Kapitel 41 – Eine weitere Flucht

Furgal wirkte auf Elrako wie ein Verzweifelter, der sich nicht entscheiden konnte, ob er glücklich oder schockiert sein sollte. Zum einen machte er sich Vorwürfe und malte sich aus, was mit ihnen geschehen könnte, zum anderen war er fasziniert von Damoniuli, den sie scheinbar erfolgreich beschworen hatten und dem er doch auch misstraute. Elrako konnte es ihm nicht verübeln. Damoniuli schien ihre letzte Hoffnung zu sein, sodass sie sich ihm gegenüber kein Misstrauen leisten konnten. Damoniuli war noch jung, eine junge Dämonenbrut, wie Furgal es ausdrückte, das war womöglich ihr Glück. Wäre er stattdessen ein ausgewachsener bösartiger Dämon gewesen, so wären sie beide schon tot. Elrako fragte sich, ob und wie sie Damoniuli wieder loswerden konnten, nachdem er ihnen geholfen hatte. Denn ihm war es lieber, den jungen Dämon zurück in seine Dämonenwelt zu schicken, als ihn bei sich zu behalten. Womöglich änderte er seine Meinung eines Tages und würde sie doch töten, oder, was Furgals größte Angst war, in ihn fahren und von seiner Seele Besitz ergreifen. Elrako berührte diese Vorstellung ganz und gar nicht. Lieber wollte er von einem Dämon besessen als wach im Kopf zu sein, wenn ihn die Flabkaner in die Finger bekamen. Wäre er von einem Dämon besessen, wäre er wahnsinnig, und dann würde er es nicht bemerken.

Furgal bemerkte Elrakos scheinbare Gelassenheit und fragte ihn, wie er in so einer Situation ruhig bleiben konnte. Es klang schon fast wie ein Vorwurf.

»Was bleibt mir anderes übrig, Furgal?«, fragte Elrako niedergeschlagen. »Der Dämon ist der letzte Weg, den ich sehe, um uns zu retten.«

Ja, es war wahr, er klammerte sich an Damoniuli wie ein Ertrinkender an ein Rettungsseil, das sah er selbst ein.

»Und was ist, wenn er jetzt oben die Wachen alarmiert?«

»Dann sind wir wohl verloren.« Elrako spürte, wie die Verzweiflung ihn lähmte. Anstatt wütend zu werden wie Furgal, schien er in seiner Verzweiflung zu erstarren.

Sie schwiegen eine Weile. Dann sagte Elrako: »Es tut mir leid, dass du meinetwegen in diese Situation geraten bist, Furgal.«

»Was? Ich hab dich doch zur Flucht über...«, begann Furgal, doch Elrako unterbrach ihn: »Wärst du nicht mit mir unterwegs gewesen, wärst du jetzt bei den anderen Opfern und müsstest keine Angst haben, ausgeliefert und getötet zu werden.«

Eine Weile war es still, dann sagte Furgal: »Aber du bist mein bester Freund, Elrako.«

Als wäre das eine Begründung. Eine Entschuldigung, für all das Pech, welches Furgal widerfuhr, nur weil er mit Elrako unterwegs war. Niedergeschlagen blickte Elrako zu Boden. Noch immer kein Anzeichen von Damoniuli, und Elrako glaubte schon, dass er sich aus dem Staub gemacht hatte. Vielleicht war er in einen anderen Menschen gefahren. Wer wusste das schon?

»Wir sollten uns einen Plan B überlegen«, sagte Furgal trocken. »Auch wenn ich nicht weiß, wie der aussehen soll.«

Elrako nickte. Bitterkeit stieg in ihm auf. Ihre anfängliche Begeisterung über Damoniuli war mit jeder Minute des Wartens weniger geworden, und nun war nichts mehr davon über.

Während Furgal wütend gegen eine Wand schlug und vor sich hin fluchte, legte sich Elrako hin und vergrub sein Gesicht im Boden. Wären sie doch in Libidukiz geblieben! Er spürte Wut über sich selbst: Wäre, wäre, wäre, Elrako, was bringt das jetzt?, dachte er wütend.

Auf einmal hörte er ein leises Quietschen, und als er den Blick hob, schwebte Damoniuli in der Mitte der Zelle. Fröhlich quietschend meldete er: »Alles klar, da bin ich wieder.« Dann musterte er die beiden Gefangenen und fügte hinzu: »Sorgt euch nicht, Damoniuli bringt euch hier raus!«

»Und wie?«, ächzte Elrako.

