Die Halloweenparty am Samstagabend war traditionell der krönende Abschluss des Wochenendtrips. Der Brauch verlangte eine große Schüssel mit Dosenlitschis und eine andere mit Spaghetti in Tomatensoße, damit die Kinder mit verbundenen Augen abwechselnd die Hände in die »Augäpfel« beziehungsweise »Gehirne« tauchten. Dann, sobald die Sicht wieder hergestellt und die Gesichter geschminkt waren, tanzten sie kreischend unter Spinnweben und Lichterketten, aßen Kuchen mit grellgrüner Glasur – Schleim – und tranken Kirschsaft – Vampirblut – durch spiralförmige Strohhalme.
Es waren die Kinder, die in Kostümen steckten, doch als ich am Ende des Abends in den Spiegel sah, bemerkte ich auch eine Veränderung an mir selbst. Entgegen den Gesetzen von Halloween sah ich weniger schaurig aus, menschlicher. Ich habe es überlebt , dachte ich. Ich fühle mich gut .
Dann: Liegt es daran, dass Ehebruch nicht das schlimmste Verbrechen auf der Welt war, nicht einmal bei Weitem? Menschen brachten dort draußen andere um, missbrauchten die Schwächeren und stahlen von den Älteren; es gab zerbombte Städte und ertrunkene Flüchtlinge. Warum dann nicht Bram vergeben – ein zweites Mal?
Weil es ein drittes und viertes und fünftes Mal geben würde, deshalb nicht. Ich löschte das Licht im Bad und mit ihm die Gedanken.
»Oh, Ali, hier ist es so wunderschön«, schwärmte Merle gerade, als ich wieder nach unten kam. Kirsty überwachte das Zubettgehen, die Kinder in Reihen auf Aufblasbetten unter dem Dach. Bingo, Kirstys Cockerspaniel, und Alisons Labrador Rocky waren vor Erschöpfung auf dem Teppich im Wohnzimmer eingeschlafen, wobei niemand vollkommen sicher war, was die beiden während des Festes alles gefressen hatten.
»Wir haben alle geholfen, es schön zu machen«, sagte Alison und begutachtete die Trümmerhaufen über den Rand ihres Proseccoglases.
»Nicht die Party, das ganze Haus. Ich wünschte, ich hätte dein Auge.«
Merle war nie die passionierte Innenarchitektin gewesen, nicht wie Alison mit ihren abgestimmten, schicken Wandfarben und frühmorgendlichen Streifzügen über den New Covent Garden Market für ihre Blumen. Ich erinnere mich, Merle einmal beobachtet zu haben, wie sie sich die Fingernägel mit der Küchenschere schnitt und die Kuppen einfach auf den Boden wischte. Sie verließ nun die Küche mit einer Handvoll Gin Tonics und schaltete das Licht mit der Nase aus. Sie war spontan, lustig, voller Lebensfreude, um die ich sie immer beneidet hatte.
Was ich immer noch tue.
Als sie einen tiefen Schluck ihres Getränks kippte, als würde sie ihren Durst mit einer Cola löschen, fiel mir auf, dass die Flüssigkeit in ihrer Sektflöte stärker sprudelte als unsere, die Bläschen platzten wild an der Oberfläche. »Du trinkst gar nicht, Merle?«
Sie verzog das Gesicht: Das Spiel war aus. Ich spürte, dass sie es verneint hätte, hätte eine der anderen gefragt. »Sprudelwasser mit Holunderblütensirup«, gestand sie ein.
»Nur das eine Glas oder schon die ganze Zeit über?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Du Schlange!«, keuchte Alison. »Ich kann nicht glauben, dass du unser Wochenende unterwandert hast. Was ist los?«
»Nichts Bestimmtes«, sagte Merle. »Nur ein bisschen sober in October – nüchtern im Oktober ist das neue Yoga.«
»Warum? Diese Wohltätigkeitssache?«
»Nicht ganz. Vielleicht hat mir einfach der Reim gefallen?«
Alison schnaubte verächtlich. Das war selbst für Merle zu albern, und sie wusste, dass wir es wussten.
»Ich werde das Trinken niemals aufgeben«, sagte ich. Ich hatte den Urinstinkt, sie vor weiteren Befragungen zu beschützen. »Und es interessiert mich nicht, ob Shakespeare es im jambischen Pentameter geschrieben hätte …«
»Oh, aber du steckst in einer neuen Beziehung«, erwiderte Alison. »Das ist immer eine berauschende Zeit – im weitesten Sinne des Wortes.«
Ich kicherte. »Meiner Erfahrung nach sind es die alten Beziehungen, die uns zum Trinken bringen.«
Alisons Blick kehrte zu Merle zurück, die an ihr vorbei zur trüben schwarzen Welt hinter dem Fenster starrte.
