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»Wer zum Geier ist Teona Westphal?«, fragte Dorothea. Ihren Atemgeräuschen nach zu urteilen, hatte sie Mühe, mit Anton Schritt zu halten.

»Die Chefredakteurin eines Magazins, in dem Freys Artikel erschienen sind. Sie hatte mir angeboten, uns bei der Suche nach ihm zu unterstützen.«

»Sie hat es dir angeboten?« Dorothea gab sich keine Mühe, den pikierten Tonfall zu unterbinden. »Was genau habe ich in den letzten zwölf Stunden verpasst?«

»Ich habe nur ein wenig recherchiert, das ist alles.« Tatsächlich hatte er sein Telefonat mit dieser Frau zwischenzeitlich fast vergessen. Jetzt überdeckten die Erinnerungen an ihre erotische Stimme alles andere.

»Und? Hat sie ihn gefunden?«, echauffierte sich Dorothea.

»Das kannst du sie gleich selbst fragen«, entgegnete er.

Soeben erreichten sie die Fischhalle V. Dorothea murmelte einen unverständlichen Fluch. Dann folgte sie ihm kopfschüttelnd in die Büroetage hinauf.

Das Erste, was Anton erspähte, war Merles blonder Zopf, der in der Nähe der Kaffeemaschine auf und ab wippte. Zielstrebig hielt er darauf zu. Noch im Gehen rückte Merles Gesprächspartnerin in sein Sichtfeld. Sie lehnte lässig an der Wand, gleich neben dem Fenster. Ihr rabenschwarzes, kinnlanges Haar hob sich wie ein Schattenriss vom Tageslicht ab. Auch sonst besaß sie keine Ähnlichkeit mit dem Bild, das seine Phantasie von ihr entworfen hatte, was sie jedoch nicht weniger interessant machte. Die Redakteurin war kleiner als Merle, aber von drahtiger Statur. Sie trug eine bunte, weit geschnittene Leinenhose, ein ärmelloses Top, dazu überdimensionale Ohrringe, die bei jeder Bewegung mitschwangen. Eher zufällig sah Merle in Antons Richtung und machte Teona Westphal auf ihn aufmerksam. Diese straffte die Schultern und kam ihm mit energischen Schritten entgegen.

»Ich hoffe, es ist Ihnen nicht unangenehm, dass ich einfach so hier hereinplatze«, sagte sie, ohne sich offiziell vorzustellen. Ihr Lächeln brachte Grübchen zum Vorschein, die ihr ein schulmädchenhaftes Aussehen verliehen.

»Nein. Im Gegenteil.« Er bemühte sich, seine Nervosität im Zaum zu halten. »Ich nehme an, dass Sie den Weg von Hamburg hierher nicht grundlos auf sich genommen haben. Also: Schießen Sie los.«

»Gibt es hier irgendwo eine Ecke, in der wir uns etwas ungestörter unterhalten können?« Sie ließ ihren Blick durch das chaotisch anmutende Gemeinschaftsbüro schweifen.

»Setzen wir uns an meinen Schreibtisch«, sagte er, wohl wissend, dass es nicht gerade das war, was ihr vorschwebte.

Immerhin befand sich sein Arbeitsplatz in einer Fensternische zwischen zwei Regalwänden, die einen gewissen Sichtschutz boten. Auf dem Weg dorthin schnappte er einen gerade unbenutzten Bürostuhl und zog ihn mit sich. »Bitte, setzen Sie sich«, sagte er.

Dann sah er mit einem leicht angestrengten Lächeln zu Dorothea, die ihnen wie selbstverständlich gefolgt war. Mit laszivem Schwung nahm sie hinter Haukes verwaistem Schreibtisch Platz, der seinem direkt gegenüberstand.

»Das ist übrigens meine Kollegin –« In diesem Moment begann das Telefon zu klingeln, das Anton sich mit Hauke während der Bürozeiten teilte.

»Lass nur, ich mach das schon«, sagte Dorothea, langte über die Aktenstapel und angelte nach dem Hörer.

»Wasserschutzpolizei Cuxhaven, Kommissarin Raubach, was kann ich für Sie tun?«, nahm sie das Gespräch förmlich an.

Während sie dem Anrufer lauschte, wanderten ihre Augenbrauen in die Höhe. »Hallo?«, rief sie so laut, dass sich einige Kollegen irritiert zu ihr umdrehten. »Hallo?«

»Wer ist dran?«, formte Anton mit den Lippen.

