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Behutsam schloss ich die Tür zu Suzanne Carstens’ Krankenzimmer. Ich nickte dem Polizisten zu, der seinen Posten inzwischen wieder eingenommen hatte, und kehrte zur Schwesternstation zurück. Diesmal, ohne mich zu verirren.
Durch die hohen Glasscheiben sah ich den Pfleger, der mich vorhin aufgehalten hatte. Er saß vor einem PC und tippte mit zwei Fingern auf der Tastatur herum.
Es dauerte nicht lange, und er bemerkte meine Anwesenheit. Er unterbrach seine Arbeit, stand auf und kam zu mir auf den Flur.
»Kann ich Ihnen helfen?« Seiner Mimik und seiner Körperhaltung nach zu urteilen, war ihm daran gelegen, eine gute Beziehung zwischen uns herzustellen.
Ich lächelte ihn an. »Ich bräuchte wirklich Ihre Hilfe. Ich müsste noch einmal den behandelnden Arzt von Frau Carstens sprechen.«
»Herr Dr. Hubmann«, meinte er, und als ich nickte, fügte er an: »Kommen Sie bitte mit, ich bringe Sie zu ihm.«
Ich folgte ihm eine kurze Strecke. Er klopfte an eine Tür und gab mir mit seinem Zeigefinger ein Zeichen, dass ich warten solle. Dann trat er ein und machte hinter sich zu.
Nur für Personal , stand auf dem Schild an der Wand. Pausenraum – dachte ich.
Im Handumdrehen war er zurück. »Er ist gleich da.«
Ich nickte erneut, und der Pfleger ließ mich allein.
Keine Minute später erschien der Arzt auf dem Gang. Der Geruch von frischem Kaffee haftete an ihm. »Frau Dr. Wolf? Sie wollten mich sprechen?«
»Danke, dass Sie sich Zeit für mich nehmen«, sagte ich.
»Gerne«, erwiderte er.
»Frau Carstens ist vorhin eingeschlafen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich informieren könnten, sobald sie aufwacht.« Ich langte in meine Tasche und reichte ihm eine meiner Visitenkarten.
Er nahm sie, ohne einen Blick darauf zu werfen. »Sie ist sediert. Es kann sein, dass die Patientin erst spätabends zu sich kommt. Mitten in der Nacht.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist vollkommen in Ordnung.«
»Gut.« Sein Gesicht zeigte mir, dass er wieder zurück an seine Arbeit musste.
»Ich hätte noch eine weitere Bitte an Sie«, begann ich.
»Ja?«
»Ist Ihnen etwas Besonderes an Frau Carstens aufgefallen?«
Er runzelte die Stirn. »Was soll mir aufgefallen sein? Sie hat die Verletzungen, die Sie gesehen haben. Und sie ist schwer traumatisiert.«
Ich schaute ihn direkt an und lächelte. »Ich möchte nicht, dass Sie mir erzählen, was jeder erkennen kann. Ich möchte, dass Sie mir sagen, was Sie gefühlt haben, als Sie sie behandelt haben.«
»Gefühlt?« Die Furchen auf seiner Stirn vertieften sich.
»Ich weiß, das ist ungewöhnlich«, erwiderte ich und ließ mein Lächeln verschwinden. »Es ist wichtig. Probieren Sie es einfach einmal. Versuchen Sie, sich an Ihre Empfindungen zu erinnern.«
Er wollte etwas antworten, besann sich eines Besseren und holte tief Luft. Er löste seinen Blick von mir. Stattdessen betrachtete er eines der Gemälde, welches hinter mir an der Wand hing.
»Gefühlt«, wiederholte er murmelnd.
Ich blieb still.
Erneut holte er tief Luft und richtete seine Aufmerksamkeit auf mich. »Ein Wunder, dass sie überlebt hat. Das ist ganz knapp gewesen.« Er stockte. »Hilft Ihnen das weiter?«
»Sehr«, sagte ich. »Vielen Dank.«