So langsam stieg in Gwen Panik auf. Wenn sie doch nur irgendwie an ihr Handy gelangen könnte, um Dusten, Cat oder Fiona zu alarmieren, aber da Gordon sie mit Argusaugen beobachtete, konnte jede falsche Bewegung ihre Letzte sein. Dass er es ernst meinte, wurde immer deutlicher, je länger sie mit ihm zusammen war. Doch noch immer hatte sie keinerlei Vorstellung davon, was er wirklich plante. Erst als sie die Küste von Eigg vor ihren Augen auftauchen sah, fing sie allmählich an zu begreifen.
Gordon wusste von ihrer Phobie. Er ... Verdammt!
»Na, kleine Gwendoline, ahnst du bereits, was ich für dich geplant habe, oder soll ich es dir erzählen? Vielleicht denkst du ja, du hast ein Recht darauf. Aye! Das hast du. Gut, um es dir ein wenig einfacher zu machen, dich schon einmal darauf vorzubereiten, erfülle ich dir deinen Wunsch. Weißt du, eigentlich fing alles hier auf der Isle of Eigg an. Nicht ganz, als Erstes hast du mich ja einfach in Glasgow abserviert. Ich hätte in dir niemals so viel Energie vermutet, aber was nützt einem all die Energie, wenn man sie für die falschen Dinge benutzt? Ich habe dir dort ja bereits gesagt, dass du mein bist. Und wenn etwas mir gehört, dann gibt es kein Zurück mehr. Allerdings schienst du das nicht wirklich zu begreifen, denn ansonsten hättest du wohl niemals einen Versuch gestartet, vor mir zu fliehen. Aber mir entkommt man nicht. Und was musste ich dann sehen? Du fuhrst zur Isle of Eigg und dort geradewegs zur Uamh Fhraing. Du, die sich bereits in einem Kellergang zu Tode fürchtet, liefst schnurstracks zu einer Höhle. Erstaunlich, dachte ich mir. Und dann hörte ich, wie der gute alte Adams dir den Vorschlag machte, sie mit ihm zu erkunden. Es hat mich nicht sonderlich überrascht, dass du ablehntest und lieber mit der Brünetten zurück nach Arisaig gefahren bist. Ich dachte, lass ihr ein paar Tage Zeit, damit sie sich besinnen kann und zu dir zurückkehrt, doch weit gefehlt. Die liebe Gwen fährt stattdessen nach Glencoe und kommt einen Tag später mit einem Mann aus dem Haus spaziert.« Gordon steuerte das Boot nun in eine Bucht, die unweit der Uamh Fhraing,lag.
»Steig aus!«, befahl er ihr in einem Ton, der ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Gwen schluckte, gehorchte aber. Wie hätte sie auch anders reagieren können? Doch als Gordon das Boot an einem dicken Stein vertäute und sich dafür bücken musste, sah sie ihre Chance. Der Augenblick, in dem er nicht zu ihr hinsah, musste genügen.
Gwen nahm ihre Beine in die Hand und rannte, als wäre der Leibhaftige selbst hinter ihr her, los. Vermutlich war Gordon sogar der Leibhaftige, deshalb gab es nur eine Möglichkeit, ihm zu entkommen. Sie musste das Lager der Archäologen vor ihm erreichen, dann war sie in Sicherheit, denn eine ganze Schar Männer auf einmal zu überwältigen, war selbst für ihn unmöglich. Gwen rannte, ohne sich dabei umzudrehen. Hinter sich hörte sie Gordons wütendes Gebrüll, der anscheinend gerade im Begriff war, ihr zu folgen.
Oder wollte er bloß seine Waffe benutzen? Gut, sollte er. Entweder, er erschoss sie bereits hier, dann hatte sie es wenigstens hinter sich, oder aber er folgte ihr. Doch bevor er sie zu fassen bekam, musste er sie erst einmal einholen.
Bereits nach wenigen Metern allerdings verlor sie langsam ihre Zuversicht, als sie Gordons Schritte und sein lautes Schnaufen immer näher kommen hörte. Sie verfluchte im Stillen ihre Antipathie gegen jedwede sportliche Betätigung und nahm sich fest vor, sollte sie das alles lebend überstehen, nicht nur mit dem Joggen, sondern auch mit Kraftsport und diversen Kampfsportarten zu beginnen, um nie wieder in eine derartige Situation geraten zu können.
Gordon holte sie immer schneller ein. Gwen hatte bereits Seitenstiche und war so außer Atem, dass sie kaum noch Luft bekam. Doch die Angst trieb sie immer weiter. Sie konnte bereits das Lager der Archäologen sehen, sodass sie innerlich schon jubelte, als sie spürte, wie etwas Hartes gegen ihren Schädel schlug, sie in sich zusammensackte und schließlich das Bewusstsein verlor.
