Der Herzogstand hieß ursprünglich Farchenberg. Aber weil die bayerischen Herzöge Wilhelm, Ludwig und Albrecht im sechzehnten Jahrhundert dort nicht nur jagten, sondern sich überhaupt gern in der Gegend aufhielten, bürgerte sich bei der einheimischen Bevölkerung der neue Name ein. Später wurde er ganz offiziell übernommen. Herzogstand klang auch gleich viel romantischer als Farchenberg, fand Freya, in seiner Bedeutung ebenso wie der Wortmelodie. Die Fahrt hinauf auf etwa sechzehnhundert Meter dauerte vier Minuten. Außer Freya und Tobias befanden sich noch einige Wanderer in der Seilbahngondel. Drei Männer und zwei Frauen, die alle gleichermaßen Funktionshosen mit umlaufenden Reißverschlüssen an den Knien trugen, um sie bei Bedarf in Bermudas zu verwandeln. Die obligatorischen Softshelljacken hatten sie aufgrund des warmen Wetters umgebunden. Seitlich in ihren Rucksäcken steckten Wanderstöcke und Trinkflaschen. Alle fünf sprachen bestes Hochdeutsch und Freya nahm an, dass sie von weit nördlich des Weißwurstäquators herkamen. Preissen waren das, wie die Bayern andere Deutsche sämtlich bezeichneten, die nicht das Privileg hatten, im Freistaat geboren zu sein. Das war keine abwertende Titulatur, sondern durchaus neutral gemeint, auch wenn natürlich stets ein gewisses Mitleid für alle Nichtbayern mitschwang. Unmittelbar nach dem Aussteigen verharrten Freya und Tobias ebenso wie die anderen Fahrgäste einen Moment lang in andächtiger Würdigung des vollendeten Panoramas.
»Schöner geht’s nicht«, flüsterte Tobias, und Freya stimmte ihm nickend zu. Von der Alpenkette im Süden über den Walchensee und den Kochelsee konnten sie den Blick bis ins bayerische Voralpenland in Richtung München schweifen lassen.
Die Ausflüge mit ihrem Vater auf den Herzogstand gehörten zu Freyas liebsten Kindheitserinnerungen. Noch Jahre nach ihrem Umzug nach Stockholm hatte sie vom atemberaubenden Ausblick über die Heimat geträumt. Wann immer sie nach innerer Ruhe gesucht hatte, hatte sie sich vorgestellt, wie sie oben auf dem Hausberg des Walchensees stand und hinunterschaute auf tiefhängende Wolken, die in weißen Wirbeln aus dem Tal zu ihr aufstiegen.
Heute war weit und breit kein Wölkchen zu sehen, und in der klaren Luft zeichneten sich die Alpenkämme exakt vor dem blauen Himmel ab. Kaiserwetter. Freya war einfach nur glücklich. Die Anspannung bei der halsbrecherischen Serpentinenfahrt fiel von ihr ab. Aufgaben, die sie später noch zu erledigen hatte, rückten in weite Ferne. Von hier oben sah die Welt anders aus. Friedlich.
Mit einem Lächeln auf den Lippen trugen sie und Tobias die Fischlieferung hinüber zum Berggasthaus.
Der bayerische Märchenkönig Ludwig II. hatte hier seinerzeit das sogenannte Königshaus errichtet. Denn auch er war bekanntlich einer gewesen, der das Schöne schätzte und er hatte sich oft und gern auf dem Herzogstand aufgehalten. Später hatte man ein Gasthaus angebaut und ebenso eine Unterkunft mit Betten. Leider war die komplette historische Anlage bei einem Brand vor über dreißig Jahren zerstört worden, aber auch die dann neu errichtete Bergwirtschaft war immer gut besucht und sehr beliebt.
»Ah, die Fische! Endlich!«, rief ihnen der Wirt schon von weitem entgegen und hielt die Tür auf.
