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Samstag, 14. Januar 2017

London, 04:00 Uhr

Draußen auf der Trinity Avenue ist es immer noch dunkel und neblig – dieselben Schwaden, die die Fenster verhüllen, an denen sie vorbeikommen, müssen auch sie unsichtbar machen. Merle hat gesagt, sie dürfen keinen Ton von sich geben, Fi solle an nichts denken, nur ihren Verstand leeren und sich auf ihre Schritte und das Atmen konzentrieren.

Erst als sie sich Baby Deco nähern, spricht Merle wieder: »Gibt es hier eine Überwachungskamera?«

»Ich glaube nicht.«

»Gut. Auf dem Weg hierher habe ich die Augen offen gehalten, und ich denke nicht, dass ich eine gesehen habe – hier ist reines Wohngebiet. Plus der Nebel. Schalt aber kein Licht ein, nur für alle Fälle.«

Auf der Treppe kann Fi ihre Beine nicht spüren, als würde sie schweben. Lautlos gleiten ihre Füße über den mit Teppich ausgelegten Gang, kein Atemzug scheint ihren Körper zu füllen oder zu verlassen. Als sie die Wohnung betreten, schlägt ihnen der Geruch von Erbrochenem und Wein entgegen, und er ist genau vor ihnen, immer noch im Sessel sitzend, mit dem Hals nach hinten geneigt, als wäre er abgeknickt. Ihr alles überlagerndes Gefühl ist Scham. Scham, dass er ihr Freund war, Scham, dass er sie hintergangen und gedemütigt hat. Dank ihm wirkt das Apartment dreckig.

»O Gott!«, flüstert Merle. »Ich dachte, du wärst vielleicht, keine Ahnung …«

Verwirrt oder durcheinander, meint sie. Immer noch in diesem dissoziativen Zustand. Nicht sie selbst, sondern eine unheimliche, andere Fi. Aber nein, das hier ist der Tod, und sie hat ihn verursacht. Sie muss jetzt die Konsequenzen tragen – Konsequenzen, die den Verlust ihres Zuhauses unbedeutend aussehen lassen.

Die Jungen . Was wird mit ihnen passieren? Ein Elternteil vermisst, der andere im Gefängnis.

»Was soll ich nur tun, Merle?« Ihre Stimme ist ein dünnes, erbärmliches Jammern.

Merle sieht sie an, und Fi kommt es vor, als habe sich seit gestern nichts in ihren Augen verändert: Fi ist immer noch das Opfer, die Geschädigte. »Das weiß ich noch nicht. Lass mich kurz nachdenken. Erzähl mir, warum er Mike heißt und nicht Toby.« Während Fi ihr alles ausführlich erklärt, nimmt Merle den Mantel, der auf einer geöffneten Umzugskiste neben der Küche abgelegt war, und unterbricht sie mit der Frage: »Gehört der ihm?«

»Ja.«

Merles Finger verschwinden in den Falten des Stoffs und tauchen mit einer braunen Ledergeldbörse wieder auf. »Michael Fuller. Okay. Das ist gut, glaube ich.«

»Warum soll das gut sein?«, fragt Fi.

»Weil du ihn Toby genannt hast. Höchstwahrscheinlich hast du niemandem von einem Mike oder Michael erzählt, oder?«

»Nein. Ich habe erst gestern Nacht erfahren, dass das sein richtiger Name ist.«

Merle durchsucht weiter die Geldbörse. »Und wenn ich mich recht erinnere, hat Alison gesagt, du hättest seine Familie noch nicht getroffen. Stimmt das?«

»Ja. Oder Freunde.«

Merle blickt hoch. »Keinen einzigen? Keinen Kollegen oder Nachbarn? Kinder?«

»Niemanden. Wir haben unsere Leben nicht so vermischt.« Weil ein Wir nicht existiert hat. Sie hat nicht den blassesten Schimmer, wer Toby – Michael Fuller – ist. Wer er war . Denn er ist kein Mensch mehr – nur noch eine sterbliche Hülle . Als Fi ihren Würgereiz niederkämpft, sieht Merle sonderbar ermutigt aus.

»Ich würde sagen, das ist ein echter Glücksfall«, erwidert sie und legt die Geldbörse auf die Küchenarbeitsplatte, bevor sie die Manteltaschen nach weiteren Hinweisen durchsucht. Autoschlüssel. Nicorette-Kaugummis. Zwei Handys. Beide aufgeladen, beide mit Bildschirmen, für deren Entsperrung ein Sicherheitscode nötig ist, den die Frauen unmöglich erraten können. »Welches benutzt er, wenn er dich anruft?«, murmelt sie, ebenso zu sich selbst wie zu Fi.

