Nach: »Herodians Geschichte des römischen Kaisertums seit Mark Aurel« übersetzt von Adolf Stahr
Mitten in seinem Grame über solchen Lebenswandel seiner Söhne und über ihre unwürdige Neigung für das Schauspielwesen erhielt Severus von dem Statthalter Britanniens die Nachricht: die Barbaren der dortigen Gegend seien in Aufruhr, machten das Land unsicher und erfüllten alles mit Plünderung und Verheerung; eine Verstärkung an Mannschaft oder die Anwesenheit des Kaisers selbst sei zur Behauptung der Provinz dringend nötig. Dem Severus war diese Botschaft erwünscht, denn er war nicht nur überhaupt von Natur ruhmbegierig, und hätte gern nach den Siegen im Osten und Norden und zu seinen durch dieselben gewonnenen Ehrennamen auch Siegesdenkmale über die Britannier hinzugefügt, sondern es lag ihm auch daran, seine Söhne von Rom fortzubringen, damit sie ihre Jugend an das nüchterne Soldatenleben, entfernt von der Üppigkeit und Schwelgerei Roms, gewöhnen möchten. Darum kündigt er sofort den Zug nach Britannien an, obschon er bereits hochbejahrt war und schwer an der Gicht litt; doch war sein Geistiges noch in höherem Grade kräftig als irgendeines Jünglings. Den größten Teil des Marsches legte er also in einer Art von Sänfte zurück, doch gestattete er sich nirgends längeres Verweilen zum Ausruhen. Nachdem er so mit seinen Söhnen den Weg schneller, als alle Welt dachte und erwartete, zurückgelegt hatte, stand er plötzlich, nachdem er den Ozean überschifft hatte, auf britannischem Boden, zog von allen Seiten her die Truppen zusammen und begann, nachdem er eine große Streitmacht vereint hatte, die kriegerischen Unternehmungen.
Als die über des Kaisers unerwartet plötzliche Anwesenheit erschreckten Britannen erfuhren, dass er eine sehr große Heeresmacht gegen sie zusammengebracht habe, schickten sie Gesandtschaften und begannen, Friedensvorschläge zu machen, und beeiferten sich, ihre früheren Übeltaten zu entschuldigen. Severus dagegen, dem es um einen längeren Aufenthalt im Lande zu tun war, um nicht wieder nach Rom genötigt zu werden, und der überdies große Lust hatte, zu seinen früheren Siegen noch den über Britannien sowie den Beinamen davon zu gewinnen, schickte ihre Gesandten unverrichteter Sache heim, während er alle Vorbereitungen zu einer Schlacht traf. Vor allem suchte er mittelst Dammbrücken die Sumpfgegenden zu okkupieren, damit seine Krieger auf festen Wegen einherziehend dieselben leicht durchstreifen könnten, und im Gefechte festen Grund unter den Füßen hätten. Denn der größte Theil des Britannerlandes wird durch die beständigen Überschwemmungen des Ebbe- und Flutwechsels der See zu Sümpfen, welche freilich die Barbaren gewohnt sind, schwimmend oder watend bis an die Hüften zu passieren; denn da sie fast am ganzen Körper unbekleidet sind, machen sie sich nichts aus dem Schlamme. Sie wissen nämlich nichts von dem Gebrauche der Kleidung, sondern zieren nur Hüften und Hals mit Eisen, das sie für eine Zierrat und für ein Zeichen des Reichtums ansehen, wie die übrigen Barbaren das Gold; ihre Körper aber tätowieren und bemalen sie mit bunten Bildern mannigfacher Tiere, weshalb sie sich denn eben auch nicht bekleiden, um nicht die auf ihrem Körper befindlichen Malereien zu verdecken. Sie sind sehr streitbar und blutdürstig, führen bloß einen Schild kleinen Umfangs sowie einen Speer und ein über den nackten Körper gehängtes Schwert. Den Gebrauch des Panzers und des Helmes dagegen kennen sie nicht, halten ihn vielmehr für hinderlich beim Durchwaten der Sümpfe, von deren dicker Ausdünstung die Luft der dortigen Gegend ewig trübe erscheint. In Bezug auf diese Umstände nun nahm Severus seine Maßregeln einerseits zum Vorteile des römischen Heeres und andrerseits zur Beunruhigung und Behinderung der Streitkraft der Barbaren.
Nachdem er alles genügend für den Krieg vorbereitet zu haben glaubte, ließ er den jüngern seiner Söhne, welcher Geta hieß, in der unter römischer Botmäßigkeit stehenden Provinz zurück, um daselbst Recht zu sprechen und die politischen Verhältnisse zu ordnen, wozu er ihm aus der Zahl seiner älteren Freunde Ratgeber beigesellte; den Antoninus dagegen nahm er mit sich auf seinem Zuge gegen die Barbaren. Während das Heer die Flüsse und Dämme überschritt, welche das römische Reichsgebiet beschützten, fielen häufige Treffen und Scharmützel vor, wobei die Feinde geworfen wurden. Für die Letzteren indessen war die Flucht leicht, und sie fanden in Wäldern und Sümpfen bei ihrer Kenntnis des Terrains stets sichere Zuflucht, wogegen dies alles den Römern zum Hindernis gereichte, und den Krieg mehr und mehr in die Länge zog.
Dazu befiel den Severus, der bereits alt war, eine sehr langwierige Krankheit, in deren Folge er sich genötigt sah, zu Hause zu bleiben, während er versuchte, den Antoninus mit der Führung des Krieges zu beauftragen. Antoninus seinerseits bekümmerte sich weniger um die Barbaren, als er versuchte, sich bei den Heeren beliebt zu machen; und in der Tat brachte er alle dahin, allein auf ihn zu blicken, und bewarb sich in aller Weise um die Alleinherrschaft, während er seinen Bruder in schlechtes Licht setzte. Der Vater, dessen Krankheit sich in die Länge zog und der gar nicht sterben wollte, erschien ihm beschwerlich und lästig, und so suchte er dessen Ärzte und Diener zu bereden, bei seiner Kur irgendeinen Fehler zu machen, um desto schneller von ihm befreit zu werden. Endlich nach langen Leiden, hauptsächlich von Kummer verzehrt, endete Severus sein Leben, das glorreichste an Kriegstaten, das je ein Kaiser gelebt hat. Denn weder in Bürgerkriegen über seine Gegner noch in auswärtigen Kriegen gegen Barbaren hat irgendeiner vor ihm so viel Siegestrophäen errichtet. Er ging zur Ruhe, nachdem er achtzehn Jahre Kaiser gewesen war, seine jungen Söhne als Nachfolger zurücklassend, denen er Schätze hinterließ, wie keiner je zuvor, und eine Kriegsmacht, die ihresgleichen nicht hatte.