Schrecklich, wenn nicht gar katastrophal, wie die Situation ist, passt es irgendwie, dass sie so ein Ende genommen hat, denn es hat sich alles immer ums Haus gedreht. Unsere Ehe, unsere Familie, unser Leben : Das alles schien nur zu Hause richtig Sinn zu ergeben. Wenn man uns herausriss – selbst bei einem der schicken Urlaube, die wir uns gegönnt haben, als die Kinder sehr klein waren und wir unter gewaltigem Schlafmangel litten – und der Lack allmählich Kratzer abbekam. Das Haus gab uns Sicherheit und beschützte uns, aber es definierte uns auch. Es hielt uns noch lang nach unserem Verfallsdatum auf Kurs.
Und seien wir mal ehrlich: Wir sind hier in London, und in den letzten Jahren hat uns das Haus mehr Vermögenszuwachs beschert, als Bram oder ich durch unsere Gehälter hätten beisteuern können. Er war damals der Hauptverdiener in unserer Familie, unser gütiger Ernährer. Freunden und Nachbarn ging es ähnlich, als hätte man uns unserer menschlichen Kraft beraubt und sie in Ziegel und Mörtel investiert. Alles, was am Monatsende übrig war, wurde nicht in Rentenfonds oder Privatschulen oder eherettende Wochenenden in Paris gesteckt, sondern ins Haus. Du weißt, es wird sich auszahlen, versicherten wir einander. Keine Frage.
Da fällt mir etwas ein, das ich ganz vergessen hatte. An jenem Tag – dem entsetzlichen Tag, als ich nach Hause kam und die Vaughans in meinem Haus entdeckte – fragte Merle sie unverblümt, woran ich bis dahin keinen Gedanken verschwendet hatte: »Wie viel haben Sie bezahlt?«
Und obwohl meine Ehe, meine Familie, mein Leben zerstört waren, hielt ich mit Schluchzen inne, um der Antwort zu lauschen:
»Zwei Millionen«, sagte Lucy Vaughan in einem gebrochenen Flüsterton.
Und ich dachte: Es ist mehr wert.
Wir sind mehr wert.
Wir hatten es für ein Viertel davon gekauft – immer noch eine stattliche Summe, die uns damals schlaflose Nächte bereitet hatte. Doch sobald mein Blick auf die Trinity Avenue 91 fiel, konnte ich mir nicht vorstellen, irgendwo anders an Schlaflosigkeit zu leiden. Es war die gutbürgerliche Zuversicht der Backsteinfassade, mit ihren hellen Steinornamenten und dem Kalkanstrich, dem Blauregen, der sich um das schmiedeeiserne Geländer des schmalen Balkons über der Tür rankte. Eindrucksvoll, aber trotzdem nicht unnahbar. Solide, aber romantisch. Ganz zu schweigen von den Nachbarn mit derselben Sicht auf die Dinge wie wir. Nach langer Suche hatten wir dieses wunderbare Fleckchen Erde aufgestöbert, auf einen U-Bahnhof für diese Beschaulichkeit verzichtet, die man in den Vororten bekommt – dieses wohlige Gefühl, als sei die Luft mit Puderzucker bestäubt wie köstliches Konfekt.
