empty
9
F steht für feste Freundin
Vals neuestes Projekt, eine gemeinnützige Adoptionsagentur namens F is for Families , hatte ihren Sitz in Sunnyvale, Kalifornien, nur eine kurze Fahrt von Stanford entfernt, wo Val seit vier Jahren lebte. Genau wie die ›Nicht alle tun es‹-Stiftung lag das Büro in einer älteren Einkaufsmeile. Doch dieses hier befand sich zumindest zwischen einer Zahnarztpraxis und einem Chiropraktiker und nicht zwischen einem Waschsalon und einem Pfandleiher. Das Schaufenster war ebenfalls sauber, was also schon mal eine Verbesserung darstellte.
Das Büro war größer, viel heller und freundlicher gestaltet. Es gab einen kleinen Wartebereich am Empfang und dahinter mehrere Arbeitsplätze. Es sah wie ein richtiges Unternehmen aus, wohingegen ›Nicht alle tun es‹ wirkte, als hätten ein paar Weltverbesserer im Keller ihrer Eltern einen Club gegründet.
Der Anblick des Büros weckte in mir ein Gefühl von Stolz. Das hier war Vals Werk. Die ganze Organisation war ihre Schöpfung.
Gab es irgendetwas, das sie nicht tun konnte? (Abgesehen natürlich von dieser einen Sache.)
»Willkommen bei ›F is for Families‹. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Die Frau am Empfang stand auf, um mich zu begrüßen. Sie war Mitte fünfzig, trug ihre braunen Haare in einem langen geflochtenen Zopf, der ihr bis zum Hintern reichte, und trug ein buntes Batikkleid, das geradezu nach Hippie-Aktivistin schrie. Ich fühlte mich hier so was von fehl am Platz.
»Hi. Ich suche nach Valerie Jensen. Ist sie hier?«
Die Hippie-Dame lächelte mich an. »Natürlich. Sie hat gerade einen Kunden bei sich. Bitte setzen Sie sich. Ich bin sicher, dass sie in Kürze wieder zur Verfügung stehen wird. Mein Name ist Rain. Lassen Sie mich einfach wissen, wenn Sie etwas brauchen.«
»Das werde ich. Danke, Ma’am.«
Ich setzte mich auf den harten Plastikstuhl und wollte mir etwas zu lesen nehmen, doch es gab nur Zeitschriften über Gesundheit, Erziehung und ähnliche Themen. Ugh. Ich entschied mich gegen das überragende Lesematerial und startete ein Spiel auf meinem Handy.
»Haben Sie einen Termin, Mr …?«
Rain beäugte mich mit dem hungrigen Blick einer notorischen Wichtigtuerin. Sie hatte mich nicht erkannt, aber sie war offensichtlich sehr neugierig, wer der seltsame junge Mann war, der ihre Chefin besuchen wollte.
Es lag mir fern, interessanten Klatsch zurückzuhalten. Ich schenkte ihr mein strahlendstes Lächeln. »Ich bin Kyle. Ich habe keinen Termin. Ich bin nur hier, um mit Val essen zu gehen.«
Rains Augen begannen aufgeregt zu funkeln. »Valerie hat ein Date?«
Wow. Robin hatte nicht gescherzt, als sie meinte, dass Val nicht viel ausging. Anscheinend kam das überhaupt nicht für sie infrage, zumindest wenn man nach dem Erstaunen in Rains Stimme ging.
Aus Mitleid erzählte ich ihr noch ein paar Details. »Genau genommen hat sie noch kein Date. Ich bin ein alter Freund, der zufällig in der Stadt ist und sie überraschen wollte.«
Rains Lächeln wurde vor Enttäuschung ein bisschen schwächer. »Woher kommen Sie denn?«
»Aus Los Angeles.«
»Könnte schlimmer sein«, entschied sie und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Sind Sie unverheiratet?«
Ich lachte. Sie war in Ordnung. »Sehr unverheiratet und sehr interessiert.«
»Na, das gefällt mir doch schon besser!«
Rain zog einen Stuhl vom benachbarten Arbeitsplatz heran und klopfte darauf. »Setzen Sie sich hier zu mir, Kyle, und erzählen Sie mir von sich. Möchten Sie einen Kaffee?«
Sie war bereits aufgesprungen und auf dem Weg zur Kaffeekanne, also sagte ich: »Sehr gern«, und setzte mich auf den Stuhl neben ihrem.
»Milch und Zucker?«, rief sie.