Als Gwen ihre Augen erneut aufschlug, lag sie auf etwas Feuchtem, Hartem. Um sie herum herrschte völlige Dunkelheit. Es war so finster wie ein einer Gruft. In ihrem Kopf drehte sich alles und es dauerte eine ganze Weile, bis sie so weit zur Besinnung kam, dass sie auch andere Details wahrnehmen konnte. Beklemmung stieg in ihr auf, als sie das leise tropfende Geräusch wahrnahm, das von den Wänden, die sie zwar spüren, aber nicht sehen konnte, widerhallte. Verzweifelt versuchte sie sich aufzurichten, aber es ging nicht. Gordon hatte sie anscheinend gefesselt und auch ein Knebel steckte in ihrem Mund, Sie sog ein paarmal scharf Luft ein und hörte, wie auch das Geräusch ihres Atems von den Wänden widerhallte. Das konnte nur eines bedeuten: Gordon musste sie in eine Höhle geschafft haben. Nicht in irgendeine, sondern in die Uamh Fhraing.
Gwen spürte, wie ihr Puls raste und sie kaum noch Luft bekam. Völlig panisch öffnete sie ihren Mund, um wenigstens durch ihn Luft zu bekommen, doch der Knebel hinderte sie daran. Ihr brach gleichzeitig heißer und kalter Schweiß aus, dabei traten Tränen in ihre Augen. Sie hörte sich leise wimmern, doch niemand war da, der es ebenfalls hören konnte.
Das war also ihr Ende! Gordons Rache an ihr, für was auch immer. Er würde sie so lange in dieser Höhle lassen, bis sie vor Angst und Kälte starb. Aye! Wenn es denn so sein sollte, dann war sie bereit. Allerdings würde sie ihm niemals die Genugtuun geben, um ihr Leben zu winseln. Diesen Triumph gönnte sie ihm nicht, denn eines war klar: Gordons kranker Geist, wartete förmlich darauf, dass sie vor ihm kroch. Und genau deshalb würde sie dies hier nicht zu seinem Triumph, sondern zu seiner größten Niederlage werden lassen. Er hatte sie einmal fast zerstört, ein zweites Mal würde es nicht geben. Niemals!
Eines jedoch bereute sie zutiefst, dass sie Cairan nun niemals mehr sagen konnte, wie leid ihr ihre Worte taten und sie ihn über alles liebte.
Lautes Gelächter dröhnte plötzlich von oberhalb ihres Liegeplatzes zu ihr hinunter.
Gordon! Er musste am Eingang stehen und nur darauf warten, dass sie trotz Knebel versuchen würde, ihn dazu zu bewegen, sie aus der Höhle zu holen, aber da konnte er warten bis zum Sankt. Nimmerleinstag. Wenn er etwas von ihr hören wollte, dann musste er schon zu ihr kommen.
»Na, liegst du bequem? Ich hoffe doch. Es ist nur schade, dass ich dein Gesicht nicht mehr sehen kann, wenn du den Rest meiner kleinen Geschichte hörst. Ich wollte deine Bewunderung darin sehen, doch leider hast du mir mit deinem völlig sinnlosen Fluchtversuch meine ganze Planung ruiniert. Allerdings wäre ich nicht ich, wenn ich nicht einen Plan B hätte.« Gwen schnaubt entnervt. Dieser verfluchte Egomane! Sie spürte, wie ihre Wut auf ihn langsam ihre Angst verdrängte. Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung. Wenn sie ihre Panik in den Griff bekam, dann hielt sie vermutlich länger durch, als er dachte. Dann bestand die Chance, dass einer der Archäologen ...
»Wenn du hoffst, dass dich jemand noch früh genug findet, dann muss ich dich enttäuschen. Dein lieber Professor ist mit den anderen nach Galmisdale aufgebrochen. Vor morgen früh werden sie nicht zurückkehren und bis dahin ... Aber ich wollte dir ja noch erzählen, warum ich die Uamh Fhraing für dich ausgewählt habe. Ist es nicht passend, dass du genauso sterben wirst, wie diejenigen, die du so bedauert hast? Deine Angst würde es zwar irgendwann einmal wie von selbst erledigen, aber ich bin ja kein Unmensch, der dich länger leiden lässt als unbedingt nötig. Du wirst sanft einschlafen und nie wieder aufwachen. Wer wünscht sich nicht, einen solch gnädigen Tod? Du fragst dich bestimmt immer noch, warum. Wenn du mir nur in Glasgow zugehört hättest. Ich hätte ja noch durchgehen lassen, dass du mit dem Kerl einkaufen gehst. Auch den Kuss hätte ich vielleicht geduldet, aber der Sex mit ihm, war eindeutig zu viel des Guten. Niemand beschmutzt das, was mir gehört. Und wenn es sich dann noch freiwillig beschmutzen lässt, so wie du, dann muss es halt die Konsequenzen ertragen. Aber keine Sorge, auch er wird büßen. Und wenn ich mit ihm fertig bin, dann wird er winselnd vor mir auf den Knien liegen und mich anflehen, es endlich zu beenden. Aber genug der Rede. Es beginnt mich zu langweilen. Außerdem sollte ich mich ein wenig beeilen, in der Nacht wird ein Feuerschein zu schnell gesehen und ich möchte ja nicht, dass irgendein Idiot es bemerkt, bevor es seine Schuldigkeit getan hat. Ja, Gwen, du hast richtig gehört. Lassen wir Gott entscheiden. Wenn du nicht aus freien Stücken mit ihm im Bett gelandet bist, dann wird sich der Wind drehen und du wirst verschont, wenn due es aber freiwillig getan hast, dann ereilt dich dasselbe Schicksal, wie einst die MacDonalds.