwas für dich gefunden hast. Es steht dir ausgezeichnet. Du solltest die Sachen direkt anlassen.« Cairan, der sich beim Klang ihrer Stimme ruckartig ihr zugewandt hatte, sah sie irritiert an.

Oh mein Lieber!, schoss es ihr durch den Kopf. Gleich wirst du noch verwirrter sein.

Gwen bewegte sich nun zügig auf ihn zu. Unmittelbar vor ihm blieb sie stehen und sah ihm in die Augen.

»Du siehst toll aus!«, bemerkte sie leise, dann schlang sie ihre Arme um seinen Nacken, zog ihn ein Stück zu sich hinunter und presste ihre Lippen auf seine.

Eigentlich hatte sie den schmachtenden Frauen nur zeigen wollen, dass er nicht die richtige Beute für sie war. Doch mit seiner Reaktion auf ihre kleine Täuschung hätte sie nie und nimmer gerechnet. Obwohl er erst ein wenig irritiert zu sein schien, schob er sie dennoch nicht von sich, sondern zog sie stattdessen noch näher an sich heran. Dann umfasste er mit einer Hand ihre Taille, während seine andere sich in ihr Haar grub und er sich weiter zu ihr hinunterbeugte. Er erwiderte ihren Kuss mit einer solchen Leidenschaft, die sie niemals für möglich gehalten hätte. Zuerst sanft, dann immer fordernder. Seine Zunge bat um Einlass und Gwen gewährte ihn ihr. Der Kuss ließ sie alles um sich herum vergessen. Es gab nur noch sie und ihn. Seine Wärme, sein Geruch, die Zärtlichkeit, mit der er ihren Rücken streichelte, während ihre Zungen sich im Tanz vereinten. Als sie leise seufzte, schien ihn das nur noch mehr anzuspornen. Der Kuss, den er ihr in ihrem Traum gegeben hatte, war zwar schon eine Offenbarung gewesen, doch dieser hier ... Gwen erstarrte.

Was zum Teufel tat sie hier? Aye, sie war eifersüchtig auf die Frauen, aber musste sie sich ihm deshalb gleich an den Hals werfen? Und dann noch in einem Einkaufszentrum? Wie? Eifersüchtig? Verdammt, wenn sie eifersüchtig war, dann ... Du spinnst!, ermahnte sie sich selbst. Das hier geschah nicht, weil sie Gefühle für ihn hatte, sondern, weil sie nicht wollte, dass jemand anderes ihn so ansah, wie sie es tat. Und warum ist das so?, meldete sich ihre innere Stimme. Weil du doch etwas für ihn empfindest, es nur nicht wahrhaben willst.

Als ihr das bewusst wurde, löste sie sich abrupt von ihm, machte auf dem Absatz kehrt, schnappte sich den Korb und rannte in Richtung Kasse davon. Dass die Frauen leise seufzten, als er daraufhin seine Sachen zusammenraffte und ihr hinterher eilte, bekam sie schon nicht mehr mit.

Auch beim Bezahlen lief es nicht viel anders ab. Die beiden jungen Kassiererinnen versuchten ungeniert, in ihrem Beisein mit ihm zu flirten. Völlig entnervt riss sie diesen dann auch, nachdem sie selbst seine Lederklamotten bezahlt hatte, die Einkaufstaschen aus der Hand und verließ fluchtartig das Center. Dicht gefolgt von Cairan, der anscheinend nicht wusste, warum sie überhaupt sauer war.