Die mehrjährige Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense) wird in Europa zu den häufigsten und schädlichsten Ackerunkräutern gerechnet, denn sie gilt als großer Wasser- und Nährstoffräuber. Die Kratzdistel zählt zu den klassischen Wurzelunkräutern, denn die teilweise 2–3 m tief reichenden Wurzeln verbreiten sich durch zahlreiche waagrecht verlaufende Ausläufer. Dadurch kann eine einzige Pflanze bis zu sechs Quadratmeter Boden besiedeln. Die Wurzeln sind sehr regenerationsfähig: Kleinste beim Pflügen oder Fräsen abgetrennte Stücke können wieder neu austreiben. Neben der unterirdischen Vermehrung durch Wurzelausläufer verbreitet sich die Distel auch durch den flugfähigen Samen, der vom Wind über weite Strecken transportiert wird. Eine einzige Pflanze kann bis zu 5 000 Samen ausbilden, die im Boden bis zu 30 Jahre lebensfähig bleiben. Die Acker-Kratzdistel besiedelt vor allem die vom Menschen regelmäßig bearbeiteten und gut gedüngten Flächen, also Äcker, Gärten, Weiden einschließlich der angrenzenden Wegränder. Der lateinische Artname arvense gibt ebenfalls einen Hinweis auf den bevorzugten Lebensraum, denn er bedeutet „auf dem Acker wachsend“.
Das Ursprungszentrum der Acker-Kratzdistel liegt vermutlich im Mittelmeerraum, von wo sie sich schon vor Tausenden von Jahren in ganz Europa und Westasien ausgebreitet hat. Im 17. Jahrhundert kam sie dann mithilfe von verunreinigtem Saatgut als invasiver Einwanderer in Amerika an. Heute ist die Distel auch in den gemäßigten Zonen Australiens, Neuseelands und Afrikas verbreitet.
Die mehrjährige Acker-Kratzdistel gehört zur großen Familie der Korbblütengewächse und zwar zur Gattung der Kratzdisteln (Cirsium). Weltweit gibt es über 200 Cirsium-Arten, in Deutschland ist neben der Acker-Kratzdistel noch die Gewöhnliche Kratzdistel (Cirsium vulgare) recht häufig anzutreffen. Sie hat im Gegensatz zur Acker-Kratzdistel einen dornig geflügelten Stängel und größere Blütenköpfchen. Typisch für die Acker-Kratzdistel sind die lanzettlichen Blätter, denn sie sind buchtig gezähnt und am Rand kräftig bedornt. Die spitzen Dornen sind vor allem bei den unteren Blättern anzutreffen. Der kantige hohle Stängel ist teilweise ebenfalls stachelig, kein Wunder, dass sie Kratzdistel heißt. Ab Juli beginnt die 80–120 cm hohe Distel zu blühen. Die in halbkugelförmigen, schuppigen Körbchen sitzenden rosa- bis violettfarbenen Blüten riechen honigartig. Sie locken mit ihrem Pollen und Nektar viele Insekten an, vor allem Tagfalter. Einige nachtaktive Schmetterlingsarten nutzen die Blätter als Raupenfutter. Der reife Samen der Distel wird bei Wind von fedrigen Pappusschirmchen davongetragen.
Die Distel war wohl schon vor 3 500 Jahren ein Problem im Ackerbau. Die Autoren des 1. Buches Mose erklären, warum sich Landwirte und Gärtner mit der Distel herumschlagen müssen. Der Grund liegt im Sündenfall, wo Gott zu Adam sprach: „So sei der Acker verflucht um deinetwillen! Mit Mühe sollst du dich davon nähren dein Leben lang; Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Gewächs des Feldes essen.“
Auch der Prophet Hiob klagte im Alten Testament über das schwer ausrottbare Unkraut: „So mögen mir Disteln wachsen für Weizen und Dornen für Gerste.“ Seither stehen Disteln als Synonym für Mühsal, Plagerei und Schmerzen – teilweise zu Unrecht, wie wir noch sehen werden.
Wer die Disteln trotzdem loswerden will, sollte auf jeden Fall verhindern, dass sie Samen ausbilden, denn mit dem wolligen Pappus werden sie im ganzen Gelände verteilt. Das regelmäßige Aushacken der Disteln ist nur dann zielführend, wenn man auch möglichst viel von der Wurzel aus der Erde holt. Vor allem bei jungen Pflanzen kann man durch Ausstechen die ganze Wurzel erwischen.
Obwohl man es sich aufgrund der unangenehmen Stacheln kaum vorstellen kann, sind die Acker-Kratzdisteln in der Wildkräuterküche komplett verwertbar. Sowohl Wurzeln als auch junge Blätter und Triebe sowie Blüten, Blütenböden und Samen sind essbar. Die Wurzeln sind allerdings nur im ersten Standjahr vor der Blüte zu genießen, also wenn die Distel noch als Bodenrosette auf dem Feld steht. Später werden die zarten Wurzeln holzig. Ihre Sammelzeit liegt also zwischen Oktober und März. Sie wird geschält, in dünne Scheiben geschnitten und dann gebraten oder gebacken.
ACKER-KRATZDISTEL-TINKTUR
• 15 g frische Distelblüten
• 10 g frische Distelblätter
• 80 ml Ethanol 70 % vol.
Alle Zutaten im Mixer zu einem dickflüssigen Brei verarbeiten. Dann in ein Schraubglas geben und 2 Wochen an einen lichtgeschützten, warmen Ort stellen. Ab und zu mit einem Löffel umrühren. Den Auszug pressen Sie durch ein feines Sieb ab. Anschließend klären Sie die Tinktur mithilfe eines Tee- oder Kaffeefilters. Füllen Sie die fertige Tinktur in ein Tropffläschchen aus Braunglas. So hält sie 2–3 Jahre lang. Die Tinkturdosis beträgt 15 Tropfen. Sie wirkt unterstützend auf die Funktion von Leber und Gallenblase.