Das Innere war eine andere Sache. Wenn ich jetzt an all die Renovierungsarbeiten denke, die wir im Lauf der Jahre vorgenommen haben, an die Energie, die das Haus schluckte, ganz zu schweigen das Geld, kann ich nicht glauben, dass wir das alles überhaupt auf uns genommen haben. Da waren, in keiner spezifischen Reihenfolge: die aufpolierte Küche, die aufgefrischten Bäder, der aufgepeppte Garten vorne und hinten, die restaurierte Garderobe im Erdgeschoss, die reparierten Schiebefenster, das renovierte Parkett. Dann, als uns die »auf«- und »re«-Verben ausgingen, gab es einen Haufen mit »neu«: eine neue Verandatür von der Küche in den Garten, neue Küchenschränke und eine neue Arbeitsplatte, neue Einbauschränke in den Zimmern der Jungen, eine neue Glas-Trennwand zum Essbereich, ein neuer Zaun und ein neues Tor zur Straße, ein neues Spielhaus samt neuer Rutsche im Garten … So ging es immer weiter, eine unaufhörliche Abfolge an Erneuerungen, mit Bram und mir – nun ja, hauptsächlich mir – wie das Gremium einer gemeinnützigen Einrichtung, die ihr jährliches Budget zusammenkratzt, sämtliche Freizeit investiert, um Angebote einzuholen, Handwerker zu finden und zu beaufsichtigen, on- und offline nach Einrichtungsgegenständen und Einbauten und dem nötigen Werkzeug zu suchen, um alles einzurichten und einzubauen, Farben und Textilien aufeinander abzustimmen. Und das Tragische ist, dass ich mich niemals, kein einziges Mal, zufrieden zurückgelehnt und mir gesagt habe: »Es ist fertig!« Die Vorstellung vom perfekten Haus verführte mich wie der Wüstling in einem altmodischen Groschenroman.
Natürlich, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich wahrscheinlich keinen Finger mehr krümmen. Ich würde mich auf die Menschen konzentrieren. Ich würde ihnen ein anderes Ziel geben, bevor sie sich selbst zerstören.
#OpferFiona
@ash-buckley: Wow, unglaublich, wie billig damals Häuser waren.
@loumacintyre78 @ash-buckley: Billig? 500.000? Nicht in Preston. Es gibt auch ein Leben außerhalb von London!
@richieschambers: Aufgepeppte Gärten? Farben abstimmen? Gibt es diese Frau wirklich?
Die früheren Eigentümer waren ein älteres Ehepaar, genau die Sorte, die wir in meiner Vorstellung einmal werden würden. Mäßig erfolgreich als Lehrer (sie hatten das Haus gekauft, als man noch keine Jobs in Unternehmen brauchte wie bei uns, oder später welche in der Finanzwelt wie bei den Vaughans, um sich ein nettes Einfamilienhaus leisten zu können) und voller Zuversicht, weil die Kindererziehung abgeschlossen war, wollten sie Eigenkapital freisetzen, um selbst frei zu sein. Sie wollten reisen, und ich stellte sie mir als wiedergeborene Nomaden vor, die eine Wüstendurchquerung unter den Sternen unternahmen.
»Es muss schwer sein, sich von einem Haus wie diesem zu verabschieden«, sagte ich zu Bram auf der Rückfahrt zu unserer Wohnung, nachdem wir zum Ausmessen für die Vorhänge hingefahren waren, was mit einer oder zwei Flaschen Wein geendet hatte. Höchstwahrscheinlich hatte er die Geschwindigkeitsbegrenzung und auch die Promillegrenze überschritten, aber damals, bevor die Jungs da waren, als nur unser eigenes Leben auf dem Spiel stand, störte es mich nicht. »Ich finde, sie wirkten etwas melancholisch«, fügte ich hinzu.
»Melancholisch? Sie werden sich den ganzen Weg zur Bank die Augen aus dem Kopf heulen«, sagte Bram.
Wie bin ich nur an diesen Punkt gelangt? Diese ausweglose Verzweiflung? Wirklich, es wäre für alle Beteiligten besser gewesen, hätte ich ihn viel früher erreicht. Selbst die Kurzfassung ist eine lange Geschichte (okay, das hier ist also ein bisschen mehr als ein kleiner »Abschiedsbrief« – es ist ein umfassendes Geständnis).
Bevor ich anfange, muss ich diese Frage stellen: War das Haus selbst verdammt? Hat es einfach jeden, der darin wohnt, mit in den Abgrund gezogen?
