U
nter der Dusche habe ich nichts Besseres zu tun, als mich von meinem Druck zu befreien. Und als ich komme, schreie ich so laut ihren Namen heraus, dass sie es sicher draußen im Wald hören kann.
Scheiße, ich weiß, dass ich krank bin. Ich weiß, dass ich auf kranke Scheiße stehe, aber das, was Sannah in mir auslöst, das kann ich mir nicht mal ansatzweise erklären. Es war vom ersten Moment an so, als ich ihr begegnet bin. Damals, als sie aus dieser Limo stieg, wollte ich sie fast schon wieder mit diesem Typ, der ihr die Tür aufhielt, fortschicken. So ist es von mir nie geplant gewesen, dass noch Dritte in meine Spiele mit involviert sind. Aber als ich sie dort stehen sah, in diesem Aufzug … Die blutroten Haare waren ihr damals noch bis zum Arsch gegangen. Schwarze Sneaker hatte sie an den Füßen und der Rest … passend zu ihrem wirren Blick. Ein ockerfarbener Rock, der bis zu ihren Knien ging und leicht ausgestellt war. Dazu ein hauchdünnes, gleichfarbiges Top, das direkt unter ihren Brüsten endete. Dieser Anblick hat etwas Groteskes gehabt, aber mich genauso fasziniert. Vor langer Zeit, als ich noch ein Junge war, hatte mich immer wieder derselbe Traum gequält. Ein Traum, in dem ich bloß die Rückansicht einer jungen Frau, mit langem blutrotem Haar zu sehen bekam. Und
als ich dann Sannah dicht vor mir stehen sah, war ich mir sicher, dass diese Träume nicht bloß Schäume gewesen waren.
Normalerweise jage ich jede Beute zuerst, aber bei ihr … Ich hatte sie sofort in den Nebenraum gebracht, der heute zu Shivas Zweitbehausung gehört. Hatte sie auf dem Tisch festgeschnallt und es mir mehrere Male vor ihr selbst gemacht, weil ich mich einfach nicht entscheiden konnte, was ich zuerst mit ihr anstellen sollte. Auf die Idee, dass sie gar nicht freiwillig bei mir war, kam ich erst in dem Moment, als sie mir eines meiner Messer in die Schulter jagte und flüchtete. Und als sie dann wieder in dieses Auto stieg und unsere Blicke sich zuvor getroffen hatten … Ich habe sie nie wieder vergessen können. Es hat sich sofort so angefühlt, als ob wir nur zusammen Sinn ergäben. Erst Tage später habe ich die Stelle am Tisch gefunden, an der sie sich das Seil durchgescheuert haben muss. So winzig, so wenig, dass ich damals fast ein wenig stolz auf sie gewesen bin, dass sie es überhaupt geschafft hat. Den Tisch gibt es immer noch im Nebengebäude, keine andere war je wieder in dem Raum und die scharfkantige Stelle habe ich bis heute nicht entfernt.
Ich kann nicht mal genau erklären, was bei Sannah anders war und ist, als bei den anderen Frauen. Es waren auf Anhieb ihre Augen. Ihr Blick. Fast schnulzig, als hätte sie mich verzaubert. Aber dieser Blick, diese Verrücktheit darin … sie ist perfekt. Für mich. Als ich dreizehn, vierzehn war, erwachte bei mir, genauso wie bei den anderen Jungs, das Interesse am anderen Geschlecht. Ich bekam einen Steifen, wenn ich eine scharf fand, und machte es mir genauso unter der Bettdecke selbst wie die anderen. Aber, wenn Sam, Jared oder einer der Jungs davon erzählte, was er sich beim Wichsen vorstellte oder besser wen er sich vorstellte … oder etwas später, als sie dann tatsächlich von ihren ersten Erfahrungen sprachen … Ich wusste damals schon, ich bin anders. Ich stellte mir vor, wie ich die Mädchen jagen würde. Mir ging einer ab, wenn ich
an ihre Angst dachte, die sie bei der Jagd empfinden würden. Und immer kurz bevor ich kam, sah ich mich vor meinem inneren Auge mit einem Messer über meiner Beute. Ich fickte sie und markierte sie dabei. Es war die perverseste Vorstellung, aber nur so kam ich in Fahrt. Erzählt habe ich nie einem davon. Mir war klar, dass da etwas nicht ganz rund läuft bei mir. Meinen ersten Sex hatte ich mit einer Prostituierten, die ich dafür bezahlte, sich von mir nachts durch ein abgelegenes Waldgebiet jagen zu lassen und sie im Anschluss zu vögeln. Da war ich siebzehn. Nur auf die Messerspiele wollte sie sich nicht einlassen. Es folgten weitere käufliche Zusammenkünfte. Mich auf ein normales Mädchen einlassen, dazu fehlte mir der Mut. Damals schon hatte ich Angst davor, dass eine von ihnen es vielleicht meinen Jungs erzählen könnte. Also ließ ich es bleiben und zahlte weiter für die Arrangements. Aber irgendwann reichte das nicht mehr. Ich wollte alle meine Fantasien ausleben. Ich ließ Dark Souls
bauen. Dass Frauen bei meinen Spielen sterben sollten, das war niemals ein Wunsch, Absicht oder eine Fantasie gewesen.