»Niklas schickt uns«, erklärte Freya. »Er kann leider nicht selber kommen. Ich bin seine Schwester, und das ist unser Freund und Geschäftspartner Tobias Wolf.«
»Karl Hauner. Ich kannte deinen Vater gut. Er ist im Winter, wenn die Fischerei geruht hat und er mehr Zeit hatte, oft raufgekommen. Dann sind wir zusammen Ski gefahren. Und manchmal blieb er über Nacht, weil wir zu viel von meinem selbst gebrannten Schnaps getrunken haben. Und ich glaube sogar, mich an dich als kleines Mädchen zu erinnern. Dich hatte er nämlich meistens dabei, aber das ist schon zwanzig Jahren her oder länger.« Der zierliche Mann mit den Lachfältchen warf einen Blick auf Tobias. Er schien zu überlegen. »Deine Familie wohnt auch unten im Ort, stimmt’s?«
Tobias nickte. »Meine Eltern haben ein Haus in der Siedlung hinter der Sparkasse, gleich wenn man den Hang rauffährt.«
»Na, dann kommt mal lieber rein und stellt eure Kisten in die Küche. Wir bereiten gerade einen Hochzeitsempfang vor und die Räucherfische sind ein wesentlicher Teil unseres Menüs.«
Vom Eingang, über dem ein ausladendes Hirschgeweih hing, ging es durch einen Windfang in einen großen Gastraum.
Ein grüner Schüsselkachelofen mit Kuppel obenauf verströmte Gemütlichkeit, und das sogar im Sommer, wo er nicht beheizt war.
An allen Tischen standen die typisch alpenländischen Bauernstühle aus Kiefern- oder Fichtenholz mit einem ausgesägten Herz in der Rückenlehne. Weiße Wände und schnörkellose Deckenbalken passten zum authentischen bayerischen Flair.
An einem Tisch saß eine junge Frau und faltete Servietten zu hübschen Blumen.
Karl Hauner führte die beiden bis in die Küche, und dort stellten sie ihre mitgebrachte Ware ab.
»Ich bin Koch«, sagte Tobias. »Darf ich fragen, was ihr für ein Hochzeitsmenü macht?«
Erfreut über das kollegiale Interesse startete der Bergwirt mit einer ausführlichen Erklärung. Tobias’ Gesicht hellte sich auf, als er in Töpfe schnupperte und sogar kosten durfte. Freya beobachtete die fachsimpelnden Küchenchefs, deren ehrliche Begeisterung für ihr Metier sie anrührte.
Schließlich traten sie hinaus auf die große Sonnenterrasse, vor der sich ein geradezu kitschiges Postkartenpanorama vom Karwendel bis zur Zugspitze ausbreitete.
Freya seufzte hörbar. Dunkelgrüne Fichtenwipfel, weit unter ihnen das strahlende Türkis des Sees und in der Ferne graue Bergkämme mit dem ewigen Weiß der Gletscher. Das konnte einen schon mal überwältigen.
Schmunzelnd klopfte ihr Karl Hauner auf die Schulter. Dabei musste sich der kleine, drahtige Mann strecken.
»Setzt euch hin, ich bring euch ein kaltes Tegernseer Hell«, verkündete er mit väterlicher Milde in der Stimme und deutete auf eine Bank an der schattigen Hauswand. Dass er sie duzte, störte überhaupt nicht, im Gegenteil, alles andere hätte sich unpassend gestelzt angefühlt. Freya und Tobias ließen sich nieder, keiner von beiden erwähnte die weiteren Tagespläne. In stummem Einverständnis gönnten sie sich eine Auszeit.
Das Bier war perfekt eingegossen mit einer üppigen Schaumkrone obenauf, und der erste Schluck schmeckte himmlisch.
Nun seufzte auch Tobias, sah Freya an, und beide mussten lachen.
»Schon schöner als in Schweden, oder?«
»Es gibt nur wenige Orte auf der Welt, die mit diesem hier mithalten können.«
»Hm. Sehr diplomatisch. Da hätte ich mir doch einen Hauch mehr bayerischen Patriotismus erhofft.«
Sie mochte Tobis Humor.
»Worüber sich nicht streiten lässt, ist, dass es hier das weltbeste Bier gibt«, lenkte Freya vergnügt ein und hielt ihm ihr Glas hin.
