Das Kommando Abstellgleis
Auszüge aus den vorherigen Bänden
Über die Brigade aus der Rue des Innocents:
»›Na schön, Capestan, dann noch mal zum Mitschreiben: Wir säubern die Behörde, um die Statistiken aufzupolieren. Wir stecken alle Alkoholiker, Schläger, Depressiven, Faulpelze und so weiter, alle, die unsere Abteilungen behindern, aber nicht gefeuert werden können, zusammen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Unter Ihrem Kommando. Ab September.‹«
Über Commissaire Anne Capestan, ehemals Antigang und Kinder- und Jugendbrigade, abgeschoben wegen Fehlverhaltens:
»Commissaire Capestan, der schillernde Star ihrer Generation, die kometenhafte Aufsteigerin, hatte eine Kugel zu viel abgefeuert. Sie war vor dem Disziplinarausschuss gelandet, wo man ihr diverse Verwarnungen und sechs Monate Suspendierung aufgebrummt hatte.«
»Die in Ungnade gefallene Musterschülerin mit der Sanftmut einer Kalaschnikow. Dieses Mädchen war ein echter Glücksgriff für ein Drehbuch. Normalerweise konnte Eva Rosière dem bürgerlichen Milieu eher wenig abgewinnen,
aber diese Frau hatte etwas, das musste man zugeben. Und sie ging einem nicht auf die Nerven. Eine natürliche Autoritätsperson, eine wahre Willensgewalt, aber überhaupt nicht der Typ, der einem auf die Füße trampelte.«
Über Lieutenant José Torrez, ehemals Gendarmerie im 2. Distrikt, abgeschoben aus Aberglauben:
»José Torrez. Alias Schlemihl. Der Unglücksbringer, der schwarze Kater. Also hatten sie endlich einen Platz für ihn gefunden. Es hatte nicht gereicht, ihn zu isolieren, nein, man musste ihn noch weiter wegschieben. Capestan kannte Torrez vom Hörensagen. Jeder Bulle in ganz Frankreich kannte Torrez vom Hörensagen und bekreuzigte sich, wenn er vorbeiging. […] Er brachte Unglück. Niemand wollte mehr mit ihm zusammenarbeiten, niemand wollte ihn berühren, und kaum einer schaute ihm noch in die Augen.«
Über Commandant Louis-Baptiste Lebreton, ehemals Verhandlungsführer bei der RAID
, abgeschoben aus Homophobie:
»Sportliche Figur, helle Augen, feine, aber markante Gesichtszüge: Was das Äußere anging, war er ganz gut gelungen, das musste man zugeben. Eine tiefe Falte, die wie ein Kopfkissenabdruck senkrecht über seine rechte Wange verlief, war der einzige Makel an seinem Hollywoodgesicht.«
»Seine große Gestalt war über einen Aktenkarton gebeugt, den er mit dem Taschenmesser zu öffnen versuchte. Wie gewöhnlich ließ er sich nicht stören. Weder seine Gelassenheit noch seine Ansichten konnte irgendetwas erschüttern.
«
Über Capitaine Eva Rosière, ehemals Chefetage des Quai des Orfèvres, abgeschoben aus Empfindlichkeit:
»Sie hatte jahrelang in der Chefetage des Quai des Orfèvres gearbeitet, bevor sie ihre Berufung als Schriftstellerin entdeckt hatte. Zur allgemeinen Verblüffung hatten sich ihre Krimis weniger als fünf Jahre später millionenfach verkauft und waren in ein Dutzend Sprachen übersetzt worden.«
»Eva Rosière war generell keine Frau, die Angst vor Aufmerksamkeit hatte: Ihr Haar war flammend rot, die Lippen glänzend pink und ihre Jacke metallicblau. Nicht ein Fädchen Beige oder Grau wagte sich in den Kleiderschrank dieser schillernden Polizistin.«
Über ihren Hund Pilote, Spitzname Pilou:
»›Corgi, die Hunderasse der englischen Königin, ein bisschen Dackel, Straßenköter, Töle und Promenadenmischung. Das ist keine normale Kreuzung mehr, sondern ein ganzes Autobahnkreuz‹, gluckste sie, zufrieden mit ihrem Witz oder mit ihrem Hund. ›Er heißt Pilote, aber Sie können ihn Pilou nennen.‹«
Über Capitaine Merlot, ehemals Sitte, abgeschoben wegen Alkoholismus:
»Ein ›Schreibtisch-Opa‹, wie man die alternden Vollzugsbeamten bezeichnete, die sich um den Papierkram kümmerten. Nach dreißig Jahren bei der Sitte sah er jetzt nur noch von der Seitenlinie aus zu. Als notorischer Alkoholiker und unverbesserlicher Schwätzer arbeitete er die meiste Zeit überhaupt nicht, aber er verfügte über viel Geschick im Umgang mit Menschen.