Dorothea zuckte nur mit den Schultern. »Hallo?«, schrie sie jetzt in die Sprechmuschel, als telefonierte sie mit dem Mars. »Hallo!« Sie lauschte noch zwei, drei Sekunden. Dann nahm sie den Hörer vom Ohr und schaute ihn an, als hätte er sich soeben in ein Knallbonbon verwandelt. Mit einem genervten »Sehr witzig« legte sie auf.

»Was?«, fragte Anton.

»Nichts. Ein dummer Scherz, nehme ich an.«

»Okay. Also«, er sortierte seine Gedanken und wandte sich endlich Teona Westphal zu, »legen Sie los.«

»Benno Frey hat keinen festen Wohnsitz in der Stadt, nur eine Postfachadresse«, kam sie ohne Umschweife zur Sache. »Dort habe ich heute Morgen nachgesehen.«

»Das heißt, Sie besitzen einen Schlüssel?«

»Nein. Aber einer der Mitarbeiter in der Postfiliale. Benno hat mir vor seiner Abreise den Namen genannt. ›Nur für alle Fälle‹, wie er sich ausdrückte. Ich hatte den Mann noch nie zuvor gesehen, aber er hat mich sofort erkannt. Offenbar hatte Benno auch ihn entsprechend gebrieft.« Sie reichte Anton einen Luftpolsterumschlag. Die Adresse war mit schwarzem Filzstift geschrieben, der Absender fehlte.

»Ein anonymer Brief?«

»Er ist von Benno selbst. Ich erkenne seine Handschrift. Außerdem«, sagte sie dann und tippte mit dem Finger auf den Poststempel. Er war blass, aber durchaus zu entziffern.

»Rotterdam, 10. Juli«, las Anton laut. »Das war vor fünf Tagen. Der Offizier hat also die Wahrheit gesagt. Frey hat das Schiff am Dienstag verlassen, und zwar lebendig genug, um einen Brief abzuschicken.« Er öffnete den Umschlag, der jedoch nichts als Luft enthielt. »Soll das ein Witz sein?«

Westphal hielt ihm ihre Handfläche entgegen, in der ein USB-Stick lag. »Fotos«, sagte sie. »Aber sehen Sie selbst.«

Kommentarlos stöpselte Anton den Stick ein. Mit steigender Nervosität klickte er auf den einzigen darin enthaltenen Dateiordner. Auf dem Bildschirm bauten sich einige Dutzend Bilder in Miniaturform auf.

»Plantagen, ein primitives Labor, riesige Mengen weißen Pulvers, Plastikpäckchen, Fahrzeuge. Dann Transportkisten, die in Containern verschwinden, die wiederum im Hafen von Cartagena auf die ›Beluga‹ verladen werden. Und natürlich eine ganze Reihe von Personen, die der Polizei hoffentlich mehr sagen als mir«, beschrieb sie die Bilderstrecke.

»Die lange Reise des Kokains«, fasste Anton zusammen.

Westphal nickte. »Benno hat schon lange keine Lust mehr auf sein Image als Reisereporter. Er will eine richtige Story. Wie es aussieht, hat er sie gefunden.«

»Na prima«, entgegnete Dorothea. »Ich verstehe nur nicht, wie uns das bei der Suche nach ihm weiterhelfen sollte.«

»Es gibt noch mehr Fotos«, antwortete Westphal, Dorotheas patzigen Tonfall geflissentlich überhörend. »Es hat eine Weile gedauert, bis ich daraufgekommen bin. Aber diese Bilder wären für Benno kein Grund, so gründlich abzutauchen.« Sie zog den Stick aus der Buchse und hielt ihn Anton direkt vor die Nase. »Fällt Ihnen etwas auf?«

Anton nahm ihr den kleinen Plastikstift aus der Hand, drehte ihn einige Male, runzelte jedoch nur die Stirn.