»Keine Ahnung, aber wenn ich ihn von meinem anrufe, wird es klingeln, und wir wissen es«, schlägt Fi vor.

»Nein!« Merle packt sie am Arm. »Keine Anrufe von deinem Handy, solange du hier bist, okay?«

Fi nickt. Merles Auftreten ist gebieterisch, autoritär, und Fi überkommt das kindische Bedürfnis, ihr gefallen zu wollen. »Und wenn ich die Nummer anrufe, die ich von Brams Telefon habe? Mit dem ich ihm die Nachricht geschrieben habe? Dann können wir doch annehmen, dass er das andere für mich benutzt hat.«

Es ist, als hätte er längst keinen Namen mehr. Fi kann sich nicht durchringen, ihn auszusprechen, als würde sie damit seine Lebenskraft wieder entfachen.

Merle zögert, bevor sie laut nachdenkt: »Soweit wir wissen, könnte er deine Nummer auf beiden Handys haben. Wir werden sie einfach beide loswerden und hoffen, dass man sie nicht nachverfolgen kann. Dieser Mann ist ein Krimineller, nicht wahr? Er benutzt Decknamen. Jemand wie er wird keinen Sinn für Familie haben, oder? Wird es aber nicht sonderbar aussehen? Er ist hergekommen, weil Bram ihm geschrieben hat, also wo ist das Handy, auf dem ihm die Nachricht geschickt wurde? Trotzdem, es könnte hundert Gründe geben, warum er sein Handy auf dem Weg hierher entsorgt hat.« In einer der Schubladen findet sie eine Plastiktüte, steckt die beiden Handys hinein und zieht dann Fi in den Gang zwischen die Umzugskartons, als wollte sie ihnen beiden den Blick auf den toten Mann ersparen. Sie spricht in kurzen, klaren Sätzen: »Hör mir zu, Fi! Weiß sonst noch jemand, dass du heute Nacht hergekommen bist?«

»Nein. Nur er.«

»Hast du jemanden angerufen, als du hier warst? Vielleicht Brams Mutter? Um mit den Jungen zu reden?«

»Nein, das habe ich am Abend bei dir getan. Wie schon gesagt, ich habe ihm geschrieben, aber mit Brams Handy.«

»Bist du im Internet gewesen?«

»Nein.«

»Wo ist dein Laptop? Den hast du hier nicht benutzt, oder?«

»Nein. Ich weiß nicht, wo Bram ihn verstaut hat. Schätzungsweise in einem dieser Umzugskartons. Ich habe ihn nicht mehr benutzt, seit ich nach Winchester gefahren bin. Am Dienstagabend.«

»Gut.« Merle geht rückwärts aus dem Gang und scannt mit den Augen die Küchenarbeitsplatte, bevor sie die Weinflasche und die Gläser mit einem Geschirrtuch abwischt. Dasselbe tut sie mit der weggeworfenen Schachtel von Brams Pillen. Ohne weitere Erklärung reicht Fi ihr ein Messer, das Merle säubert und in die Besteckschublade zurücklegt.

»Noch etwas? Wo ist das Handy, von dem du die Nachricht abgeschickt hast?«

Auch dieses wird abgewischt. Fi fragt sich, ob es Tobys Telefonen in den Beutel folgen wird, doch stattdessen legt Merle es auf das gelbe Blatt Papier.

»Warum lässt du es zurück? Das ist doch das Telefon, das ich benutzt habe!«

»Ganz genau. Hör mir zu, Fi! Es gibt einen einzigen Ausweg aus der Sache. Die Polizei findet ihn. Vielleicht sogar du oder wir beide gemeinsam – das ist noch besser! Nachher, okay? Wir finden seine Leiche und rufen die Polizei und werden sagen, dass wir ihn von gestern Abend kennen, dass er auf seiner Suche nach Bram in der Trinity Avenue eine Szene gemacht hat. Wir haben uns mit ihm ein paar Minuten bei mir unterhalten, aber er wurde aggressiv, und wir haben ihn gebeten, das Haus zu verlassen. Davor haben wir ihn noch nie gesehen. Verstehst du, worauf ich hinauswill?«