»Darauf stoße ich gern an.«
Im Rücken die kühle Hauswand, vor sich nichts als imposante Weite, genossen sie die Aussicht. Über ihnen im Obergeschoss standen die hölzernen Fensterläden offen, als wollten sie die Bergwelt umarmen. Freya fühlte sich ähnlich überschwänglich.
»Wenn ich von hier oben auf den See hinunterschaue, kann ich mir schon vorstellen, dass an der Geschichte was Wahres dran ist, die Niklas mir früher immer erzählt hat. Aus dieser Entfernung hat er was Magisches«, sagte sie.
»Welche Geschichte meinst du?«
»Die von dem riesigen Ungeheuer, das ganz unten im Walchensee haust. Ein riesiger Waller, der den Kesselberg umschlingt, seinen eigenen Schwanz im Mund hält und schläft.«
Tobias lachte. »Ach, das alte Schauermärchen. Hast du dich gegruselt?«
»Klar. Niklas hat behauptet, wenn man Steine in den See wirft, dann würde der Waller aufwachen, grantig werden und sein Fischmaul öffnen. Und dann würde der Schwanz herausschnellen, den Kesselberg zerschlagen und eine riesige Flutwelle auslösen, die uns alle bis nach München spült.«
»Ja, mit solchen Geschichten kann man Kindern Angst machen.«
»Bei mir hat es auf jeden Fall funktioniert. Du kannst dir sicher sein, dass ich niemals auch nur ein klitzekleines Steinchen in den See geschmissen habe.«
»Braves Mädchen.« Tobias streckte die Arme nach oben und dehnte sich und Freya befürchtete, er wollte aufbrechen. Aber dann verschränkte er die Hände hinter seinem Kopf und lehnte sich wieder gemütlich an. »Hat er dir auch erzählt, warum das Ungeheuer dort liegt?«
»Nein. So weit sind wir nie gekommen. Ich habe mir immer die Ohren zugehalten.«
»Dabei ist das das eigentlich Coole an der Geschichte. Der Riesenwaller soll einen sagenhaften Schatz bewachen, der angeblich im Kesselberg versteckt ist.«
Diese märchenhafte Begründung machte es für Freya verständlich. Schon als Kind hatte sie sich nämlich gefragt, was ein derart großes Tier dazu bringen könnte, sich um einen Berg zu wickeln und in seinen eigenen Schwanz zu beißen. Aber wenn es auf einen Schatz aufpasste, ergab das natürlich Sinn.
Tobias streckte auch noch die Beine weit von sich und schloss genießerisch die Augen. »Was sich die Leut’ für seltsame Sachen einfallen lassen.«
»Vielleicht wollten sie damals schon vorsorgen und die ganzen Touristen abschrecken, die auf dem See rumpaddeln und überall durch die Berge rennen«, mutmaßte Freya.
»Gesprochen wie ein wahrer Bayer.«
»Du nimmst mich nicht ernst, oder?«
Er blinzelte. »Doch, doch. Meistens jedenfalls.«
Sie lachte und stupste mit ihrer Schulter gegen seine, blieb angelehnt an ihn sitzen und schloss ebenfalls die Augen.
Trotz der Spannungen zwischen ihnen konnte sie mit Tobias rumalbern, lachen oder einfach auch nur schweigen, ohne dass es unangenehm wurde. Seine Gegenwart empfand Freya als besonders und selbstverständlich zugleich.
Zwei weitere Tegernseer Hell später und mit sichtlich sonnengeröteten Gesichtern fuhren sie schließlich mit der Seilbahn wieder ins Tal. Den Heimweg mussten sie zu Fuß antreten, weil Niklas eine Nachricht geschickt hatte, dass er keine Zeit hatte, sie abzuholen.
Kurz überlegte Freya, einen Umweg zu machen, um nicht an Jonas Hirschbergs Surfhütte vorbeigehen zu müssen, doch sie verwarf diesen Gedanken schnell wieder – sie hatte doch nichts zu verbergen.
Wie erwartet erspähte Jonas sie aus dem Fenster und kam heraus.