»Bloß ein Werbeaufdruck. So wie auf den meisten dieser Dinger.«

»Ganz genau. Nur dass Benno überhaupt nicht unter ›reisefotograf.de‹ firmiert. Deshalb habe ich die aufgedruckte Freemail-Adresse gecheckt. Bennos Passwort zu erraten war nicht weiter schwierig. Es ist derselbe Code, den ich auch dem Mitarbeiter der Postfiliale nennen sollte.«

Anton legte den Stick auf den Schreibtisch und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »Er hat Ihnen also weitere Aufnahmen per E-Mail geschickt. Was macht das für einen Sinn?«

»Ganz einfach. Darf ich?« Sie zog die Computertastatur zu sich heran, öffnete eine Website und loggte sich bei dem Freemail-Anbieter ein. »Et voilà. Sehen Sie das Datum der letzten Mail?«

»Das ändert natürlich alles.« Anton setzte sich wie elektrisiert auf, die Augen starr auf den Monitor geheftet.

»Geht es ein bisschen genauer?«, raunzte Dorothea, die sich inzwischen hinter Anton und Westphal den Hals verrenkte, um die Details auf dem Bildschirm zu erkennen.

»12. Juli«, erklärte Anton knapp. »Das war am Donnerstag. Die Aufnahmen wurden an Bord der ›Beluga‹ gemacht. Das heißt, Frey ist am Dienstag, den 10. Juli in Rotterdam an Land gegangen, um die Post aufzugeben, und anschließend an Bord zurückgekehrt. Allerdings so, dass ihn niemand dabei bemerkte.«

»Okay. Aber ich verstehe noch immer nicht, wozu der ganze Aufwand gut sein soll«, sagte Dorothea.

»Schätze, eines der Besatzungsmitglieder ist misstrauisch geworden«, sagte Anton.

»Aber wenn ihm die Sache zu heiß wurde, warum sollte er sich zurück an Bord schleichen? Er hat mehr als genug Material für seine Story beisammen.«

»Weil ihm noch ein letztes Puzzleteilchen fehlt«, sagte Anton. »Eine Show, die sich direkt vor unserer Nase abspielt, ohne dass wir etwas dagegen tun können.«

»Die Kurierboote?« Dorothea legte die Stirn in Falten.

»Jep.«

»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich an Ihrem Gespräch zu beteiligen?« Teona Westphal ließ ihre Handfläche auf den Schreibtisch niedersausen, nur für den Fall, die Polizisten könnten sie schlicht vergessen haben.

Anton erklärte ihr die Mutmaßung, Drogenkuriere würden von kleinen Booten aus die Kokainpäckchen auffischen, die von Bord der Containerriesen in Küstennähe ins Wasser geworfen wurden.

»Auf den Fotos sind keine Sportboote zu sehen«, dämpfte sie seine Erwartungen.

»Zeigen Sie mir trotzdem alles«, sagte Anton. »Irgendetwas muss Frey beobachtet haben.«

»Hier, das sind alle, mehr gibt es nicht«, erklärte Westphal, nachdem sie die E-Mail-Anhänge geöffnet und die Bilder auf dem Monitor angeordnet hatte.

Anton spürte, wie sein Puls die Schlagzahl erhöhte, während er die Serie durchblätterte. Dorothea schob sich an Westphal vorbei und beugte sich über seine Schulter.

»Jede Menge Wasser und weitere Containerschiffe im Hintergrund«, beschrieb Dorothea die Motive. »Frau Westphal hat recht, die Aufnahmen sind absolut unspektakulär, um nicht zu sagen todlangweilig.«

»Dort, weit im Hintergrund, erkennt man die Umrisse von Helgoland.« Anton vergrößerte eine Bilddatei, bis die Pixel verschwammen. »Außerdem scheinen sich die Schiffe nicht zu bewegen«, stellte er fest, während er eine kleine Abfolge von Fotos betrachtete, die sich lediglich im Zeitstempel unterschieden. »Als Frey die Aufnahmen gemacht hat, lag die ›Beluga‹ auf der Tiefwasserreede. Von dort sind es mindestens zehn Seemeilen bis nach Helgoland oder Wangerooge.«

»Aber die See ist spiegelblank. Mit einem Segel- oder Motorboot sollte die Strecke zum Festland locker zu schaffen sein«, entgegnete Dorothea.

»Ja. Nur sind dort tatsächlich keine Boote. Obwohl …« Anton rutschte ein Stück vor und legte die Stirn in Falten. »Was ist das?« Er zeigte auf ein weißes Schiff mit lang gezogenem, frei liegendem Deck, niedriger Bordwand und einem Kran, der das kleine Steuerhaus überragte.

»Sieht aus wie ein alter Tonnenleger«, sagte Dorothea.

