4. Es wird heiß!

4 Uhr Nachts, draußen ist es dunkel. Ich bekomme es mit der Angst zu tun!

Ich habe Herzrasen und feuchte Hände. Und meine Seidenhandschuhe sind mir dabei auch keine große Hilfe! Samuel hat mir empfohlen, meine Unterhandschuhe anzubehalten, um keinerlei Spuren zu hinterlassen. Seit meiner Ankunft in Las Vegas, habe ich das Gefühl, in einer Illusion zu leben, etwas nicht ganz reales, doch jetzt fühle ich mich wie in der Fernsehserie Twenty Four! Ich halte Wache in der Sackgasse, in der sich der Serviceeingang zum Lucifer befindet, während Samuel die Geheimzahl eingibt, um die schwere Eisentür zu entriegeln.

Zum Glück hat er alle Zugangscodes zu den Hanson-Unternehmen!

Er stößt die Tür auf und bedeutet mir mit der Hand, ihm zu folgen. Mit der Taschenlampe beleuchtet er den engen Flur, in den wir uns hineinbegeben. Mein Stresslevel ist gerade auf dem Höhepunkt, ich versuche, meinen Blutdruck so gut ich kann unter Kontrolle zu bringen. Rein theoretisch ist niemand im Lucifer, doch ich habe Angst, dass wir gleich von Angesicht zu Angesicht mit dem Geschäftsführer stehen, der eine Knarre in der Hand hält.

„Alles klar?“, flüstert Samuel ganz besorgt und dreht sich zu mir.

„Wunderbar!“, antworte ich etwas zu schnell mit einer unsicheren Stimme.

Er richtet die Taschenlampe auf mein Gesicht. Etwas geblendet sammle ich all meine Kräfte, um einen guten Eindruck zu machen und meinen Stress zu verbergen, der immer stärker wird. Doch anscheinend ohne großartige Erfolge.

„Du musst nicht mitkommen, Chloé, du kannst draußen auf mich warten.“

„Das kommt nicht in Frage, ich komme mit.“

Samuel seufzt, doch er versucht nicht, mich davon abzubringen, und wir bewegen uns weiter vorwärts. Nachdem wir die Umkleide vom Personal durchquert haben und an den Chefbüros vorbeigegangen sind, kommen wir vor der Tanzfläche an, die in Dunkelheit getaucht ist. Wir umgehen die kleinen leeren, gespenstischen Aufenthaltsräume, dann durchqueren wir die leere Tanzfläche. Obwohl wir recht vorsichtig sind, quietscht der Parkettboden unter unseren Füßen. Die Taschenlampe wirft unsere etwas düsteren Schatten auf die Wände und die Spiegel an der Decke werfen unser Spiegelbild zurück.

Das ist wirklich beängstigend. Zumal noch die Deko von Halloween hier zu sehen ist. Ich habe Gänsehaut und muss mich ständig umdrehen, da ich den Eindruck habe, dass uns jemand folgt. Ich habe wohl eine zu rege Fantasie!

Halt!

Nachdem wir an der Bar vorbeigegangen sind, drücken wir eine breite Glastür auf und betreten endlich den neuen Teil des Lucifers. Ich bin noch nie hineingegangen, das ist das Restaurant, den Tischen nach zu urteilen, die hier und da herumstehen. Dieser Ort sieht noch ganz neu aus. Wir befolgen Janes Anweisungen, gehen an der Mauer der Küchenräume entlang, die einen rechten Winkel zur Toilettenmauer bildet. Wenn wir die Ratschläge meiner Schwester wirklich befolgt haben, dann hat sie ihr Heftchen hinter dieser Wand versteckt.

Samuel reicht mir die Taschenlampe, damit ich ihm Licht mache, während er einen Elektrobohrer und einen Hammer aus seinem Rucksack herausnimmt. Ich bin völlig angespannt und kann mein Nervenzittern kaum unterdrücken. Aber wie stellt er es an, so ruhig zu bleiben?!