»Ich habe ihre Gespräche belauscht. Sie haben wohl versucht, ein paar der neuen Dämonen zu beschwören, doch die meisten waren schon vergeben, so wie auch ich. Die Beschwörer unter ihnen sind in ziemlich schlechter Stimmung. Zwei von diesen Räubern sind schon unterwegs für den nächsten Raubzug. Eine große Gruppe will heut Abend in eine Kneipe gehn und auf den Erfolg anstoßen und die Niederlage wegtrinken«, berichtete der kleine Dämon. »Sie lassen Wachen hier ... und die Hunde. Aber das ist der Moment, in dem wir zuschlagen sollten.«

»Das hört sich gut an«, brummte Furgal. »Aber kannst du die Wachen alleine erledigen? Wir können dir nicht helfen, wir sind ja nicht einmal bewaffnet.«

»Könnt ihr denn mit Waffen umgehen?«, fragte Damoniuli interessiert.

»Ja, das haben wir gelernt«, brummte Elrako.

»Gut.« Damoniuli flog aufgeregt hin und her, dann setzte er sich zu Boden und fixierte die Steine, die vor ihm lagen. Vor ihren Augen wurden zwei der Steine langsam länglicher und veränderten ihre Form, bis schließlich zwei perfekte Schwerter vor ihnen lagen. Elrako nahm eines in die Hand. Es ähnelte dem Schwert, das er als Militärsschüler geführt hatte, nur dass es noch leichter zu sein schien.

»Wow.«

»Das war doch gar nichts«, behauptete Damoniuli. »Ich brauche eure Hilfe, denn das muss heute Abend klappen. Sonst geht es übel weiter. Die Räuber wollen sich heute in der Kneipe nach Leuten umhören, die Interesse an euch haben.«

Elrako erstarrte.

Damoniuli fuhr fort: »Wegen der Räuber mache ich mir kaum Sorgen, auch nicht wegen ihrer Hunde, es sind ihre Dämonen, die mich beunruhigen.«

»Ach ja, stimmt«, stöhnte Furgal. »Wirst du mit mehreren von ihnen fertig?«

»Sie lassen nur zwei hier zurück«, antwortete Damoniuli, »Die anderen nehmen sie als Schutz mit, falls ihnen feindliche Piraten oder Räuber über den Weg laufen sollten.«

Elrako spürte seinen Zweifel. Damoniuli war klein und jung. Konnte er mit zwei Dämonen klarkommen? »Schaffst du das, Damoniuli?«

»Mein Pa ist ein sehr starker Dämon«, sagte Damoniuli stolz. »Ich habe es von ihm geerbt.«

»Aber du bist noch jung«, sagte Elrako zögernd.

»Na und?«

»Schön, wie du meinst – wann schlagen wir zu?«, fragte Elrako, der langsam sichtlich nervös wurde.

»Sobald sie weg sind«, hauchte Damoniuli. »Wir besprechen jetzt noch ein paar Kleinigkeiten, und dann fliege ich hoch und komme wieder, sobald sie fort sind, um euch das Zeichen zu geben.«

»Aber Moment, wie kommen wir aus dieser Zelle raus?«, fragte Furgal.

»Das gehört zu den kleinen Kleinigkeiten, die wir jetzt besprechen werden.«

Elrako und Furgal hatten lange gewartet und nur wenig gesprochen. Beide lauerten angespannt auf Damoniulis Zeichen. Ihre Schwerter lagen bereit. Elrako wurde immer nervöser. Gelegentlich kickte er vor sich liegende Steine weg, dann starrte er wieder an die Wand oder lief ungeduldig im Raum auf und ab. Furgal schien ihn nicht wahrzunehmen. Er war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und trommelte mit seinen Fingern auf seinen Knien herum.

Falls ich das überlebe, dachte Elrako, werde ich nicht mehr versuchen, nach Shara’bûck zu kommen. Lieber zurück nach Porli.

Stunden schienen zu verstreichen, und Elrako wurde immer nervöser, aufgedrehter und angespannter.

Es war wie eine Erlösung, als Damoniuli schließlich leise wie ein Geist zu ihnen in die Zelle schwebte. Sie umarmten sich und wünschten sich gegenseitig viel Glück, dann nahmen sie ihre Schwerter.

