Co-Autor Michael H. Payne
Scythe Fields hielt sich den Hotdog unter die Nase, atmete tief ein und wieder aus. »Oh, der Duft von gutem, scharfem Senf unter einem vollkommenen, tiefblauen Himmel!« Er drehte sich um und strahlte den Hot-Dog-Verkäufer an. »Es gibt doch nichts Besseres auf der Welt, Charles.«
»Ja, Euer Ehren«, seufzte Charles.
Dieser Charles war eine Trantüte. Fields hätte ihn schon vor Jahren nachgelesen, wären seine Hot Dogs nicht so phantastisch. Die Würstchen waren ganz gewöhnlich, das schon, aber der Kerl konnte die Dinger phänomenal zubereiten. Genau die richtige Menge Senf, Krautsalat – knackig, nicht pampig – und ein perfekt temperiertes Brötchen. Fields inhalierte den Hot Dog fast, dann klopfte er sich die Krümel von der goldbraunen Robe.
»Ich glaube, ich nehme noch einen.« Fields lehnte sich gegen den Wagen und beobachtete die Einwohner Oxnards, WestMerica, wie sie durch den Park am Meer flanierten – die Blätter warfen in der Meeresbrise flackernde Schatten über die grasbewachsenen Hügel und gewundenen Pfade. »Wenn doch nur alle Tage so sein könnten!«, sagte er und blickte Charles an, wartete auf eine Reaktion.
»Meistens sind sie das«, sagte Charles mit seiner düsteren Stimme. »Regen oder Wolken gibt’s nur, wenn der Thunderhead es so bestimmt – also dann, wenn es die Leute wollen, vermute ich.«
Ein einfaches Nicken oder Lächeln, das hatte Fields ihm entlocken wollen – oder vielleicht sogar etwas Überschwänglicheres. Vielleicht eine ernst gemeinte Aussage, dass diese Stadt nur wegen Scythe Fields Bemühungen so wundervoll wäre – und nicht wegen des Thunderhead –, von dem Fields als Scythe ohnehin nichts hatte. Fields blickte finster drein, er war genervt, dass Charles ihn auf etwas Unschönes hingewiesen hatte. Fields merkte, wie seine Hand reflexartig nach dem Stockdegen griff, der an seinem Arm hing – ein Impuls, dem er sehr häufig nachgab.
Am häufigsten las er nach, wenn er sich über jemanden ärgerte – das hatten nachlässige Kellner, mürrische Teenager und unaufmerksame Haustierbesitzer in diesem Bereich der Küste in den letzten dreißig Jahren seiner Tätigkeit als Scythe am eigenen Leib erfahren müssen.
Aber so muffig Charles auch sein konnte, so angerührt war Fields von der Liebe, mit der er seine Arbeit verrichtete. Sogar jetzt sah man es an der Art und Weise, wie er das Würstchen ins Brötchen legte – wie ein Baby in die Wiege. Deswegen konnte Fields über seine vielen Fehler hinwegsehen.
Der Scythe schnappte sich den Hot Dog, obwohl Charles noch gar nicht fertig war. »Ich nehme auch noch einen dritten, wenn du so lieb wärst, Charles«, sagte Fields. »Ich versuche, ein paar Pfund zuzulegen, wie Xenokrates – der High Blade drüben in MidMerica.« Fields tätschelte den kaum sichtbaren Bauch unter seiner Robe. »Aber leider kann ich essen, was ich will, mein Körper arbeitet gegen mich.« Er nahm einen Bissen seines Hot Dogs und dachte nicht weiter darüber nach.
Ein leichtes Räuspern von Charles. »Sie könnten Ihre Naniten justieren lassen, Euer Ehren, dann nehmen Sie zu.«
Der Bissen wäre fast in die falsche Röhre gerutscht; Fields hustete, beugte sich nach vorne, stampfte mit dem Fuß auf, hatte seine Luftröhre wieder unter Kontrolle und schluckte angestrengt. »Und mich geschlagen geben?« Er richtete sich auf und schüttelte den Kopf. »Geist über Materie, Charles! Das ist das Leitprinzip, das diese Welt zu dem gemacht hat, was sie heute ist und –«
In dem Augenblick begann ein Hund zu bellen und zerstörte damit die ländliche Stille. Bei dem Geräusch zogen sich Fields’ Eingeweide zusammen. Er konnte nicht mehr klar denken.
»Godfrey Daniels!«, rief er.
Er hatte nie herausfinden können, was es mit diesem Ausruf tatsächlich auf sich hatte, aber sein Historischer Patron hatte das immer gesagt, wenn er verzweifelt war, deswegen hatte Scythe Fields das damals ebenso übernommen wie dessen Namen. Er schnappte sich seinen Stockdegen – noch ein altertümliches Accessoire, das er aus seiner geliebten Sterblichkeitsära übernommen hatte – und wirbelte weg vom Wagen – bereit, demjenigen eine tödliche Korrektur zuteilwerden zu lassen, der es wagte, die elegante Ruhe zu stören, für die er so lange und hartnäckig gekämpft hatte.
Er hatte nichts gegen Hunde – er liebte Hunde. Aber genau wie Kinder sollten sie besser leise sein.
Als Kind hatte er selbst einen Hund gehabt und ihn heiß geliebt – doch Hundeleben waren kurz und die Kosten für die Wiederbelebung und das Zurücksetzen ihres Alters verdoppelten sich von Mal zu Mal. Und schließlich, wenn es zu kostspielig wurde, entschieden sich viele Leute dafür, ihre Haustiere gehen zu lassen. Fields nahm an, das diente auch der Kontrolle der Haustierpopulation – schließlich gab es keine Haustier-Scythe, die sie nachlasen –, und als Kind hatte er es grausam gefunden.
Als Scythe jedoch musste er für nichts bezahlen – auch nicht für ständige Haustierwiederbelebungen. Derzeit hatte Fields aber keinen vierbeinigen Freund. Sein letzter Hund, ein Cockerspaniel, war schwächlich gewesen, und die häufigen Ausflüge zum Revival-Zentrum des Tierheims, wenn sich das Viech immer wieder totenähnlich gemacht hatte, waren lästig geworden. Er hatte den Köter einfach zur Wiederbelebung abgegeben und nicht mehr abgeholt.
»Besorgt ihm ein schönes neues Zuhause«, hatte er zu den Menschen im Revival-Zentrum gesagt. »Vielleicht jemanden, der mehr Geduld für ein Tier aufbringt, das Unfälle nahezu magisch anzieht.«
Er wusste nicht genau, aus welcher Richtung das Bellen gekommen war, aber als er sich umdrehte, sah er einen Hund ohne Leine, der auf ihn zu trottete – daneben ein junges Paar, wahrscheinlich die Besitzer.
Das Tier hatte seidiges gräulich-weißes Fell, und Fields blieb stehen. Es war ein ziemlich schöner Hund. Er hielt den Kopf hoch, hatte die Brust nach vorne gereckt, seine buschige Ringelrute berührte den Rücken.
Fields freute sich, dass dieses Tier nicht der Kläffer war – es sah derart selbstbeherrscht aus, dass er es sich überhaupt nicht bellend vorstellen konnte. Als wäre das unter der Würde des Hundes. Das Geräusch ertönte erneut.
Dieses Mal entdeckte Fields eine jaulende Kreatur in Rattengröße weiter hinten auf dem Weg. Das Vieh wurde von einer Frau in einem neonpinken Outfit auf den Arm genommen, das noch schriller war als das Tier. Sie versuchte, den Köter zu verstecken.
Fields kannte die beiden. Der jaulende Hund war ein Spitz namens Tea Biscuit und seine Besitzerin eine Constance Irgendwas. Er hatte ihr im Laufe der Jahre etliche ernste Blicke zugeworfen, aber was war das hier? Diese krasse Störung seines harmonischen Mittagessens? Alles konnte sein freundliches Gemüt nun auch nicht ertragen.
Aber er könnte sich später um die Frau kümmern. Viel mehr interessierte ihn dieses neue Paar und deren um Längen würdevollerer Hund.
Fields schlang den Rest seines Würstchens runter, stellte seinen Stock schwungvoll auf, dann ging er auf sie zu.
»Guten Tag!«, rief er, so jovial er konnte. »Ich hoffe, ich darf euch in Oxnard, dem schimmernden Juwel der WestMerikanischen Küste willkommen heißen.«
Das leichte Zucken, das ihre Gesichter verzerrte, war ein Effekt, den er überall hervorrief. Alle Scythe kannten das. Es war die Unterdrückung des menschlichen Kampf- oder Fluchtinstinktes, der immer dann ausgelöst wurde, wenn Menschen einen Scythe sahen.
Weil sowohl Kampf als auch Flucht jedoch eine Nachlese zur Folge hätten, hatten die Menschen gelernt, diesen Instinkt zu unterdrücken, obwohl er lautstark auf sich aufmerksam machte.
Ihre Reaktion nervte Scythe Fields, aber der Hund kläffte ihn nicht an, und deswegen blieb er freundlich. Wirklich ein außergewöhnliches Tier.
Fields lehnte sich vor und ließ die ringlose Hand vor der Hundenase baumeln, dabei strahlte er das junge Paar an. Die beiden wirkten tatsächlich jung, nicht wie so viele andere, die beim ersten Anzeichen einer Falte über den Berg kamen.
»Erlaubt mir, mich vorzustellen.« Er hätte seinen Hut gezogen, wenn er einen getragen hätte, aber ihm gefiel nicht, wie eine Kopfbedeckung sein Haar an den Schläfen platt drückte.
»Mein Name ist Fields, ich bin der örtliche Scythe und das Begrüßungskomitee. Ich freue mich immer, Neuankömmlinge willkommen zu heißen und sicherzustellen, dass sie verstehen, in welch kleiner und feiner Gemeinschaft wir hier leben. Seid ihr nach Oxnard gezogen oder seid ihr nur zu Besuch?«
Das Pärchen lächelte ein wenig nervös. »Es ist uns eine Ehre, Sie kennenzulernen, Euer Ehren«, sagte der Mann. »Wir sind gerade aus der Region der Aufgehenden Sonne hierhergezogen.«
Nun, wo Fields es wusste, sah er die leicht PanAsiatischen Züge – nicht, dass ihm so etwas wichtig war. Es war schön zu wissen, dass seine kleine Stadt am Meer Menschen aus weit entfernten Gegenden anzog. Aber zu viele sollten es seiner Meinung nach nun auch nicht werden.
»Ich heiße Khen Muragami. Das hier ist meine Frau Anjali, und unser Shikoku hört auf Jian …«
»Großartig, einfach großartig«, sagte Fields, der die Namen der beiden schon wieder vergessen hatte. Den Hundenamen erinnerte Fields noch, er stieß ihm sauer auf, und er musste einfach die Lippen schürzen. »Habe ich richtig verstanden, dass ihr dieses edle Tier ›John‹ genannt habt?« Er schüttelte den Kopf. »Ich werde nie begreifen, warum Leute einem Hund einen profanen Menschennamen geben – und wenn ich nicht völlig falsch liege, ist dies ein weiblicher …«
Die junge Frau räusperte sich. »Entschuldigen Sie, Euer Ehren, aber sie heißt Jian .« In ihrem Gesicht zeigten sich gesunde Grübchen. »Unser Mädchen ist manchmal ganz schön anstrengend, deswegen ist ihr Name ein altes PanAsiatisches Wort für ein zweischneidiges Schwert.«
»Altes Wort?«, Fields Gesicht hellte sich auf. »Nun, ich bin ein ziemlicher Experte für die Sterblichkeitsära. Genau genommen war mein Historischer Patron einer der größten existenzialistischen Philosophen, der die vergangene Zeit in zwei Regeln konservierte, die ich auch in unserer modernen Welt passend finde. Die erste: ›Einen ehrlichen Mann kann man nicht betrügen‹ zeigt, wie das sterbliche Volk, das zufrieden lebte, sich niemals hat in die Irre führen lassen. Und die zweite: ›Gib einem Trottel nie eine faire Chance‹ rät uns, skrupellos mit denjenigen umzugehen, die vom Pfad der Tugend abkommen.«
Er legte sich die beringte Hand auf die Brust – eine aufrichtige Geste. »Wahre Worte, nach denen man leben sollte.« Er bemerkte, wie der Blick des Pärchens auf seinen Ring gerichtet war.
»Das ist wahr«, sagte der Mann, und sein Lächeln brachte ein paar mehr Zähne zum Vorschein als nötig. »Und wir danken Ihnen für die Begrüßung, Euer Ehren. Wir freuen uns darauf, Sie mal wieder in der Stadt zu treffen.«
»Mich kann man nicht verfehlen, nein. Einen schönen Tag euch beiden.« Dann beugte er sich etwas tiefer und schaute in die dunklen Augen des Hundes, die nicht blinzelten. »Dir auch, John.«
Er ging zurück zum Wagen, wo Charles den dritten Hot Dog für ihn zubereitet hatte. »Was für ein herrliches Tier. Es verdient auf jeden Fall einen passenderen Namen. Aber solche Dinge können behoben werden.«
Charles erstarrte fast hinter seinem Stand, und Fields konnte es ihm nicht verübeln.
Fields hatte seinen Beruf mit der Zeit natürlich lieben gelernt. Auch Goddard, dieser eloquente Scythe aus MidMerica, hatte ein paar wundervolle Maximen bezüglich der Beziehung eines Scythe zu seiner Arbeit vertreten. Wirklich bedauerlich, dass er vor einigen Monaten bei einer stümperhaften Tonisten-Nachlese so stark verbrannt wurde, dass keine Wiederbelebung mehr möglich war. Nun, vielleicht war der Verlust doch nicht so groß. Schließlich war Goddard wirklich nervtötend laut und schrill gewesen …
Fields seufzte schwer. »Ich muss heute Abend Johns Familie einen Besuch abstatten – aber zuvor muss ich bei Constance und Tea Biscuit vorbeischauen.« Dann kicherte er, weil es natürlich nicht beim Vorbeischauen bleiben würde.
Constance Sowieso hatte es ihm nicht leicht gemacht. Als er in ihrer Wohnung ankam, packte sie immer noch ihre Taschen, obwohl sie das Vergehen, mit dem sie sich ihre Nachlese eingebrockt hatte, schon vor Stunden begangen hatte. Wenn sie ihre Flucht nur etwas sorgfältiger geplant hätte, hätte sie ihm viel Arbeit sparen können, aber nein.