Das alte Ehepaar, von dem wir es kauften, hatte sich getrennt. Es war dem Immobilienmakler herausgerutscht, als er und ich nach einem Treffen mit dem Handwerker einen Abstecher ins Two Brewers machten. (»Lust, die Kneipe um die Ecke auszuprobieren?«, fragte er, und ich brauchte wohl keine zweite Einladung.)
»Das ist nicht die Art Information, die man potenziellen Käufern gern auf die Nase bindet«, gestand er. »Niemand will wissen, dass er in ein Haus einzieht, das Zeuge des Scheiterns einer Ehe war.«
»Hmm.« Ich nahm das Glas und hob es mir an die Lippen, wie ich es in Zukunft an diesem Tresen noch unzählige Male tun würde. Das Pale Ale war angenehm süffig, und das Pub hatte seinen alten Charme behalten, war im Gegensatz zu vielen anderen in der Nähe noch nicht zu einem Gastropub aufgehübscht worden.
»Sie wären überrascht, wie häufig Scheidungen bei Paaren vorkommen, deren Kinder das Nest verlassen«, fuhr er fort. »Das jüngste schwirrt zur Uni ab, und auf einmal haben er und die Göttergattin Zeit und stellen fest, dass sie sich hassen, und das schon seit Jahren.«
»Wirklich?« Ich war überrascht. »Ich dachte, es wäre nur die Generation unserer Eltern, die den Kindern zuliebe zusammenbleibt.«
»Stimmt nicht. Nicht in Gegenden wie dieser, mit Menschen wie denen. Hier geht es traditioneller zu, als Sie glauben.«
»Nun, es ist nur eine Scheidung. Könnte schlimmer sein. Es könnten Leichenteile sein, die im Abwasserrohr gefunden werden.«
»Das hätte ich Ihnen definitiv nicht erzählt«, erwiderte er lachend.
Fi habe ich nichts davon erzählt. In ihrer romantischen Vorstellung haute das ältere Ehepaar seine Pension auf den Kopf und ritt wie Lawrence von Arabien auf Kamelen durch die Wüste oder flog mit einem Heißluftballon über den Vesuv. Als hätten sie nicht bereits vierzig Jahre Schulferien hinter sich, um die Welt zu bereisen.
Zu dem Zeitpunkt hatten wir uns schon mindestens zwei Dutzend andere Häuser angesehen, und ich wollte keinesfalls riskieren, dass sie beim ersten, das unseren Vorstellungen entsprach, ihre Meinung mit der Begründung änderte, »Melancholie« sei eine Art ansteckende Krankheit. Wie Windpocken oder Tuberkulose.
War mir bewusst, dass das Haus an Wert gewann? Natürlich, wir waren alle ständig auf Portalen wie Rightmove unterwegs. Aber ich hätte es niemals verkauft. Ganz im Gegenteil: Ich hegte die Hoffnung, es in der Lawson-Familie zu belassen, irgendeinen steuerlichen Trick zu finden, damit die Jungs ihre Kinder dort großziehen, und die Köpfe meiner Enkel nachts auf denselben Kissen liegen könnten, unter denselben Fenstern wie meine Söhne damals.
»Wie soll das funktionieren?«, fragte meine Freundin Merle. Sie wohnt zwei Türen weiter neben meinem Haus, die Straße runter – neben meinem früheren Haus, es fällt mir immer noch schwer, das zu sagen. »Ich meine, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Frauen unter einem Dach zusammenleben wollen?«
Es verstand sich von selbst, dass die Frauen der Zukunft das Ruder in der Hand haben würden. In der Trinity Avenue, Alder Rise, würde das Matriarchat vorherrschen.
