Kapitel 62 – Auf dem Weg

Tzandari und seine Männer hatten sich in Bewegung gesetzt und mit ihnen Synarek. Alle erwarteten es von ihm, der doch ein Soldat bei der Schlacht von Wrang-ba war, dass er nach Moridi mitreiste, doch in Wahrheit waren die grauen Felder immer noch sein eigentliches Ziel.

Wie Synarek erwartet hatte, reisten sie in Richtung Porli. Obwohl Synarek sich nie für Saranda interessiert hatte, war er doch gespannt, die Hauptstadt zu sehen. In seinem Kopf schwirrten ganz andere Gedanken: Vielleicht, wenn er nach Flabka zurückkehrte und wichtige Informationen über Sarandas Hauptstadt mitbrachte, würde man seinen Wert als Spion erkennen und ihm einen höheren Posten geben, auf der Festung oder sonstwo, und dann würde ihn keiner mehr übel behandeln ..., und selbst wenn, mittlerweile wusste er sich ja zur Wehr zu setzen. Sein Blick wanderte wieder zu Tzandari, der neben ihm auf dem Karren saß: Diesen Mann umgab ein Geheimnis und eine rebellische Aura ..., wenn Synarek Flabka von ihm berichtete, vielleicht würde man mit ihm verhandeln können. Allerdings schien Tzandari Synarek eher wie ein Mann, der zu seinem Land steht, als einer, der es verrät, selbst wenn er gegen den König war.

»Tzandari, wie weit würdest du gehen, um dem König zu schaden?«, fragte Synarek abrupt und unterbrach damit die Stille, die seit dem späten Nachmittag herrschte, denn alle waren müde. Viele gingen zu Fuß, und es wurde abgewechselt, wer lief und wer fuhr. Tzandari sah Synarek leicht schläfrig an: »Was meinst du damit, Synarek?«

»Na ja ...« – Synarek zuckte mit den Achseln – »du würdest doch nicht ... eine Allianz mit Flabka eingehen ... oder?«

Tzandari lachte: »Um Himmels Willen: Nein!« Dann wuschelte er durch Synareks Haar: »Junge, was denkst du nur? Ich liebe mein Land. Ich will nicht dem König schaden, sondern unser Land retten! Du brauchst keine Angst vor uns zu haben, nur weil wir Rebellen sind.« Er lachte.

Synarek lächelte verlegen: »Hat mich nur mal so interessiert.« Hmpf, dachte er, Na ja, man kann ihn ja immer noch gefangennehmen. Bei dem Gedanken verspürte Synarek ein schlechtes Gewissen. Wie konnte er so über seinen Retter in der Not denken? Aber sie waren Feinde! Wüsste er, dass ich in Wirklichkeit Flabkaner bin, würde er mich doch auf der Stelle töten, dachte Synarek aufgebracht. Wieso sollte ich dann nicht so denken? Er zögerte. Vielleicht sollte er eine Ausnahme machen und Tzandari verschonen. Zurückkehren und darüber schweigen. Sei nicht so kindisch, fauchte er sich innerlich an, Die Dämonen werden doch eh alles aus dir herauskriegen, falls du gefragt wirst, und du bringst dich nur in Schwierigkeiten, wenn du etwas verschweigst. Oder auch nicht ... Synarek dachte an seine Kräfte. Vielleicht würde er es schaffen, die Dämonen auszutricksen.

Tzandari riss ihn aus seinen Überlegungen: »Du siehst nachdenklich aus.«

»Ähm ...«, brachte Synarek hervor. »Bin nur müde.«

»Ah ja, ich auch.« Tzandari lehnte sich zurück. »Versuch, ein wenig zu schlafen!«

Synarek nickte und sah aus dem Augenwinkel im Halbdunkeln Cas, Tzapadil und ein paar andere Menschen. Die meisten schliefen. Zumindest glaubte Synarek das.

»Du weißt, dass du jederzeit sagen kannst, dass du nach Wrang-ba zurück willst«, sagte Tzandari vorsichtig.

Für einen Moment wusste Synarek nicht, was Tzandari meinte, dann erinnerte er sich, dass das Gebiet der Schlacht Wrang-ba hieß.

»Nein, nein. Moridi ist schon gut« – er lächelte schwach – »ich bin neugierig auf den geheimen Rat. Ich mochte Schnulz ja auch nicht. Außerdem ... kann ich jederzeit von Moridi nach Wrang-ba, nicht wahr?«

Tzandari nickte.

Nach einem kurzen Schweigen fragte Synarek: »Wird es denn Probleme geben, wenn wir in Wrang-ba ankommen?«

»Du meinst, wenn ich in Wrang-ba bin?«

Synarek nickte.