Sie heulte vor der Nachlese hysterisch Rotz und Wasser, aber zumindest hatte sie Tea Biscuit in seine Transportbox gesperrt, bevor Fields seinen Stockdegen zog.
Johns Besitzer waren viel zuvorkommender. Sie nahmen die Nachlese einfach hin – obwohl sie immer wieder betonten, wie besonders John sei und dass sie sachkundige Besitzer benötigte.
Nach der letzten Nachlese gab es noch eine angenehme Überraschung. Fields hatte sein Gewehr mit dem Beruhigungsmittel geladen und schussbereit in seiner Robe verstaut, um es dem Hund zu verabreichen, aber das Tier zeigte wieder einmal seinen edlen Charakter. Die Hündin knurrte ihn nicht einmal an, als er ihr das alte Halsband mit der Hundemarke auszog und es durch ein neues mit neuen Marken ersetzte. Ein wirklich überraschendes Verhalten, wenn man bedenkt, welch belastendes Ereignis sie gerade miterlebt hatte. Aber, nun ja, man legte sich in diesen aufgeklärten Zeiten keinen Hund zum Schutz zu, oder?
»Du heißt jetzt Trixie«, erklärte er ihr und klimperte mit den Marken, die inzwischen um ihren Hals baumelten. Er gab Hündinnen, die er adoptierte, immer diesen Namen. Er hatte viel Trixie -Zubehör zu Hause – da wäre es doch Verschwendung, das Tier anders zu nennen. Außerdem fand Fields, dass sie wie eine Trixie aussah. Und so war die Entscheidung gefallen. Er leinte sie an, und sie folgte ihm recht demütig in seine Limousine. Tea Biscuits Hundebox stellte er allerdings in den Kofferraum, der das unerträgliche Gekläffe des Köters dämpfte.
Zehn Minuten später hielt er mit einem abrupten Ruck am Bordstein an. Hinzu kam, dass diese verfluchte Karre heute Abend den längstmöglichen Weg genommen hatte – er wurde sauer oder besser gesagt richtig wütend. Die fahrerlosen Fahrzeuge des Scythetums durften nicht das elektronische Verkehrsnetz des Thunderhead nutzen – und genau das machte sie zu einer riesigen Flotte Künstlicher Nicht-Intelligenz. Trotzdem war ein fehleranfälliges Auto einem menschlichen Chauffeur immer noch vorzuziehen. Fields verstand nicht, wie irgendwer sich so völlig in die Hände von anderen Menschen geben konnte.
Mit der Box von Tea Biscuit in der einen und Trixies Leine in der anderen Hand ging er zum Haupteingang des Tierheims und Tier-Revival-Zentrums in Oxnard. Nur Sekunden, nachdem er geklingelt hatte, öffnete eine Frau mit grauen Haaren, mit der Fields schon einmal zu tun gehabt hatte.
»Guten Abend, Dawn«, sagte er und bedauerte schon wieder, dass er keinen Hut ziehen konnte. »Immer schön, ein bekanntes Gesicht zu sehen.«
»Scythe Fields.« Dawn betrachtete den Mann und die beiden Hunde. »Diese Hunde sind ja lebendig. Sie sind also nicht wegen einer Haustierwiederbelebung hier?«
»Heute nicht, nein«, antwortete er. »Ich gebe die Töle in der Transportbox hier im Tierheim ab, wo Sie zweifelsohne eine strengere Besitzerin für sie finden als die vorherige. Und diese Schönheit hier« – er zeigte auf Trixie, die neben ihm saß, mit zurückgelegten Ohren und der Nase in der Luft – »werde ich selbst adoptieren. Ich vermute, wir erledigen den Papierkram an der gleichen Stelle wie sonst auch?« Er trat durch die Tür und eilte zum Empfangsschalter.
»Euer Ehren, als Scythe müssen Sie keine Formulare ausfüllen.«
»Ich muss auch keine Tiere hierherbringen, nachdem ich ihre Besitzer nachgelesen habe, und ich tue es trotzdem«, erklärte Fields. »Und ich muss Haustiere nach ihrer Wiederbelebung nicht zurückbringen, wenn sie sich als unwürdige Begleiter erwiesen haben, doch auch das mache ich. Weil ich mit dem Ausfüllen von Formularen und diesen anderen Nettigkeiten ein positives Beispiel abgebe. Ich muss mich zwar nicht an das Gesetz halten, ich will es aber.«
»Ja, Euer Ehren.« Sie nahm ihm Tea Biscuit aus den Händen, und Fields ging zur nächstgelegenen Computerkonsole. Als er näherkam, verschwand das freundliche Thunderhead-Interface und wurde von der einfachen, praktischen Bildschirmoberfläche ersetzt, die jeder Scythe sah, wenn er sich einem Bildschirm näherte. Er nahm die erforderlichen Formulare und machte sich an die Arbeit, während der neue Hund geduldig neben ihm wartete.
»Ich habe ein gutes Gefühl mit dem hier«, rief er Dawn zu, die immer noch dabei war, Tea Biscuit zu beruhigen.
Fields hatte in seinem Leben schon etliche Hunde erlebt, aber die Wahrheit lautete: Ein Mann von seinem Rang brauchte einen besonderen Hund, einen, den er noch finden musste, obwohl er doch bereits seit einer Ewigkeit suchte. Viele andere Hunde hatten eine unheimliche Tendenz zur Totenähnlichkeit, aber er vermutete, dass dieser hier ganz anders sein würde.
Als er die Adoptionsformulare ordentlich ausgefüllt hatte, verabschiedete er sich herzlich von Dawn und ging. Aber sobald er wieder auf der Straße stand, musste er feststellen, dass seine Limo verschwunden war. Er kramte mit einer Hand nach seinem Tablet, tippte es an und erfuhr, dass sein Auto zu Hause in der Garage stand und die Brennstoffzellen auflud.
»Godfrey Daniels«, murmelte er. Wenn man doch bloß unbelebte Objekte nachlesen könnte!
Er atmete ein und versuchte, sich zu entspannen. Es war doch sinnlos, sich so über eine Maschine zu ärgern. Außerdem war der Abend schön, und die Stadt war für ihre Ruhe bekannt, vor allem nach Einbruch der Dunkelheit, wenn bloß noch Widerlinge draußen umherstromerten. Für solche Leute hatte er nichts übrig, und das hatte er mit seinen Nachlesen so deutlich wie möglich gemacht. Nicht dass er sich auf eine bestimmte Gruppe eingeschossen hatte, natürlich nicht – aber einige Exempel, so hatte er gedacht, könnten für Gerüchte sorgen und einen Eindruck vermitteln, der aber nicht so deutlich nachweisbar war, dass er mit High Blade Pickford und ihren Statistikmitarbeitern Probleme bekäme.
Fields lächelte den Hund an, der zu seinen Füßen saß. »Komm, Trixie«, sagte er so überzeugend wie möglich. »Wir machen einen hübschen kleinen Spaziergang und lernen uns besser kennen.«
Beim Gespräch mit Tieren, das wusste er, ging es um Stimmlage und Körpersprache. Aber das hieß nicht, dass die – wenn auch sehr einseitige – Unterhaltung inhaltsleer war. Fields musste sogar zugeben, dass ihm die Einseitigkeit gefiel. Gut erzogene Hunde erlaubten ihm zu reden, ohne dabei die Angst zu verspüren, er könne unterbrochen, abgelenkt oder überhaupt in Frage gestellt werden.
»Du wirst bestimmt bald verstehen, Trixie, dass du von deinem Onkel Bill nichts zu befürchten hast, und ich bin mir sicher, dass wir bald dicke Freunde und treue Begleiter werden.«
Die Ohren des Hundes schnellten nach vorn, und die Hündin gehorchte ihm pflichtbewusst … aber ihre Ausdruckslosigkeit war irgendwie seltsam … Sie hatte keine Angst, offenbar wollte sie ihm auch gar nicht gefallen. Fields wusste nicht, was er davon halten sollte. Doch er gestand sich ein, dass er eine zurückhaltende Reaktion besser fand als jaulen oder bellen oder sich auf ihn stürzen, wie es einige seiner früheren Schützlinge in den ersten gemeinsamen Momenten getan hatten.
»Ein schöner Spaziergang durch die Straßen deiner neuen Heimatstadt«, sagte er. »Das sollte dich aufheitern.«
Der Hund antwortete nicht, natürlich nicht.
Fields hatte gute und weniger gute Erinnerungen an den Hund aus seiner Kindheit, damals, als er noch der kleine Jimmy Randell war. Towser war ein kräftiger und willensstarker Malamute gewesen – und der kleine Jimmy, so hatten es die Eltern entschieden, sollte sich weitestgehend allein um ihn kümmern. Das hätte er auch gern gemacht, wäre er selbst ein wenig älter und kräftiger gewesen.
Towser war ein versierter Ausbrecher und konnte sich geschickt von Jimmy losreißen. Das Leben des armen Hundes wurde schmerzhaft unterbrochen, als Towser auf der anderen Straßenseite eine Malamute-Hündin entdeckte. Er flitzte auf die Straße und wurde direkt von einem Auto überfahren. Jimmys Eltern belebten Towser wieder, beschwerten sich aber über die Kosten und erteilten ihrem Sohn eine strenge Rüge.
»Ein Hund muss seinen Platz kennen«, erklärte ihm sein Vater wieder und wieder. »Ein Hund will wissen, wo er steht. Sobald er weiß, wer der Rudelführer ist, ist er glücklich und erleichtert.«
Von da an war Jimmy strenger mit Towser und wickelte sich die Leine doppelt ums Handgelenk, wenn er mit ihm Gassi ging. Anfangs funktionierte das, bis der Hund eines Abends einen Waschbären sah, der über die Straße wackelte. Towser rannte schon wieder los. Diesmal riss er Jimmy mit sich auf die Straße, wo beide von einem Truck totenähnlich gemacht wurden.
Und der Waschbär verschwand spurlos – so sind Waschbären eben.
Nach Jimmys Wiederbelebung wurde er erneut gescholten und bekam Towser nicht zurück. »Wir haben ihn wiederbelebt und auf eine Ranch geschickt«, hatte ihm sein Vater erklärt. »Dort hat er ein verantwortungsvolleres Herrchen«, fügte er hinzu, um noch einmal nachzutreten.
Doch als Jimmy älter wurde, vermutete er, dass es sich um eine Lüge gehandelt und sie Towser einfach tot gelassen hatten, weil der Preis für Haustierwiederbelebungen immer weiter gestiegen war. Dass er ihn womöglich wegen Towsers Tod angelogen hatte, war einer von vielen Gründen, die es Fields recht leicht gemacht hatten, das Schwert in der Brust seines Vaters zu versenken – damals, vor drei Jahrzehnten, bei seiner Abschlussprüfung. Sein Vater wurde natürlich wiederbelebt, hat es ihm aber nie verziehen.
Fields vermutete, darin lag der Sinn der Prüfung: junge Scythe emotional von ihren Familien abzunabeln. Allerdings verspürte Fields auch zu den meisten anderen menschlichen Wesen eine Distanz. Bei Haustieren war es etwas anderes. Ihre Liebe war bedingungslos – und er war sich sicher, dass er Trixie dazu bringen konnte, ihn zu lieben.
Auf dem Nachhauseweg in dieser Nacht ließ Fields Trixie an den Bäumen und Beeten am Wegesrand schnüffeln, bis sie bei seinem Haus am Strand ankamen. Es war groß, aber nicht protzig. Ein grasbewachsener Innenhof mit Dahlien- und Primelbeeten und drei Ficus-Bäumchen, die ganz pittoresk Schatten spendeten – und zugleich war der Hof groß genug, um einem mittelgroßen Hund wie Trixie ein wenig Auslauf zu bieten. Das Haus selbst hatte drei Stockwerke und war geschmackvoll in Grau und Weiß gestrichen. Diese Farben hatte Fields inoffiziell, aber sehr nachdrücklich in der Gegend durchgesetzt.
Er drückte das vordere Tor auf und war voller Vorfreude. »Komm schon, Trixie«, sagte er und trat durch das Tor, »ich zeige dir alles.«
Dieses Mal gehorchte sie nicht, die Leine spannte sich in Fields Hand. Er drehte sich in dem leicht orangefarbenen Licht der Straßenlaterne an der Ecke um und sah nicht den Hauch eines Schwanzwedelns. Sie schnupperte allerdings, mit leicht in die Höhe gerecktem Kopf, und ihre Nase zeigte zum Haus.
»Du bist vorsichtig.« Fields nickte. »Das ist in einer neuen Situation ein bewundernswerter Charakterzug.« Er zog etwas fester an der Leine. »Aber jetzt reicht es. Komm mit rein.«
In einer Sache hatte sein Vater recht gehabt: Hunde mussten wissen, wer der Alpha war. Wenn sie ihren Platz in der Rangordnung kannten, fühlten sie sich sicher. Weniger ängstlich. Auch wenn das Rudel nur aus zwei Wesen bestand. Er machte sich außerdem Sorgen, dass irgendwo wieder ein Waschbär lauerte. Diese Kreaturen drangsalierten ihn seit jenem unschönen Vorfall mit dem Truck. Er wollte auf keinen Fall, dass Trixie sich wegen so einem Viech aufregte, noch ehe sie eine Pfote in sein Haus gesetzt hatte.
Glücklicherweise folgte sie ihm den Weg entlang zur Terrasse und dann in den Flur, ohne dass er noch weiter an ihr zerren musste. Er schloss rasch die Tür hinter ihnen, schaltete das Licht an und leinte Trixie ab.
»Onkel Bill räumt nur kurz seine Sachen weg, dann zeigt er dir das Haus.«
Weil er das Gewehr mit dem Beruhigungsmittel nicht hatte benutzen müssen, entlud er es einfach und stellte es in den Ständer in seinem Waffenschrank gleich hinter der Tür. »Wenn alle Dinge einen Platz haben, findet man alles direkt wieder.«
Er schloss den Schrank und drehte sich um, erwartete, dass sie am Boden schnüffelte oder am Teppich oder an den Vorhängen im Wohnzimmer. Stattdessen stand sie immer noch genau dort, wo er sie abgeleint hatte, und betrachtete ihn.