»Über die genauen Details habe ich noch nicht nachgedacht«, sagte ich. »Darf ich nicht einfach ein kleines Luftschloss bauen?«
»Mehr ist es auch nicht, Fi.« Merle bedachte mich mit ihrem sanften, geheimnisvollen Lächeln, das einem das Gefühl gab, auserwählt zu sein, als würde sie es nur ganz besonderen Menschen schenken. Von den Frauen in meinem Freundeskreis war sie diejenige, die sich am wenigsten um ihr Äußeres kümmerte – klein und athletisch, mit dunklen Augen, gelegentlich leicht verpeilt –, was sie zwangsläufig zu einer besonders attraktiven Frau machte. »Du weißt so gut wie ich, dass wir alle früher oder später verkaufen müssen, um unser Altenheim zu bezahlen und unsere Demenzpflege.«
Die Hälfte der Frauen in der Straße fürchtete, dement zu sein, aber in Wirklichkeit waren sie nur überlastet oder litten an generalisierter Angststörung. Das war der Grund, der Merle, Alison, Kirsty und mich zueinandergeführt hatte: Wir »pflegten« keine Neurosen. Wir behielten immer einen kühlen Kopf. (Wir hassten diese Redewendung »Keep calm and carry on«!)
Wenn ich mich jetzt höre, klingt es lächerlich: Wir »pflegten« keine Neurosen? Was ist mit denen, die durch gescheiterte Ehen, Verrat und Betrug ausgelöst werden? Für wen hielt ich mich damals?
Das haben Sie wahrscheinlich längst entschieden. Ich weiß, jeder wird ein Urteil über mich fällen. Glauben Sie mir, das habe ich auch. Aber was wäre der Sinn davon, das hier zu tun, wenn ich nicht ehrlich bin, mit all meinen Fehlern und Schwächen?
#OpferFiona
@PeteYI ngram: Hmm. M.E. kann man den Verlust einer Luxusimmobilie nicht damit vergleichen, Opfer eines Gewaltverbrechens zu sein.
@IsabelRickey101 @PeteYI ngram: Was denken Sie denn? Sie ist obdachlos!
@PeteYI ngram @IsabelRickey101: Sie lebt nicht auf der Straße, oder? Sie hat immer noch ihren Job.
Womit verdiene ich meinen Lebensunterhalt? Ich arbeite vier Tage die Woche als Account-Managerin für ein großes Handelsunternehmen von Wohnaccessoires – seit Kurzem bin ich für unser neues Portfolio fair produzierter Teppiche zuständig, ebenso wie für wunderschöne, mit Spiralen gestaltete Dekoartikel von italienischen Glasherstellern.
Es ist eine tolle Firma, mit einem ganzheitlichen und zukunftsorientierten ethischen Konzept. Können Sie sich vorstellen, dass sie mir einen Teilzeitvertrag angeboten haben, damit ich Beruf und Kinder besser unter einen Hut bekomme? Und das bei einem Handelsunternehmen? Sie haben sich einer EU -Initiative verpflichtet, um berufstätige Mütter zu unterstützen, und ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Nun, Sie wissen, was man sagt, wenn so etwas passiert: niemals kündigen.
Es stimmt, ich hätte wahrscheinlich mehr verdient, wenn ich für einen dieser riesigen, halsabschneiderischen Großkonzerne gearbeitet hätte, aber mir war die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben schon immer wichtiger als das Gehalt. Ein paar von uns wollen anderen nicht den Hals abschneiden, nicht wahr? Ich weiß, es ist ein Klischee, aber ich liebe es, mit handgefertigten Produkten zu arbeiten, die ein Haus in ein Zuhause verwandeln.
Ja, selbst jetzt, wo ich kein eigenes mehr habe.
Ich habe seit fast zehn Jahren für einen Hersteller von Orthopädiebedarf in Croydon gearbeitet, als regionaler Vertriebsleiter für den Südosten. Ich war viel unterwegs, besonders in den ersten Jahren. Ich habe alle möglichen Stützvorrichtungen verkauft – für Knie, Ellbogen, was auch immer –, und Nackenkissen und Abdominalbandagen, aber im Grunde hätte es auch irgendetwas anderes sein können. Büroklammern, Hundefutter, Sonnenkollektoren, Reifen.
Es spielte damals keine Rolle, und es spielt auch jetzt keine.