Es war nach Sannah. Ich suchte nur noch Frauen, die ihr irgendwie ähnlich waren. Und bei Zweien, die ihr zumindest äußerlich nahe kamen, hatte ich mich einfach nicht mehr im Griff. Als ob mein Hirn sich abgeschaltet hätte und nur noch der Trieb agierte. Aber Sannah will und kann ich nicht wehtun. Nicht sofort und nicht wie den anderen Frauen.
Ich steige aus der Dusche, stelle mich vor dem Spiegel auf und greife nach dem Handtuch auf dem Waschbecken. Zwar sehe ich mich durch den ganzen Wasserdampf nicht, aber es ist sowieso nur Sannah, die ich sehen will. Wie ich sie hier in diesem Raum abtrockne. Wie sie schmeckt, wie weich sie ist. Fuck! Das hier ist nichts, was ich in drei Tagen abhandeln kann. Dass hier fühlt sich nach so viel mehr an, und es tut fast weh, wenn ich daran denke, dass ich sie nicht mehr in die Freiheit schicken darf. Aber genauso wenig kann ich sie auf ewig hier
festhalten.
Nachdem ich eine bequeme dunkle Jogginghose übergezogen habe, stelle ich mich an eines der oberen Fenster. Mein Blick liegt auf dem Wald. Dort hinten, da kauert sie jetzt. In einem neuen Gefängnis, bewacht von Shiva. Kurz überlege ich, ob ich sie einfach da rausholen soll. Zu mir holen soll. Aber was dann? Sie ist noch viel unberechenbarer, als ich dachte. Und sie muss lernen. Sie muss wissen, dass es hier nach meinen Regeln läuft. Und nur durch Konsequenzen lernt man. Also schmeiße ich mich auf mein Bett und denke wieder an damals. Damals, nachdem sie fort gewesen war, ließ ich hier alles umbauen. Ich beauftragte eine Firma, die Zäune zu errichten, holte Shiva zu mir und ließ den Schauraum bauen. Noch mal sollte mir keine abhauen. Genau dazu dient der Schauraum eigentlich. Sie für gewisse Momente sicher einsperren und beobachten zu können. Und auch wenn ich ständig nur an Sannah denken konnte, nachdem sie hier gewesen war … der Kontakt ließ sich nicht mehr herstellen.
Monatelang habe ich die Adresse angeschrieben, von der die Mail gekommen war. Aber immer wieder kamen meine Mails zurück, mit dem Hinweis, dass diese Adresse nicht mehr vergeben sei. Ich habe alles Mögliche versucht, um die Mail zurückzuverfolgen, aber sie ist einfach zu gut verschlüsselt gewesen. Selbst für mich. Egal wer, aber irgendjemand in Sannahs Umfeld schien noch mehr Plan von diesen Dingen zu haben als ich. Irgendwann gab ich auf. Hatte aufgeben müssen, bis zu dem Tag vor ein paar Monaten im Haus des Kings. Unser eigentlicher Fall. Der Tag, an dem wir uns wiedersahen. Der Tag, an dem Sannah mir wieder einen Messerstich verpasste.
Ich schließe die Augen, versuche abzuschalten. Versuche sogar zu schlafen, aber ich wälze mich nur von der einen auf die andere Seite. Der starke Regen draußen flacht langsam ab, und als mein Blick wieder zum Fenster geht, ich den Mond
hoch am Himmel stehen sehe und doch wieder nur an sie denke, hält mich nichts mehr in diesem verfickten, einsamen Bett. Ich mache mir nicht die Mühe, mich umzuziehen, sondern streife nur die Boots über und stiefele hinaus in den Wald. Als ich mit einem Zischlaut nach Shiva rufe, ist es das erste Mal, dass sie nicht nach bereits einer Minute erscheint, und während ich mich dem Schacht nähere, weiß ich auch warum. Denn Shiva liegt genau darauf, sieht kurz zu mir und wendet dann ihren Kopf wieder der Stimme zu, die aus dem Schacht heraus, leise mit ihr spricht. Sannahs Stimme.