Tag 39
Vor ihm und in seinen Armen liegend werde ich wach. Oder vielmehr durch seine Berührungen, die über das Nachtkleid streichen. Starr liege ich da, bewege mich nicht. Denn seine Annäherungen sind nicht, so wie sonst, trostspendend, sondern diesmal auffordernd, anzüglich. Vielleicht ist aber auch seine Erektion, die sich an meinen Hintern presst, der Grund, warum sich das alles so anstößig anfühlt.
Seine Finger wandern mir auf und ab über die Körperseite, bis er sich schließlich dazu entschließt, seine Hand zu meiner Brust zu führen. Im Schock halte ich ungewollt die Luft an, will mich dagegen wehren und kann es doch nicht, weil ich mich fürchte. Nicht nur vor einer Bestrafung. Es ist auch das schlechte Gewissen, wegen der Perücke. Er war am Vorabend schon genervt und enttäuscht infolge meines Verhaltens gegenüber seinem Geschenk und nun würde es ihm sicher zu weit gehen.
»Ich bin auch nur ein Mann, Rose«, flüstert er rau, als wüsste er, dass ich wach bin. »Ich träume jede Nacht von dir. Dich dann auch noch hier liegen zu haben, macht es nicht leichter.« Er drückt zum Beweis seine Männlichkeit an mich und ich lasse erschrocken die Luft aus der Lunge. Er bedrängt mich regelrecht und ich kann nichts anderes machen, als dazuliegen, zu schweigen, aus Angst, ich könne etwas sagen, was mir letztendlich Schmerzen einbringt.
»Ich will dich, Rose. Du hast es mir schon einmal freiwillig gegeben, hast mich sogar überredet, dich zu nehmen.«
Das war aber etwas anderes, Vicco, und eigentlich schäme ich mich dafür. Ich habe ihn ausgenutzt, missbraucht. Jetzt wandern seine Finger zur Mitte und ich bemerke, wie dreckig ich bin. Es ist meine Schuld, dass er glaubt, ich würde mich zu ihm hingezogen fühlen. Vicco, vielleicht ist es so, aber das ist jetzt unwichtig. Ich will nicht mit ihm schlafen. Ich will nicht, dass er mich so anfasst.
Er kommt an der empfindlichen Stelle an und streichelt mir über den Slip. Nichts regt sich in mir, ich kann kaum atmen, schwitze dafür umso mehr. Was soll ich tun? Soll ich in die Gefahr hineinlaufen, ihn zu verärgern, dass sich sein Wohlwollen in Luft auflöst? Mir ergeht es doch gut.
»Oh, Rose, wie du mich angebettelt hast, dich wie eine Schlampe zu nehmen. Wie du gestöhnt hast und nach mehr verlangt hast.«
Seine Worte sind mir unangenehm, beschämen mich, sodass ich am liebsten weglaufen möchte, aber die Starre sich weiterzieht.
»Und wie du dich anfühlst, kleine Rose.« Das Brummen aus seiner Kehle macht mir nur Angst. Bei dir erregt es mich, wenn ich spüre, wie sehr ich dich reize. Gerade wird mir jedoch bewusst, dass es nur bei dir so ist und es mich bei ihm stört, mir das Fürchten lehrt und ich im Zwiespalt zwischen Beklemmung und Angstgefühl stehe. Was wäre also die Lösung dafür? Welcher Schaden wäre geringfügiger?
»Komm, Rose, zeigt mir, wie sehr du mich willst.«
Ich rege mich nicht und seine Finger üben mehr Druck aus, reiben auffordernd über den Stoff.
»Du willst es.«
Ich begehre, zu leben ohne Schmerzen. Aber nicht, wenn ich mich entscheiden muss zwischen Sex, den ich nicht möchte, und weiteren Schlägen. Klar, Vicco. Das Erstere wäre eine Option, aber dann würde ich erneut einen Teil meiner selbst verlieren, das fühle ich. Etwas in mir stirbt. Je länger ich mit einer Reaktion kämpfe, desto unangenehmer wird die Situation. Ich kann die wechselnde Stimmung wahrnehmen.
»Rose.« Er lässt von mir ab und dreht mich auf den Rücken, um sich über mich zu beugen. »Sieh mich an.« Ich habe noch nicht einmal bemerkt, wie schnell sich meine Augen geschlossen haben, also öffne ich sie wieder.
»Lass mich dich zumindest anfassen.« Er wartet nicht auf eine Antwort und seine Finger wandern wieder zu meiner trockenen Mitte. »Schließ die Augen, Rose, und spüre mich.«
Ich komme seinem Befehl nach, will ihn jedoch nicht spüren. Möchte auch nicht, dass er mich anrührt und gleichzeitig traue ich mich nicht, einen Widerspruch zu leisten.
»Du hast Angst, dass ich dir Schmerzen zufüge.« Seine Finger gleiten über meiner Scham auf und ab. Dabei fühle ich mich so hilflos und ausgeliefert. Ich bin allein und niemand kann mir beistehen. Bin schutzlos und muss selbst eine Entscheidung wählen, die ich nicht treffen kann.
»Ich bin es doch, Rose. Viktor.«
Ja. Viktor.
Und nein, Vicco. Deswegen denke ich nicht an seinen Namen und spreche ihn auch nicht aus. Zu sehr erinnert er mich an dich. Du bist im Geiste bei mir und dort fest verankert.
Vicco.
Vor geschlossenen Augen kommst du zurück, fügst selbst dein Bild zusammen, wie du mich mit diesen blauen Iriden durchbohrst und schmutzig anlächelst, während deine Finger über meine Haut tanzen zu dem Slip, den du mir über die Schenkel streifst. Dieses warme Gefühl, wenn du meine Lust beherrschst, ohne auch nur ein Wort zu sagen, weil allein deine Präsenz eindrucksvoll über mich waltet, genau wie über jeden Gedanken.
»Siehst du, Rose, du willst mich.«
Ich reiße die Augen auf, als ich selbst das Zucken und die Feuchtigkeit zwischen den Beinen spüren. Es ist nicht wegen ihm. Du und dein Geist in meinen Gedanken sorgen dafür, dass ich fühle.
Plötzlich klingelt etwas. Sein Handy in der Hosentasche auf dem Stuhl. Er zieht sich zurück, haucht mir einen Kuss auf den Mundwinkel und befiehlt: »Merk dir, wo wir dran waren.«
Damit steht er auf und ich würde es mit Sicherheit nicht vergessen. Fühle mich dementsprechend beschmutzt und sogar verlogen. Ziehe zügig die Bettdecke straffer um mich herum, als könne ich ihn so von mir fernhalten.
Derweil geht er an sein Handy und ich schrecke erneut zurück, als er brüllt.
»Wo?«
»Ja, bis gleich.«
Er legt auf und zieht sich die Hose an.
»Ich muss gehen. Der Job ruft. Ich komme, so schnell ich kann, zurück und dann frühstücken wir.« Er schließt die Hose und ich rühre mich nicht, was ihn auch nicht interessiert, als er das Hemd sowie die Schuhe nimmt, aus dem Raum geht und es sogar in seinem Stress noch schafft, die Tür abzuschließen.
Schon bin ich wieder allein und im Wesentlichen auch nicht. Denn ich kann dich spüren. Du bist ganz nah bei mir. Strenggenommen sollte ich das unterdrücken und dagegen ankämpfen. Aber jetzt in der Stille tut es mir gut, dass ich mich dir so nah fühle. Gleichzeitig bin ich erleichtert, dass mich der Anruf gerettet hat.