»Ganz genau. Aber was hat ein Tonnenleger auf einer Tiefwasserreede zu suchen?«, fragte Anton. »Das ist ein Ankerplatz für Frachtschiffe außerhalb der Fahrrinnen«, erklärte er Teona Westphal. »Dort gibt es keine Tonnen und Baken, die man einholen oder ausbringen könnte. Zwar fahren dort moderne Mehrzweckschiffe, die Seevermessungen und ähnliche Aufgaben übernehmen. Aber dafür scheint mir der alte Kahn hier nicht zu taugen.«

»Sie denken, dieses Schiff wird von den Drogenkurieren benutzt? Ist es dafür nicht viel zu weit von der ›Beluga‹ entfernt?«

»Auf diesen Fotos schon«, gab Anton zu. »Allerdings endet an dieser Stelle bloß Freys Dokumentation. Vielleicht wurde es ihm zu gefährlich, als der Tonnenleger näher kam.«

»Schwer zu glauben.« Westphal schüttelte den Kopf. »Benno ist viel zu verbissen. Falls ihm Gefahr droht, bemerkt er es erst, wenn sein Kopf bereits im Rachen der Bestie steckt.«

»Für mich klingt das alles reichlich weit hergeholt.« Dorothea trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Vielleicht. Aber Frey scheint mir ein Mann zu sein, der nichts ohne Grund tut. Wenn wir es schaffen, den Tonnenleger zu identifizieren, können sie in der Leitzentrale die Schiffsbewegungen zurückverfolgen.«

»Ich verstehe das trotzdem nicht«, sagte Westphal. »Wenn die Polizei weiß, wie die Schmuggler vorgehen, müssten Sie die betreffenden Containerschiffe doch nur überwachen, sobald sie die Deutsche Bucht erreichen. Falls Sportboote, Tonnenleger oder was auch immer mit denen auf Tuchfühlung gehen, bräuchten Sie nur noch zuzuschnappen. Ich meine, wir leben im 21. Jahrhundert. Auf See kann man sich nicht einfach verstecken. Außer vielleicht mit einem U-Boot.«

Anton rieb sich die Stirn. »Selbst mit einem U-Boot würden Sie in der Deutschen Bucht nicht weit kommen, dazu sind die Gewässer viel zu flach.« Er rang sich ein dünnes Lächeln ab. »Anders ausgedrückt: Sie haben natürlich recht. Theoretisch. Nur müsste die hiesige Polizei für eine effektive Überwachung erst mal den Lotto-Jackpot knacken, um sich die notwendige Ausstattung leisten zu können. Die traurige Wirklichkeit sieht leider ganz anders aus. Wir müssen um jedes Software-Update für elektronische Seekarten kämpfen. Ganz zu schweigen davon, dass wir viel zu wenige Beamte und Küstenboote besitzen, um unser Einsatzgebiet auch nur annähernd im Auge zu behalten.«

»Das heißt, Bennos Reportage würde Ihre Behörde wie den sprichwörtlichen Ochsen am Nasenring vorführen?«

Ja, könnte man sagen. Es sei denn, Frey versorgt gewisse Stellen der Wasserschutzpolizei ebenfalls mit Informationen, um ausgewählte Karrieren schneller voranzutreiben.

Mit voller Wucht preschte dieser Gedanke aus einem dunklen Winkel hervor und rastete mit lautem Nachhall in seinem Schädel ein.

Hansen, verdammt! Er tut es schon wieder! Lernt dieser Schwachkopf denn niemals dazu?

Anton biss sich auf die Unterlippe, um mit seinem Verdacht nicht laut herauszuplatzen.

»Um uns zu schaden, müsste Frey seine Superstory erst einmal veröffentlichen, oder?«, wandte Dorothea mit einem leicht pikierten Unterton ein.

»Okay, langsam reicht es mir«, sagte Westphal in einem Ton, der Anton eine verlegene Röte ins Gesicht trieb. »Sie wollen doch auf etwas ganz Bestimmtes hinaus. Wären Sie also so gütig, mich endlich einzuweihen? Vielleicht kommen wir dann schneller ans Ziel.«

Bislang wusste sie nur, dass Frey nicht auf Anrufe und E-Mails der Polizei reagierte. Die verstümmelte Leiche hatten sie erst Stunden nach ihrem nächtlichen Telefonat aus der Nordsee gefischt.

»Wie nahe stehen Sie und Herr Frey sich?«, fragte Anton vorsichtig.

