Stimmte es mich nostalgisch, von seinem Verhältnis mit einer neuen Frau zu hören, weil es mich daran erinnerte, wie es am Anfang zwischen uns gewesen war?
Sie müssen entschuldigen, aber darüber würde ich jetzt lieber nicht nachdenken, über dieses »Vorher«. Vor den Jungen, vor dem Haus, vor unserem Leben in Alder Rise. Der Teil, bei dem man sich verliebt und angeblich sein Herz verliert, obwohl niemand wirklich irgendetwas verliert , nicht wahr? In Wirklichkeit ist es doch so: Die eine Hälfte von uns sucht, wühlt, packt zu , die andere bleibt einfach wie erstarrt stehen und ergibt sich.
Ich behaupte das als die Realistin, die ich bin, doch dann steigt ein Bild in mir hoch, bevor ich es zurückhalten kann, ein Bild, das sich jeglichem Zynismus widersetzt und mir einreden will, dass wir die Ausnahme waren: wir zwei in einer überfüllten Bar im West End – unser erstes Date –, zu fasziniert voneinander, als dass unsere Blicke zu den Hunderten anderer Gesichter gewandert wären; oder die Luftaufnahme eines Autos, das durch die smaragdgrüne Landschaft Englands rast – unser erster gemeinsamer Urlaub –, zu schnell und dennoch nie schnell genug. Bitte ersparen Sie es mir, auf die Ironie hinzuweisen, auf den Umstand, dass es der Rausch der Geschwindigkeit war, dem ich verfiel, dass seine Wirkung auf mich einer Kollision gleichkam.
Es gibt ein weiteres Bild aus den Anfängen, ein schmerzhafteres: eine Frauengestalt, Räder schlagend am kalifornischen Strand, ihre langen Haare berühren den Sand. Eine Frischvermählte, die Hochzeit kein Jahr nach dem ersten Kennenlernen, kommt wieder zum Stehen und bemerkt, wie ihr Ehemann sein Hemd aufknöpft, den Blick starr aufs Meer gerichtet, als wollte er schwimmen und immer weiter schwimmen, wobei er sein Eheversprechen wie seine Kleidung hinter sich am Ufer zurücklässt.
Im Grunde war es verrückt, jemals auch nur angenommen zu haben, dass eine Frau und Kinder für einen Mann wie Bram etwas anderes als Ketten bedeuten könnten.
Heute Nachmittag stand ich kurz davor. Ich hätte es fast getan, obwohl ich mit meiner Geschichte kaum angefangen habe, und ich hatte mir geschworen, sie von vorn bis hinten zu erzählen, bevor ich handle. Aber man vergisst, wie Musik einen aus heiterem Himmel packen kann, denn die Radiosender lieben ihre nostalgischen Oldies, und es besteht immer die Gefahr von Liedern, die Erinnerungen wecken, die man nicht geweckt haben will. »Unsere« Lieder, wo es kein »unser« mehr gibt. Und sie haben dieses Lied gespielt, »Big Sur«, ein Hit, als Fi und ich uns kennenlernten. Vielleicht wurde es auf unserer Hochzeit gespielt, ich erinnere mich nicht, aber wir verbrachten unsere Flitterwochen in Kalifornien und fuhren zum Big Sur, um die weltbekannte Küste mit eigenen Augen zu sehen. Als ich das Lied hörte, konnte ich mich so klar und deutlich am Rand der Klippen sehen, mit dem Pazifik, der monströs und heulend unter uns lag, um eine Million Mal den Schmerz der Vergangenheit zu überspülen. Und ich dachte mir, wenn schon alles völlig bedeutungslos ist, warum sich überhaupt die Mühe geben, meinen Bericht zu hinterlassen? Warum nicht in mein erbärmliches, kleines Zimmer zurückgehen und mein Leben hier und jetzt beenden, um meine Version der Geschehnisse mit ins Grab zu nehmen? Während ich hier sitze, spüre ich, wie meine Zehen in meinen Schuhen zucken, ich spüre, wie meine Fußballen nach vorne wippen.
Spring, Bram.