Ihr Blick war nun noch undurchsichtiger – er hätte ihn fast schon als nachdenklich bezeichnet, wäre sie kein Hund gewesen –, doch sie schreckte nicht zurück, knurrte nicht, bellte nicht und sprang ihn auch nicht an, um sich dann mit ihren Pfoten an seinem Bauch abzustützen oder etwas ähnlich Unerzogenes zu tun.
»Sehr gut.« Fields tätschelte ihr den Kopf, und ihre Nichtreaktion kam ihm seltsam vor, allerdings fand er zu überschwängliche Hunde wie gesagt auch etwas abstoßend. »So ein gutes Mädchen«, sagte er, um es sich auch selbst ein wenig einzureden. »Dann gehen wir am besten zuerst in die Küche, nicht wahr?«
Er zeigte ihr die Schüsseln, in die der Name Trixie graviert war – er hatte auch noch welche mit der Aufschrift Rex sowie dazu passende Halsbänder und Marken –, falls er bei Gelegenheit noch einmal einen Rüden adoptieren sollte.
Sie schnüffelte daran, schlabberte einen Schluck Wasser, aber alles andere interessierte sie nicht; selbst als er eine alte Schachtel mit Leckerchen von der Vorgänger-Trixie aus dem Schrank holte und sie grinsend vor ihr schüttelte, neigte sie nur ganz leicht den Kopf.
»Hast du noch nie Hundekuchen gesehen?« Fields schüttelte die Schachtel noch einmal. »Leckerchen? Kekse? Fressi-Fressi?« Er wusste nicht, wie man diese Dinger noch bezeichnen konnte, aber weil Trixie auf gar nichts reagierte, war es eh sinnlos. »Haben die dir denn gar nichts beigebracht?« Er öffnete die Schachtel, nahm ein Leckerchen raus und hielt es ihr hin. »Hier, Mädchen. Bitte schön.«
Kaum merklich neigte die Hündin den Kopf in die andere Richtung.
Ganz kurz überlegte er, ob er selbst mal reinbeißen sollte, um es ihr zu zeigen, aber stattdessen dachte er weiter über seine Frage nach: Was hatten die früheren Besitzer ihr beigebracht? »Sie haben dich sicher etwas fangen lassen!« Und er warf ihr den Hundekuchen ganz gezielt links neben die Schnauze.
Sie fing ihn nicht nur nicht, sie wich nach rechts aus, und das Leckerchen fiel auf den Fliesenboden in der Küche.
Fields war zunehmend glücklicher, dass er die ehemaligen Besitzer aus dem Weg geschafft hatte, und stellte die Schachtel zurück in den Schrank. »Morgen fangen wir an, dich zu erziehen«, informierte er sie und als er sich umdrehte, entdeckte er, dass das Leckerchen nicht mehr auf dem Boden lag.
Er atmete tief aus. »Nun, zumindest erkennst du etwas zu fressen, wenn du es siehst.« Nickend ging er durch die Küche und stieß die Tür zum Esszimmer auf. »Komm schon, Trixie, Komm schon.« Diese Worte schien sie zumindest zu erkennen …
Im Esszimmer zeigte er ihr die Hintertür mit der Hundeklappe, durch die sie hinausgehen konnte, wenn sie sich erleichtern musste, dann öffnete er die Tür, um ihr den seitlichen Hof zu zeigen. In ihrem Alter musste sie einfach stubenrein sein – über eine andere Möglichkeit wollte er gar nicht nachdenken – und führte sie vom Esszimmer in den Flur und zur Treppe.
Im ersten Stock präsentierte er ihr sein Büro und ihr Hundekissen auf dem Boden, gegenüber vom Schreibtisch. »Während ich mich um die wichtige Arbeit kümmere, die mir anvertraut wurde, kannst du treu ergeben neben mir liegen.«
Er eilte wieder in den Flur, nahm die Treppe in die zweite Etage und zeigte mit seinem Stock auf ihr Hundekissen neben seinem Bett sowie auf seine Sammlung alter Videokassetten und einen altmodischen großen Fernseher. »Hier kannst du dich abends ausruhen.«
Sanft klopfte er auf ihr Bett, und sie schien ihn zu verstehen, weil sie ein paar Schritte nach vorn machte und sich draufsetzte. Bei dem Ding handelte es sich um das beste Hundebett auf dem Markt. Es war von höchster Qualität und so gemütlich, dass sein Bett nie eine Verlockung für sie darstellen würde. Natürlich würde sie das mal ausprobieren – aber Zeit, Training und Disziplin würden ihr zeigen, was erlaubt war und was nicht.
Und dann bellte Trixie.
Es war das erste Geräusch, das sie in seiner Anwesenheit von sich gegeben hatte. Es hörte sich sanft an und war sehr kurz, sie starrte auf das Fenster, aus dem man bei Tageslicht eine wunderschöne Sicht aufs Meer hatte. Französische Türen führten auf eine Terrasse, die er selten benutzte – zu dieser Tür lief Trixie jetzt, mit gesenktem Kopf und aufgestellten Nackenhaaren.
Fields starrte sie an. »Was ist denn los, Mädchen?« Dort draußen konnte eigentlich nichts sein, was einen Hund interessierte … außer vielleicht Vögel oder Katzen oder – »Waschbären?«
Sie rannte nun durchs Zimmer zur Tür, knurrte, und Fields presste die Lippen aufeinander. Sprangen diese kleinen Biester tatsächlich schon wieder durch die Bäume und Gebüsche neben seinem Haus?
Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Rasch ging er zu Trixie; er riss die Tür auf, rannte auf die Terrasse und schrie: »Ha!«
Er hörte kein Huschen oder Quietschen, aber Trixie schnellte direkt zum Geländer. Mühelos stellte sie sich auf die Hinterbeine, stützte die Vorderpfoten auf dem Geländer ab, und weil sie so aufgeregt nach unten schaute, war Fields sicher, dass sie Beute entdeckt hatte.
»Was ist los, Mädchen?« Fields lief neben sie, lehnte sich halb über die Reling und wollte das Biest bei dem erwischen, was Waschbären eben so machen, aber dann bewegte sich Trixie, bellte und versuchte, sich zwischen ihn und das Geländer zu quetschen.
»Was zum Teufel machst du …?«, setzte er an und trat einen Schritt zurück. »Fuß, Trixie! Fuß!«
Das war genau der falsche Befehl gewesen, wurde ihm klar, nachdem er ihn ausgesprochen hatte – denn der Hund bewegte sich genau dorthin, wo er seinen Fuß hinstellen wollte. Trixie jaulte auf, und weil er sich nicht mit seinem gesamten Gewicht auf sie stellen wollte, machte er einen Satz zur Seite und schlug mit dem Oberschenkel gegen das niedrige Geländer. Ihm wurde schwindelig, sein Gleichgewicht verlagerte sich, die Schultern fielen nach vorn, und ehe er sichs versah, war er hinübergekippt, die Steinplatten der hinteren Terrasse stürzten auf ihn zu.
»Godfrey Daniels!«, rief er noch, dann durchfuhr ihn ein schmerzhaftes Knacken, und alles wurde dunkel.
Fields blinzelte triefäugig und rieb sich den Kopf. Als er weiterblinzelte, erblickte er geschmackvoll verzierte Holzdecken mit samtenen Wandbehängen in gedämpftem Violett. Er stemmte sich auf einen Ellbogen, und als er erneut blinzelte, erblickte er eine viel zu muntere Frau in Weiß.
»Schönen Nachmittag, Scythe Fields!« Ihre Augen funkelten so sehr, dass ein normal sterblicher Mann ein Aneurysma bekommen hätte. »Es ist mir eine große Ehre, Ihnen bei Ihrer Wiederbelebung zur Seite zu stehen – es ist erst Ihre zweite, wie ich gelesen habe!«
»Was reden Sie da?«, hörte Fields sich sagen und schloss rasch den Mund.
Die Stimme, die aus ihm rauskam – die Wörter , die aus ihm rauskamen –, klangen nicht nach ihm. Ähnlich, ja, das schon, aber nicht auf eine gute Art. Mehr auf eine Art, die er viel lieber vergessen hätte. Obwohl sein Gehirn wie Moder war, versuchte er, sich eloquent auszudrücken. »Wären Sie so lieb und sagen mir, was passiert ist?«
»Das zu wissen ist nicht unsere Aufgabe.«
Das Leuchten der Frau verblasste ein wenig, aber Fields hatte den Eindruck, er müsste bei ihrem Anblick dennoch blinzeln.
»Ich weiß nur, dass Sie von Drohnen hergebracht wurden und wir unsere Arbeit erledigt haben. Scythe Conan Doyle vom Büro des High Blade war allerdings gestern hier und meinte, er hätte am Tatort keine Anzeichen für ein Verbrechen entdeckt.«
»Tatort?« Noch mehr Erinnerungen kamen zurück. »Trixie!«, rief er und sprang auf die Füße.
Lichtreflexe flimmerten vor seinen Augen, da packte die Schwester ihn auch schon fest am Oberarm.
»Vorsicht, Euer Ehren!«
»Lassen Sie mich los!« Schwindel erfasste ihn, und er sprach so weinerlich und affektiert wie ein kleiner Junge – er kam nicht dagegen an. »Ich und mein Hund haben Waschbären gejagt, dabei bin ich gestolpert und hingefallen!«
»Sir?« Der Druck ihrer Hand ließ nach. »Waschbären?«
Die Miesepetrigkeit, die ihre Frage in ihm hervorrief, ließ ihn nicht klarer sehen, aber sorgte dafür, dass er sich etwas mehr wie er selbst fühlte – wie die Version seiner selbst, die stolz den Namen Fields trug. Er räusperte sich. »Ja, Madame! Waschbären!« Ein tiefer Atemzug half ihm, sich zu fokussieren, sowohl auf die Zimmerwand als auch auf den Menschen, der er sein sollte. »Wilde kleine Teufel! Haben uns im Rudel angegriffen wie kleine Wölfe! Wie Bärenmarder, diese ganze Truppe!«
Noch ein Atemzug und er konnte sich zur Krankenschwester umdrehen und war fast wieder der alte Großkotz. »Wenn Sie so lieb sein könnten, mir mitzuteilen, was aus meiner treuen Hündin geworden ist? Dann würde ich sie direkt abholen.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Meinen Hund holen. Eine ziemlich lustige Bemerkung, wenn es ein Apportierhund wäre.«
Der Gesichtsausdruck der Schwester war nun nahezu ausdruckslos, und Fields fand das besser als diese Hektik, die sie zuvor ausgestrahlt hatte.
»Ihren … Hund?«, fragte sie, und Fields musste wieder lächeln, weil nun sie bemerkte, dass sie aus dem Konzept gebracht war.
»Also, Sie sind seit anderthalb Tagen hier … also … vermute ich, dass die Hündin im Tierheim ist.«
»Exzellent!« Fields Blick fiel auf einen Tisch hinter ihr, und sein Lächeln wurde breiter, sein Stockdegen und das Tablet lagen dort. »Ganz exzellent!« Er ging um die Krankenschwester herum, schnappte sich seine Habseligkeiten und schritt weiter in Richtung Tür.
»Sir?«, rief sie ihm hinterher. »Vielleicht sollten Sie sich ein wenig ausruhen? Wir haben wirklich gutes Eis, wenn Sie …«
»Brauch ich nicht!« Mit jedem Schritt spürte er, wie seine Bonvivant-Persönlichkeit wieder in ihn zurückströmte. »Ich bin mir sicher, dass ganz Oxnard vor lauter Sorge um mich völlig neben sich steht, deswegen sollte ich schnell aufbrechen.« Er grüßte sie – wieder ganz der Alte – mit seinem Stock, lief durch den Gang in ein Foyer und trat ins Freie. Der Nachmittagshimmel war blau, und es wehte eine leichte Brise.
Das Tierheim war nur einen Block entfernt, und Fields eilte direkt zum Noteingang, dann wurde ihm klar, dass es noch ganz regulär geöffnet war – andere Leute warteten darauf, dass sie drankamen.
Fields machten die paar Formulare nichts aus, Warten war allerdings absolut nicht seine Stärke. Er ging an der Schlange vorbei, und natürlich traute sich niemand, etwas zu sagen.
Der kleine Empfangsbereich sah genauso aus wie während seines nächtlichen Besuchs, aber er blieb abrupt stehen, als er Dawn hinter dem Tresen sitzen sah. Er hatte gehofft, jemand anderes hätte Dienst – es war ihm peinlich, dass er Trixie so kurz nach der Adoption schon wiederbeleben lassen musste.
»Euer Ehren!«
Sie sprang auf, das verhaltene und dennoch aufrichtige Lächeln auf ihren Lippen traf Fields viel mehr als das überbreite, leicht künstliche Lachen der Schwester im Revival-Zentrum.
»Ich wusste nicht, wann Sie entlassen werden würden.« Sie ging zum Ende des Tresens, dann berührte sie etwas, das klickte, und der ganze Bereich öffnete sich. »Aber ich habe hier jemanden, der sich sehr freuen wird, Sie zu sehen!«
Trixie lag ausgestreckt auf dem Boden hinter dem Tresen, und Fields bereitete sich – mehr oder weniger resigniert – auf das unvermeidliche Bellen, Anspringen und Abschlabbern vor –
Doch Trixie hob nur den Kopf und blickte ihn an.
Fields’ Herz schien ihm gegen die Rippen zu drücken. Dass dieses Tier schon so genau wusste, wie es auf ihn reagieren sollte, obwohl sie sich doch noch gar nicht so lange kannten …
»So ein exzellenter Hund«, brachte er hervor.
»Sie ist sehr gut erzogen«, sagte Dawn. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie man sie trainiert hat. Aber sie ist hier gestern Abend aufgetaucht, nicht lange, nachdem Sie sie mitgenommen haben, und als ich im Amt für Scythe-Angelegenheiten angerufen habe, meinte man dort, Sie seien im Revival-Zentrum.«
Weil Fields als Erwachsener noch nie eine Wiederbelebung erlebt hatte, wusste er nicht, ob sein Gefühlssturm eine Nachwirkung des Procederes war oder nicht. Aber er konnte auch nicht leugnen, dass der Gedanke an diese nahezu Fremde, die sich um Trixie kümmerte, während er verhindert war, ihm den Hals zuschnürte und seine Augen feucht werden ließ.
