Kapitel 25 – Die Untersuchung

»Du solltest kooperieren. Wenn du mir sagst, wo die Wunden sind, geht es schneller«, erklärte Arsil Zarm’buck lächelnd.

»Na schön«, murmelte Synarek, »ich wurde ins Bein gebissen.«

Arsil verzog das Gesicht: »Zeig mal her!«

Während Synarek die Wunde freimachte, kramte Arsil Zarm’buck in einer Schublade nach einer Salbe. »Na, das sieht ja gar nicht nett aus.«

»Es geht«, brummte Synarek.

»Tief genug für eine Narbe ist es glücklicherweise nicht.« Während er sprach, öffnete er ein Gefäß mit einer grünlichen Salbe. »Das wird die Wunde schneller heilen lassen.«

Die kühle Salbe tat anfangs gut auf der glühenden Wunde, doch kurz darauf brannte sie. Synarek biss die Zähne zusammen. »Das brennt!«

»Das ist Teil des Heilprozesses. Nächste Wunde?«

Synarek hob sein Hemd und entblößte den Schnitt in seiner Seite: »Hier.«

Synarek zeigte ihm noch ein paar weitere Kratzer, stets darauf bedacht, ihm nicht seinen Rücken zu zeigen. Sein Rücken verriet, wie oft er bestraft werden musste. Nichts, womit er vorhatte zu prahlen.

»Das war’s?«, fragte Arsil Zarm’buck.

»Ja, sie waren ziemlich schnell mit mir fertig.«

Während er die Salbe wegräumte, fragte Arsil Zarm’buck: »Wirklich? Wieso solltest du dann immer noch besessen sein?«

»Nun ja, ein Junge behauptet es immer wieder, und viele haben Angst, es könnte nicht funktioniert haben«, antwortete Synarek, und erst jetzt fielen ihm Arsil Zarm’bucks helle Augen auf. Sie unterschieden ihn sehr stark von seinem Onkel, denn der Meister hatte sehr dunkle Augen.

»Und diesem Verdacht wird Glauben geschenkt, weil ...?«, Arsil Zarm’buck hatte sich leicht nach vorne über den Schreibtisch in seine Richtung gebeugt, seine blassen Hände waren gefalten und ruhten auf dem Schreibtisch vor ihm.

Synarek überlegte kurz, dann antwortete er: »Weil sein Freund bei mir rote Augen entdeckt hatte und er beim ersten Mal gegen mich ausgesagt hat.«

»Aha, und hattest du die roten Augen tatsächlich?«

Synarek nickte widerwillig. »Ja, es wurde durch eine Art Hypnose festgestellt.«

»Von?«

»Tzandi.«

»Ah …« Der Name schien ihm etwas zu sagen. »Und ich soll dich jetzt nach Resten einer dämonischen Besessenheit untersuchen?«

Synarek nickte. »Deshalb bin ich hier.«

»Na, dann fangen wir mal an.« Ohne Vorwarnung stand Arsil Zarm’buck schnell auf.

Synarek zuckte zusammen.

»Ich kann dir gleich sagen, du machst mir einen ziemlich gesunden Eindruck. Für einen Besessenen bist du viel zu ruhig. Ein Besessener wäre viel gehetzter«, sagte er, während er sich hinter Synarek aufstellte. Leicht berührte er Synareks Stirn. »Und du reagierst nicht mit Zuckungen auf einen Dämonenbeschwörer wie mich.«

Während er mit den Händen durch Synareks dunkles Haar fuhr, sagte er: »Außerdem haben deine Augen kein einziges Mal rot geglüht.« Dann nahm er seine Hände wieder zu sich.

Synarek sah ihn an: »Vorbei?«

Der Arzt schüttelte den Kopf: »Einen Test noch.«

Seufzend lehnte sich Synarek zurück in seinem Sessel. Arsil Zarm’buck stand immer noch hinter ihm. Er hörte ihn zweimal in die Hände klatschen. Zuerst blieb es still, doch dann spürte Synarek eine weitere Anwesenheit. Ein Dämon. Ohne es bewusst wahrzunehmen, setzte er sich gerade auf.