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Über Ratafia:
»Eine braune Ratte, deren Neugier wohl durch das plötzliche Auftauchen des Hunds geweckt worden war, spitzte aus Merlots Jacketttasche. Ihre Schnurrhaare zuckten durch die Luft, als suchte sie nach einer Erklärung. Merlot patschte ihr mit einer beruhigenden Pranke auf den Kopf.«
Über Lieutenante Blanche Évrard, ehemals Glücksspielbrigade, abgeschoben wegen Spielsucht:
»Capestan setzte eine einladende Miene auf, während sie im Geiste ihre Lebenslaufliste durchging. Évrard war tatsächlich Lieutenante, aber auch eine zwanghafte Spielerin, die Hausverbot in vielen Kasinos hatte und in diese Brigade abgeschoben worden war, weil man ihr Mauscheleien mit illegalen Spielhöllen unterstellte. Sie hatte ein offenes, ehrliches Gesicht mit großen, unschuldigen blauen Augen. Nicht gerade eine Bluffervisage, das hatte ihr bestimmt geholfen.«
»Diskret sein, nicht auffallen, wie ein Schatten – das konnte Évrard. Weder blond noch rot- noch braunhaarig, hinterließ sie keinen bleibenden Eindruck. Mit der Zeit war das, was anfangs noch eine Taktik gewesen war, zum Verhängnis geworden. Sie war unsichtbar.«
Über Capitaine Orsini, ehemals Finanzbrigade, abgeschoben wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht:
»Er war erst zweiundfünfzig, wirkte aber zehn Jahre älter. […] Die Schuhe blitzten und funkelten – der Capitaine duldete nicht die kleinste Nachlässigkeit.«
»Orsini [hatte] Geige am Konservatorium in Lyon
unterrichtet, bevor er zur Kriminalpolizei gekommen war. Ein ungewöhnlicher Wechsel, besonders, weil Orsini die Polizei hasste und ihr nur anzugehören schien, damit er sie besser verraten konnte. […] Wenn der ansonsten untadelige Polizist in dieser Brigade gelandet war, lag das mit Sicherheit an seinem Adressbuch und der Neigung, alle verborgenen Geheimnisse des Quai des Orfèvres an Journalisten weiterzugeben.«
Über Brigadier Lewitz, ehemals SRPJ
Nanterre, abgeschoben wegen Zerstörung des Fuhrparks:
»Brigadier Lewitz liebte Autos, und seine Entscheidung für den Polizeiberuf war vor allem der Sirene geschuldet. Er konnte nicht fahren, weigerte sich aber, es zuzugeben. Das Auto war seine Tanzpartnerin, Fernando Alonso sein größtes Idol, und seine Hände fanden nur Frieden, wenn sie ein Lenkrad umklammerten.«
Über Lieutenant Dax, ehemals CyberCrim, abgeschoben wegen Dummheit:
»Da war zum einen Dax, ein junger Boxer, der im Ring genauso viel Gehirn wie Schweiß gelassen hatte. Mit platt gedrückter Nase und zufriedenem Lächeln betrachtete er das Leben so begeistert wie ein Seelöwe im Wasser. Bevor die Uppercuts ihm das Hirn durchgeschüttelt hatten, war er einer der findigsten Lieutenants der CyberCrim-Brigade gewesen. Angeblich waren noch ein paar Geistesblitze übrig, aber bisher gab es keine direkten Zeugen, die das bestätigen konnten.
«
Über Lieutenant Basile Diament, ehemals Klettereinheit der BRI
, abgeschoben aus Rassismus:
»Buron unterbrach sie abrupt, als ein riesiger Muskelberg vorüberkam, in einer Lederjacke vom gleichen milchkaffeefarbenen Ton wie das Gesicht darüber, das zwar hübsch, aber verschlossen wirkte.
›Commissaire, darf ich Ihnen Lieutenant Diament von der BRI
vorstellen. Die Klettereinheit, wenn ich mich nicht irre?‹
Der Beamte richtete sich noch ein bisschen mehr auf, eindeutig stolz auf die Zugehörigkeit zu dieser angesehenen Einsatzgruppe.«
Über Capitaine Henri Saint-Lô, ehemals SRPJ
, abgeschoben wegen psychischer Probleme:
»Er stand in der Eingangstür, klein und hager, hatte seinen Filzhut abgenommen und ließ den Blick über die im Wohnzimmer versammelten Polizisten schweifen. Mit einem ironischen Lächeln strich er über seinen Schnurrbart, bevor er grüßend den Kopf neigte. […] Er bewegte sich so präzise und geschmeidig wie Quecksilber, jederzeit bereit auszuweichen.«
»›Aber der Kerl glaubt tatsächlich, dass er 1593 geboren ist! Das ist ja schon fast preisverdächtig.‹
›Abgesehen davon wirkt er aber doch ganz vernünftig.‹
›Tja, wenn man die Tatsache außer Acht lässt, dass er von Richelieu redet, als hätte er ihn vor ein paar Tagen noch persönlich getroffen, und uns seinen Handschuh ins Gesicht klatscht, wenn wir ihm blöd kommen, sicher, da wirkt er total vernünftig!‹
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Über Commissaire Divisionnaire Philippe Buron, Regionaldirektor der Kriminalpolizei, Leiter des Quai des Orfèvres, Capestans Mentor:
»Haar und Bart waren grau, im Militärschnitt, und rahmten das Gesicht eines Bassets ein, der die Welt um sich herum mit einem stets freundlichen, aber traurigen Blick bedachte. Er war noch einen guten Kopf größer als Capestan, die selbst schon groß war. Und einen guten Bauch dicker. Trotz seiner gutmütigen Erscheinung strahlte Buron eine Autorität aus, mit der sich niemand anlegte.«
Über Paul Rufus, Capestans Ehemann:
»Paul hatte strahlenden Ruhm erlebt … und sein Ende. Das war noch gar nicht so lange her, aber bald würde man ihn als alternden Star, als Promi von gestern betrachten. Vielleicht war er das auch längst, in solchen Dingen wussten die Betroffenen ja immer als Letzte Bescheid.«
»Paul schien alles Licht der Stadt in sich aufzusaugen. Er war wie ein Feuerwerk inmitten von LED
-Lampen. Seine Mutter, die sonst eher bescheiden war, hatte sich jedes Mal, wenn der strahlende Stern einen Raum betrat, gebrüstet: ›Da haben wir wirklich nicht weit danebengelegen, sein Vater und ich. Wir haben ihm den Vornamen von Newman gegeben, und er hat das Gesicht von Redford.‹«