»Dawn, meine Liebe?« Er hielt ihr den Ring hin. »Ich kann Ihnen nicht genug danken.«
Sie riss die Augen auf. »Immunität, Euer Ehren?« Zögerlich ging sie auf ihn zu.
»Sie haben es sich verdient.«
Er versuchte, nicht zusammenzuzucken, als sie sich hinkniete, um seinen Ring zu küssen. Zum Glück war ihr Kuss nicht feucht. Fields hatte während der ganzen ekelerregenden Prozedur seine Aufmerksamkeit auf Trixie gerichtet.
Sie hatte sich inzwischen hingesetzt und ließ die Zunge raushängen – ein Hundelächeln, dachte Fields.
»Mein gutes Mädchen«, sagte er und klatschte in die Hände, als das rote Licht seines Rings anzeigte, dass Dawn sich endlich wieder entfernt hatte. »Wenigstens haben wir diese Waschbären verscheucht, nicht wahr, Trixie?«
Die Hündin sah nun noch vergnügter aus. Strahlend bückte sich Fields, nahm das Ende ihrer Leine und ging zur Tür. »Ich bin Ihnen auf ewig dankbar, Dawn«, rief er, »oder zumindest ein Jahr lang.« Er schaute sich um und winkte ihr wie immer unbeschwert mit seinem Stock zu, aber Trixie zog etwas stärker an der Leine, als er erwartet hatte, deswegen stolperte er kurz, dann hatte er sein Gleichgewicht wiedergefunden.
Zum ersten Mal seit seiner Wiederbelebung atmete er unbeschwert ein. »Zum Park, denke ich mal, oder Trixie?«
Sie lief nun neben ihm her, hatte die Ohren aufgestellt und den Blick nach vorne gerichtet – zweifellos auf der Suche nach Übeltätern.
Fields nickte zustimmend und sprach weiter: »Ich bin sehr gespannt, wie du Charles’ wunderbare Hot Dogs findest.«
Als Fields mit seiner treuen Begleiterin die Straße entlangging, verflog der letzte Rest der schüchternen Unsicherheit, die seine Gedanken beim Erwachen getrübt hatte. Er hatte diesen schwachen, verschreckten Jungen schon vor Jahren hinter sich gelassen, und wenn er sich vorstellte, dass so eine Kleinigkeit, wie totenähnlich zu werden, diesem Teil seiner selbst den Rückweg ebnete … Er presste die Lippen aufeinander.
Aber der Tag war viel zu schön für derart morbide Überlegungen. »Ja, tatsächlich«, sagte er und stolzierte fast schon, während er den Menschen zunickte, die ihm und Trixie auf dem Bürgersteig Platz machten. »Wie reizend.«
An der Uferpromenade bogen sie rechts ab, und der salzige Meeresduft brachte Fields auf die Idee, eine kleine Yacht zu mieten, um den Sonnenuntergang zu bewundern. Vielleicht steckte auch ein wenig Wasserhund in Trixie?
In diesem Moment schnüffelte sie an den Laternen und Blumenkübeln, genauso wie es Fields gefiel: Sie behinderte weder sein Vorankommen, noch zwang sie ihn zur Eile. Und als sie im Park ankamen, nahm er den Hot Dog, den Charles ihm gegeben hatte, und beugte sich zu Trixie, um ihn ihr anzubieten, da schoss sie hoch, riss ihm das Ding aus der Hand und hätte ihm dabei fast in die Finger gebissen.
Fields strahlte sie an. »Sie hat es wie ein wahrer Connaisseur verschlungen, findest du nicht, Charles?«
»Ja, Euer Ehren«, antwortete der Mann mit seinem typischen jammernden Bariton, aber glücklicherweise hielt er ihm sofort ein neues perfektes, senfbedecktes Exemplar seiner Kochkunst hin, und Fields vergab ihm mal wieder alles.
Nach einem zweiten Hot Dog für Trixie und einem dritten für sich selbst verließ Fields den Park und eilte nach Downtown. »Generell mache ich mir nicht viel aus der hektischen Stadt«, erklärte er Trixie – und jedem anderen, der es in den Häuserreihen zwischen dem Wasser und den Geschäftsfassaden, die so gern idyllisch gewesen wären, hören wollte. »Aber als Scythe hat man immer zu tun.«
Nachdem er sich selbst Abendessen geholt hatte – und für Trixie verschiedenste Hundefutteroptionen –, notierte er sich einige Menschen, die er bald nachlesen würde, dann ging er nach Hause.
»Ein ziemlich ereignisreicher Tag, Trixie«, sagte er, während er die Vordertür aufstieß. »Wie wäre es, wenn wir es den Rest der Woche ruhig angehen lassen, hm? Und nicht weiter auf die Jagd gehen.«
Sie blickte abrupt zu ihm auf, aber ihr hing weder die Zunge raus, noch hatte sie die Ohren aufgestellt, noch funkelten die Augen – sie war völlig ausdruckslos, und das ließ Fields erschaudern.
Er schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich war er immer noch benebelt von der Prozedur.
In der Küche warf er jeweils einen Löffel aus jeder Hundefutterdose in ihren Napf.
Sie verschlang alle gleich genussvoll – oder eben nicht genussvoll. Ihre Rute bewegte sich kaum, während sie die Bröckchen schluckte – nichts, was er als Schwanzwedeln bezeichnet hätte, ganz sicher nicht –, und außerdem hatte sie auch die Ohren nicht merklich aufgestellt.
In einem ersten Impuls fragte er sich, ob sie es mit den Hot Dogs übertrieben hatte, aber beim nächsten Gedanken musste er lächeln. »Keine mäkelige Fresserin! Noch eine exzellente Eigenschaft eines Hundes!« Er kippte den Rest aus einer der Dosen in die Schüssel und stellte die anderen in den Kühlschrank. »Für morgen, dann.«
Das leise Schmatzen, während sie auffraß, hörte er noch an der Spüle am anderen Ende der Küche. »Es gibt wenig, was ich so nervtötend finde wie Divengetue«, sagte er und war wieder einmal froh über ein Publikum, das nicht antwortete und dem er seine Gedanken vortragen konnte. Er füllte Trixies Wassernapf und stellte ihn zurück in ihre Ecke. »Menschen, die ständig im Mittelpunkt stehen wollen und dabei unverschämte Forderungen stellen oder sich irgendwie besser oder wichtiger als der Rest von uns finden.« Er stellte die Schüssel ab, richtete sich wieder auf und schüttelte den Kopf, ehe er bemerkte, dass sie erneut zu ihm aufblickte.
Ganz kurz dachte er: Etwas schlummert in diesem Blick, in diesen dunklen Augen. Aber dann wandte sie sich ab, senkte den Kopf, um aus ihrem Wassernapf zu trinken.
»Äußerst außergewöhnlich«, murmelte er. »Meine Wiederherstellung aus dem totenähnlichen Zustand ist ganz eindeutig unvollständig.« Er zog die Schultern nach hinten, öffnete den Kühlschrak und nahm eine Dose seines Lieblingsgetränks raus – Traubenlimonade – eine Verbindung zu seiner Kindheit – oder, besser gesagt, eine bittersüße Trophäe, dass er sie überlebt hatte.
Mit einem Knall öffnete er die Dose und prostete Trixie zu. »Ein Mann und sein Hund.« Er nahm einen großen Schluck, atmete aus und zeigte auf die Küchentür. »Jetzt, wo wir unseren ersten bedauerlichen Unfall hinter uns haben, sollten wir unseren ersten ganz normalen Abend miteinander verbringen.«
Sie folgte ihm so leise nach oben, dass er sich mehrfach umschauen musste – war sie überhaupt da? Am ersten Stock ging er einfach vorbei, direkt ins Schlafzimmer, drückte auf den Lichtschalter an der Wand neben der Tür, ging hinein, um Trixie auf ihr Kissen zu schicken …
Aber die Hündin lief schon durchs Zimmer, legte sich auf den goldenen Veloursstoff und ließ den Kopf auf die Vorderpfoten sinken.
Sie sah so entspannt aus, dass Fields noch einen Schluck Traubenlimo trinken musste, damit die Enge in seiner Kehle verschwand. »Ein Junge und sein Hund«, sagte er. Hatte er Junge gesagt? »Ein Mann, meinte ich«, obwohl er sich nicht vor Trixie korrigieren wollte.
Er ging zum Bett, trat sich die Schuhe von den Füßen, sank in die Kissen, schnappte sich die Fernbedienung von ihrem Platz unter der Lampe auf dem Nachttisch – nach diesem herausfordernden Tag war ein Film seines Historischen Patrons genau das Richtige! Er drückte auf den Einschaltknopf und schlief schon während des Vorspanns ein.
Ein Rumpeln ließ ihn blinzeln, und er blinzelte noch einige Male, ehe er realisierte, dass ihn Dunkelheit umgab. Ja, er nickte häufig ein, sobald er sich vor einen Bildschirm setzte, aber warum war der Fernseher aus? Warum brannte das Licht nicht mehr? Und warum, fügte er zu seiner Liste innerer Fragen hinzu, hielt er die Fernbedienung nicht mehr in der Hand?
Er war immer noch nicht richtig wach, setzte seine nackten Füße auf den Teppich – ein unangenehmes Platsch ertönte –, stand auf und ging einige Schritte in Richtung Lichtschalter neben der Tür. Mit jedem Schritt wurde es seltsamerweise kühler und nasser.
Was war denn hier passiert? War im Badezimmer ein Rohr geplatzt? Er schaute in Richtung Bad, konnte aber natürlich nichts sehen. Verärgert presste er die Lippen aufeinander. Er und Trixie mussten vielleicht seinen Stock unten aus dem Schrank holen und mal beim Klempner vorbeischauen.
Dann wurde ihm klar, was den Knall verursacht hatte, der ihn aufgeweckt hatte. Er drehte sich um: In dem Schatten neben seinem Bett sah er, dass seine Nachttischlampe auf den Boden gefallen war. Er streckte den Arm aus und berührte den Lichtschalter.
In dem Moment, als das Licht anging, durchfuhr ihn ein starker Schmerz – und in der grellen Beleuchtung sah er frei liegende Kabel von der kaputten Lampe, die auf dem pitschnassen Teppich lagen.
»Godfrey …«, konnte er gerade noch zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervorpressen, dann schaltete ein weiterer Stromschlag jegliche Gedanken aus.
Dieses Mal wachte er nicht sofort wieder auf. Er schien nur zu bemerken, dass sein Blick auf eine hübsche Decke mit Intarsien gerichtet war: dieselbe hübsche Decke mit Intarsien, auf die er bei seinem letzten Erwachen im Revival-Zentrum geblickt hatte.
»Irgendwas stimmt nicht«, hörte er sich sagen. Dann blieben ihm die Worte im Hals stecken, er hustete, schluckte, räusperte sich und schluckte noch mal, damit sogar die Erinnerung an diese Worte verschwand. Schließlich rollte sich Fields auf die Seite, und dieselbe Krankenschwester wie beim letzten Mal stand neben seinem Bett, ihr Kittel ebenso weiß, aber ihr Lächeln war angestrengter und weniger strahlend.
»Scythe Fields? Wie fühlen Sie sich, Euer Ehren?«
Mit verzerrtem Gesicht setzte er sich auf. »Ich war wohl Opfer eines kleinen Haushaltsunfalls«, sagte er und zwang sich, angemessen erhaben zu sprechen. Seine letzten Erinnerungen kamen schneller als neulich – vielleicht wurde das Totenähnlichwerden mit Übung einfacher –, und nach einer erneuten Runde Räuspern fragte er: »Trixie wurde nicht verletzt, oder?«
Das Lächeln der Frau veränderte sich, als würde sie versuchen, sich einen Kaugummi unter ihrem Schuh nicht anmerken zu lassen. »Trixie? Heißt Ihr Hund so? Die Reparaturkolonne hat nämlich vor Ihrem Haus einen Hund gefunden.«
»Reparaturkolonne?« Er war noch nicht zum Aufstehen bereit und blinzelte zu ihr hoch.
»Wegen des Wassers.« Das Lächeln der Schwester wurde immer angestrengter. »Und des Feuers. Die Kolonne meinte, dass die elektrische Überspannung einen Stromausfall in der gesamten Nachbarschaft verursacht hätte, wenn der Thunderhead keine Brandschutzmauer um Ihr Haus errichtet hätte, wegen, ähm, dieser ganzen Scythe-Geschichte.«
Plötzlich wirkten die Lichter viel zu hell und ihre Stimme viel zu schrill. Fields schielte zum Tisch neben dem Bett, aber dieses Mal war sein Stock nicht da – natürlich nicht; er hatte ihn zum Zeitpunkt des Unfalls nicht dabeigehabt.
»Und Trixie ist vermutlich wieder im Tierheim?«
»Ich … gehe davon aus.«
Es ärgerte ihn, dass sie so zögerlich antwortete, weil es doch sicher zu ihrem Job gehörte, über solche Dinge Bescheid zu wissen. Inkompetenz war ein Grund für eine Nachlese, aber Fields hatte gerade Wichtigeres zu tun.
Er rappelte sich auf und schlüpfte in seine Schuhe, die irgendwer aus seinem tropfnassen Haus mitgenommen hatte, obwohl sie trieften. Er sagte »Danke Ihnen« und zuckte zusammen, weil er so kleinlaut klang, dann drehte er sich um, damit die Schwester das spöttische Lächeln sehen konnte, das zu seinen eigentlichen Gefühlen passte –
Aber sie sagte schon: »Oh, sehr gerne, Scythe Fields! Es ist uns allen eine große Ehre, Ihnen zu Diensten zu sein!«
Er lächelte sie angestrengt an, dann ging er, so schnell er konnte, hinaus.
Es war wieder ein schöner Nachmittag; er wusste nur nicht, wie viele Nachmittage er dieses Mal weg gewesen war. Beim letzten Mal waren es zwei gewesen, oder? Und dass er schon wieder totenähnlich gewesen war, so kurz nach dem letzten Mal, nun, das kam ihm fast ungehörig vor, fast als hätte jemand …
Er dachte nicht weiter, zwang sich, dem Gedanken nicht zu folgen, stampfte in seinen Schuhen, die vor Nässe quatschten, über den Bordstein zum Notfalleingang des Tierheims.