»Interessant, interessant«, flüsterte Arsil Zarm’bruck hinter ihm.

Der Dämon schien hinter ihm zu sein. Was hatte Arsil mit ihm vor? Was würde der Dämon nun machen?

»Spürst du eine Anwesenheit?«, fragte Arsil Zarm’bruck.

Synarek nickte.

»Wo?«

»Direkt hinter mir ...«

»Interessant. Entspanne dich und schließe die Augen!«

Synarek lehnte sich zurück und tat, wie ihm geheißen. Auf einmal schien der Dämon direkt vor ihm zu sein, vor seinem Gesicht. Synarek zuckte ruckartig zurück und riss die Augen auf.

Sein Blick wurde von einem Dämon in der Gestalt eines Jaguars erwidert. »Bei allen Dämonen …«, hauchte Synarek und starrte den Dämon mit aufgerissenen Augen an. Sein Herz schlug schneller. Ein Wort, und dieser Dämon würde ihn angreifen.

»Interessant. Scheinbar spürst du die Anwesenheit von Dämonen«, bemerkte Arsil Zarm’buck nachdenklich.

Der Jaguar zog sich auf ein Zeichen seines Herren von Synarek zurück und sah ihn neugierig an.

»In einem sind Sie dem Meister sehr ähnlich, Herr Arsil Zarm’buck«, sagte Synarek immer noch mit klopfendem Herzen.

»Und was wäre das?«, fragte Arsil Zarm’buck, während er langsam auf Synarek zukam. Jetzt stand er nicht mehr hinter ihm, sondern, mit einigem Abstand, genau vor ihm. Der Dämon dicht hinter ihm.

»Sie beide wählen die Gestalt einer Raubkatze für ihre Dämonen.«

Arsil Zarm’buck musterte ihn genauer: »Du siehst sie also immer noch.«

Synarek nickte, und dann fragte er verwirrt: »Immer noch?«

»Keine Angst, das geht vorbei. Der Dämon war in dir, er hat durch deine Augen gesehen, und natürlich konnte er Dinge sehen und spüren, die dir als einfachem Menschen untersagt waren. Es scheint so, als ob du sie immer noch sehen kannst, wahrscheinlich hat sich dein Körper daran gewöhnt, als der Dämon in dir war. Doch keine Sorge, das geht vorbei ...«

»Aber ich will nicht, dass es vorbeigeht!«, platzte Synarek dazwischen. »Ich möchte sehen, was um mich herum geschieht. Ich habe hier immer die Anwesenheit der Dämonen gespürt, aber ich wusste nie, wo sie waren. Es ist unangenehm, an etwas Unsichtbarem vorbeizulaufen.«

Arsil Zarm’buck nickte.

»Ich möchte sie weiterhin sehen.«

»Da der Dämon dich verlassen hat, kann es sein, dass dies nicht möglich ist«, antwortete der Arzt ruhig.

»Herr ...«, begann Synarek, denn eine plötzliche Hoffnung, dass er seinem Wunsch näher denn je war, trieb ihn dazu, Arsil Zarm’buck die Wahrheit zu sagen, »ich war nie besessen. Diese roten Augen, das war ich selbst. Ich habe die magischen Schwingungen, oder wie man das nennt, um die Dämonen um mich herum zu spüren und sie meinem Willen unterzuordnen. Somit wurde es meine Magie. So wie Sie als Beschwörer es auch machen.«

Jetzt lachte Arsil Zarm’buck: »Junge, zum Beschwörer gehört noch eine ganze Menge mehr dazu. Aufruferiten, Formeln, ein ganzes Alphabet einer anderen Sprache muss erlernt werden.«

»Ich weiß. Ich kann sie verstehen! Auf einmal kannte ich dieses Lied ...«

»Synarek«, fuhr Arsil Zarm’buck ihm dazwischen. »Du sprichst wie ein Besessener. Ich meine, ein Geheilter. Im Nachhinein behaupten Geheilte oft, eigenwillig gehandelt zu haben und dass die Kraft ihre gewesen wäre und dass sie Magie benutzen könnten und ...«

»Aber ich sehe sie ...«

»Das wird vorübergehen.«

Synarek war kurz vorm Verzweifeln. Wie konnte er Herrn von Zarm’buck nur überzeugen?