Damoniuli schwebte an das Türschloss und legte seinen Mund daran an. Ein leises Klacken ertönte, und Elrako meinte, kurz eine Art grünen Blitz zu vernehmen. Dann war die Tür offen. Leise öffnete Elrako sie, und sie huschten aus der Zelle.

Damoniuli schwebte voran. Elrako klopfte das Herz im Hals. Das Schwert fest umklammert folgte er Damoniulis Schatten.

Sie liefen eine dunkle Treppe hinauf und blieben gelegentlich stehen, wenn Damoniuli ihnen ein Zeichen gab.

Vom oberen Ende der Treppe drang Gelächter zu ihnen. Die Treppenstufen führten in einen kleinen leeren Raum mit kahlen Wänden, der in einen anderen weiterführte. Aus diesem schien das Gelächter zu kommen. Elrako musterte den Raum und entdeckte an den gelblichen Wänden Schimmelflecken. Einige Stellen waren feucht, so als würde es gelegentlich hereinregnen.

»Gleich kommt ein Hund«, warnte Damoniuli leise.

Elrakos Herz zog sich zusammen, als er an seine letzte Begegnung mit dem Hund dachte. Hoffentlich funktionierte Damoniulis Plan, und hoffentlich stand Damoniuli wirklich zu ihnen.

Tatsächlich war kurz darauf das nahende Schnüffeln eines Hundes zu vernehmen. Er fing leise an zu knurren. Das war Damoniulis Einsatz. Bevor das Knurren des Hundes lauter werden konnte, schwebte er über das Tier hinweg und dann mehrere Kreise um es herum. Verwirrt sah der Vierbeiner dem rosa Ball nach. Ein bläulicher Rauchkreis schloss sich um ihn, und langsam trottete das Tier zurück zu seinem Herrchen. Bald schon würde er einschlafen.

Leise schlichen sie weiter und blieben immer wieder in der Deckung einer Mauer stehen. Schließlich standen sie an der Mauer, hinter der die Männer saßen. Der Eingang zu ihrem Raum war weniger als einen Meter von Elrako entfernt. Elrako hatte Angst, sich zu bewegen, weil er befürchtete, sein Schatten könnte ihn verraten, wenn er zu nahe am Durchgang stand.

Damoniuli berichtete ihnen, was auf der anderen Seite der Mauer wartete. Die Hunde waren alle eingeschlafen, und drei Männer, die Karten spielten, saßen an einem Tisch. Zwei Dämonen befanden sich im Raum.

Der Plan war klar. Furgal und er würden sich die Menschen vorknüpfen müssen, während Damoniuli gegen die Dämonen antreten würde.

Damoniuli flog voran durch den türlosen Durchgang, unsichtbar für menschliche Augen, doch sichtbar für seine Beschwörer und die anderen Dämonen. Diese warnten ihre Herren, und schon bald hörten Elrako und Furgal erste zischende Geräusche. Es schien, als wäre der Tisch umgestoßen worden, und ein Fluchen war zu hören. Damoniuli stieß einen hellen Pfiff aus, und Elrako und Furgal stürmten mit erhobenen Schwertern aus ihrem Versteck.

Die Männer sahen sie erschrocken an. Doch nach ihrer anfänglichen Überraschung zückten sie ebenfalls längliche Messer und sprangen ihnen entgegen. Zum ersten Mal in seinem Leben war Elrako froh darüber, seit frühester Jugend im Militärcamp trainiert zu haben. Er parierte die Hiebe eines Feindes und schaffte es seinerseits, ihn in die Enge zu treiben. Allerdings musste er aufpassen, schließlich hatten sie es mit drei Feinden zu tun. Einer hatte es auf Furgal abgesehen, der andere auf ihn. Der Dritte war erst jetzt unter dem umgestoßenen Tisch aufgetaucht und schloss sich dem Räuber an, der gegen Elrako kämpfte. Zwar hatte Elrako auch gelernt, wie man sich gegen zwei Gegner verteidigte, doch dies war keine Übung, wo fair gekämpft wurde.

Jetzt trieben ihn seine Gegner in die Enge; er verteidigte sich hauptsächlich, anstatt anzugreifen. Wenn das Metall aufeinandertraf, ertönten krachende Geräusche, die Elrako bekannt vorkamen und doch völlig unbekannt waren. Dies war eine Situation, die er schon so oft erlebt hatte, und doch war sie ganz anders, als zu Hause am Schlosshof. Die Männer hatten trotz der Anstrengung und den konzentrierten Gesichtern ein teuflisches Grinsen aufgesetzt; einer von ihnen lachte sogar. Aus dem Augenwinkel nahm Elrako wahr, wie Furgal den Räuber in die Enge trieb und ihn verletzte. Außerdem beschossen sich Damoniuli und die beiden Dämonen, beide deutlich größer und monströser als er, mit merkwürdigen, bunten Feuerbällen.