Er trat durch die Tür und entdeckte wieder einmal Dawn am Tresen, die auf ihr Tablet starrte, aber dieses Mal krallte sie sich so fest daran, als wäre es ihr zuvor weggelaufen.
»Ganz schön was los diese Woche, nicht wahr?«, sagte er ein wenig zu laut.
Dawn zuckte zusammen, als hätte sie etwas hinterm Tresen gebissen, und sprang von ihrem Stuhl auf. »Scythe Fields!« Sie schaute auf das Tablet, das sie noch in der Hand hielt, und ihr Blick schnellte zu ihm auf. »Ich habe Trixie wieder aufgenommen, während Ihr Haus instand gesetzt wurde und ich … ich muss Sie fragen, Sir, also, nach diesen beiden Unfällen, die direkt nach Trixies Adoption passiert sind, denken Sie, nun, glauben Sie wirklich, dass Sie und der Hund gut zusammenpassen?«
»Wie bitte?« Fields griff nach seinem Stockdegen, dann fiel ihm ein, dass er ihn nicht dabeihatte, und dann erinnerte er sich daran, dass er ihr gestern Immunität verliehen hatte – oder vor zwei oder drei Tagen – oder wie lange sein faules, nutzloses, schmutziges Vieh hier schon rumhing –
Plötzlich machte sich Selbsthass in seinen Gedanken breit, sehr vertraut aus seiner Jugend, aber sorgfältig unterdrückt, seitdem er Robe, Ring und seine neue Identität angenommen hatte – das schockte ihn noch mehr als Dawns Andeutung. Er musste tief einatmen, dann erst konnte er deutlich artikuliert sagen: »Wenn Sie damit andeuten wollen, dass ich nicht in der Lage bin, einen Hund zu halten, dann würde ich Ihnen gerne Folgendes mitteilen: In der langen und zum Großteil unehrenhaften Geschichte der Menschheit gab es noch nie einen Mann und einen Hund, die so sehr füreinander bestimmt waren, wie ich und Trixie. Allein darüber nachzudenken, dass wir nicht zueinander passen, lässt mich daran zweifeln, ob Sie im richtigen Beruf arbeiten.«
Dawns Lächeln war völlig erloschen. »Bei allem Respekt, Euer Ehren, ich kümmere mich seit über achtzig Jahren um Tiere und belebe sie wieder, und wenn ich Trixies ungewöhnlichen Hintergrund in Betracht ziehe, wäre es vielleicht eine gute Idee …«
»Hintergrund?« Fields merkte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. »Was ist denn an Trixies Hintergrund ungewöhnlich?«
Nervös leckte sich die Frau über die Lippen. »Der Thunderhead redet nicht über Trixie, weil Sie sie adoptiert haben, aber er hat mich zu sehr interessantem Material geführt.« Sie hielt ihr Tablet hoch, drückte drauf und drehte es zu ihm.
Obwohl Fields es nicht sehen wollte, blickte er nach unten und betrachtete Bilder von Welpen, die Trixie sehr ähnelten, die miteinander rauften und über einen gepflegten sonnigen Rasen rannten. »Diese Videos«, sagte Dawn, »stammen aus der Nepal-Freibrief-Region in PanAsia, und diese Hunde werden – nun ja, als ›optimierte Haustiere‹ bezeichnet.«
Fields wollte gerade das Wort optimiert wiederholen und in Frage stellen, doch er erstarrte, als eine Stimme auf dem Bildschirm sagte: »Gut, jetzt! Alle Mädchen gehen auf diese Seite und alle Jungs auf die andere!«
Mit raushängenden Zungen teilten sich die Welpen rasch in zwei Gruppen auf.
»Und jetzt«, sprach die Stimme weiter, »stellen sich beide Gruppen nach Größe sortiert auf!«
Es wurde wieder gerangelt, die Kamera zoomte raus, und die Welpen sortierten sich von klein nach groß.
Fields musste schlucken. »Gut erzogene Tiere«, murmelte er, konnte aber das leichte Zittern in seiner Stimme nicht unterdrücken.
»Nein, Euer Ehren«, sagte Dawn sanft, und Fields zuckte fast zusammen; er hatte es geschafft, die Anwesenheit dieser Frau zu vergessen.
»Ich habe gelesen, dass Wissenschaftler in Nepal schon seit fast einem Jahrhundert daran arbeiten, Hunde mit menschlicher Intelligenz zu züchten. Die hier sind noch Welpen, aber später zeigen sie auch einige erwachsene Hunde, die …«
»Nein!«, rief Fields und schlug der Frau das Tablet aus der Hand. »Dieses Video ist nur der Witz eines Widerlings. Es stimmt nicht, und wenn ich es auch nur einen Moment für bare Münze gehalten hätte, würde ich mich direkt ins Flugzeug über den Pazifik setzen und alle Beteiligten nachlesen!«
Er entschied sich kurzerhand, alles zu leugnen. Nur dass ein Teil seines Gehirns nicht bereit war, es loszulassen. Denn wenn Trixie nicht nur empfindungsfähig, sondern auch noch intelligent war … dann waren diese sogenannten Unfälle vielleicht …
»Nein!«, rief er wieder und konnte sich kaum davon abhalten, mit dem Fuß aufzustampfen. »Das reicht jetzt. Ich nehme jetzt meinen Hund mit!«
Dawn presste die Lippen aufeinander und öffnete eine Klappe am Ende des Tresens. Dahinter wartete Trixie ganz ruhig und geduldig. Fields hockte sich hin, um ihre Leine aufzuheben, und wäre fast zusammengezuckt, als sie vorher aufstand …
… weil sie stand, und er hockte, konnte sie mit ihren tiefgründigen dunklen Augen direkt in seine blicken. Und während er bemerkte, dass er starrte – und fast schon zitterte –, schaute sie ihn absolut ruhig an.
Er schnappte sich die Leine, sprang auf die Füße und ging in Richtung Tür, Trixie glitt lautlos neben ihn.
»Sie haben heute viele schlimme Fehler gemacht, Madame!«, rief er, ohne sich umzudrehen. »Wirklich etliche!«
»Bitte, Euer Ehren!« Panik lag in Dawns Worten. »Wir haben viele sehr liebe Hunde im Tierheim, das wissen Sie! Vielleicht wollen Sie sich noch mal überlegen, ob es wirklich genau dieser Hund sein muss …«
In der Tür blieb Fields stehen, um sie mit einem stählernen Blick zu fixieren – so hoffte er zumindest. »Und Sie, Madame, wollen vielleicht mal darüber nachdenken, dass ein Jahr Immunität sehr kurz sein kann!« Er hätte gern mit seinem Schwert vor ihr herumgerasselt, aber natürlich hatte er es nicht dabei, und Trixie war schon wieder weitergegangen; er musste schnell gehen, damit er nicht zur Seite umgerissen wurde.
Je weiter sie sich vom Tierheim entfernten, desto lächerlicher fühlte sich das Video an. »Unerhört!«, sagte er wütend und versuchte, mit seinen unangenehm nassen Schuhen auf dem Bürgersteig aufzustampfen. »Warum sollte jemand eine solch perfide Lüge glauben?«
Trixie legte die Ohren zurück und schaute ihn über die Schulter hinweg an. Ihr Blick war so unverhohlen vorwurfsvoll, dass Fields verstummte.
Weil sie doch gar nicht vorwurfsvoll sein konnte , oder? Sie war ein Tier – ein prächtiges Tier, das auf jeden Fall, wahrscheinlich der beste Hund, dem er je begegnet war, aber es war doch trotzdem weit hergeholt zu denken, dass sie die Welt nicht nur sah, hörte und erschnüffelte, sondern auch alles verstand, was um sie herum geschah. Und daraus ein mörderisches Rachegefühl entwickelte …
»Das hätte ich in den Nachrichten gehört!« Er zwang sich dazu, diesen Satz laut auszusprechen, denn nichts beruhigte ihn so, wie seine eigene Stimme. »Wenn Menschen solche Wesen aus einer Freibrief-Region herausbringen würden, wäre das Netz voll davon!«
»Euer Ehren?«, fragte Charles, und Fields blinzelte zum Hot-Dog-Stand vor ihm. Er war in seinen schrecklichen Gedanken versunken und hatte kein besonderes Ziel vor Augen gehabt – vielleicht wollte er sich auf den Heimweg machen und schauen, ob die Reparaturkolonne etwas Ärgerliches verbrochen hatte, das ihnen einen Nachlesebesuch bescherte.
Aber Trixie hatte ihn genau hierhergeführt; sie stand sogar auf den Hinterbeinen, hatte die Vorderpfoten gegen die Seite des Wagens gestemmt und richtete ihre gesamte Aufmerksamkeit auf den Hot Dog, den Charles Fields hinhielt.
Sie hat bestimmt den Duft im Wind gewittert, redete er sich ein. Allerdings war der warme Nachmittag völlig windstill … Aber der Geruchssinn eines Hundes war viel feiner als der des Menschen. Dass Trixie zum Hot-Dog-Stand lief, bewies rein gar nichts, einfach wirklich rein gar nichts!
»Euer Ehren?«, fragte Charles erneut und wedelte mit dem Hot Dog in Fields’ Richtung.
Fields bemerkte, dass er nicht hungrig war – er war vorhin nicht hungrig gewesen, und auch jetzt war er ganz sicher nicht hungrig. Ohne ein erklärendes Wort drehte er sich um und ging.
Aber die Leine spannte sich, weil Trixie ihm nicht folgte. Er drehte sich um, um mit ihr zu schimpfen, erstarrte jedoch wegen der ruhigen Entschlossenheit in ihrem Blick, der sich nun auf ihn und nicht mehr auf den Hot Dog in Charles’ Hand richtete.
Sie blinzelte ihn langsam an, und dann, den Blick immer noch auf ihn gerichtet, gab sie ein schroffes Geräusch von sich – kein richtiges Bellen, sondern einen Laut, der Fields an das Räuspern seiner Mutter erinnerte, wenn sie ihn auf seine angeblichen Unzulänglichkeiten hinwies.
Der Ruck, der durch seine Wirbelsäule schoss, ließ seinen Arm zucken, und die unfreiwillige Bewegung seiner Hand reichte Charles als Signal scheinbar aus. Nickend bückte sich der Mann, hielt Trixie den Hot Dog hin und sagte: »Guter Hund« – mit tiefer und bedächtiger Stimme, wie immer.
Trixie beendete den Augenkontakt, nahm den Hot Dog, schlang ihn jedoch nicht so runter, wie es jedes andere Tier getan hätte, das ihm jemals gehört hatte – oder sogar wie sie selbst es gestern noch getan hatte oder vorgestern oder wann auch immer er zuletzt lebendig gewesen war.
Nein, sie hielt das Ende des Brötchens nahezu behutsam zwischen den Zähnen und drehte sich um, bis sie Fields wieder direkt anschaute, und erst dann begann sie mit dem Spektakel. Sie zuckte mit dem Hals und warf den Hot Dog einige Zentimeter in die Luft, dann fing sie das Fleisch, während das Brötchen mit einem leisen Plumpsen neben ihr zu Boden fiel.
»Wow!«, sagte Charles, und Fields hätte ihn verwundert wegen seines ungewohnten Gefühlsausbruchs angestarrt, wenn nicht seine ganze Aufmerksamkeit auf Trixie gerichtet gewesen wäre.
Denn die Hündin verspeiste langsam, Bissen für Bissen, den Hot Dog, zog ihn mit den Zähnen ins Maul, kaute und schluckte jedes Stück, während sie es irgendwie schaffte, den Rest des Hot Dogs so festzuhalten wie eine Zigarre, ihr Blick war dabei die ganze Zeit fest auf ihn gerichtet. Und jetzt war sich Fields fast völlig sicher, dass sie ihm tatsächlich etwas vorspielte.
Und das hieß: Er wusste, was er zu tun hatte.
Aber er wusste nicht, wie er es anstellen sollte.
Er redete den ganzen Nachhauseweg über. Für Fields wäre es völlig unnatürlich gewesen, das nicht zu tun, und die derzeitige Situation war schon viel unnatürlicher, als er sich eingestehen wollte. Deswegen sprach er pausenlos darüber, was er sah, über das Wetter und die Landschaft und wie seltsam sich die Leute anzogen – je banaler sein Geschwafel, umso besser. Er musste Trixie davon überzeugen, dass er sie nach wie vor für eine gewöhnliche Hündin hielt, und dazu musste er sie davon überzeugen, dass er ein Idiot war.
Also ein noch größerer als der, für den das Tier ihn ohnehin schon hielt.
Oder lag er etwa falsch?
Nein. Er kannte die Wahrheit – obwohl es Zeiten gegeben hatte, in denen er sich insgeheim gewünscht hatte, die Wahrheit nicht zu kennen. Zeiten, in denen er am liebsten aufgehört hätte, Scythe Fields zu sein und unter sein Bett gekrochen wäre, so wie damals, als Vater oder Mutter eine perfekt geformte Augenbraue in seine Richtung hochgezogen und dann mit einer spitzen Bemerkung seinen Selbstwert ruiniert hatten.
Aber das hier durfte kein solcher Moment sein. Er musste weiterhin die Kontrolle behalten. Er war der Rudelführer des … worum auch immer es sich bei diesem Ding handelte. Aber noch ehe er etwas unternehmen konnte, musste er sich vergewissern. Er musste diesen Hund testen, ihn in eine Falle locken – ja, das war der richtige Ausdruck. Er musste dem Tier seine wahren Absichten ihm gegenüber entlocken.