»Herr Arsil Zarm’buck«, begann Synarek, »ich würde gerne in die Lehre der Dämonenbeschwörung eingeweiht werden. Ich könnte von großer Hilfe sein. Ich kann die anderen Dämonen sehen, spüren und verstehen. Vielleicht, wenn ich es anfange zu erlernen und zu trainieren, dann könnte ich es doch im Kopf behalten.«

»Möglich. Doch das entscheide nicht ich, das entscheidet der Meister, was mit den Jungen in seiner Festung geschieht«, antwortete Arsil Zarm’buck lächelnd. »Aber wenn es dich glücklich macht, werde ich mit ihm sprechen.«

Synareks Gesicht leuchtete auf: »Jetzt gleich?«

»Nein, er hat genug Sorgen wegen des Festes. Ich werde einen geeigneten Zeitpunkt finden müssen. Vielleicht kann ich ihn die Tage mal zu sprechen bekommen. Doch ich würde mir keine allzu große Hoffnungen machen, Synarek. Du bist ein einfacher Bediensteter, und es kostet eine Menge Anstrengungen einen Lehrling auszubilden, und eigentlich bist du schon etwas zu alt. Man fängt mit der Ausbildung zum Dämonenbeschwörer normalerweise in den jungen Kinderjahren an. Außerdem möchte ich, dass dir bewusst wird, dass deine neuen Fähigkeiten wirklich nur vorübergehend sind.«

Synarek nickte.

»Jetzt entschuldige mich bitte, ich muss mich für die Festlichkeiten vorbereiten.«

»Natürlich«, sagte Synarek, und dann fügte er etwas leiser hinzu: »Danke.«

»Und versuch, dich aus dem Ärger rauszuhalten. Du bist selten krank, und das ist gut so.«

Synarek unterdrückte ein Lachen. Selten krank, aber oft verletzt. Mit diesem Gedanken verließ er das Zimmer.

Gedankenversunken streifte er durch die Festung. Er war nicht besessen gewesen. Da war er sich sicher. Er benutzte die Magie der Dämonen, wie es die anderen auch taten. Und dennoch kamen ihm Zweifel, denn ihm fiel ein, dass er gar keine Befehle gab wie die anderen Beschwörer. Dazu kam auch, dass die Beschwörer selbst nicht zauberten, sie ließen die Dämonen machen. Wenn also jemand einem anderen Magie abzapfte, dann ein Dämon dem anderen ... und das hieße, dass er tatsächlich besessen sein musste. Er schauderte. Dann schüttelte er energisch den Kopf: Nein! Wenn ihn ein Dämon besessen hätte, dann hätte er es ja nicht nötig gehabt, die Magie eines anderen Dämons zu benutzen. Er hätte seine eigene Magie benutzen können, oder galt es nicht für Dämonen, die einen Menschen erobert hatten?

Plötzlich begann er, alles zu hinterfragen. Hatte er denn tatsächlich die Magie eines anderen Dämones benutzt? Oder war es eine Magie, die in der Luft lag? War es vielleicht seine eigene? Vielleicht machten ja alle Dämonen Gebrauch von Magie, die in der Luft lag. Ihm wurde schwindelig.

Synarek hielt inne.

Es gab nur einen Weg, die Antwort zu finden.

Wenn er wirklich nicht besessen gewesen war und seine Theorie stimmte, dass er die Magie der anderen Dämonen benutzte, dann müsste er dies ja immer noch tun können wie vor der Austreibung. Wenn er die ganze Magie jedoch nur gehabt hatte, weil ihn ein Dämon besessen hatte, dürfte es eigentlich nicht mehr funktionieren. Schließlich hatte ihn Arsil Zarm’buck eindeutig als nicht besessen erklärt.

Na gut, dachte Synarek, sehen wir der Wahrheit ins Gesicht und probieren wir es aus. Egal, was es ihn kosten würde.