Er hockt sich auf den Boden und macht sich daran, durch die Wand aus Gipskarton kleine Löcher in regelmäßigen Abständen dicht nebeneinander zu bohren. Die Bohrmaschine ist recht leise, doch ich habe Angst, jemand könnte das Geräusch hören. Mir ist warm, mir ist kalt, ich schwitze! Ich kann kaum atmen. Ich schaue mich ganz verängstigt um. Wir sind zwar ganz nahe am Ziel, doch ich trete vor Ungeduld von einem Fuß auf den anderen! Wenn wir dieses Heftchen in die Finger bekommen, haben wir genug Beweise, um dieses Drogennetzwerk aufzulösen und das Damoklesschwert abzuwenden, das über uns schwebt!

Und insbesondere über Jane!

Plötzlich gibt die Wand nach. Ich starre auf das riesige Loch, Samuel führt den Arm hinter die aufgerissene Wand und sucht tastend nach dem Heftchen, als plötzlich ein dichter Rauch durch den Raum dringt und diesen im Handumdrehen füllt.

Das Lucifer steht in Flammen!

Der Rauch dringt in meine Lungen und reizt mir die Kehle, ich bekomme Atemnot und gerate in Panik, als ich sehen kann, wie riesige Flammen auf uns zukommen. Mein Mobilheim, das in Flammen steht, kommt mir wieder in den Sinn und lässt meine Angst noch weiter ansteigen, die mich völlig einnimmt. Ich kann hören, wie Samuel hustet, doch ich kann ihn nicht mehr sehen, so dicht wie nun der Rauch ist. Wir werden sterben! Plötzlich kann ich spüren, wie Samuel mich mit der Hand am Arm packt, gerade im Augenblick als die Glaswand von der Hitze zerspringt und die Explosion uns auf den brennendheißen Boden wirft.

Samuel zieht mich kriechend zu einem anderen Ausgang, doch ein anderer Brandherd bricht vor dem Notausgang aus. Ich kann gerade noch die Gestalt eines Mannes erkennen, der schnell davonrennt. Die Tür ist offen, doch die Flammen versperren uns den Weg. Der Luftzug facht den Brand nur noch mehr an, der sich nun immer schneller um uns herum ausbreitet.

„Wir müssen hier raus!“, schreit Samuel.

Er reißt sich noch einmal mit letzter Kraft zusammen und steht nun mitten im Feuer, hebt mich in seinen Armen hoch und eilt durch die Flammen ins Freie.

***

„Es ist vorbei!“

Samuel beruhigt mich zwischen zwei Hustenanfällen und drückt mich dabei in seinen Armen. Ich winde mich und versuche, wieder zu Atem zu kommen. Ich kann es kaum fassen, dass wir noch am Leben sind. Ich klammere mich an ihn, obwohl mir nur recht wenig Kraft bleibt. Ganz verstört starren wir auf das Lucifer, das in den Flammen zugrunde geht. Die Feuerwehr rückt mit angeschalteten Sirenen an und sie versuchen, das Feuer unter Kontrolle zu bringen.

„Wir müssen von hier verschwinden!“, sagt Samuel, der sich anscheinend wieder gefasst hat, während er mich stützt, um mir beim Gehen zu helfen. „Die Bullen werden bald anrücken und Fragen stellen. Es ist besser, sie wissen nicht, dass wir im Lucifer waren, es würde alles nur noch komplizierter machen.“

Doch als wir den Ort verlassen und uns dabei so unauffällig wie möglich verhalten kommen Luke und Owen angerannt und rufen uns etwas zu.

„Was tut ihr hier, ihr beide?“, fragt Owen besorgt und schaut dabei auf unsere zerrissenen Kleider, die voller Ruß sind. „Wart ihr im Lucifer?! Habt ihr den Brand gelegt?“

Das war’s wohl mit der unauffälligen Vorgehensweise!