»Freya!« Er nahm sie in den Arm und drückte sie kurz. »Das ist schön, dass ich dich heute noch mal sehe.« Tobias nickte er zur Begrüßung beiläufig zu. »Nachdem unser Telefonat so abrupt geendet hat, wollte ich noch mal nachfragen, ob du denn nun morgen Zeit für mich hast.«
»Leider nein.« Sollte sie ihm auch gleich sagen, dass sie überhaupt keine weiteren Treffen mehr mit ihm in Erwägung zog? Nicht, um sich dem Willen ihres Bruders unterzuordnen und alle Hirschbergs zu meiden, sondern weil Freya vorhin oben auf dem Berg etwas beschlossen hatte. Keine lauwarmen Kompromisse mehr! Jonas entfachte kein Feuer in ihrem Herzen, bestenfalls sorgte er dort für ein warmes Gefühl. Das reichte nicht. Sein Leben war dominiert von seinen Eltern – etwas, das Freya kannte, erlebt und hinter sich gelassen hatte. Sie wünschte sich das Gleiche für ihn. Doch den Weg dahin musste er alleine gehen. Er musste es selber wollen, dabei konnte ihm keiner helfen.
»Ich dachte, ihr hättet morgen Ruhetag«, meinte Jonas enttäuscht.
»Schon, aber wir haben für kommende Woche derart viele Vorbestellungen, dass wir alle zusammen helfen müssen, um das zu bewältigen. Da fällt der freie Tag flach.«
»Schade. Gut für euch, wenn es so toll läuft. Ich hätte eh Probleme gehabt, mir freizunehmen, weil wir auch total ausgebucht sind.«
»Na dann passt es ja.« Fiel ihr Lächeln zu erleichtert aus? Oder warum schien Tobias belustigt?
»Was macht ihr beiden eigentlich hier?«, fragte Jonas.
»Wir haben einen Ausflug auf den Herzogstand unternommen und oben viel zu lange in der Sonne gesessen, weil es so gemütlich war«, gab Tobias bereitwillig Auskunft.
»Niklas hat uns gebeten, dem Berggasthof Fische zu liefern«, fügte Freya hinzu.
»Und das hätte der Tobias nicht alleine hingekriegt?«
»Schon«, antwortete der, »aber der Tobias fand es viel netter mit Freya zusammen.«
Jonas runzelte die Stirn. Ohne sein strahlendes Lächeln sah er älter aus und erinnerte Freya an seinen Vater. Es konnte beim besten Willen nicht klappen mit ihnen, nie und nimmer.
»Ich muss wieder rein.« Er küsste Freya auf die Lippen. Überrumpelt von seinem Kuss und etwas verlegen verabschiedete sie sich und schlug zusammen mit Tobias den Heimweg ein.
Während sie schweigend nebeneinanderher liefen und Freya ihren Gedanken nachhing, kamen sie an den Häuschen eines Wikingerdorfes vorbei, das als Filmkulisse gedient hatte und mitten im Ort am Seeufer stand. Es war umgeben von einem hohen Zaun. Obwohl es überhaupt nicht in die Landschaft passte, liebten es die Touristen. Sie kamen in Scharen, um es zu besichtigen, und auch an diesem Tag hatte sich an der Kasse zum Dorfeingang eine lange Schlange gebildet.
»Du hast ihn angelogen. Wir müssen morgen nichts vorbereiten«, bemerkte Tobias nach einer Weile.
Da es keine Frage war, beschloss Freya, diese Bemerkung unkommentiert zu lassen.
Aber Tobias ließ die Sache nicht auf sich beruhen, sondern wollte schließlich direkt wissen: »Was ist mit Jonas? Seid ihr zwei zusammen oder nicht?«
Auf dem schmalen Bürgersteig kamen ihnen Passanten entgegen, so dass sie hintereinandergehen mussten. Das gab Freya einen Moment, um ihre Gedanken zu ordnen. Eben noch war alles entspannt gewesen, nun konnte es turbulent werden, wenn sie nicht aufpasste.