Mit Schrecken sah Elrako, dass einer der Dämonen, während er zu einem Sturzflug ansetzte, um einem Feuerball auszuweichen, einen der am Boden schlafenden Hunde weckte, der sofort mit hochgestellten Ohren aufschreckte. Der Hund sah sich um und erblickte Furgal und seinen Herren.

Elrako schwante Übles, deshalb schrie er über die Köpfe seiner Feinde hinweg: »Furgal, Achtung, Hund!« Elrako wusste nicht, ob Furgal ihn gehört hatte oder nicht, denn die Männer vor ihm versperrten ihm die Sicht. Sie griffen wieder an. Jetzt schneller und aggressiver als zuvor. Elrako verfluchte es, dass er nur eine Waffe dabei hatte. Er war ein guter Beidhandkämpfer. Mit zwei Schwertern war es viel einfacher, gegen zwei Feinde zu kämpfen, so war er viel zu langsam. Ab und zu wurde er von ihren Waffen gestreift, doch bis jetzt hatten sie ihm noch keine schlimme Verletzung zugefügt.

Die Männer schienen ihre Taktik ändern zu wollen. Der eine zielte auf Elrakos Kopf, und Elrako hob schützend sein Schwert, als er sah, wie der zweite mit seinem kleinen Messer auf seinen Bauch zielte. Instinktiv hob er sein Bein und trat nach der Hand des Mannes. Ihn überkam eine Mischung aus Triumph und Schmerz, denn tatsächlich verlor der Mann die Kontrolle über seine Waffe und ließ sie los, doch die Klinge durchdrang seinen Schuh und blieb in seinem Fuß stecken. Fluchend versuchte er, nicht mit dem Fuß aufzutreten. Er musste das Messer herausziehen. General Ocktendorf hätte ihn wahrscheinlich angemeckert und seine Taktik strategisch ungünstig genannt. Doch ihm blieb keine Zeit, um groß darüber nachzudenken, denn jetzt musste er sich noch gegen das lange Messer des zweiten verteidigen. Er schlug mit dem Schwert hart auf das Messer ein und versuchte, dem Gegner durch die Wucht seiner Schläge Angst einzujagen, auch wenn er wusste, dass es nicht immer günstig war, mit voller Wucht aufzuschlagen. Aus dem Augenwinkel beobachtete er weiterhin den zweiten, der jetzt nach einer neuen Waffe im Raum suchte.

Elrako stand immer noch auf einem Bein und fluchte innerlich vor sich hin. Ein Schlag des Mannes auf sein Schwert brachte ihn aus dem Gleichgewicht, sodass er stürzte und auf dem Rücken landete. Um sich zu schützen, hieb er von unten nach den Beinen des Mannes. Tatsächlich traf sein Schwert ihn.

Der Mann fluchte, und Elrako nutzte den Moment seiner Unaufmerksamkeit, um sich das Messer aus dem Fuß zu ziehen. Ein brennender Schmerz durchzuckte ihn, doch sein Schrei wurde von einem Schmerzensschrei zu einem Angriffsschrei, denn nun kämpfte er mit zwei Waffen.

Aber sein Gegner war noch über ihm und ließ ihm keine Chance aufzustehen. Sein Gesicht war zu einer roten, verschwitzten, wütenden Fratze geworden, und Elrako musste sich sehr konzentrieren, um seine Schläge abzuwehren. Auf einmal beugte sich der Mann wütend vor und drückte sein langes Messer fest auf Elrakos Schwert. Er drückte mit ganzer Kraft, sodass Elrako fast den Arm sinken lassen musste, doch schnell nahm er den zweiten Arm hinzu und stemmte sein Schwert und das Messer gegen das Gewicht des Schwertes. Seine Arme zitterten.

Elrako sah seine Chance kommen. Mit voller Wucht trat er mit den Beinen nach dem Mann.