Ein sich langsam ausbreitendes Gefühl bemächtigt sich ihres Magens und ihrer Brust: Es dauert ein paar Sekunden, bevor sie erkennt, dass es Hoffnung ist. »Du meinst, Bram ist zurückgekommen und hat die Nachricht geschrieben? Bram hat ihm die Pillen gegeben?«

»Ja, oder ihn in einem derart erbärmlichen Zustand zurückgelassen, dass er selbst eine Überdosis genommen hat. Das weiß ich nicht – ich war nicht hier. Genauso wenig wie du. Es sind Brams Pillen, nicht deine.«

Fi starrt sie an, während ihr Gehirn durch Bilder der letzten Stunden blättert. »Aber die Schlaftabletten, Merle. O Gott, hattest du für die ein Rezept?«

»Ja. Aber: na und?« Merle ist hochkonzentriert. »Es gibt keine Schachtel mit meinem Namen drauf. Wenn es hart auf hart kommt, werde ich sagen, ich hätte sie Bram gegeben. Vor ein paar Wochen – ich erinnere mich nicht mehr an den genauen Tag, aber ich weiß noch, dass er über Schlafstörungen geklagt hat. Er hat mir nicht gesagt, dass er noch weitere verschreibungspflichtige Medikamente einnimmt, andernfalls hätte ich sie ihm niemals gegeben.«

Fi starrt sie an, kann nur mühsam mit ihr mithalten. »Danke.«

»Der Punkt ist der, du hast den Wein oder die Pillen nicht angerührt. Und dass auf allem anderen in diesem Apartment deine Fingerabdrücke zu finden sind, liegt schlicht und ergreifend daran, dass du die Hälfte der Zeit hier wohnst. Dieses Zeug gehört dir.«

»Ich habe Handschuhe getragen, als ich die Pillen zerbröselt und durch den Flaschenhals geschoben habe«, erklärt Fi.

»Gut.«

»Aber ich habe ein paar Kartons durchwühlt, ohne Handschuhe zu tragen, und sie stehen erst seit Dienstag hier. Das ist nicht schlimm, oder? Ich musste Unterlagen wegen des Hauses suchen, um sie der Polizei und den Anwälten zu zeigen.«

»Ganz genau. Es ist normal, nach wichtigen Dingen zu suchen, die Bram ohne deine Einwilligung eingepackt hat. Du wirst vielleicht auch Sachen für die Jungs brauchen. Aber das tust du, wenn du später zurückkommst, in Ordnung? Das ist der Moment, an dem du Dinge berührt hast. Gestern hast du bei mir übernachtet. Dann habe ich dich heute Morgen zu Brams Mutter gefahren, um die Jungs abzuholen, was ich um, sagen wir mal, acht Uhr tun werde? Neun? Lass uns zurück in die Trinity Avenue gehen, bis es an der Zeit ist, loszufahren.«

»Ich kann die Jungs nicht hierherbringen«, protestiert Fi entsetzt.

»Natürlich nicht«, stimmt Merle ihr zu. »Wir fahren einfach direkt weiter zu deinen Eltern. Du wirst ihnen vom Haus erzählen, ihren Ratschlag einholen wollen, nicht wahr? Konzentrier dich darauf. Hier bist du seit … seit wann nicht mehr gewesen?«

»Seit Mittwoch. Ich habe ein paar Schuhe geholt.«

»Gut. Adrian kommt heute zurück, also kann er auf Robbie und Daisy aufpassen, wenn ich herkomme, um mich hier mit dir zu treffen. Was für eine glückliche Fügung, dass ich gestern Abend zu müde war, um noch mit ihm zu telefonieren. Sollen wir jetzt gehen? Fi?«

Gehen? Fi bleibt wie angewurzelt stehen, starrt ihn einfach nur an. Kühlt er wirklich gerade aus und wird steif, existiert den ersten Tag als ein Ding, eine Daseinsform, die für immer ihr Leben ausgehaucht hat? Wie kann es nur sein, dass es so leicht vonstattenging? Wie konnte er den Wein mit all den vielen aufgelösten Pillen trinken? Hat er nicht bitter geschmeckt? Vergiftet?