»Äh. Wir haben uns öfters getroffen und was unternommen, das weißt du doch. Aber wir sind kein Paar.«
»Ein Umstand, den er gern ändern würde.«
Es war ihr unangenehm, mit Tobias darüber zu reden. Sie liefen wieder nebeneinander und als ihnen ein Mann entgegenkam, war Freya so in Gedanken, dass sie ihn nicht bemerkte. Tobias zog sie kurzerhand zu sich, damit sie nicht mit ihm zusammenstieß. Ein belustigtes Grinsen spielte um seine Mundwinkel. Was war los mit ihm? Nach ihrem Flirt in München und den vertrauten Momenten im Fischerfleck war er verstimmt gewesen, weil sie sich mit Jonas traf. Plötzlich schien ihm das Ganze nichts auszumachen, im Gegenteil, er amüsierte sich offenbar über die Situation. Das versetzte Freya einen Stich. Und das wiederum ärgerte sie noch mehr.
»Was geht dich das eigentlich an?«, sagte sie spitz. »Warum stellst du mir diese Fragen?«
Auf Höhe des Dorfladens, an der Ecke zur Ringstraße, blieben sie stehen.
»Weil mir der arme Trottel leidtut.«
»Wie bitte?«
»So kenne ich ihn überhaupt nicht. Normalerweise ist Jonas Hirschberg das personifizierte Selbstbewusstsein. Du scheinst ihn mächtig aus dem Konzept zu bringen.« Im Gegensatz zu Freya klang Tobias locker und beiläufig. Was sie noch mehr auf die Palme brachte. Sie musste sich zusammenreißen, um die Hände nicht trotzig in die Hüfte zu stemmen.
»Ach was. Ein Fachmann fürs Zwischenmenschliche? Warum bist du dann Single und nicht in einer glücklichen Beziehung, wenn du so gut Bescheid weißt?«
»Weil ich mich niemals mit einer Frau zufriedengeben würde, die mich derart leidenschaftslos ansieht wie du den Jonas.«
Freya machte einen Schritt auf Tobias zu. »Das ist eine Frechheit. Du hast keine Ahnung, was ich für Jonas empfinde.«
»Recht viel kann es nicht sein. Sonst würde mir dein Mangel an Enthusiasmus nicht dermaßen auffallen. Außerdem hast du ihn angelogen, weil du keine Zeit mit ihm verbringen magst und dich nicht traust, es ihm zu sagen.«
Aufgebracht starrte Freya Tobias an.
Unbeirrt fuhr er fort. »Und nein, ich bin kein Fachmann in Liebesdingen. Aber wenn ich jemanden in mein Leben lasse, dann müssen zwischen uns die Funken sprühen. Bei dir weiten sich nicht mal die Pupillen, wenn er dir nahe kommt. Nicht so wie …« Abrupt brach er ab und trat einen Schritt von ihr weg. Mit dem Daumen deutete er über seine Schulter. »Ich muss die Ringstraße hoch. Wir sehen uns später bei der Arbeit.«
Sie blickte ihm nach, mittlerweile mehr verwirrt als wütend. Konnte er Gedanken lesen? Was erwartete Tobias Wolf von einer Partnerin? Leidenschaft? Schmetterlinge im Bauch? Hingabe? Kein Wunder, dass er noch niemanden gefunden hatte, bei diesen Ansprüchen. Freya wusste aus eigener Erfahrung, wie unwahrscheinlich es war, jemanden kennenzulernen, der einen derart berührte. Niklas war einmal wahnsinnig verliebt gewesen und hatte am Ende gelitten wie ein Hund, als die Beziehung in die Brüche gegangen war. Freya hatte natürlich mehrere Beziehungen hinter sich, aber dieses Feuer von dem Tobias sprach, hatte sie selbst noch nie erlebt. Erneut kam ihr das Credo ihrer Mutter in den Sinn, nichts von seinen Mitmenschen zu erwarten, dann könnte man auch nicht enttäuscht werden. Hatte sie das doch verinnerlicht? Verpasste sie darüber womöglich das Aufregendste im Leben? Niklas hatte wenigstens wahrhaftig geliebt, selbst wenn er das Glück nicht hatte halten können. Sie starrte die leere Straße hinunter. Von Tobias war nichts mehr zu sehen. Er hatte eine heftige Reaktion in ihr provoziert. Sollte sie Jonas anrufen und doch ein Treffen mit ihm vereinbaren? Aber eigentlich war es nicht seine Gesellschaft, die sie sich wünschte.