Tzandari lachte: »Du stellst viele Fragen, Synarek.« Er überlegte einer Weile, dann sagte er: »Nun, viele kennen meinen Namen sicherlich nicht mehr, und das Gute ist« – er grinste – »keiner kann mir etwas Konkretes vorwerfen, da keiner genau weiß, was ich getan habe.«

Synareks Neugier war geweckt. Vielleicht sagte Tzandari jetzt endlich einmal selbst etwas dazu: »Was war es denn?«, fragte er so beiläufig wie möglich.

»Wie wäre es, wenn ich dir zur Abwechslung mal eine Frage stelle?«, wich Tzandari seiner Frage aus.

»Wie wär’s, wenn wir uns abwechselnd eine Frage stellen?«, war Synareks Gegenvorschlag.

»Ein Junge wie du hat sicherlich keine so schwarze Vergangenheit wie ich«, sagte Tzandari amüsiert, und Synarek hätte beinahe laut gelacht, stattdessen fragte er: »Also, deal done?«

Doch noch bevor Tzandari etwas erwidern konnte, hielt ihr Karren an, und Tzandari sah überrascht aus: »Was gibt’s?«

Ein junger Mann steckte den Kopf herein: »Keine Sorge, wir wechseln nur den Kutscher weiter vorne.«

»Gibt es etwas für mich zu tun?«, fragte Tzandari.

»Wenn du Lust hast, kannst du sicher einen Karren oder eine Kutsche lenken.« Der Mann zuckte mit den Achseln, und Tzandari sprang ab: »Wir reden später weiter, Synarek.«

Jaja, dachte Synarek, ich krieg dich schon noch. Dann schloss er die Augen und versuchte zu schlafen.

Als Synarek erwachte, war bereits der nächste Morgen angebrochen. Er öffnete die Augen, helles Sonnenlicht blendete ihn. Er kniff die Augen zusammen und hielt schützend die Hand vor sein Gesicht.

»Du hast doch keine Angst vor der Sonne, oder?« Cas lachte. »Ein bisschen Farbe könnte dir mal ganz gut tun.«

Synarek gab einen undeutlichen Laut von sich und wandte der Sonne den Rücken zu. Cas musterte ihn im Sonnenlicht: »Gott, du bist echt blass! Hast wohl nicht viel Sonne abbekommen in den letzten Jahren.«

Synarek zuckte nur mit den Achseln.

Cas’ Blick ruhte für eine Weile auf ihm, schließlich sagte sie lächelnd: »Es ist nicht mehr weit. Wir sind ohne anzuhalten durchgefahren und haben Porli fast erreicht.«

»Hört sich gut an«, lachte er.

»Du warst sicherlich schon mal in Porli, nicht wahr? Im Ausbildungscamp?«

»Klar«, log Synarek, »aber ich kenn mich trotzdem nicht gut aus«, ergänzte er noch schnell.

»Bist wohl nicht oft aus dem Camp gekommen, was?«

Synarek nickte: »Man kommt doch nie oft genug raus.« Was rede ich da?, fragte er sich.

Sie schwiegen für eine Weile, und Synarek wusste nicht, was er sagen sollte. Verlegen kratzte er sich hinter seinem linken Ohr, dann fragte er Cas schließlich: »Was hat Tzandari verbrochen?« Die Frage kam ganz abrupt, und Cas sah ihn irritiert an: »Verbrochen?«

»Alle reden darüber, und keiner weiß es«, sagte Synarek, dann griff er zu dem ersten Gerücht, das ihm einfiel: »Was hat er aus dem Schloss gestohlen?«

Cas lachte: »Wer hat denn das erzählt?«

Synarek musterte sie genau. Lachte sie, weil es tatsächlich so lustig war oder weil sie nervös wurde unter seinem fragenden Blick.

Er zuckte die Achseln. »Hab ich so gehört.«

Cas wurde wieder ernst: »Und, was glaubst du, was es ist?«

Synarek überlegte: »Es scheint etwas ziemlich Übles zu sein, wenn keiner drüber redet ..., und doch ist es nicht schlimm genug, um ihn zu verurteilen.«

Cas bewegte ihre Lippen, sagte jedoch nichts.

Synarek wartete ab.

»Wenn du es wüsstest …« – sie lächelte – »würdest du vielleicht vieles mit anderen Augen betrachten.«

»Zum Beispiel?«

»Uns.« Sie lächelte, dann stand sie auf, doch bevor Synarek noch weiter fragen konnte, rief sie nach Jenna, einer Freundin, die kurz darauf zu ihnen in den Karren sprang.

Synarek wusste, dass das bedeutete, dass das Thema für sie beendet war. Wieso waren sie alle nur so stur? Plötzlich fiel ihm wieder Tzapadil ein, ihr Sohn! Der musste es doch wissen, oder? Und vielleicht war er einfacher auszuquetschen als seine Eltern, aber bis dahin musste er ihn finden. Wo war er nur? Geduld Synarek, sagte er sich, du hast in Porli noch alle Zeit der Welt, diesen Jungen auszufragen. Lass ihnen etwas Zeit ...

Kurz darauf erreichten sie Porli.