Ihr Herz setzt aus. »Ich habe die Medikamente gegoogelt. Auf meinem Handy, als ich am Mittwoch hier war.«

Merle runzelt die Stirn. »Okay. Nun ja, nur weil du die Packung gesehen hast und wissen wolltest, was es ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass du sie mitgenommen hast. Mach es nicht unnötig kompliziert, Fi. Halt es so einfach wie irgend möglich.«

»Ja.«

Wie unbeirrbar Merle ist. Sie hat alle Antworten parat, alle Unwägbarkeiten. Sie ist Fis Retterin in der Not, ihr allwissender Engel.

Aber da ist noch etwas. »Lucy hat Brams Pillen gesehen. Heute, in der Küche. Sie sind mir aus der Tasche gefallen.«

»Hast du ihr gesagt, dass sie von Bram sind?«

»Nein, sie dachte, es wären meine … Sie hat das ständig wiederholt, obwohl ich ihr gesagt habe, dass sie nicht mir gehören.«

»Gut. Hattest du in letzter Zeit andere verschreibungspflichtige Medikamente?«

»Nein.«

»Sonst jemand in deiner Familie?«

»Nur Leo. Er hat diese Tabletten gegen seine Allergie. Es ist eine Folgeverordnung – wir benutzen sie nur bei Bedarf. Aber wir haben uns schon seit einer Ewigkeit keine neuen mehr geholt.«

»Das spielt keine Rolle. Haben sie dieselbe Verpackung wie die von Bram?«

»Vielleicht eine leicht andere Farbe. Ich erinnere mich nicht.«

»Zeig sie mir«, erwidert Merle.

»Das kann ich nicht – ich weiß nicht, wo sie sind.« Fi hört die Panik in ihrer Stimme, das Gefühl der Rettung schlüpft durch ihre Finger. »Sie waren im Haus, im Badezimmerschrank.«

Gemeinsam mustern sie die Unmenge an identisch aussehenden Umzugskartons, keine einzige beschriftet.

»Das ist nicht alles«, sagt Fi. »Es gibt noch mehr in der Lagerhalle.«

»Dann müssen wir suchen.« Selbst Merles Seufzen ist kurz, effizient. »Und zwar leise. Wir können uns nicht erlauben, dass irgendjemand hier im Haus uns herumpoltern hört.«

Es dauert über eine Stunde, um die Kartons mit den Dingen aus dem großen Badezimmer zu finden, aber zumindest sind auch Leos Tabletten darunter. Es gibt eine halb aufgebrauchte Blisterpackung und eine unberührte Schachtel. Fi steckt sie in ihre Handtasche. »Ich habe immer eine Packung dabei, für den Fall, dass Leo unterwegs Symptome entwickelt«, erklärt sie Merle.

»Ausgezeichnet.«

Schließlich verlassen sie die Wohnung, Fi mit ihrer Reisetasche, die Plastiktüte mit Tobys Handys in Merles Manteltasche. Der Nebel hat sich gelichtet, doch der Morgen fühlt sich immer noch freundlich an, ihnen wohlgesinnt, und liefert sie im Schutz der Düsternis in der Trinity Avenue ab. Auf dem Rückweg wird das Drehbuch weitergeschrieben, und Merle spricht in leisem Tonfall, kaum mehr als ein Murmeln.

»Hat euch jemals irgendein Nachbar im Wohnblock zusammen gesehen?«

»Ich glaube nicht. Ich begegne fast nie jemandem, auch wenn ich allein bin. Wenn er gekommen ist, habe ich ihm aufgemacht, und normalerweise sind wir getrennt los, also hat jeder, der ihn gesehen hat, nicht zwangsläufig wissen können, dass er mich besucht hat und nicht Bram.«

»Und als er gestern bei uns zu Hause aufgetaucht ist, meinte er, er wäre bereits bei der Wohnung gewesen, nicht wahr? Ein Nachbar musste ihn reinlassen, und dann hat er an die Tür gehämmert. Ich wette, er hat sich ziemlich ätzend aufgeführt und keinen Hehl daraus gemacht, dass er wütend auf Bram war.«

Sie haben Merles Haus fast erreicht, kommen gerade an dem von Fi – dem der Vaughans – vorbei, und aus den Augenwinkeln kann sie nur Stille ausmachen. Unvermittelt erstarrt sie mitten in der Bewegung und packt Merle am Arm. »Die Vaughans, Merle! Die Vaughans haben ihn gesehen!«