»Kaffee ist Kaffee. Ich akzeptiere ihn in jeder Form.«
Rain grinste, als sie mir eine Tasse reichte und sich wieder hinsetzte. Dann musterte sie mich einen Moment und schüttelte den Kopf, als müsse sie erst wieder einen klaren Gedanken fassen. »Sie sind ja ganz schön gutaussehend, junger Mann. Was bringt Sie in die Stadt? Ich hoffe, Sie sind das ganze Wochenende hier. Valerie muss mal richtig schön ausgeführt werden. Sie ist so ein guter Fang, aber sie hört einfach nie lange genug auf zu arbeiten, um die Männer das wissen zu lassen.«
»Tja, ich weiß es.«
»Ach ja?« Rain musste sich auf die Lippen beißen, um ihre Aufregung unter Kontrolle zu behalten.
Ich lehnte mich zu ihr vor und flüsterte: »Kann ich Sie in ein kleines Geheimnis einweihen?« Rain rückte näher heran. Ihre Augen funkelten vor Neugier. »Ich bin gar nicht ›zufällig‹ in der Stadt. Ich bin nur wegen Val hergekommen. Ich habe keine anderen Pläne, als sie zu umschmeicheln, und ich werde so lange bleiben, wie es braucht.«
Rain war zu überwältigt, um zu sprechen. Sie griff sich an die Brust, als ob sie sichergehen wollte, dass ihr Herz nicht explodierte. Bevor der Moment peinlich werden konnte, öffnete sich eine Tür, und Val trat heraus, zusammen mit einem Ehepaar mit feuchten Augen und einem schwangeren Mädchen, das höchstens fünfzehn oder sechzehn sein konnte.
Val schüttelte dem Mann die ausgestreckte Hand, während sich die Frau mit einem Taschentuch die Tränen trocknete. »Wir können uns nicht genug bedanken.«
»Das ist wirklich nicht nötig. Genau dafür gibt es dieses Programm ja. Vergessen Sie nicht, bevor Sie gehen, bei Rain den nächsten Termin auszumachen.«
Plötzlich umarmte der Teenager Val fest. »Vielen Dank, Miss Jensen!«, platzte es aus ihr heraus.
Val erwiderte die Umarmung des Mädchens und streichelte ihr über die feuchten Wangen. »Trockne deine Tränen, Colleen. Es kommt alles in Ordnung.«
Das Mädchen nickte und sah Val so ehrfürchtig an, als wäre sie ihre Superheldin. Das konnte ich nachempfinden. Val war unglaublich. Sie mit diesen Leuten zu beobachten, weckte ein neues Gefühl in mir. Ich verstand, warum Robin so gezögert hatte. Hier ging es um mehr als die Abstinenz-Challenge. Val veränderte das Leben der Menschen zum Positiven. Ich konnte ihr dabei helfen … oder es für immer vermasseln. Das durfte auf keinen Fall passieren. Weder jetzt, noch später. Ganz egal, was ich dafür opfern musste.
»Sie ist es auf jeden Fall wert.«
Mir war gar nicht klar, dass ich es laut ausgesprochen hatte, bis mir Rain das Knie tätschelte und sagte: »Ja, das ist sie.«
Unsere Unterhaltung machte Val und ihre Kunden auf uns aufmerksam. »Kyle?«, stieß Val überrascht hervor, während das Mädchen zu kreischen begann.
»Kyle Hamilton? Mom! Dad! Das ist Kyle Hamilton! «
Das Mädchen ignorierte die Proteste ihrer Eltern und stürmte auf mich zu. »Tut mir leid! Aber ich liebe Sie einfach sooooo sehr!«, rief sie.
»Danke … Colleen, richtig?«
Ich breitete meine Arme aus – eine Einladung für das Mädchen, mich zu umarmen. Sie kreischte erneut und presste sich an mich, als würde sie für immer dort bleiben wollen. »Ich kann nicht fassen, dass ich Sie treffe! Sie sind mein allerliebster Sänger auf der ganzen Welt! Ich war so traurig, als sich Tralse getrennt hat!«
Ich lachte und umarmte das Mädchen. Dann zwinkerte ich ihren Eltern über ihre Schulter hinweg zu, um sie wissen zu lassen, dass es in Ordnung war. Sie lächelten peinlich berührt. »Hast du schon den neuen Song gehört?«, fragte ich Colleen, während mein Blick zu Val wanderte.