Westphal zuckte mit den Schultern. »Wenn er in Hamburg ist, treffen wir uns. Privat. Allerdings ist Benno nicht der Typ für Heiratsanträge, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Anton nickte. »Aber er vertraut Ihnen.« Er drehte sich jetzt so, dass er Teona Westphal direkt in die dunkelbraunen Augen sehen konnte. »Es ist wichtig, dass Sie mir jetzt die Wahrheit sagen: Haben Sie in den letzten vierundzwanzig Stunden mit Benno Frey gesprochen? Hatten Sie irgendeine Form von persönlichem Kontakt?«

»Natürlich nicht. Denken Sie, ich wäre sonst hier?« Ihr ohnehin heller Teint nahm den Farbton einer Leinwand an. »Also: Was ist hier los?«

»Ein Fischerboot hat eine männliche Leiche vom Meeresgrund geborgen«, antwortete Dorothea rundheraus.

»Nun, dann sollte ich ihn mir ansehen.« Westphal sprang so hektisch auf, dass ihr Stuhl nach hinten wegrollte und dumpf gegen die Regalwand prallte.

Anton stand ebenfalls auf. Beschwichtigend legte er ihr einen Arm um die Schultern. »Die Leiche ist in einem wirklich schlimmen Zustand. Aber Sie können uns helfen, indem Sie mit dem Rechtsmediziner sprechen. Falls Sie ihm ein besonderes körperliches Merkmal Ihres … Geliebten nennen könnten, ein Tattoo, eine auffällige Narbe, dann könnte er womöglich schnell ausschließen, dass es sich bei dem Toten um Frey handelt.« Es tat gut, nicht länger um den heißen Brei herumzureden. Auch wenn Teona Westphal ihn inzwischen hassen musste. »Können Sie mir alle Fotos auf einen USB-Stick ziehen?«, fragte er trotz ihrer Totenblässe weiter.

Sie griff in ihre Hosentasche, zog einen weiteren Speicherstick hervor und hielt ihn Anton direkt vor die Nase.

»Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte er.

»Sollen wir ein paar Leute an Bord der ›Beluga‹ bringen, um die Besatzung zu überwachen?«, fragte Dorothea.

»Nein«, entschied Anton nach kurzem Überlegen. »Die sollen sich in ihrer schwimmenden Festung ruhig weiter in Sicherheit wiegen. Wir werden ihnen in Bremerhaven einen Empfang mit Pauken und Trompeten bereiten. Merle soll sich darum kümmern, dass ein Team der Spurensicherung und der Kriminaltechnik bereitsteht, sobald das Schiff in den Hafen einläuft. Und ein Suchtrupp mit Spürhunden. Sofort!«

»Denken Sie, Benno wurde ermordet?« Teona Westphal kämpfte mühsam darum, einigermaßen Haltung zu bewahren.

»Wir wissen es nicht«, antwortete Anton. »Wir wissen ja nicht einmal, ob Ihr Freund überhaupt tot ist. Vielleicht ist alles nur blinder Alarm, und mein Chef wetzt schon die Messer, um mir bei lebendigem Leibe das Fell über die Ohren zu ziehen.«

Westphal starrte mit leerem Blick durch die schmutzige Fensterscheibe auf den Alten Fischereihafen. Dann drehte sie sich abrupt um und funkelte Anton zornig an. »Bringen Sie mich jetzt endlich zu diesem Rechtsmediziner oder was?«

»Dorothea, würdest du das bitte übernehmen?«, fragte Anton. »Und unsere Stammbesatzung soll schnellstmöglich in der Fischhalle zum Dienst erscheinen. Finde jemanden, der sie alle zusammentrommelt.«

»Du willst, dass wir heute Abend noch auslaufen? Wozu?«

»Das weiß ich selbst noch nicht so genau. Es ist mir nur lieber, auf alles vorbereitet zu sein.«

»Und was wirst du solange tun?« Mit ernster Miene forschte Dorothea in seinen Augen.

»Ich mache einen kleinen Ausflug in die Leitstelle. Es ist an der Zeit, dass uns der Chef ein wenig unter die Arme greift. Ob ihm das jetzt passt oder nicht.« Er ließ den USB-Stick mit den Fotos in seine Hosentasche gleiten und verließ das Büro, ohne den fragenden Blicken seiner Kollegen Beachtung zu schenken.