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Gwen bereute bereits in dem Moment, in dem Cairan vor ihren Augen verblasste, dass sie genau das zu ihm gesagt hatte, was sie eigentlich hatte vermeiden wollen.

Verdammt! Sie hatte den Ausdruck »Verschwinde« eher so gemeint, dass er nach draußen gehen sollte, bis sie sich so weit beruhigt hatte, dass sie wieder halbwegs klar denken konnte und im Eifer des Gefechts, so wütend wie sie war, nicht daran gedacht, dass sie immer gleich beim Wort nahm. Sie war mehr als ungerecht zu ihm gewesen, das wusste sie nur zu gut. Doch ... In dem Moment als sie erkannt hatte, dass die Melodie, die sie gehört hatte, wirklich die aus Larnas Geschichte gewesen war und er der dazugehörige Piobaire, hatte ihr Gehirn ausgesetzt.

Wie zum Teufel war er auch nur auf den Gedanken gekommen, einen Pakt mit Morgane einzugehen? Es war ja verständlich, dass er sich an denjenigen rächen wollte, die ...

In Gwens Gedanken tauchten die Bilder der Knochen und Spielzeuge auf, die auf der Isle of Eigg sorgfältig nebeneinander aufgereiht auf dem Tisch gelegen hatten und sie musste unwillkürlich schlucken.

Aye! Es musste schrecklich für ihn gewesen sein, all die Menschen und besonders seine eigene Familie dort sterben zu sehen. Doch verfluchte man dann direkt alles, was den Namen MacLeod trug? Was hatten sie und all die anderen vor ihr damit zu schaffen, außer dass sie zufällig ein wenig DNA von den Schuldigen abbekommen hatten?

Männer! Niemals dachten sie nach! Niemals sahen sie die Konsequenzen. War es nicht von jeher so? Meist waren es die Männer, die Fehden anzettelten und die Frauen und Kinder waren anschließend diejenigen, die darunter litten.

Zu gerne hätte sie ihm das alles noch an den Kopf geworfen, aber das war leider momentan nicht möglich. Ihre unbedachten Worte hatten ihn zurück ins Feenreich befördert und ihn sofort wieder zurückzubringen, war leider im Augenblick unmöglich, denn da sie ja eigentlich nur einen kurzen Ausflug mit ihm geplant hatte, lag die Phìob gut verpackt in einer Kiste noch immer in Fionas Schlafzimmer.

Schlafzimmer? Allein das Wort genügte, um ihre Gedanken wieder auf ihre mit Cairan verbrachte Nacht zu lenken und damit auch auf die Mails.

Der Spanner war mit Sicherheit noch immer da draußen. Vielleicht beobachtete er sie gerade jetzt und wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, um endlich zuzuschlagen. Immerhin war auch seine Drohung unmissverständlich gewesen. Sie war wirklich eine komplette Vollidiotin. Dank ihrer Wut hatte sie den einzigen Menschen, der vielleicht etwas gegen diesen Mistkerl hätte ausrichten können, zurück ins Feenreich befördert. Und jetzt stand sie da, wütend, völlig allein, zudem total verängstigt und sich noch nicht einmal sicher, von welcher Seite ihr mehr Gefahr drohte. Von dem Fluch oder von dem Spanner? Oder vielleicht drohte ja ein Zusammenspiel von beidem?

Sie wusste es nicht. Eines wusste sie jedoch genau.

Jetzt, wo Cairan nicht mehr bei ihr war, war sie dem Kerl schutzlos ausgeliefert, wenn er zuschlug. Niemand würde ihr dann helfen und ob sie es alleine schaffen konnte, ihn abzuwehren, stand in den Sternen. Sie brauchte dringend einen sicheren Ort. Eine Zuflucht mit Menschen, denen sie vorbehaltlos Vertrauen konnte und ihr fiel nur ein einziger Ort ein, an dem es sie gab: Glencoe.

Gwen zog sich hektisch an, dabei fiel ihr Blick auf Cairans Klamotten, die noch immer auf dem Bett lagen.

Hatte sie ihn tatsächlich nackt zurück ins Feenreich geschickt? Gut so! Das war ihre kleine Rache für all die Dinge, die er ihr viel eher hätte sagen müssen! Bevor sie zusammen im Bett gelandet waren. Er hatte es nicht anders verdient! Vielleicht half ihm das ja dabei, endlich einen kühlen Kopf zu bekommen und sich dessen bewusst zu werden, was er alles angerichtet hatte. Außerdem ... Sie hatte sie Sachen eh gehasst, weil sie sie immer, wenn er sie tragen würde, an die Szene in dem Shoppingcenter erinnern würden. Dementsprechend ...

Sie ließ seine Sachen achtlos liegen, stopfte dann ihr Telefon zurück in die Tasche, öffnet die Tür und rannte die Treppe herunter. Die ältere Dame an der Rezeption sah sie fragend an, doch Gwen bemerkte es kaum.

»Wie viel bin ich Ihnen schuldig?« Die Alte nannte ihr einen Betrag. Gwen kramte in ihrer Tasche, zog einige Pfundnoten heraus und drückte sie der Frau in die Hand.

»Stimmt so!«

»Schläft Ihr Begleiter noch?«, wollte die Frau daraufhin von ihr wissen, doch das bekam Gwen kaum noch mit, denn sie befand sich bereits auf dem Weg nach draußen.

Zu ihrem Glück hatte sie ihren Wagen nur ein paar Meter weit entfernt vom Gartentor geparkt. Demnach konnte sie es auch schnell erreichen. Dennoch sah sie sich erst einmal hektisch um. Als sie jedoch nichts, was ihr ungewöhnlich oder merkwürdig erschien, entdecken konnte, rannte sie durch den Garten, öffnete das kleine Tor, betätigte die elektrische Entriegelung ihrer Autotür und stürmte darauf zu, dann nahm die Klinke in die Hand und zog daran, doch die Tür öffnete sich nicht. Unbewusst wanderte ihr Blick nach oben. Eine große Männerhand drückte die Tür gegen den Holm. Gleichzeitig spürte sie einen warmen Hauch in ihrem Nacken und hörte eine Stimme direkt hinter sich sagen:

»Gwendoline, Gwendoline. Habe ich dir nicht bereits ausdrücklich gesagt, dass du mir gehörst? Aber du musstest mich ja unbedingt herausfordern. Das hättest du besser lassen sollen, denn was einmal mir gehört, wird niemals wieder einem anderen gehören.«