„Was erzählst du denn da? Wir waren im Lucifer gefangen, doch es wäre jetzt zu schwierig, es zu erklären, Owen“, antwortet Samuel. „Später ...“

„Aber ist alles in Ordnung?!“, fragt er ganz außer sich, während Luke wie gebannt dabei zusieht, wie das Lucifer wie ein Kartenhaus einstürzt, ohne uns auch nur einen Blick zu schenken.

„Mehr Schrecken als Schaden. Und ihr, was tut ihr hier?“, fragt Samuel.

„Die Feuerwehr hat Luke verständigt. Die Nachbarn haben das Feuer gemeldet.“

„Verdammt!“, ruft Luke mit zusammengebissenen Zähnen, ohne dabei den Club aus den Augen zu lassen, von dem nichts mehr übrig bleibt. „Wer hat das getan?!“

„Was denkst du, Luke?“, fragt Samuel ganz bitter. „Diejenigen, die versucht haben, aus dem Lucifer eine Drehscheibe für Drogenhandel zu machen! Das heißt: Sanders und seine Komplizen!“

Samuel geht wieder voran und stützt mich immer noch dabei, da er beschlossen hat, nicht länger an Ort und Stelle zu bleiben.

„Kann mir mal jemand erklären, was hier vor sich geht? Sanders, wer ist das?“, fragt Owen etwas neben der Spur und folgt uns dabei.

„Ein Dreckskerl!“, sagt Samuel ganz kalt. „Wir haben herausgefunden, dass das Lucifer im Mittelpunkt eines großen Drogenhandels steht, Owen.“

„Wieso hat mir das noch keiner gesagt?“, fragt er etwas empört.

„Weil du mit anderen Dingen beschäftigt bist!“, erwidert Samuel schlagfertig, während Owen ganz bleich wird. „Autorennen, Wetten, wir wollten dich ja nicht damit stören! Tut mir leid, ich bin etwas erschöpft, wir wären fast draufgegangen, ich bin wirklich hundemüde ...“, sagt er plötzlich.

„Ja“, sagt Owen mürrisch. „Aber wie habt ihr das denn herausgefunden?“, fragt er beharrlich.

„Reiner Zufall ...“

Und Samuel wirft mir einen vielsagenden Blick zu, als wollte er mir damit raten, dass ich dazu nichts sagen soll. Keine Angst, ich bin völlig erschöpft. Doch es reicht noch, um zu begreifen, dass Samuel es vermeidet, Jane zu erwähnen. Warum? Wahrscheinlich, um sie zu schützen.

„Der Barkeeper, der Geschäftsführer, sie stecken bis über beide Ohren drin“, fährt Samuel fort.

„Der Geschäftsführer?! Das war doch Papas bester Freund!“, scheint Owen zu begreifen.

„Genau deshalb ...“

„Du kannst einfach nicht anders, als unseren Vater in all das zu verwickeln! Er ist tot!“, schreit Luke ganz erschüttert und anscheinend immer noch mitgenommen von seinem Tod. „Willst du ihm etwa alle krummen Geschäfte in Las Vegas anhängen! Er steckt hinter der Ermordung der Sanders, hinter dem Drogenhandel, dem 11. September.“

Owen sieht seine Brüder ganz verloren an. Offensichtlich versteht er überhaupt nichts.

„Hör mal, Luke, ich habe jetzt keinen Nerv dafür. Verständige die Versicherungen, vermeide es, über den Drogenhandel zu sprechen, die Bullen sind vielleicht auch darin verwickelt! Chloé und ich werden uns etwas ausruhen. Wir wären beinahe draufgegangen. Beinahe wären wir gestorben. Wir sprechen uns später.“

„Noch einmal: Ich weiß, was ich zu tun habe Samuel“, antwortet Luke in einem defensiven Ton.

„Verdammt!“, sagt Owen schließlich, als ob er das Problem voll und ganz begriffen hätte. „Wir stecken bis zum Hals in der Scheiße ...“