Die jungen Blätter der Blattrosette sind sehr schmackhaft, aber von der Konsistenz etwas zäh. Sie eignen sich, solange sie noch weiche Dornen haben, als spinatähnliches Gemüse oder als Suppeneinlage; stachelspitze Dornen müssen allerdings abgeschnitten werden. Auch die saftigen Stängel der Triebspitzen können vor der Blüte (April, Mai) geschält als Gemüse gedünstet werden. Der Geschmack der Acker-Kratzdistel ist recht mild, weshalb sie auch in grüne Smoothies passt. Die fein duftenden Blütenblätter nutzt man als essbare Dekoration oder bereitet daraus ein Blütengelee oder ein Blütensirup. Die Blütenköpfchen wurden früher zum Gerinnen der Milch bei der Käseherstellung verwendet.
DISTELBLÜTEN-GELEE
vegen
• 1-Liter-Messbecher mit Ackerdistelblüten
• 1 Vanilleschote, längs aufgeschnitten
• 800 ml Apfelsaft
• Saft von 1 Zitrone
• 500 g Gelierzucker 2:1
Lassen Sie die Blüten und die aufgeschnittene Vanille 3–4 Stunden im Apfelsaft und Zitronensaft ziehen. Dann bis zum Kochen erhitzen, vom Herd nehmen und 10 Minuten ziehen lassen. Durch ein Sieb oder Tuch abfiltern und mit dem Gelierzucker aufkochen. Nach 3–4 Minuten Kochzeit in sterile Gläser füllen und verschließen.
Wer sich richtig viel Arbeit machen möchte, kann die kleinen Blütenböden herauspulen, denn sie schmecken wie Artischockengemüse. Auch die ölhaltigen Samen sind verwendbar. Theoretisch ließe sich daraus ein gutes Speiseöl pressen. Genauso wie die Acker-Kratzdistel sind auch die anderen Cirsium-Arten in der Küche verwertbar.
Als Heilpflanze taucht die Acker-Kratzdistel in den antiken und mittelalterlichen Kräuterbüchern nicht auf, dazu steht das Unkraut wohl zu sehr im Schatten berühmter Distelgewächse, wie etwa der Silberdistel (Carlina acaulis) oder der Mariendistel (Silybum marianum). Aber in der Volksmedizin fand sie dagegen reichlich Anwendung. So widmet ihr zum Beispiel der Kräuterpfarrer Künzle (1857–1945) in seinem Kräuterbuch ein großes Kapitel. Er beschreibt die gute Wirkung des Tees auf Leber, Galle und Nieren. Der Tee fördert die Gallensekretion und wirkt auch harntreibend. Nach Pfarrer Künzle soll er sogar Nieren- und Gallensteine auflösen. Verwendet wurde die ganze Pflanze, also Blätter, Stängel und Blüten. Außerdem empfahl er das zerquetschte Kraut äußerlich als Auflage bei Rückenschmerzen, Verbrennungen und Wunden. Gegen Fußschmerzen sollte das zerstoßene und in die Schuhe gelegte Kraut ebenfalls wirksam sein. Da wurden doch hoffentlich vorher die Dornen entfernt?
DISTELBLÜTEN-SIRUP
vegen
• 1 kg Zucker
• 1 Liter Wasser
• 2 Zitronen (in Scheiben geschnitten)
• 1-Liter-Messbecher mit Ackerdistelblüten
Zucker und Wasser 10 Minuten köcheln. Dann geben Sie Zitronenscheiben und Distelblüten dazu und nehmen das Ganze vom Herd. Zugedeckt 1 Tag durchziehen lassen. Den Sirup durch ein feines Sieb abfiltern und erneut zum Kochen bringen. In sterile Flaschen abfüllen.
DISTEL-SUPPE
vegen
• 150 g junge Distelblätter oder Triebspitzen
• 3 EL Olivenöl
• 3 EL Dinkelmehl
• 1 Liter Gemüsebrühe
• Pfeffer und Salz
• 1 TL Sojasoße
• 4 EL Kokosmilch
Die Disteln grob schneiden und im Öl einige Minuten andünsten. Mit Mehl bestäuben und verrühren (Mehlschwitze). Gießen Sie unter Rühren die Brühe dazu und lassen das Ganze 10 Minuten köcheln. Mit einem Stabmixer pürieren und mit Kokosmilch, Sojasoße, Pfeffer und Salz abschmecken.
Weitere volksmedizinische Anwendungen waren zerquetschte Blätter gegen Insektenstiche (äußerlich), in Wein ausgekochte Blätter gegen Ischiasschmerzen, in Milch ausgekochte Blätter gegen Husten sowie ein kräftiger Teeaufguss gegen Würmer. In der Volksmedizin Italiens gilt die Ackerdistel als gutes Mittel bei Magen-Darmbeschwerden.
In den letzten Jahren haben einige Studien gezeigt, dass Ackerdistel-Extrakte antioxidativ, antimikrobiell, antidiabetisch, entzündungshemmend und leberprotektiv wirksam sind. Verantwortlich für die pharmakologischen Wirkungen sind vor allem die enthaltenen Flavonoide, Phenolsäuren, Triterpene, Sesquiterpene und Steroide. Das sind genügend Gründe, die dafür sprechen, aus den Blättern und Blüten Tees und Tinkturen für die Hausapotheke herzustellen.