»Ja!«, quietschte Colleen. »Ich habe Sie letzte Woche in der Connie-Parker-Show gesehen! Es war unglaublich! Und so romantisch!«
»Unglaublich , sagst du? Und romantisch? « Ich konnte nicht anders, als Val anzugrinsen. »Na, so was.«
Als ich lachte, zog Colleen ihr Gesicht von meiner Brust und sah auf das A, das von meinem Handgelenk baumelte. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass Sie die Abstinenz-Challenge mitmachen.« Vielleicht hätte ihr Erstaunen mich kränken müssen, doch stattdessen brachte es mich zum Lachen. »Ein notwendiges Übel, wenn man mit der schönsten Jungfrau der Welt ausgehen will.«
Das Mädchen riss die Augen auf.
»Also gut. Ich denke, das reicht jetzt.« Val trat zwischen Colleen und mich. Nachdem sie mir einen genervten Blick zugeworfen hatte, entschuldigte sie sich bei Colleens Eltern für die Unterbrechung und begleitete sie zum Empfang. »Die Mastersons wurden zugelassen und brauchen einen neuen Termin.«
Rains strahlendes Lächeln war aufrichtig. »Wundervoll.«
Sobald die Familie das Gebäude verlassen hatte, wirbelte Val zu mir herum. »Was machst du hier?«, zischte sie.
»Dich zum Mittagessen ausführen.« Ich hob kapitulierend die Hände. »Warum bin ich in Schwierigkeiten? Was habe ich angestellt?«
Meine Frage ließ Val begreifen, dass sie mich gerade angeschnauzt hatte und riss sie aus ihrer schlechten Laune. Sie massierte sich die Schläfen und seufzte. »Tut mir leid. Ich bin nur überrascht, dich zu sehen.«
»Du hast mich nicht angerufen. Ich habe zwei Wochen gewartet. Ich habe deine Nummer nicht mehr, also was hätte ich sonst tun sollen?«
Sie sah mich mit dem gleichen traurigen Gesichtsausdruck wie im Studio an. »Du hättest nicht kommen sollen.«
»Warum?«, fragte ich. Ich wusste, dass sie mich verjagen wollte, aber damit würde ich sie nicht durchkommen lassen.
Val betrachtete unser wachsendes Publikum. Alle im Büro waren von ihren Arbeitsplätzen aufgestanden, um zu sehen, was vor sich ging. Und natürlich beobachtete auch Rain uns fasziniert. Val runzelte die Stirn und nahm mich an der Hand. »Lass uns in meinem Büro reden.«
Ich entzog ihr meine Finger. »Damit du mir einen Korb geben kannst, ohne mir auch nur eine Chance zu lassen? Auf keinen Fall. Nicht dieses Mal.«
»Kyle, wir können das nicht tun.«
Ich legte meine Arme um ihre Taille, so dass sie mir nicht entkommen konnte. »Sag mir, dass du nicht an mich gedacht hast, seit du mich im Studio wiedergesehen hast.«
Sie antwortete nicht, doch ich konnte die Wahrheit in ihren Augen lesen.
Wieder runzelte sie die Stirn und schloss die Augen, als würde sie mich ausschließen oder zum Verschwinden bringen wollen. Es verletzte mich, dass sie mich nicht mal ansehen wollte. Warum schien ihr meine Anwesenheit solche Schmerzen zu verursachen? Was hatte ich Falsches getan?
»Die Sache mit uns ist hoffnungslos, Kyle«, flüsterte sie. »Das weißt du genauso gut wie ich. Willst du wirklich, dass wir das alles noch mal durchmachen? Es ist jetzt vier Jahre her, und es tut mir hin und wieder immer noch weh.«
Sie machte alles viel komplizierter, als es sein musste. Die Traurigkeit in ihrer Stimme ließ mein Herz schmerzen. Ich musste dafür sorgen, dass es aufhörte. Ich musste ihr den Kummer nehmen, den sie mir gegenüber empfand. »Es gibt für alles den richtigen Ort und die richtige Zeit, Val. Damals waren wir nicht bereit. Doch jetzt?«
Ich hielt sie mit einem Arm an mich gepresst, während ich mit der freien Hand eine Strähne hinter ihr Ohr strich und ihr Kinn anhob. Meine Fingerspitzen verweilten auf ihrer Wange. Ich konnte sie einfach nicht wegziehen.
Meine Berührung ließ sie erschauern, und sie legte ihre Hände auf meine Brust, als würde sie mich wegstoßen wollen. Doch sie machte keinen Versuch, sich von mir zu befreien. »Jetzt?«, wiederholte sie, und ihre Stimme war so schwach, dass ich sie kaum hörte.