Dieser verlor den Halt und fiel nach vorne. Bevor er Elrako unter sich begraben konnte, hatte dieser sich schnell zur Seite gerollt. Doch das lange Messer des Gegners streifte ihn an der Schulter und zerschnitt seinen Ärmel. Es schmerzte, denn auch seine Haut hatte etwas abbekommen, doch Elrako rappelte sich schnell auf und trat dem Mann, bevor dieser aufstehen konnte, mit seinem unverletzten Fuß ins Gesicht.

Dieser stöhnte und versuchte, nach Elrakos Beinen zu schnappen, doch dieser trat ihn erneut, immer wieder, bis er sich nicht mehr wehrte. Dann drehte er sich um.

Furgal kämpfte jetzt gegen den Mann, der zuvor noch gegen Elrako gekämpft hatte; Furgals erster Gegner lag in einer Ecke unter dem Tisch.

Damoniuli kämpfte immer noch gegen die beiden Dämonen. Nun sah Elrako einen Hund, der am Bein blutend aus dem Raum humpelte. Auf dem Boden erblickte er ein paar Flaschen. Einige waren voll, andere leer. Er griff eine der vollen Flaschen und schlug sie Furgals Gegner, der ihm den Rücken zugewandt hatte, auf den Hinterkopf, worauf dieser anfing zu schwanken. Furgal, dessen Schwert gerade das Messer des Mannes abgewehrt hatte, versetzte dem Mann mit seiner freien Faust einen Kinnhaken. Der Mann sackte langsam zu Boden.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Elrako keuchend.

»Nein ...«, erwiderte Furgal. »Dieses Mistvieh hat mich gebissen.« Er nickte in die Richtung, in die der Hund verschwunden war.

»Der da.« Elrako nickte zu dem Mann, der unter dem Tisch lag. »Ist der tot?«

»Keine Ahnung. Damoniuli hat den mit einem Blitz oder so außer Gefecht gesetzt«, antwortete Furgal.

Sie liefen weiter: »Damoniuli, wir müssen hier weg!«

»Rennt schon mal raus, ich folge!«, antwortete der Dämon konzentriert.

Die beiden Jungen rannten um ihr Leben, da sie vermuteten, dass die Männer nicht lange am Boden liegen würden. Elrako wusste nicht mal, ob sie überhaupt alle bewusstlos waren. Alles, was er wusste, war, dass er ohne seinen Kampfkurs verloren gewesen wäre, so sehr ihm das auch missfiel.

Sie fanden hinter einer Tür eine weitere Treppe und rannten diese hoch, um dort eine weitere Treppentür aufzureißen und ins Freie zu stolpern. Sie blieben nicht stehen, sondern rannten weiter. Sie befanden sich in einer dunklen Straße, in der sich ein altes dunkles Haus ans nächste reihte, unterbrochen nur hin und wieder von einigen trist aussehenden Palmen. Einige Straßen weiter entdeckten sie jedoch beleuchtete Häuser, und Geräusche, als Zeichen von Leben, drangen zu ihnen herüber.

Instinktiv rannten die Jungen in die Richtung des Lichts. Erst als sie nach mehreren Straßen und Ecken in einer von Straßenlaternen beleuchteten Straße mit vielen Menschen standen, verlangsamten sie ihr Tempo.

Die Straße war voller Leben und Geräusche. Hauptsächlich betrunkene oder angetrunkene Leute liefen die Straße in Gruppen oder alleine entlang. Bei den erleuchteten Häusern handelte es sich fast ausschließlich um Gasthäuser und Kneipen. Da das Wetter gut war, saßen viele Gäste auf langen Bänken draußen und schwenkten dort ihre Bierkrüge.

Elrako und Furgal näherten sich einer Hauswand, die leicht im Schatten des Geschehens stand. Elrako lehnte sich mit einem unterdrückten Stöhnen gegen die Wand, während Furgal zu Boden sank.

Elrako hörte ihn leise fluchen und sah ihn sein Bein umfassen. Erst jetzt erkannte Elrako, dass die Hose seines Freundes an einer Stelle in Fetzen zerrissen und blutgetränkt war. Der Hund musste fest zugebissen haben. Furgal musste sich den ganzen Weg lang unter riesigen Schmerzen fortbewegt haben. Dagegen musste Elrakos pochender Schmerz am Fuß wohl ein Mückenstich sein. Auch seine Schulter, die leicht blutete, schien ihm unwichtig. Stattdessen beugte er sich zu Furgal herunter und fragte: »Kann ich etwas tun?«

Furgal schüttelte den Kopf und umklammerte nur weiter sein schmerzendes Bein. Elrako blickte an seinem Arm hinunter, sein Ärmel war zerfetzt und fast abgetrennt. Kurzentschlossen riss er den Ärmel ganz ab und reichte ihn Furgal: »Kannst du damit dein Bein verbinden?«

Furgal antwortete nicht, aber mit schmerzerfülltem Gesicht band er den Stoff um sein Bein.