Deswegen plapperte er und versuchte gleichzeitig nachzudenken, folgte ihr über den Bürgersteig, ging durchs vordere Tor, servierte ihr eine halbe Dose Futter aus dem Kühlschrank –
Schließlich kam ihm eine Idee, und er richtete sich auf. »Godfrey Daniels!«, rief er als wäre ihm gerade etwas klargeworden. »Ich habe den Großteil der letzten Woche in Isolation verbracht, deswegen ist meine Nachlese-Quote in Gefahr!« Das stimmte eigentlich nicht; in den letzten Monaten waren genügend Ärgernisse passiert, die ihn gut beschäftigt hatten – aber das wusste die Hündin nicht. »Ich denke, dass du heute Abend allein zurechtkommst. Ich muss mich nämlich um meine offiziellen Pflichten kümmern.«
Er ging aus der Küche und widerstand dem Drang, sich umzuschauen und zu sehen, ob sie ihm folgte. »Es ist immer ein Dilemma«, murmelte er und sprach jedes Wort ganz deutlich aus, ohne – wie er hoffte – dass es zu auffällig war, »die richtige Methode auszuwählen.« Er hielt am Waffenschrank im Flur an, schloss auf und öffnete die Tür, um sein Arsenal zu präsentieren: Handfeuerwaffen, Messer, Gewehre, Äxte, Schrotflinten, verschiedene Regale mit Giften. Ja, normalerweise ging er mit einem Schwert los, das in seinem Stock versteckt war, aber zu wissen, dass er noch andere Optionen hatte, hinterließ bei ihm ein Gefühl der Professionalität.
»Wenn ich zurückkomme«, murmelte er und wollte dabei wie ein Mann klingen, der sich im Geiste eine Notiz machte, »muss ich diese Schrotflinten reinigen, sie mit zum Strand nehmen und sie gefahrlos über dem Meer entladen, um sicherzugehen, dass sie gut funktionieren.« Er konnte sich nun nicht mehr davon abhalten und blickte sich über die Schulter. Er war auf alles vorbereitet.
Trixie saß in der Mitte des Wohnzimmers, hatte den Kopf niedlich schief gelegt. Nicht so niedlich war das intensive Glühen in ihren Augen.
Ein Teil von ihm wollte verleugnen, dass sie überhaupt ein Motiv haben könnte – sie war nur ein Hund, der dem unverständlichen Geschwätz seines Herrchens lauschte. Aber der Rest von ihm war sich nicht so sicher.
»Schrotflinten sind sensible Konstrukte«, erklärte er ihr auf die gleiche lebhafte und spontane Art wie auf dem Nachhauseweg; er war einfach nur ein Mann, der mit seinem Hund sprach. »Wenn man sie nicht regelmäßig wartet und entlädt, können die Dinger beim Abfeuern einfach explodieren.« Er nahm die kleinste Schrotflinte aus dem Regal und wiegte sie in einer Hand …
Dann tat er so, als wäre er abgelenkt. »Und meine Vorderlader!« Er lehnte die Schrotflinte an die Wand neben dem Schrank, nahm sich die Schwarzpulverflasche aus dem Regal, schraubte gewollt umständlich den Deckel ab und schnüffelte daran. Er bewegte den Behälter gerade so, dass sich ein wenig Schwefelgestank im Raum ausbreitete. »Ja, am besten schaue ich nach meinen Waffen, wenn ich heute Abend wiederkomme.«
Nickend stellte er die Flasche zurück, drückte den Schrank zu und ging zur Vordertür. Der Gestank nach Schwarzpulver lag immer noch schwer in der Luft. Ein Zuschauer dieses Theaterstücks hätte gedacht, Fields hätte einfach vergessen, eine Schrotflinte zurückzuräumen – denn sie lehnte noch außen am Schrank. Aber es gab keine Zuschauer. Oder zumindest keine menschlichen.
»Ich bin bald wieder da, Trixie«, sagte er unbeschwert, obwohl er sich gar nicht so fühlte, drehte am Knauf und ging hinaus in die Abenddämmerung.
Nach einigen Minuten schlich Fields zum Haus zurück und war sich sicher, dass der schwefelige Schwarzpulvergeruch seinen Eigengeruch überdeckte. Durch das Fenster neben der Haustür konnte er sowohl in den Flur als auch auf den Waffenschrank blicken – und auch wenn er sich Nichtwissen sehnlichst wünschte, schlich er sich an und spinkste durch die Scheibe …
… und erblickte einen leeren Flur. Trixie war nirgendwo zu sehen. Nichts schien seit seinem Weggang passiert zu sein. Sein Herz bebte vor Hoffnung. Hatte er sich das alles womöglich nur eingebildet? War Trixie einfach nur ein Hund und kein Monster in Kanidenform?
Aber dann schwang die Küchentür auf, und Trixie kam rausgetrottet, hielt etwas Weißes und Sperriges im Maul. Ein Quietschespielzeug? Einen Rohhautknochen? Sie drehte sich um und blieb schließlich neben dem Waffenschrank stehen, stellte das Objekt vor die Schrotflinte auf den Boden.
Es war eine Klebstoffflasche.
Trixie beugte sich nun nach vorn, nahm die Flasche zwischen die Vorderpfoten und friemelte mühevoll mit den Vorderzähnen den Verschluss ab – wahrscheinlich bedauerte sie dabei die fehlenden Daumen. Als sie die Kappe endlich entfernt hatte, nahm sie die Flasche wieder ins Maul, stellte sich auf und lehnte die Vorderpfoten gegen den Schrank, dann reckte sie den Hals, neigte den Kopf und ließ Klebstoff in den Lauf der Waffe tröpfeln.
Fields wurde eiskalt, er zog sein Narkosegewehr raus – das er heimlich aus dem Schrank genommen hatte – und schlug damit erst das Fenster ein, dann feuerte er es auf den mörderischen Köter ab.
Der Pfeil traf Trixie direkt in die Flanke. Sie ließ die Klebstoffflasche fallen, sprang weg vom Waffenschrank und drehte sich in seine Richtung, fletschte die Zähne, und er hätte am liebsten noch einen Pfeil in ihr versenkt.
Aber das brauchte er nicht. Die Lösung, mit der er seine Pfeile gefüllt hatte, wirkte schnell. Trixies Augen fielen zu, ihre Ohren klappten zurück, und die Hinterbeine gaben nach. Sie schwankte noch kurz, dann kippte sie um, landete mit klackernden Marken auf dem weißen Marmorboden.
Der Türknauf fühlte sich in Fields Hand weder kalt noch heiß an, und er drehte ihn und ging hinein. »Hab ich dich, Miststück«, knurrte er, dann hielt er an, räusperte sich und suchte nach der richtigen Art, seine Gefühle auszudrücken: etwas über fiesen Verrat oder dass er den Spieß nun umdrehen wollte oder …
Oder scheiß drauf. Er kniete sich vor sie, sah, wie ihre Vorderpfoten zuckten und die Augenlider zitterten. »Fühlst du dich ein bisschen komisch?«, fragte er mit einer Stimme, die er kaum erkannte, mit Wörtern und Phrasen, die er seit Jahrzehnten nicht mehr verwendet hatte. »Genau, dieses Zeug hat ganz schön Wumms. Es wird dich eine Zeitlang außer Gefecht setzen, aber ich hätte natürlich auch jedes Recht der Welt, dich abzuknallen. Wenn du so schlau sein willst wie ein Mensch, musst du dich auch an die von Menschen gemachten Regeln halten, okay?« Er beugte sich etwas näher zu ihrem zuckenden Ohr. »Und ich wette, du weißt, was passiert, wenn man einen Scythe totenähnlich macht, nicht wahr?«
Er ging zum Schrank unter dem Treppenaufgang, wo er die Transportbox aufbewahrte, und zog sie raus.
»Ich hab Wissenschaft mal geliebt«, erklärte er dem halb ohnmächtigen Köter, immer noch mit seinem alten Jimmy-Randell-Näseln, »aber darum kümmert sich nun der Thunderhead. Als Scythe werde ich mich nicht in seine Machenschaften einmischen. Trotzdem, egal welche Wissenschaft dich hervorgebracht hat: Sie verdient diesen Namen nicht.«
Nach ein paar zuckenden Pfotenbewegungen wurde das Tier so ruhig, dass Fields sich Sorgen machte. Das Beruhigungsmittel war nicht so einfach anzurühren; hatte er sich bei der Dosierung vertan? Nun wenn dem so war, könnte er sich den nächsten Schritt sparen – aber dieser nächste Schritt war der Schlüssel. Dieser Sieg wäre süßer als Traubenlimonade.
Er schaute etwas genauer hin und sah, dass sich ihre Flanken weiterhin beim Atmen hoben und senkten. Vorsichtig hockte er sich hinter sie und schob sie in die Box. Er steckte ihre Rute noch hinein und schloss die Käfigtür, ließ das Schloss einrasten. Dann hob er die Box am Griff hoch und trug sie schwerfällig aus der Hintertür zur rückseitigen Terrasse und dem dahinterliegenden Strand. Dort war immer noch ein Blutfleck zu erahnen von seinem fiesen kleinen Platscher.
Der Strand war dunkel, der Himmel mondlos. »Hier draußen gibt es nur salziges Blau, mein Mädchen«, erklärte er der lautlosen Kiste, in der sich nichts regte, während er sie unterhalb der niedrigen Dünen zwischen seinem Haus und dem Meer abstellte. »Du wirst es erholsam finden, das garantiere ich dir.«
Er ging wieder zum Haus, um die notwendige Ausrüstung zusammenzusuchen, und sagte sich mehrfach: »Das ist eine reine Willenssache, Jimmy, eine reine Willenssache.«
Als er zum Käfig zurückkehrte, keuchte er vor Anstrengung – aber es lag noch mehr dahinter. Sein ganzer Körper zitterte vor Vorfreude. Er nahm einige tiefe Atemzüge und versuchte, wieder in die kultivierte, professionelle Rolle seines Historischen Patrons zu schlüpfen. Der alles unter Kontrolle hatte, emotional ungebunden war und dessen philosophische Weisheit zeit seines Lebens immer weiterwuchs.
»Böswillig hintergangen von einer undankbaren, hinterhältigen Töle!«, rief er und schob seine Schaufel in den Sand. »Ich sollte niedergemeuchelt werden – in dieser grausamen Welt kann einem nichts Besseres passieren!« Er leuchtete mit einer Taschenlampe durch die Käfigtür, doch Trixies Körper mit dem grauen Fell bewegte sich nicht, lag immer noch zusammengesackt auf dem Boden.
»Ich brauche keine Antwort«, sagte er, legte die Taschenlampe weg und machte sich an die Arbeit.
Die ganze Angelegenheit wurde schnell anstrengend, aber Fields hielt durch. Schließlich, redete er sich ein, musste man eine so wichtige Sache vernünftig regeln. Und außerdem musste man nur bei Menschen sechs Fuß tief graben. Dieses Loch hier brauchte nur so tief sein, dass der Käfig hineinpasste.
Dennoch dauerte es viel länger, als er gedacht hätte, mit dem Sand konnte man nicht gut arbeiten. Er war sich sicher, dass Mitternacht schon vorüber war, als er anhielt und schwitzend im kühlen Wind auf dem unebenen Hügel stand, neben dem sich eine drei Fuß tiefe Grube befand, in die die Hundebox hineinpasste.
Er drehte sich zu ebendiesem Objekt um, ließ die Schaufel fallen und rieb sich die Hände, zuckte zusammen, weil seine Schmerznaniten wohl von der Bewegung überrascht wurden, und wartete noch einen Moment, um den stechenden Schmerz in seinen Handflächen zu lindern. Vorsichtig nahm er die Taschenlampe, leuchtete noch einmal in den Käfig, und dieses Mal blickte Trixie zurück, ihre beiden Augen glommen bernsteinfarben und unheimlich.
Fields hatte Schwierigkeiten, nicht zurückzuweichen. »Du bist wach, wie ich sehe.«
Sie zuckte nicht einmal mit dem Ohr.
Er nickte trotzdem. »Vielleicht hast du in deinem benebelten Zustand gehört, wie ich zu Beginn unseres gemeinsamen Abends von meiner Liebe für die Wissenschaft erzählt habe«, sagte er, ließ die Taschenlampe fallen und ging zur Rückseite des Käfigs. »Nun, Schrödingers Katze gehört zu meinen Lieblingsanekdoten.«
Der Käfig rutschte mühelos den sandigen Abhang hinab, nachdem Fields ihn angeschoben hatte, und Fields stellte ihn so hin, dass die Tür zu ihm zeigte, während er sprach. »Vielleicht kennst du die Geschichte gar nicht.« Er zog seine Robe hoch und kletterte den Hang hinauf. »Sie beruht auf ziemlich obskuren Gedankenexperimenten der Physik, um in Frage zu stellen, ob eine Katze, die in einer Kiste eingesperrt ist, unter gewissen Bedingungen definitiv als tot oder lebendig angesehen werden kann.«
Er beugte die Knie, nahm die Schaufel und schmiss Sand in das Loch neben dem Hundekäfig. »Ich bin mir jedoch fast völlig sicher, dass uns diese Frage heute Abend nicht beschäftigen wird.«
Nicht ein Mal während der ganzen Operation war auch nur ein Quieken aus dem Käfig gedrungen. Die Stille des Hundes zermürbte Fields stärker als jedes Bellen, er schaufelte schneller, seine Brust hob und senkte sich immer hektischer bei jeder Ladung Sand, die er nach unten fallen ließ. Der Sandberg wurde höher und höher, rieselte durch die Türgitter und dann durch die kleinen Mesh-Fenster hinten und an den Seiten. Mit jeder Schaufel Sand besiegte er nicht nur die Kreatur, sondern auch die Mächte, die ihn seit dem Tag seiner Geburt kleinmachen und reinlegen wollten, die ihm einreden wollten, wer er sein und was er machen könnte! Er jedoch hatte sich an den Idealen festgehalten, die er aus den alten Filmen seines Historischen Patrons kannte, hatte über die Kleinlichkeit und Belanglosigkeit derer triumphiert, die ihn aufhalten wollten, hatte das Scythetum als Lehrling beeindruckt und seinen rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft eingenommen!
Die letzten drei Schaufelladungen bedeckten nun den Griff oben am Käfig, und Fields fiel auf die Knie, schaffte es, die wunde linke Hand zur Faust zu ballen, und schüttelte den Scythe-Ring in Richtung des niedrigen Sandhügels vor ihm. »Betrachte dich als nachgelesen«, keuchte er.