»Geh weiter!«, zischt Merle. »Ja, das haben sie, aber er war auf der Suche nach Bram, nicht nach dir. Erinnerst du dich? Er hat nach Bram gerufen, und David meinte etwas in der Art: ›Willkommen im Club.‹ Dann bin ich raus und habe ihn hereingebeten. Also haben die Vaughans keinen Grund, anzunehmen, er hätte etwas mit dir zu tun. Vielleicht haben sie gesehen, wie du mit ihm weggegangen bist, aber das bezweifle ich – sie kamen aus der Küche. Außerdem können wir das sowieso abstreiten.«

Sie müssen nicht lang warten, bis es an der Zeit ist, dass Merle sich ihre Autoschlüssel schnappt und Fi Tina schreibt, und dann gehen sie denselben Weg noch einmal zurück in Richtung Wyndham Gardens, wo Merles Range Rover geparkt ist.

»Also gut, erzähl mir, was später passieren wird.«

Fi trägt ihren Plan auswendig vor: »Du rufst mich um vier Uhr an und schlägst vor, dass wir zur Wohnung fahren und nachschauen, ob Bram irgendwelche Unterlagen vom Haus zurückgelassen hat, irgendwelche Beweise, die uns bei der Polizei und dem Anwalt am Montag helfen könnten. Wir finden die Leiche gemeinsam und sagen, dass wir glauben, es könnte derselbe Mann sein, der abends zuvor in der Trinity Avenue aufgetaucht ist und Bram gesucht hat. Wir haben in seinem Portemonnaie nach seinem Ausweis gesucht.«

»Perfekt. Sie werden den Wein sehen, Brams Handy überprüfen und anfangen, wegen des Hausbetrugs ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.«

Der Nebel ist in Nieselregen übergegangen, und die Scheibenwischer schwingen hin und her über die Windschutzscheibe. »Und wie soll ich erklären, dass der Mann, den ich gedatet habe, verschwunden ist?«, fragt Fi.

Merle späht in den Rückspiegel. »Nichts leichter als das. Er hat sich aus dem Staub gemacht, als ihm klar wurde, dass du das Haus verloren hast. War nur an deinem Geld interessiert.«

»Ich glaube, er könnte verheiratet gewesen sein«, erwidert Fi. »Er hat mich nie zu sich nach Hause eingeladen oder mir auch nur seine vollständige Adresse genannt. Meine Schwester war von Anfang an misstrauisch.«

»Exakt. Du wärst glücklich, wenn die Polizei ihn aufspüren könnte, aber ehrlich gesagt, ist es die kleinste deiner Sorgen angesichts des Umstands, dass dein Exmann gerade jemanden umgebracht und dein Haus gestohlen hat.«

Je mehr sie ins Detail gehen, desto besser wird ihr Plan. Er ist selbsterklärend, trägt eine innere Logik.

Dann erinnert sich Fi an Alison. »Oh, Alison.«

»Was ist mit ihr?«

»Sie hat ihn gesehen. Sie hat Toby an dem Abend gesehen, als wir uns kennengelernt haben.«

In der Bar im La Mouette, vor all den Monaten.

»Nun, du hast wirklich einen Typ Mann. «

»Alison wird nichts sagen«, widerspricht Merle. »Wahrscheinlich wird sie nicht mal befragt werden. Und wenn doch, wie lang ist das jetzt her?«

»September.«

Als alles begann. Ihr neues Leben.

»Also ewig her. Sie hatte ein paar Cocktails. Die Bar ist dunkel, ein Gewusel an Menschen. Das wird uns nicht den Hals brechen, Fi. Wenn es hart auf hart kommt, würde sie nicht gegen ihre beste Freundin aussagen. Ich zumindest würde das nicht.«

Es folgt eine rote Ampel nach der anderen. Der Motor schaltet sich ein und aus. Anhalten, losfahren, anhalten, losfahren. Frage, Antwort, Frage, Antwort.

Fi sinkt in ihrem Sitz zusammen, wünscht sich, sie wäre unsichtbar, ein Geist, der nur von der Frau neben ihr gesehen wird. »Merle, du willst das wirklich alles tun?«

Rote Ampel. Der Motor erstirbt.

»Auf jeden Fall«, erwidert Merle.

»Warum?«

»Komm schon, Fi. Du weißt, warum.« Sie wirft ihr von der Seite ein Lächeln zu, schief, ein bisschen traurig. »Ich hätte niemals geglaubt, dass das der Grund ist, weshalb du wieder mit mir sprichst, aber egal.«

Die Ampel springt auf Gelb um. Der Motor heult auf.

Fi weiß, warum.