»Nun, zumindest ist der Monat fast vorbei«, sagte Alison mit einem Seufzen.
Nachdem Rav und seine Helfershelferin verschwunden waren, goss ich mir ein so großes Glas Wodka ein, dass es selbst ein Nutztier umgehauen hätte, und sprang unter die Dusche, um das Gift des Tages abzuspülen. Die Anbiederung und die Habgier. Den kalten Schweiß. Die Anspannung . Ich hatte etwas arrangiert, von dem ich wusste, dass es bestenfalls eine Ablenkung, schlimmstenfalls die Einladung einer weiteren Variablen, einer weiteren Komplikation, einer weiteren Gelegenheit zur Reue in meinem Freakshow-Dasein war.
Es klingelte an der Tür. Im Garderobenspiegel sah ich einigermaßen menschlich aus, zumindest wenn man nicht zu genau hinschaute.
»Was für ein wunderschönes Haus, Bram!«, rief mein Gast. Sie trug Schwarz – zum Sex, nicht aus Trauer, aber was mich anging, hätte es auch das Letztere sein können.
»Lustig, du bist nicht die Erste, die das heute sagt«, erwiderte ich. Ich spürte, dass etwas Sonderbares mit meinem Gesicht vonstattenging, nicht so schlimm wie damals, in Fis Gegenwart, als ich dachte, ich bekäme einen Schlaganfall, aber schlimm genug, dass es meinem Gast auffiel.
»Was ist los? Du wirkst aufgebracht. Ist irgendwas los?«
»Nein, nichts.« Ich setzte ein Lächeln auf, das breiteste, das ich zustande brachte. »Bloß ein anstrengender Tag. Komm rein und lass mich dir einen großen Drink einschenken.«
»Ich mag Männer mit einem Plan«, sagte Saskia.
»Die Uhr wird heute Nacht zurückgestellt«, sagte sie später im Bett, und es war unausweichlich, dass ich mir wünschte, ich könnte sie viel weiter als nur eine Stunde zurückdrehen. Dass sie uns zurück in den September brächte und alles ungeschehen machte, was passiert war. Vielleicht sogar noch weiter in die Vergangenheit. Wie viel weiter? Womöglich, als ich vor vielen Jahren mit dem jungen Ding aus der Arbeit geschlafen hatte. War das der Moment gewesen, mit dem alles seinen Anfang genommen hatte?
Ihr Name war Jodie. Sie war jung, erst dreiundzwanzig oder so. Ich erinnere mich an das Gefühl, das mich am nächsten Tag auf der Fahrt nach Hause beschlichen hatte. Nicht Schuld – zumindest keine echte Schuld, wie ich sie jetzt kannte –, eher das Bedürfnis, meine eigene Schmach anzuerkennen. Das Verstreichen einer Ära.
»Wenn du die Wahl hättest, wie weit würdest du die Zeit zurückdrehen?«, fragte ich Saskia. »Ich meine nicht Stunden – ich meine Monate oder sogar Jahre. Wo würdest du anhalten?«
»Gar nicht«, entgegnete sie. »Für mich gibt es keine Reue. Ganz ehrlich, das ist eine meiner Lebensphilosophien. Schau mich nicht so an!«
»Wie schaue ich denn?«
»Als würdest du plötzlich erkennen, dass ich eine Außerirdische bin.«
»Du bist keine Außerirdische«, sagte ich. »Ich bin einer.«
Ich küsste sie wieder – nicht nur, weil sie aus diesem Grund hier war, sondern auch, um das Gespräch zu beenden, das allmählich rührselig wurde und mich zu verraten drohte. Sie musste eine neue Facette der Sehnsucht gespürt haben, denn sie löste sich aus meiner Umarmung und sagte: »Was ist das hier, Bram?«
»Was meinst du?«
»Das hier. Der heutige Abend.«
O Gott. Jetzt schon. »Was willst du, dass es ist?«, fragte ich.
Sie seufzte, als ihr dämmerte, dass ich diesen Satz bereits viele Male zuvor gesagt hatte, dass er die einzige Antwort war, die sie jemals von mir erwarten könnte. Zumindest hatte sie gewusst, worauf sie sich in dieser Nacht einließ: einen bald geschiedenen, notorischen Fremdgeher mit einem Vorstrafenregister. Die öffentliche Version meiner selbst, auf die ich jetzt fast wehmütig blicke.
Im Ernst: Es war erstaunlich, dass ich überhaupt so lang durchgehalten hatte.