Erst jetzt schossen Fragen durch Elrakos Kopf: Würde Damoniuli sie finden? Würde er überleben? Würde bald jemand auf sie aufmerksam werden?

Doch sie wurden nicht beachtet. Die meisten widmeten sich ihren Getränken, Gesprächen, Bekannten oder vorbeilaufenden Frauen. Irgendwo in ihrer Nähe fingen zwei Männer eine Schlägerei an und zogen alle Aufmerksamkeit auf sich, während sich ein Kreis von Schaulustigen um sie herum bildete. Der Kreis rülpste, grölte, klatschte, buhte und stampfte wild durcheinander.

Elrako lehnte seinen Kopf gegen die Wand und atmete schwer ein und aus.

Er war völlig außer Atem. Das Adrenalin, welches ihm zuvor übermenschliche Schnelligkeit verliehen hatte, wich nun langsam von ihm, dadurch spürte er nun all den Schmerz und die Erschöpfung.

Jetzt auch wurde ihm bewusst, wie hungrig er war. Sein Magen machte sich knurrend bemerkbar, doch Elrako konnte ihn jetzt nicht beachten. Er war froh, am Leben zu sein, doch er machte sich Sorgen um Furgal und um Damoniuli.

Er versuchte weiterzudenken. Vor seinem geistigen Auge sah er eine Karte vor sich und überlegte, wo sie waren. Alles, was er wusste, war, dass er in Elkravira war, in der Nähe eines Hafens. Das konnte überall sein. Inständig hoffte er, dass sie sich nicht im Süden Elkraviras befanden, sondern noch an der Ostküste. Er zweifelte daran, dass sie bereits die Westküste erreicht hatten, denn das hätte sicherlich länger gedauert. Doch selbst die Westküste war ihm lieber als der Süden. Im Süden zu sein bedeutete, dass sie erst ganz Elkravira durchlaufen müssten, um zurück nach Saranda zu gelangen.

Elrako hatte keine Ahnung, wie lange sie dort gesessen hatten, als Damoniuli auftauchte. Er musste leicht eingenickt sein, denn als Damoniuli vor ihm aufschwebte, schreckte er zusammen.

»Wir müssen weiter. Ich hab die Dämonen verwundet, aber einer von ihnen ist uns auf den Versen!«

»Und der zweite?«

»Der bleibt bei seinen Meistern.«

Stöhnend rappelte sich Elrako auf. Jetzt spürte er auch seinen Fuß. Er half Furgal auf die Beine, der sehr blass aussah. »Damoniuli, ein Hund hat ihn gebissen«, sagte Elrako leicht verzweifelt, doch Furgal fuhr dazwischen: »Das geht schon.«

Trotzdem stützte Elrako seinen Freund, und sie liefen los. Damoniuli schwebte voran, drehte sich aber zu ihnen um: »Wo wollt ihr überhaupt hin?«

»Ich weiß noch nicht einmal wo wir sind«, klagte Elrako.

»Im Südwesten Elkraviras«, antwortete Damoniuli.

Elrako stöhnte auf. »Dann dauert es ja noch ewig. Wir müssen nach Saranda.«

Damoniuli dachte nach: »Da kommen wir hin, wenn wir immer der Küste nach Norden folgen.«

»Aber wie lange dauert das?«, fragte Elrako verzweifelt.

»Wenn wir in dem Tempo vorankommen, dann dauert es eine Weile«, antwortete Damoniuli ausweichend. »Dein Freund müsste schneller laufen.«

Entweder war Furgal zu müde zum Sprechen, oder Damoniuli sprach mit ihm in der Sprache, die nur sie beide verstanden. Niedergeschlagen fragte Elrako: »Aber was kann ich denn tun?«

»Jetzt erstmal weiterlaufen, sonst holt der Dämon uns noch ein. Vielleicht geht es ihm ja morgen schon wieder besser. Etwas Besseres weiß ich auch nicht«, murmelte der Dämon.

»Sonst brauchen wir einen Arzt«, sagte Elrako.