Er blieb noch einen Moment dort knien, dann stand er auf, sammelte seine Ausrüstung ein und ging mit voller Absicht nicht wie gewöhnlich zurück zu seinem Haus. Er stolzierte. Ganz erhaben. So wie es sich für einen Scythe gebührte! Vielleicht lief er etwas langsamer als sonst die Treppen hinauf, weil er vom Graben so erschöpft war, und als er auf der zweiten Etage angekommen war, fiel er dankbar ins Bett, ganz erfüllt von seiner guten Arbeit.
Er schlief fast bis Mittag, und die nächsten anderthalb Tage ging er nicht weiter weg von seinem Bett als bis zur Küche. Schließlich hatte sich niemand in letzter Zeit – das wusste er ganz sicher – so sehr eine kleine Auszeit verdient wie er.
Der einzige beunruhigende Gedanken kam ihm am Abend des zweiten Tages, als er Trixies Näpfe in der Ecke sah. Ohne nachzudenken, nahm er sie, spülte sie ab und stellte sie in den Schrank neben die Schüsseln mit der Aufschrift Rex . Dann dachte er doch noch nach, nahm alle vier Schüsseln raus und warf sie in den Müll. Fast so, als würde er sich eine Niederlage eingestehen, aber nein. Er hatte einfach fürs Erste die Nase voll von Hunden.
Es war, als hätte ihm jemand eine Last von den Schultern genommen, und als er durch den Eingangsbereich schritt, schnappte er sich seinen Stockdegen und riss die Haustür auf. Es war höchste Zeit, dass er diese ganze Malaise hinter sich ließ und in seine Hauptrolle im Historienspiel namens Oxnard zurückkehrte, dem leuchtenden Juwel der WestMerikanischen Küste. Mit einem entschiedenen Kopfnicken ging er durch die Dämmerung in den Park.
Der Duft nach Hot Dogs stieg ihm in die Nase, als er noch einen Block entfernt war, aber als er Charles’ Wagen erblickte, befremdete ihn der Anblick der beiden Menschen dahinter: der große, schlaksige Verkäufer, den er erwartet hatte, und ein Typ mit breiteren Schultern. Beide trugen sie die für Charles typischen weißen Papierhüte und Schürzen.
Er schlenderte zum Wagen. »Charles. Hast du einen Assistenten eingestellt?«
Charles zuckte zusammen, als wäre er geschlagen worden. »Euer Ehren! Nein! Ich …« Ein tiefes Einatmen schien ihn zu beruhigen. »Das ist mein, ähm, mein Neffe Edgar. Er, äh, will auch als Hot-Dog-Verkäufer arbeiten.«
Der junge Mann streckte Fields eine Hand entgegen. »Es ist mir eine große Ehre, Sie kennenzulernen, Scythe Fields! Onkel Chuck hat mir schon so viel von Ihnen erzählt, alle haben schon so viel erzählt!«
»Na dann!«, Fields nahm die Hand und schüttelte sie. »Du hast einen festen Händedruck, Edgar – obwohl, ich vermute, wenn man mit Frankfurter Würstchen arbeitet, ist ein fester Händedruck besser als ein lascher. Es wäre blöd, wenn man bei der Zubereitung die Kontrolle verliert, oder?«
»Genau, Sir.« Edgar lächelte breit genug, aber er hatte etwas, das Fields nur als harten Blick bezeichnen konnte – in seinem Gesichtsausdruck lag etwas, bei dem Fields sich fragte, ob er in seiner Kindheit ebenfalls Leid erfahren hatte.
Gerade sah er allerdings recht vergnügt aus. Fields vermutete, dass die Aussicht, sich mit Hot Dogs den Lebensunterhalt zu verdienen, selbst die deprimierteste Seele aufheitern würde. Einen Moment lang wirkte er irgendwie vertraut … aber vielleicht hatte er auch einfach eins dieser Allerweltsgesichter.
»Ich würde gern mehr über Ihr Leben und Ihre Abenteuer erfahren, Euer Ehren«, redete der Typ weiter, dabei fischte er mit einer Zange geschickt einen Hot Dog und ein Brötchen aus den Tiefen des Wagens. »Und Sie können mir verraten, ob Sie der Meinung sind, ich hätte die Kochkünste von Onkel Chuck geerbt.«
»Eine exzellente Idee.« Fields atmete ein, um loszureden, da hörte er ein metallisches Klimpern, das typische Klackern von Hundemarken.
Der Atem blieb Fields wie eine Fischgräte im Hals stecken, er drehte sich abrupt um und sah, wie ein Hund aus dem schattigen Park ins Licht der Abendsonne trat.
Nicht nur ein Hund.
Der Hund.
Trixie.
Im Maul hielt sie geschickt das Ende der Leine, die an ihrem Halsband befestigt war. Brust raus, Kopf hoch, Rute geringelt, so kam sie bei ihm an, drehte sich mit zuckenden Ohren und setzte sich so ruhig neben ihn, als wäre sie dort schon die ganze Zeit gewesen.
»Schöner Hund«, sagte Edgar. »Gehört sie Ihnen, Euer Ehren?«
Fields brauchte für seine Antwort mehrere Sekunden.
»Ganz sicher nicht!« Er wollte diese Verleugnung eigentlich rausbrüllen, stattdessen quietschte er nur, was ihn zum Röcheln brachte, schlug sich dann gegen die Brust und versuchte rauszuhusten, was auch immer seine Lungen blockierte.
Aber es kam nichts. Eine Frauenstimme ertönte aus dem Park: »Trixie! Wo bist du?« Dawn kam zum Hot-Dog-Stand gerannt und hielt nach Luft japsend an.
Da erkannte Fields, um was für eine niederträchtige Verschwörung es sich handelte. Es war nicht nur der Hund! Dawn steckte ganz eindeutig mit unter dieser Decke.
»Was erlauben Sie sich?«, rief er, und sein Magen zog sich zusammen, während sich sein Schrecken in Wut verwandelte. »Ich habe dieses Tier nachgelesen!«
»Nachgelesen?«, fragte Edgar hinter ihm. »Ich dachte, man kann nur Menschen nachlesen.«
»Sie ist ein Mensch!« Fields drehte sich um und schnappte sich seinen Stockdegen, um dem Jungen zu geben, was er verdiente, aber sein rot leuchtender Ring hielt ihn zurück.
Immun. Charles’ Neffe hatte Immunität vor Nachlese …
Er starrte von seinem Ring zum Jungen, hin und her, bis Dawn »Scythe Fields!« in genau demselben scharfen Tonfall rief, in dem seine Mutter in seiner Kindheit so häufig mit ihm gesprochen hatte. »Dieses Mal sind Sie zu weit gegangen!«
Alles in Fields sträubte sich dagegen, aber er drehte sich doch noch einmal um und sah, wie Dawn mit aufeinandergepressten Zähnen auf ihn zu lief.
»Ich habe Sie beim Rat der Scythe als Tierquäler gemeldet und auch den Thunderhead offiziell benachrichtigt!« Sie hielt an und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Vielleicht nützt es nichts, aber als die Drohnen mir vor drei Tagen diesen armen Hund gebracht haben, konnte ich … nun, ich konnte nicht mehr tatenlos zusehen!« Sie trat einen Schritt zurück und zeigte mit zitterndem Finger auf ihn. »Sie sind jetzt aktenkundig, Sir, und wenn Sie nicht wären, wer Sie sind, dürften Sie nie wieder einen Hund adoptieren!«
»Aber ich bin eben, wer ich bin!« Fields versuchte, seine Gedanken zu ordnen, versuchte, die angemessen heftige Empörung aufzubringen, um seiner Entrüstung entsprechend Ausdruck zu verleihen, aber stattdessen kamen nur weinerliche und jämmerliche Worte aus seinem Mund. »Und das ist gar kein Hund! Das haben Sie selbst gesagt, und ich habe gesehen, wozu das Tier fähig ist! Sie ist eins dieser optimierten Dinger!«
Dawn schüttelte den Kopf. »Ich hätte das auch für möglich gehalten, aber wenn sie intelligent wäre, warum würde sie dann vor mir weglaufen und zu Ihnen gehen? Zu dem Mann, der sie bei lebendigem Leib begraben hat!«
Und wieder wollte Fields nicht gucken, aber er musste einfach einen Blick auf Trixie werfen. Ihre gespitzten Ohren hätten ein Anzeichen dafür sein können, dass sie zuhörte, aber dem Anschein nach schien ihre Aufmerksamkeit auf andere, weit entfernte Hunde im Park gerichtet zu sein, in dem es langsam dämmerte.
Fields ließ sich aber nicht an der Nase herumführen. »Sie kann kein aufrichtiger, ehrlicher und normaler Hund sein, das werde ich beweisen!« Es hatte einen Moment gedauert, aber dann kehrte sein Verstand zurück. »Die Wiederbelebung eines totenähnlichen Haustiers muss autorisiert werden und kostet eine Stange Geld! Wenn dies also angeblich nur ein normaler Hund ist, wer hat dann für die Wiederbelebung bezahlt?«
»Ähm …« Dawn riss die Augen auf. »Sie ist Ihre Hündin, Scythe Fields. Sie müssen nie für etwas bezahlen.«
»Sie ist nicht mein Hund!«
»In den Papieren steht …«
»Aber ich habe sie nachgelesen!«
»Ähm, ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie keinen Hund …«
Fields schrie lautlos auf, seine Selbstbeherrschung war wie weggeblasen, und er zog sein Schwert aus der Scheide.
Dabei lenkte sein Ring, der so rot leuchtete wie eine Eiterpustel, seinen Blick von Dawn ab. Fields schaute zu Edgar, und dann bemerkte er, dass Charles verschwunden war. Diese gesamte Ecke des Parks war plötzlich menschenleer, und das ließ nur …
Trixie starrte ihn an, sie blinzelte nicht.
»Scythe Fields?«, fragte Edgar irgendwo hinter ihm. »Wollen Sie ernsthaft einen Hund nachlesen?«
Und Fields erkannte die Perfidität von Trixies teuflischem Plan: ihn in eine Schublade zu stecken, die weltmännische Figur zu zerstören, an der er all die Jahre so sorgfältig gearbeitet hatte. Sie war hier, um ihn auseinanderzunehmen, um ihn zu zerlegen, bis er wieder derselbe Niemand war wie zuvor.
Fields atmete tief ein, schob sein Schwert wieder in den Stock und wischte sich die Hand an der Rückseite der Robe ab. »Nein, Edgar«, sagte er, so ruhig und gefasst er konnte. »Ich werde diesem Hund kein einziges Haar krümmen. Weil, wie schon gesagt, es ist nicht mein Hund, und ich danke Ihnen dafür, Dawn, dass Sie sämtliche Papiere dahingehend ändern werden.« Sein Körper fühlte sich nun eher wie ein Stück Holz an als irgendwas anderes, und er schaffte es, sich vor ihr und Edgar zu verbeugen. »Nun hoffe ich, dass ihr mich entschuldigen werdet. Ich wünsche allseits einen schönen Abend und kümmere mich um Dinge, die ich anderswo zu erledigen habe.«
Er drehte sich abrupt um und ging weg, ohne sich noch einmal umzuschauen. Er hatte alles gesagt, was er sagen musste, alles getan, was er tun musste. Wenn er noch länger blieb, würde er alles nur verschlimmern.
Er ging direkt nach Hause. Heute flanierte er nicht wie sonst über die Uferpromenade. Einen Augenblick oder auch mehrere brauchte er, um sich zu sammeln und seine Fassung wiederzuerlangen. Das musste sein. Er würde sich den Film seines Historischen Patrons anschauen, genau wie neulich, als der Hund ihn mit einem Stromschlag töten wollte – oder sich vielleicht etwas früher hinlegen, in dem Zimmer, wo der Hund ihn auf den Balkon gelockt hatte, um ihn runterzuwerfen …
Nein! Solche Gedanken wollte er nicht denken! Er schüttelte schnell den Kopf, ging über die Straße und lief geduckt über die Allee, die sich zwischen den Häusern am Meer und denen eine Straße dahinter befand – nahm ausnahmsweise den kürzesten Weg nach Hause. Wenn er ganz geschickt vorging, konnte er hier immer noch die Oberhand gewinnen. Schließlich war er von ihnen beiden derjenige, der Hände hatte. Er sollte nicht …
Hinter ihm klimperte etwas, und ihm stellte sich jedes einzelne Nackenhaar auf. Fields weigerte sich zu blinzeln, weigerte sich, sich umzudrehen, weigerte sich, dieses Geräusch überhaupt wahrzunehmen.
Jedoch ging er ein wenig schneller.
Die nächsten Blocks schienen vorbeizukriechen, die Schatten der Nacht wurden dunkler. Fields summte immer lauter eine unbeschwerte Melodie, in dem Versuch, das leise, hartnäckige Klimpern der Metallmarken zu übertönen.
Das Geräusch kam nie näher, soweit er es beurteilen konnte, seine leisen Echos prallten von den Häusern auf beiden Seiten von ihm ab, aber natürlich hielt er nicht an, um darauf zu warten, er machte noch größere Schritte.
Schließlich atmete er immer schneller, die Robe klebte an seinen verschwitzten Armen und Beinen, er bog von der Gasse ab, als die Straßenbeleuchtung anging. Sein Haus lag nur noch wenige Meter entfernt. Unter Oxnards perfekter Abenddämmerung vermischte sich der frische Duft des warmen Sandes mit der kühlen Meeresbrise, und er fühlte sich ermutigt.
Er war der Ehrenwerte Scythe William Claude Fields – immerhin! Er hatte nichts zu fürchten, weder von Menschen noch von Tieren!
Das leise Klimpern drang wieder in seine Ohren. Ohne nachzudenken, reckte er diesmal doch den Kopf nach hinten –
Und ein Schatten bewegte sich aus einiger Entfernung auf der Allee auf ihn zu, aus der er gerade abgebogen war, ein vierbeiniger Schatten, irgendwie dunkler als die Dunkelheit um ihn herum, plötzlich blitzte ein Licht auf und ließ ihre Augen bernsteinfarben leuchten.
Fields lief los, sprang über seinen Zaun, sprintete über den Rasen, stürzte ins Haus und schloss die Tür hinter sich ab.