»Ich werde auf dich warten. Bis zum Altar, wenn wir es so weit schaffen.«
Erschrocken schnappte sie nach Luft und erstarrte. Ihre wunderschönen braunen Augen, in denen Tränen schimmerten, starrten mich mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung an. So verletzlich, wie sie in diesem Moment wirkte, war sie das Schönste, was ich jemals gesehen hatte.
»Ich habe auf dich gewartet, seit ich das Armband angelegt habe«, sagte ich. »Und du hast auch auf mich gewartet.« Ihr fragender Blick ließ mich schmunzeln. »Vier Jahre und du hast dich in keinen anderen verliebt? Du bist nicht über mich hinweg. Du willst das hier immer noch genauso sehr wie ich.«
Schließlich kam Val wieder zu sich. »Und du bist immer noch genauso arrogant wie früher«, sagte sie, und ihre Stimme kehrte zu ihrer normalen Stärke zurück.
Die Beleidigung brachte mich zum Lächeln. »Aber nicht mehr so schlampig.«
Ihre Mundwinkel verzogen sich, auch wenn ich sehen konnte, dass sie ein Schmunzeln zu unterdrücken versuchte. Das zog meinen Blick auf ihre Lippen. Ich kam ihr auf halbem Weg entgegen und wartete. Ich wollte sie wieder küssen, doch nun war sie am Zug. Ich wusste, dass sie mich ebenso sehr wollte, wie ich sie.
»Gib uns eine Chance.«
»Es wird niemals funktionieren«, sagte sie. Ihr Blick war nun ebenfalls auf meinen Mund gerichtet, und ihr Atem ging schneller.
»Wenn nicht, wird es wenigstens nicht daran liegen, dass wir es nicht versucht haben.«
Sie musste schlucken und befeuchtete ihre Lippen, kam aber nicht näher. Die Entfernung zwischen uns war die reinste Folter. »Küss mich«, flüsterte ich.
»Aber Kyle, ich denke, wir sollten …«
»Hör auf zu denken. Küss mich einfach.«
Schließlich machte sie ihre Augen zu, legte ihre Hände auf meine Schultern und legte ihre Lippen auf meine. Dann schlang sie ihre Arme um meinen Hals, und ich hob sie auf ihre Zehenspitzen, um den Kuss zu vertiefen. Ich wartete, bis mein Körper nach Luft schrie, bevor ich sie wieder absetzte. Keuchend lehnte ich meine Stirn an ihre und brauchte einen Moment, um wieder zu Atem zu kommen. »Richtiger als das wird es nicht, Val.« Meine Stimme klang heiser und voller Emotionen.
Ohne die Augen zu öffnen, ließ sie ihre Arme an die Seiten fallen und legte ihren Kopf auf meine Schulter. Sie schmiegte sich an mich, als würde sie eine Umarmung brauchen. Ich gehorchte und legte meine Arme um sie.
»Du lebst in L.A., Kyle«, flüsterte sie traurig. »Mein Leben ist hier. In einem Monat fange ich mit meinem Master-Programm an, und du wirst mit deinem neuen Album auf Tour gehen.«
»Aber jetzt bin ich hier. Gib mir einen Tag. Nur heute. Wenn es funktioniert, gibst du mir auch morgen.«
Sie hob ihr Gesicht von meiner Schulter und sah mich mit glänzenden Augen an.
»Wir gehen es einen Tag nach dem anderen an«, versprach ich. »Lass uns einfach sehen, wohin uns das bringt, bevor wir uns um irgendetwas anderes Gedanken machen.«
Sie suchte in meinem Gesicht nach Antworten. Ihr war anzusehen, dass sie sich darum sorgte, was die Zukunft für uns bereithielt. Wonach sie auch suchte, ich war entschlossen, es ihr zu zeigen. Sie war in jedem anderen Aspekt ihres Lebens immer so stark. Diesmal konnte ich der Starke sein. Der Fels in der Brandung, wenn sie einen brauchte.
Ich wusste ja auch nicht, was die Zukunft bringen würde. Ich hatte keine Ahnung, ob wir die Hindernisse auf unserem Weg überwinden konnten. Aber ich wusste, dass ich nicht das Handtuch werfen würde, ohne vorher zu kämpfen. Einfach aufzugeben war für mich keine Option.
Das ist das Großartige am Leben. Alles ist möglich, wenn du es genug willst. Und in diesem Moment, in dem ich Val in meinen Armen hielt und den Geschmack ihres Kusses noch immer auf den Lippen schmeckte, wollte ich nichts mehr, als dass diese Sache zwischen uns funktionierte.