Die Lichter gingen aus, und Fields saß auf dem Boden im Flur, hielt eine frisch gereinigte und geladene Schrotflinte fest an die Brust gedrückt – eine, bei der er sich vergewissert hatte, dass sie nicht manipuliert worden war –, beobachtete die Vordertür und versuchte dabei, nicht durchzudrehen.
Sie hatte natürlich nicht geklopft. Sie war ein Hund. Aber sie hatte auch weder an der Tür gekratzt noch davor gebellt oder gewinselt.
Er wollte glauben, dass sie weg wäre, dass sie ihren Spaß gehabt und nun weitergezogen wäre, aber er wusste: Das stimmte nicht.
Natürlich stimmte auch, dass er hier nicht bis in alle Ewigkeit so sitzen bleiben konnte, und außerdem gab es kaum eine Möglichkeit für sie, ihm etwas anzutun. Ja, sie hatte ihn zweimal totenähnlich gemacht, aber das war, noch ehe er von ihrem wahren, teuflischen Wesen erfahren hatte. Jetzt war er sowohl vorgewarnt als auch bewaffnet! Er musste nur ein wenig Stärke zeigen, dann konnte er sich ein und für alle Mal von diesem Monstrum befreien!
Und dieses Mal würde er den Kadaver verbrennen, um sicherzugehen, dass die Hündin nicht wiederbelebt werden konnte. Zur Hölle mit den Strafen, die er beim Konklave dafür bekommen würde. Das wäre es wert, um sich von diesem verdorbenen Zerberus eines Dämonenhundes zu befreien.
In dem Moment wurde ihm klar, dass er die Hundeklappe völlig vergessen hatte.
Panik breitete sich in ihm aus. Deswegen war sie so ruhig gewesen! Sie schlich am Haus entlang, kletterte über den Zaun und drang so lautlos wie eine Schlange mitten in seinen Bereich ein, kroch hinter ihm durch den Flur …
Er wirbelte herum und zielte mit der zitternden Schrotflinte auf die leeren Schatten vor der Hintertür, wohl wissend, dass es sich um einen Trick handelte, wohl wissend, dass sie irgendwo in der Nähe war. »Dreckiger Köter!«, rief er, warf sich nach vorn und schlug die Esszimmertür aus dem Weg.
Sie war nicht da, und Hoffnung flammte in ihm auf; er presste mit der Schulter gegen eine Seite eines leeren Vitrinenschranks, er drückte und drückte, bis er den Schrank an der Wand entlang zu seinem neuen Standort geschoben hatte und damit die Hundeklappe blockiert war. Dann lehnte er sich dagegen und keuchte, schluckte, versuchte, wieder zu Atem zu kommen und …
Beim Klicken der sich öffnenden Vordertür spitzte er die Ohren.
Sein Magen schien einzufrieren. Waren Trixie Daumen gewachsen? War Dawn gekommen und hatte sie reingelassen? Er blickte auf die mit dem Schrank versperrte Tür zur Loggia, dachte darüber nach, eine Pause zu machen, am Strand joggen zu gehen –
Am leeren Grab des Hundes vorbei.
Aber er konnte den Mut dafür nicht aufbringen. Er nahm noch einen Atemzug, umklammerte das Schrotgewehr noch fester und trat in den Flur. Wenn es ein Mensch war, der gerade hereingekommen war, könnte Fields ihn nachlesen. Und wenn es Trixie war?
Fields erschauderte und wusste nicht, was er machen sollte. Aber er ging in den Flur …
Und erblickte eine große Gestalt völlig in Schwarz gehüllt, die in der geöffneten Haustür stand.
»Da sind Sie ja«, sagte die Gestalt – die Stimme klang irgendwie bekannt.
»Ich habe mir langsam etwas Sorgen gemacht; dachte schon, ich müsste Ihnen Bluthunde auf den Hals hetzen.«
Fields starrte und blinzelte, dachte daran zu schießen, bevor der Kerl noch etwas sagen konnte, aber sein Ring leuchtete schon wieder rot. Und da wusste er Bescheid.
»Edgar?«, fragte Fields und blinzelte den jungen Mann in der rabenschwarzen Robe an.
Die Lippen, die unter der Kapuze sichtbar waren, zuckten. »Natürlich könnten wir diesen Namen nehmen. Aber ich möchte wetten, Sie haben auch schon andere Namen für mich gehört. Einen ganz besonders.«
»Nein … Das konnte nicht sein …« Fields hatte, natürlich, einen Namen gehört, der seit dem Tumult beim letzten Konklave in MidMerica in aller Munde war – sogar bei Nicht-Scythe.
Scythe Lucifer.
Aber warum sollte Scythe Lucifer hier sein? Was könnte er von ihm wollen?
»Scythe Fields«, sagte der junge Mann. »Wissen Sie, Sie stehen schon seit dem Anfang meiner Scythe-Tätigkeit auf meiner Liste, aber ich konnte die vielen schrecklichen Geschichten nicht glauben, die ich über Sie gehört habe.« Er ging einen Schritt auf Fields zu, der am anderen Ende des Flurs stand. »Dann habe ich den Bericht vom Tierheim gelesen und dachte mir, ich komme am besten her und mache mir selbst ein Bild. Ich habe den Hot-Dog-Mann davon überzeugt, mich seinen Neffen spielen zu lassen, und nach dem, was ich da gesehen habe, nun …« Noch ein Schritt. »Das hat Sie auf den ersten Platz meiner Liste katapultiert.«
Fields wollte grinsen, bemerkte aber stattdessen, dass sein ganzer Körper taub geworden war. Ein Klappern rechts neben ihm ließ ihn hinüberschauen, und er sah, dass ihm die Schrotflinte aus den Händen gefallen und auf den Marmor geknallt war – sie nutzte ihm nun nichts mehr.
Die schwarz gekleidete Gestalt trat einen Schritt zurück, und jedes bisschen Haltung, jeder Funken Witz, jedes Bonmot, das Fields sich beim Studium der Filme seines Historischen Patrons angeeignet hatte, waren wie weggeblasen. Seine Knie beugten sich tatsächlich, wollten ihn zu Boden werfen, damit er um sein Leben flehen konnte …
Da knurrte etwas. Graues und weißes Fell blitzte vorne im Flur auf, und Trixie kam reingesprungen, um sich zwischen ihn und Scythe Lucifer zu stellen, mit angelegten Ohren, aufgestelltem Nackenfell, gefletschten Zähnen und unverkennbarem Missfallen, das ganz eindeutig Scythe Lucifer galt.
»Ernsthaft?« Der Rand der Kapuze verdeckte den oberen Teil seines Gesichts, aber Fields konnte die hochgezogenen Augenbrauen in seiner Stimme hören.
Ausnahmsweise war er nicht der Verursacher.
»Meinst du damit, du willst nicht, dass er nachgelesen wird?«
Der Hund blickte zu Scythe Lucifer hoch, schüttelte den Kopf, dann drehte er sich um und trottete neben Fields, setzte sich neben ihn, als wäre in der letzten Woche gar nichts passiert.
Wärme breitete sich in Fields Brust aus. »So ist’s richtig«, weinte er, und es war ihm egal, dass seine Stimme brach. Er verschränkte die Arme und starrte Scythe Lucifer mit stählernem Blick an. »Versuch’s mal, mein Freund! Versuch es doch einfach mal! Ich und mein Hund werden es dir zeigen!«
Ein Knurren ließ ihn zu Trixie blicken, ihre dunklen Augen starrten Fields mit einer fast spürbaren Schärfe an, er konnte nicht weiterreden.
»Ahh!«
Diesmal richtete sich Fields Aufmerksamkeit auf eine Bewegung: Scythe Lucifer entblößte sein lächelndes Gesicht, während er die Kapuze zurückzog.
»Ich habe verstanden«, sagte er zu dem Hund. »Fields gehört nicht mir. Er gehört dir .«
Fields wusste nicht, wohin er schauen sollte; er blickte zwischen den beiden hin und her, die Ohren des Hundes waren nun aufgerichtet und die Schultern des jungen Mannes entspannt.
»Das ist ein Deal«, sagte Scythe Lucifer. »Wenn du willst, dass ich mich um ihn ›kümmere‹, dann sorg für einen erneuten Vorfallsbericht des Tierheims. Ich werde davon erfahren und am nächsten Tag hier sein.« Und dann drehte er sich zu Fields. »Und du?« Sein Lächeln war verschwunden, und Fields starrte in ein Gesicht, das fast so kalt war wie das des Hundes neben ihm. »Du bist besser ein guter Junge.«
»Wie kannst du es wagen!«, zischte Fields.
Aber ein weiteres Knurren unterbrach ihn, ein warmes, weiches und erstaunlich schweres Gewicht presste sich gegen sein Bein. Überrascht machte er einen Schritt weg von der Küchentür.
»Was bedeutet das?«, fragte er, als er wieder sicher stand.
Die Hündin lief einfach zur Schrotflinte, hob sie mit den Zähnen auf und brachte sie ihm, als würden sie Stöckchen spielen. Fields zuckte zusammen, aber sie legte das Ding nur vorsichtig auf dem Boden vor ihm ab, dann setzte sie sich wieder.
Mit pochendem Herzen nahm Fields die Waffe und zielte auf …
Die leere Dunkelheit der Haustür. Edgar oder Scythe Lucifer oder wer auch immer er sein mochte, war weg.
Trixie bellte kurz leise, nickte, dann trottete sie durch den Flur, ihre Marken klimperten. Sie drückte ihre Nase gegen die Haustür, stieß sie zu, dann schaute sie ihn über die Schulter hinweg an.
Kurz dachte Fields darüber nach, ob er auf sie schießen sollte. Aber es würde ihm überhaupt nicht helfen; sie würde einfach zurückkommen, und wenn Dawn noch einen Vorfallsbericht verfasste …
Resigniert verstaute Fields die Schrotflinte wieder im Waffenschrank. Dann schaute er über seine Schulter, und Trixie war verschwunden.
Ein kurzes, leises Bellen kam von der Treppe. Als sich ihre Blicke trafen, nickte sie und ging hinauf. Er folgte ihr, dabei schaute sie ihn die ganze Zeit an.
Seine Füße wurden mit jedem Schritt schwerer, er ging in den zweiten Stock, wo Trixie ihn auf dem Treppenabsatz erwartete. Wieder bellte sie leise und ging weiter zum dritten Stock. Weil Fields nicht wusste, was er sonst tun sollte, folgte er ihr.
Sie saß auf dem Boden neben ihrem Kissen, aber als Fields ins Zimmer kam, steckte sie den Kopf unter das Kissen und zog ein Hundehalsband in einem dunkleren Rot als ihr aktuelles heraus. Sie richtete sich wieder auf und blickte hoch zu Fields, berührte das Halsband auf dem Boden mit einer Pfote, dann schlug sie mit der Pfote gegen das Halsband, das sie trug.
»Was zum Teufel?« Fields hockte sich hin, hob das Halsband vom Boden auf, die Marke klimperte am Haken – ein einziges Wort war in das Metall eingraviert: Jian .
Hatte er das nicht weggeworfen? Aber ein einigermaßen schlauer Hund konnte es einfach wieder aus dem Müll holen, wenn sein Herrchen nicht guckte.
Er redete sich ein, seine Hände würden gar nicht zittern, dann nahm er ihr das Trixie -Halsband und die Marken ab, ließ alles auf den Boden fallen und zog ihr das Jian -Halsband an.
»Sonst noch was?«, murmelte er.
Sie bellte nicht einmal. Sie ging einfach nur von ihm weg und trottete gezielt neben sein Bett.
Fields Magen zog sich zusammen, und er sprang auf. »Du darfst nicht …«, setzte er an.
Ihr Starren traf ihn so hart, als hätte sie etwas nach ihm geschmissen; Fields musste einfach einen Schritt zurücktreten, während sie fast unbemerkt die Hinterbeine beugte und auf den Bettüberwurf sprang.
Er zitterte und verkniff sich weiteres Schimpfen. Er verkniff es sich wirklich, gab dem Drang, zu meckern oder zu motzen, nicht nach. »Gut«, sagte er. Er atmete tief ein und blies die Luft wieder raus. »Schließlich gehört das Bild des treuen hündischen Begleiters, der sich am Fußende des Bettes seines Herrchens ausstreckt, schon seit jeher …«
Etwas, das sich halb nach Bellen und halb nach Knurren anhörte, ließ ihn verstummen. Trixie – oder eher Jian – starrte ihn wieder an und ließ ihn innehalten. Vorsichtig schritt sie auf der weichen Matratze zum Kopfteil des Bettes und legte sich mit dem Kopf aufs Kissen – dabei schaute sie ihn die ganze Zeit an.
Fields gaffte sie an. »Wo soll ich dann …?«
Schnaubend deutete Jian mit einer Pfote auf den Boden, gleich links neben ihm.
Fields wusste, was da lag, er schaute weg, und sein Nacken quietschte wie ein verrostetes Tor. »Auf dem Hundekissen?«, fragte er flüsternd – mehr schaffte er nicht.
Sie nickte ihm entschlossen zu und tippte auf die Nachttischlampe.
Seine Schultern verspannten sich, entspannten sich, verspannten sich und entspannten sich wieder – Fields schaute von der Lampe zum Kissen und wieder zurück. »Godfrey Daniels«, murmelte er. Er schloss die Augen und verzog das Gesicht – langsam verschwand die Grimasse. Als er die Augen öffnete, beobachtete ihn Jian immer noch. Nun, hatte er eine Wahl?
»Niemand darf das erfahren«, sagte Fields.
Jian nickte.
»Und in der Öffentlichkeit spielst du deine Rolle und ich meine.«
Jian nickte.
»Und zu Hause?«
Jian blickte wieder auf das Kissen auf dem Boden.
»Verstanden«, sagte Fields.
Zufrieden drehte sich die Hündin von ihm weg und legte sich auf seinem … auf ihrem Bett schlafen.
Mit einem Seufzen schaltete er das Licht aus, wie von ihr befohlen, dann machte er es sich auf dem Hundekissen bequem, welches – immerhin – qualitativ äußerst hochwertig war. Zugegebenermaßen hatte er sich diesen Tag – und eigentlich auch den Rest seines Lebens – anders vorgestellt. Trotzdem, weil nun klar war, wer in dem Haus das Sagen hatte, war er einfach nur erleichtert. Denn nun wusste er, wo er stand.