»Okay«, sagte sie schließlich.
Die Handvoll Mitarbeiter in ihrem Büro begannen zu jubeln. Ich hatte gar nicht mehr dran gedacht, dass wir ein Publikum hatten. Val wirkte ebenfalls so, als hätte sie es vergessen. Sie wurde knallrot, nahm jedoch lachend die Glückwünsche ihrer Kollegen an.
»Also …« Ich legte wieder meinen Arm um ihre Taille. »Darf ich dich zum Essen ausführen?«
Val seufzte. »Ich kann leider nicht. Bryce, Jacinta und ich sind heute Nachmittag mit ein paar potenziellen Förderern verabredet.«
Eine zierliche schwarze Frau unterbrach Val, indem sie aufgeregt in die Hände klatschte. »Er kann statt mir gehen.« Als Val widersprechen wollte, schüttelte sie den Kopf. »Du kannst ihnen auch ohne mich Honig ums Maul schmieren. Ich liefere ja nur die Zahlen, und die kennen die Greshams sowieso bereits. Bryce und du seid das eigentliche Herz dieser Organisation. Ihr beide seid es, in die sie wirklich investieren. Mich braucht ihr gar nicht.«
Mein Hirn prallte gegen eine mentale Steinmauer. Bryce? Wer zum Teufel war Bryce? Und warum klang es so, als ob er und Val so was wie das perfekte Paar seien?
Val wirkte einen Moment hin und her gerissen. »Bist du sicher, dass es okay wäre?«, fragte sie schließlich. »Die Greshams sind sehr konservativ und Kyle ist …«
Grinsend ergänzte ich ihren Satz. »Absolut in der Lage, sich zu benehmen.« Auf ihren skeptischen Blick hin fügte ich hinzu: »Wenn es sein muss.«
»Ihn dabei zu haben, könnte für uns sogar zum Vorteil sein«, sagte eine tiefe, wohltönende Stimme.
Wenn es sich bei diesem 1,80 m großen, blonden Schönling um diesen Bryce handelte, war »perfekt« eine sehr angemessene Beschreibung.
Val lächelte den Neuankömmling an. »Kyle, das ist Bryce Carmichael. Er kümmert sich um die juristische Seite von ˋF is for Familiesˊ. Ohne ihn hätte ich die Organisation niemals in Gang bekommen.«
Bryce lachte. »Das stimmt nicht. Sie hätte einen Weg gefunden. Nichts hält Val von dem ab, was sie will.« Der Idiot streckte mir seine Hand entgegen und schenkte mir ein breites Lächeln, das mir seine perlweißen Zähne präsentierte und darüber hinaus auch noch die Frechheit besaß, aufrichtig zu wirken. »Schön, Sie kennenzulernen. Val hat mir viel von Ihnen erzählt. Willkommen in der Familie.«
»Danke.«
Ich riss mich zusammen, um dem Kerl nicht die Hand zu zerquetschen, als ich sie schüttelte, doch ich hielt meine Antwort kurz, weil ich nicht so gut schauspielern konnte wie Cara. Ich bezweifelte, dass es mir gelingen würde, meine sofortige Abneigung gegen den Typen zu verbergen. Ich war wahnsinnig eifersüchtig, denn obwohl ich wusste, dass sie nicht zusammen waren, fragte ich mich, ob es vielleicht früher mal so gewesen war. Es war offensichtlich, dass sie sich nahestanden.
Ich rief mir in Erinnerung, dass ich es gewesen war, den Val noch vor zwei Sekunden geküsst hatte, und nicht er. Außerdem hatte sie gerade zugestimmt, meine Freundin zu sein. Der Gedanke ließ mich lächeln, und ich entschied, dass ich den Kerl nicht hassen musste. Ich zog Val ein wenig fester an meine Seite. Sie lächelte, als ich sie drückte, und wandte sich an Bryce. »Wäre es wirklich in Ordnung für dich, wenn Kyle mitkommen würde?«
»Natürlich. Er ist jetzt schließlich deine größte ›V is for Virgin‹-Erfolgsgeschichte, Val. Was könnte überzeugender sein?«
Val begann zu strahlen. »Ausgezeichnetes Argument, Herr Anwalt«, sagte sie. »Wie immer.« Sie sah zu mir. »Willst du heute Nachmittag mein Vorführobjekt sein?«
Und wie ich das wollte.